BGer 5P.346/2005 | |||
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BGer 5P.346/2005 vom 15.11.2005 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5P.346/2005 /bnm
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Urteil vom 15. November 2005
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II. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
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Gerichtsschreiber Schett.
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Parteien
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X.________ (Ehefrau),
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Fürsprech Friedrich Affolter,
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gegen
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Y.________ (Ehemann),
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Beschwerdegegner,
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vertreten durch Fürsprecher Peter Hollinger,
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Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, Postfach 7475, 3001 Bern.
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Gegenstand
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Art. 8 und 9 BV (Prozesskostenvorschuss im Scheidungsprozess),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, vom 15. August 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ (Ehefrau) und Y.________ (Ehefrau) leben seit dem 1. November 2000 getrennt. Ihre beiden Kinder V.________ und W.________ sind inzwischen erwachsen. Am 21. Dezember 2004 reichten sie beim Gerichtskreis XI Interlaken-Oberhasli das gemeinsame Scheidungsbegehren ein und ersuchten um die Regelung der Nebenfolgen. Mit Entscheid vom 22. Juni 2005 verpflichtete die Gerichtspräsidentin 2 X.________ zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses für das laufende Scheidungsverfahren an Y.________ in der Höhe von Fr. 5'500.--. Die von X.________ dagegen erhobene Appellation wurde vom Obergericht des Kantons Bern am 15. August 2005 abgewiesen.
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B.
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X.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen und des erstinstanzlichen Entscheides.
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Mit Verfügung vom 7. Oktober 2005 erkannte der Präsident der II. Zivilabteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
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In der Sache ist keine Antwort eingeholt worden.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Die Verpflichtung, dem andern Ehegatten für das Scheidungsverfahren einen Prozesskostenvorschuss zu leisten, stellt einen Zwischenentscheid mit einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar (Art. 87 Abs. 2 OG). Damit erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als grundsätzlich zulässig. Soweit sie sich indes nicht nur gegen den obergerichtlichen sondern auch gegen den erstinstanzlichen Entscheid richtet, ist darauf nicht einzutreten (Art. 86 Abs. 1 OG).
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2.
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Die Beschwerdeführerin bezeichnet den angefochtenen Entscheid als nicht näher begründet. Soweit sie damit die Verletzung der im Anspruch auf rechtliches Gehör verankerten Begründungspflicht rügen sollte, kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar erweist sich der obergerichtliche Entscheid als kurz, indes geht die kantonale Instanz auf alle Vorbringen in der Appellation ein und ihre Entscheidgründe für die Zusprechung eines Prozesskostenvorschusses sind klar. Auf jeden Fall war der Beschwerdeführerin ein sachgerechte Anfechtung möglich (BGE 126 I 97 E. 2b).
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3.
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Nach Ansicht der Beschwerdeführerin verletzt die Prozesskostenvorschusspflicht in Gestalt einer einmaligen Zahlung den Gleichheitsgrundsatz (Art. 8 BV). Ausgehend von ihren Einkommensverhältnissen müsse sie zuerst für den Vorschuss an den Beschwerdegegner sparen, womit ihr keine Mittel für einen Vorschuss an den eigenen Anwalt mehr zu Verfügung stünden. Dadurch könne sie sich die eigene Verbeiständung nicht mehr leisten, weshalb auch der Grundsatz der Waffengleichheit verletzt sei. Diese Rüge richtet sich im Ergebnis gegen die Höhe des auferlegten Prozesskostenvorschusses. Sie ist weder im kantonalen Verfahren erhoben worden, noch wird sie durch die Begründung des angefochtenen Entscheides veranlasst. Damit erweist sie sich als unzulässig.
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4.
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Nach Ansicht des Obergerichts folgt aus der ehelichen Unterhalts- und Beistandspflicht gemäss Art. 159 und Art. 163 ZGB, dass der leistungsfähige Ehegatte seinem bedürftigen Partner im Rahmen des Möglichen einen Prozesskostenvorschuss leisten muss. Soweit eine solche Leistung erhältlich sei, trete die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zurück. Im vorliegenden Fall bestehe kein Zweifel an der Bedürftigkeit des Gesuchstellers. Die Gesuchsgegnerin (Beschwerdeführerin) bestreite die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ausdrücklich nicht. Die Voraussetzungen für die Leistung eines Prozesskostenvorschusses seien damit erfüllt.
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4.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, sie sei - wie bereits bei der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts - voll erwerbstätig und nach wie vor ohne Vermögen. Seit der Trennung im Jahre 2000 sei sie gegenüber dem Beschwerdegegner nicht unterhaltspflichtig. Es bestehe ihm gegenüber auch keine nacheheliche Unterhaltspflicht, da ein klarer Fall von 'clean break' mit Selbstversorgungspflicht vorliege. Bestehe aber keine Unterhaltspflicht, so dürfe kein Prozesskostenvorschuss anhand der Gegenüberstellung ihres Einkommens mit ihrem Existenzbedarf festgelegt werden, wie die Gerichtspräsidentin dies tue. Das Fehlen einer Unterhaltspflicht dürfe auch nicht durch die eheliche Beitragspflicht wettgemacht werden.
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4.2 Soweit sich diese Vorbringen überhaupt gegen den angefochtenen Entscheid und nicht denjenigen der ersten Instanz richten und überdies - wie die sinngemässe Bestreitung der Leistungsfähigkeit durch Hinweis auf das fehlende Vermögen - nicht ohnehin neu sind, ist darauf nicht einzutreten.
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4.3 Das Bundesgericht hat bisher den Prozesskostenvorschuss immer als Ausfluss der eherechtlichen Pflichten verstanden. Dabei hat es sich jeweils auf die Unterhalts- und die Beistandspflicht der Ehegatten gestützt, womit die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege entfalle (BGE 66 II 70 E. 3 S. 71/72; zuletzt: Urteil 5P.395/2001 vom 12. März 2002 E.1, publiziert in FamPra.ch 2002 S. 581). Zu der in der Lehre diskutierten Frage, ob sich die Pflicht zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses aus der in Art. 159 Abs. 3 ZGB statuierten Beistandspflicht oder aus der in Art. 163 ZGB geregelten Unterhaltspflicht ergebe, hat das Bundesgericht bisher nicht Stellung genommen. Die erste Position wird grundsätzlich von Bräm vertreten (Zürcher Kommentar, N. 130 ff. zu Art. 159 ZGB, mit Hinweisen), währenddem für die zweite Position vor allem Hausheer/Reusser/Geiser votieren (Berner Kommentar, N. 38 und 38a zu Art. 159 ZGB, mit Hinweisen).
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Wie die Beschwerdeführerin selber ausführt, kann sich die Begründung des obergerichtlichen Entscheides auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum alten Eherecht stützen, die nach der Lehre auch für das neue Recht gelte (Hinderling/Steck, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 4. Aufl., S. 551 ff. sowie Bräm, a.a.O., N. 134 ff. zu Art. 159 ZGB). Damit kann dem Obergericht zumindest keine Willkür in der Begründung vorgeworfen werden.
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4.4 Zwar wird die Pflicht zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses - neben der Beistandspflicht - auch mit der Unterhaltspflicht nach Art. 163 ZGB begründet. Damit ist jedoch noch nichts über dessen Festlegung im Einzelnen gesagt. Insbesondere kommt der Leistungsfähigkeit des Ansprechers im Unterhaltsrecht eine andere Bedeutung zu als bei der Prüfung des Prozesskostenvorschusses. Ob dem Ansprecher eine berufliche Tätigkeit zuzumuten ist und damit von einem hypothetischen Einkommen auszugehen ist, spielt gegebenenfalls bei der Festlegung des Unterhalts während der Ehe und beim nachehelichen Unterhalt eine Rolle (BGE 130 III 537 E. 3). Demgegenüber ist für die Klärung der Frage, ob dem andern Ehegatten ein Prozesskostenvorschuss zu leisten ist, von dessen tatsächlicher Bedürftigkeit auszugehen. Dem pflichtigen Ehegatten ist auf jeden Fall sein Existenzminimum zu belassen (BGE 103 Ia 99 E. 4 S. 101).
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Nach dem Gesagten spielt es keine Rolle, dass die Beschwerdeführerin während der Scheidung keinen Unterhalt an den Beschwerdegegner zahlt und ob sie dazu gemäss Art. 125 ZGB allenfalls für die Zeit nach der Scheidung verpflichtet wird oder nicht. Zudem werden die Fälle selten sein, bei denen bereits im Zeitpunkt der Festsetzung des Prozesskostenvorschusses die künftige Unterhaltspflicht abschliessend beurteilt werden kann. Entscheidend ist, dass die Ehegatten zumindest während der Ehe grundsätzlich zu gegenseitigem Unterhalt und Unterstützung verpflichtet sind. Damit kann die Frage nach der Rechtsnatur des Prozesskostenvorschusses offen gelassen werden.
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4.5 Wollte man die Pflicht zur Zahlung des Prozesskostenvorschusses ausschliesslich mit der Beistandspflicht nach Art. 159 ZGB begründen, so müsste eine solche Leistung dem pflichtigen Ehegatten zumutbar sein. Auf jeden Fall wäre auch hier seine Leistungsfähigkeit zu beachten und ihm sein Existenzminimum zu belassen (Hausheer/Reusser/ Geiser, a.a.O., N. 27 zu Art. 159 ZGB). Damit kann keine Rede davon sein, dass bei Fehlen einer Unterhaltspflicht auch keine Beistandspflicht besteht, womit jede Grundlage für einen Prozesskostenvorschuss wegfiele, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Der angefochtene Entscheid erweist sich damit auch im Ergebnis nicht als unhaltbar.
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5.
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Nach dem Gesagten ist der staatsrechtlichen Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 15. November 2005
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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