BGer 4C.292/2005 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer 4C.292/2005 vom 23.11.2005 | |
Tribunale federale
| |
{T 0/2}
| |
4C.292/2005 /ruo
| |
Urteil vom 23. November 2005
| |
I. Zivilabteilung
| |
Besetzung
| |
Bundesrichter Corboz, Präsident,
| |
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
| |
Bundesrichter Favre, Bundesrichterin Kiss,
| |
Gerichtsschreiber Arroyo.
| |
Parteien
| |
Bank X.________,
| |
Beklagte und Berufungsklägerin,
| |
vertreten durch Herrn Alex Wittmann und
| |
Frau Michèle Stutz,
| |
gegen
| |
A.________,
| |
Kläger und Berufungsbeklagten,
| |
vertreten durch Herrn Dr. Peter Altorfer und
| |
Frau Dr. Kristina Tenchino-Kuzmic.
| |
Gegenstand
| |
Freigabe eines Depots, Aufhebung der Sperre, Gerichtsstand,
| |
Berufung gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Juni 2005.
| |
Sachverhalt:
| |
A.
| |
A.________ (Kläger und Berufungsbeklagter) ist seit vielen Jahren im Bereich der professionellen Vermögensverwaltung tätig und Gründer der B.________ AG. Am 19. September 2000 eröffnete der Kläger bei der Bank X.________ Genf (Beklagte und Berufungsklägerin), der Schweizer Tochter des Bankenkonzerns XL.________, ein Konto/Depot. Mit dem Antrag auf Kontoeröffnung unterzeichnete der Kläger gleichzeitig auch die entsprechenden AGB der Beklagten, ein Mandat für die Treuhandverwaltung von Anlagen sowie einen Pfandvertrag.
| |
Mit Kaufvertrag vom 25. September 2000 und nachfolgend ausgeübter Option veräusserte der Kläger die Aktien der B.________ AG an die Beklagte. Die Beklagte überwies den Kaufpreis auf das Konto/Depot des Klägers. Die Parteien diskutierten in der Folge über einen Rückkauf der Aktien der B.________ AG und unterzeichneten am 2. April 2004 diesbezüglich eine "lettre d'intention". Die Beklagte sieht darin einen verbindlichen Kaufvertrag, während der Kläger von einer Absichtserklärung ausgeht. Die Beklagte verlangt vom Kläger Schadenersatz wegen Nichterfüllung des behaupteten Kaufvertrags über die Rückübertragung der Aktien der B.________ AG. Ausserdem leitet die Beklagte eine Forderung gegen den Kläger aus einer von ihr der C.________ AG abgegebenen Garantie ab. Für beide Forderungen macht die Beklagte gestützt auf die Pfandvereinbarung vom 19. September 2000 ein Pfandrecht geltend. Im Juli 2004 blockierte sie das klägerische Konto/Depot.
| |
B.
| |
Am 16. Dezember 2004 gelangte der Kläger an das Handelsgericht des Kantons Zürich mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, die verfügte Sperre auf dem Wertschriftendepot Nr. 0000 innert 24 Stunden nach Rechtskraft des Urteils aufzuheben und das Depot vollumfänglich freizugeben (unter Androhung der Bestrafung nach Art. 292 StGB und unter Vorbehalt des Nachklagerechts).
| |
Die Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit mit der Begründung, die Parteien hätten in sämtlichen Verträgen den Gerichtsstand Genf vereinbart. Im Aktienkaufvertrag vom 25. September 2000 hatten die Parteien Folgendes festgehalten:
| |
"In the event of a dispute between the parties relating to the validity, interpretation or implementation of this agreement or resulting therefrom, each party will endeavour to settle the matter amicably. Should an amicable solution not have been reached two months after the dispute has been raised by one party, each party will be free to bring the case before the Courts of the Canton of Geneva to which the parties hereby irrevocably submit."
| |
Das am 19. September 2000 unterzeichnete Mandat für Treuhandanlagen enthält folgende (fettgedruckte) Klausel: "Ausschliesslicher Gerichtsstand für alle Rechtsverfahren ist Genf". Die Pfandurkunde vom 19. September 2000 sieht Folgendes vor: "Für jede Anfechtung sind ohne Vorbehalt des Wohnsitzes der Parteien die Gerichte des Kantons Genf zuständig". Die am 19. September 2000 unterzeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sahen als ausschliesslichen Gerichtsstand Genf vor. Die AGB der Beklagten vom März 2002 bestimmen schliesslich: "[...] Gerichtsstand ist der Ort des Sitzes der Bank."
| |
C.
| |
Mit Beschluss vom 9. Juni 2005 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten ab. Das Gericht folgte der Ansicht des Klägers nicht, dass der vorliegende Fall einen Konsumentenvertrag zum Gegenstand habe und daher die Gerichtsstandsklauseln gemäss Art. 9 Abs. 1 und Art. 22 GestG ungültig seien. Es kam indessen zum Schluss, die aktuelle Fassung der AGB der Beklagten enthalte einen Gerichtsstand am Ort der Zürcher Niederlassung.
| |
D.
| |
Die Beklagte beantragt mit Berufung vom 13. Juli 2005, der Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Juni 2005 sei aufzuheben und auf die Klage sei nicht einzutreten. Sie rügt, die Vorinstanz habe bundesrechtliche Zuständigkeitsbestimmungen verletzt, indem sie bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip vom klaren Wortlaut der Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 9 GestG abgewichen sei.
| |
E.
| |
Der Kläger beantragt in der Antwort die Abweisung der Berufung. Er hält daran fest, dass der Konsumentengerichtsstand nach Art. 22 GestG anwendbar sei.
| |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
| |
1.
| |
Gemäss Art. 49 Abs. 1 OG ist die Berufung gegen selbständige Vor- und Zwischenentscheide der in Art. 48 Abs. 1 und 2 bezeichneten Instanzen über die Zuständigkeit zulässig wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die sachliche, örtliche oder internationale Zuständigkeit.
| |
Die Berufung richtet sich gegen den Entscheid des Handelsgerichts, mit dem die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten abgewiesen und sinngemäss die Zuständigkeit des Handelsgerichts bejaht worden ist. Dabei handelt es sich um einen selbständigen Vorentscheid über die örtliche Zuständigkeit. Die Berufung ist in der vorliegenden Zivilrechtsstreitigkeit zulässig, da das Handelsgericht als obere kantonale Instanz letztinstanzlich entschieden hat (Art. 48 Abs. 1 OG) und der Streitwert Fr. 8000.-- übersteigt (Art. 46 OG). Die Beklagte rügt, die Vorinstanz habe ihre Zuständigkeit bundesrechtswidrig bejaht, da sie eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung falsch ausgelegt und diese entgegen Art. 9 GestG nicht beachtet habe.
| |
2.
| |
Soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht, können die Parteien für einen bestehenden oder für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren. Geht aus der Vereinbarung nichts anderes hervor, so kann die Klage nur am vereinbarten Gerichtsstand angehoben werden (Art. 9 Abs. 1 GestG).
| |
2.1 Die Vorinstanz hat die Gerichtsstandsvereinbarung in den AGB der Beklagten vom März 2002 als massgebend erachtet, die Folgendes bestimmt: "Erfüllungsort, Betreibungsort für Kunden mit Domizil im Ausland und Gerichtsstand ist der Ort des Sitzes der Bank." Sie kam zum Schluss, dass der Kläger nach Treu und Glauben als "Sitz" den Ort der Zweigniederlassung Zürich habe verstehen dürfen. Die Beklagte - deren Sitz unbestritten in Genf liegt - rügt, die Vorinstanz habe damit die Klausel bundesrechtswidrig entgegen dem klaren Wortlaut ausgelegt.
| |
2.2 Der Kläger macht in der Antwort zunächst wie schon vor der Vorinstanz geltend, Art. 21 und 22 GestG sähen für die hier umstrittenen Verträge eine Regelung vor, welche zur Ungültigkeit der in den Vereinbarungen vom 19. und 25. September 2000 enthaltenen Gerichtsstandsklauseln führe. Die Vorinstanz hat verneint, dass die umstrittenen Verträge als Konsumentenverträge zu qualifizieren sind; sie hat daher die Gerichtsstandsbestimmung gemäss AGB 2002 der Beklagten unbesehen um Art. 21 f. GestG als gültig erachtet.
| |
2.2.1 Nach Art. 39 GestG bestimmt sich die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach bisherigem Recht, wenn sie vor Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffen worden ist. Das GestG ist am 1. Januar 2001 und somit nach dem Abschluss der umstrittenen Gerichtsstandsvereinbarung im September 2000 in Kraft getreten; insofern stehen Art. 21 f. GestG der Gültigkeit nicht entgegen (vgl. Dasser, in: Müller/Wirth [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, Zürich, 2001 N. 6 ff. zu Art. 39; Reetz, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen [GestG], Basel 2001, N. 6 ff., insb. N. 8 zu Art. 39). Immerhin gilt eine altrechtlich gültige Gerichtsstandsvereinbarung nur insoweit weiter, als nach Inkrafttreten des GestG keine Vertragsanpassung erfolgt ist, wozu auch die Zustellung neuer allgemeiner Geschäftsbedingungen zählt (Walther, in: Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, Bern, 2005, N. 9 zu Art. 39; Koller-Tumler, E-Banking und Konsumentenschutz, in Wiegand [Hrsg.], Berner Bankrechtstag 2001, S. 177). Die Beklagte hat im Jahre 2002 und damit nach Inkrafttreten des GestG ihre AGB neu formuliert und diese AGB 2002 dem Kläger zugestellt. Es ist somit nach Inkrafttreten des GestG eine Vertragsanpassung erfolgt. Die Vorinstanz hat die Vereinbarkeit der - in den AGB 2002 der Beklagten neu formulierten - Gerichtsstandsklausel zu Recht materiell auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 21 f. GestG geprüft.
| |
2.2.2 Als Konsumentenverträge gelten nach Art. 22 Abs. 2 GestG Verträge über Leistungen des üblichen Verbrauchs, die für die persönlichen oder familiären Bedürfnisse des Konsumenten oder der Konsumentin bestimmt sind und von der anderen Partei im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit angeboten werden. Der Verbraucher- oder Konsumentenvertrag lässt sich nicht in das übliche Schema der Vertragsarten eingliedern. Entscheidend ist vielmehr, dass der Vertrag zwischen einem gewerbsmässigen Anbieter und einem Verbraucher geschlossen wird, zu dessen privaten Bedarf die vertragliche Leistung bestimmt ist. Für die Umschreibung des Konsumentenvertrags ist daher der besondere Schutzzweck der im Interesse des Konsumenten erlassenen Bestimmung massgebend (BGE 121 III 336 E. 5d mit Hinweisen). Insofern ist im Gerichtsstandsgesetz aus Gründen des Sozialschutzes neu ein allgemeiner Klägergerichtsstand eingeführt worden (Art. 22 Abs. 1 lit. a GestG; Brunner in Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], a.a.O., N. 3 zu Art. 22; Walther, a.a.O., N. 1, 7 ff. zu Art. 22; Gross in Müller/Wirth [Hrsg.], a.a.O., N. 25 f. zu Art. 22). Der Anwendungsbereich ist eng zu verstehen, denn der Sozialschutz beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers ausschliesslich auf private Abnehmer und auf Leistungen des üblichen Bedarfs (Brunner, a.a.O., N. 5 ff. zu Art. 22; Gross, a.a.O., N. 28 zu Art. 22; Walther, a.a.O., N. 12 f.).
| |
2.2.3 Die Anwendung des teilzwingenden Gerichtsstandes gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a GestG hängt nach dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 GestG davon ab, dass der Vertrag "Leistungen des üblichen Verbrauchs" zum Gegenstand hat. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollte damit der Konsumenten-Gerichtsstand eingeschränkt werden auf Verträge, deren Gegenstand den Rahmen des üblichen Konsums nicht sprengt und es sollten auch für private Abnehmer insbesondere Verträge ausgeschlossen werden, die Investitionen zum Gegenstand haben (Donzallaz, Commentaire de la loi fédérale sur les fors en matière civile, Bern 2001, N. 48 zu Art. 22; Gross, a.a.O., N. 66 f., 109 ff. zu Art. 22; Walther, a.a.O., N. 19 zu Art. 22; Brunner, a.a.O., 15 f. zu Art. 22). Für die zuständigkeitsbestimmende Voraussetzung der Üblichkeit des Konsums sind praktikable Richtlinien anzustreben, die sich etwa an der Art des Geschäfts orientieren (Donzallaz, a.a.O., N. 48, 53 zu Art. 22; Koller-Tumler, a.a.O., S. 174; Gross, a.a.O., N. 66 f., 134 f. zu Art. 22). Immerhin kann der übliche Bedarf - soll die gesetzgeberische Intention nicht durch eine ausdehnende Interpretation unterlaufen werden - nicht unbesehen des Wertes des Vertragsgegenstandes bestimmt werden (Gross, a.a.O., N. 126 f. zu Art. 22; vgl. auch Koller-Tumler, a.a.O., S. 175). Für Verträge über Finanzdienstleistungen ist daher nicht allein nach der Art und dem Zweck des Geschäfts zu beurteilen, ob eine Leistung des üblichen Bedarfs vorliegt. Vielmehr ist auch das Geschäftsvolumen von Bedeutung (vgl. Gross, a.a.O., N. 175 ff. zu Art. 22). Schliesslich kann von den Umständen des Einzelfalles nicht abgesehen werden für die Beurteilung, ob ein Geschäft den Rahmen des üblichen Bedarfs sprengt (vgl. wohl etwas zu weitgehend Walther, a.a.O., N. 34 f. zu Art. 22).
| |
2.2.4 Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, wenn er vorbringt, für die Qualifikation eines Konsumentenvertrags im Sinne von Art. 22 Abs. 2 GestG sei allein entscheidend, ob er im Verhältnis zur Beklagten (gewerbsmässige Anbieterin) als Konsument zu qualifizieren sei. Die Vorinstanz hat vielmehr bundesrechtskonform geprüft, ob das umstrittene Vertragsverhältnis sich noch im Rahmen des üblichen Gebrauchs bzw. Bedarfs hält oder ob es insbesondere einer Investition oder der Geldanlage dient, welche diesen Rahmen sprengt. Sie hat festgestellt, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben einen namhaften Betrag in Wertschriften und flüssigen Mitteln hinterlegt hatte, die er nach Möglichkeit zu erhalten und zu verwalten beabsichtige. Sie hat insbesondere deshalb geschlossen, der Gegenstand der Vertragsleistung halte sich nicht mehr im Rahmen eines üblichen Gebrauchs im Sinne von Art. 22 Abs. 2 GestG, weil die dadurch gezogene wertmässige Schranke überschritten sei und auch die Umstände der Depoteröffnung und der Vertragsabwicklung gegen einen Vertrag im Rahmen des üblichen Geschäftsganges eines Privathaushaltes sprächen. Die Dienstleistungen der Beklagten, die nach den Bemerkungen des Klägers in der Konto- und Depotführung sowie der Abwicklung des Zahlungs- und Wertschriftenverkehrs bestehen, schliessen zwar ihrer Art nach einen Vertrag im Sinne von Art. 22 Abs. 2 GestG nicht aus. Sie haben jedoch angesichts des Volumens sowie der Herkunft der Mittel (aus dem Verkauf des Unternehmens des Klägers an die Beklagte) nicht den üblichen Verbrauch zum Gegenstand, auf den sich der auf Sozialschutzüberlegungen beruhende Konsumentengerichtsstand gemäss Art. 22 GestG beschränkt. Die Vorinstanz hat die Anwendbarkeit des gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a GestG teilzwingenden Konsumentengerichtsstandes auf die umstrittene Konto-Sperre zutreffend verneint.
| |
2.3 Die Gerichtsstandsklausel lautet in der hier massgebenden Fassung der AGB 2002 der Beklagten wie folgt: "[...] Gerichtsstand ist der Ort des Sitzes der Bank."
| |
2.3.1 Die Vorinstanz ist zwar davon ausgegangen, dass "Sitz der Bank" Genf sei. Sie hat jedoch festgestellt, dass die Beklagte im Jahre 2002 die Formulierung der Gerichtsstandsklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert hat; während zuvor ausdrücklich der Gerichtsstand "Genf" aufgeführt wurde, sei die weniger eindeutige Bezeichnung des Sitzes neu verwendet worden, was eine gewisse Unklarheit geschaffen habe; die hinsichtlich des Gerichtsstandes neu formulierten AGB seien gleichzeitig mit der Neueröffnung der Niederlassung der Beklagten in Zürich im Dezember 2002 den Kunden zugestellt worden; der Kläger habe bereits im Oktober 2002 sein Depot und sein Konto auf die Zweigniederlassung der Beklagten in Zürich übertragen. Die Vorinstanz schloss, der Kläger habe angesichts dieses zeitlichen Zusammenhangs davon ausgehen dürfen, dass der Begriff "Sitz der Bank" entgegen dem Wortlaut sowohl den Hauptsitz als auch die Zweigniederlassung erfasse; der Schluss habe nahe gelegen, dass die Änderung der Gerichtsstandsklausel mit der Gründung der Zweigniederlassung im Zusammenhang stand und die Beklagte damit einen Gerichtsstand am Ort der Zweigniederlassung begründen wollte, zumal sowohl das Gesetz in Art. 935 OR wie auch der Handelsregisterauszug den Ort der Niederlassung als "Sitz" bezeichneten.
| |
Die Beklagte bestreitet, mit der Neuformulierung eine Unklarheit geschaffen zu haben. Sie weist darauf hin, dass es sich beim Kläger überdies um eine geschäftserfahrene Person handelt, der seit Jahren erfolgreich im Bereich der professionellen Vermögensverwaltung tätig ist und eine eigene Aktiengesellschaft gegründet hatte, die er später der Beklagten für über 5 Millionen CHF verkauft habe.
| |
2.3.2 Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes gründet auf der übereinstimmenden Willenserklärung der Parteien (Berger, in: Kellerhals/von Werdt/Güngerich [Hrsg.], a.a.O., N. 14 zu Art. 9 GestG; Wirth, in: Müller/Wirth [Hrsg.], a.a.O., N. 32 ff. zu Art. 9 GestG; Donzallaz, a.a.O., N. 65 zu Art. 9 GestG). Für die Auslegung dieser Vereinbarung ist wie für diejenige anderer Verträge zunächst massgebend, was die Parteien tatsächlich übereinstimmend gewollt haben (vgl. BGE 123 III 35 E. 2b). An die Feststellung des tatsächlichen Parteiwillens ist das Bundesgericht im Berufungsverfahren gebunden (BGE 126 III 26 E. 3c). Hat das kantonale Gericht wie hier einen wirklichen Willen nicht feststellen können, beurteilt sich nach dem Vertrauensprinzip, welchen Inhalt eine Willenserklärung hat (BGE 128 III 265 E. 3a). Die Erklärung ist danach so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste (BGE 130 III 686 E. 4.3.1; 130 III 417 E. 3.2 S. 424, je mit Hinweisen). Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüft, wobei es an die vorinstanzlichen Feststellungen zu den tatsächlichen Umständen des Vertragsschlusses gebunden ist (BGE 130 III 417 E. 3.2 S. 425).
| |
2.3.3 Für das Zustandekommen einer Prorogation ist erforderlich, dass die Parteien hinreichend klar bestimmen, welches Gericht sie als zuständig erklären, damit das angerufene Gericht zweifelsfrei seine Zuständigkeit feststellen kann (Wirth, a.a.O., N. 41 ff., 59 ff. zu Art. 9 GestG; Berger, a.a.O., N. 18 zu Art. 9 GestG; vgl. auch Donzallaz, a.a.O., N. 66 zu Art. 9 GestG). Zwar erscheint nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass eine Mehrzahl von Gerichtsständen vereinbart wird, welche dem Kläger wahlweise zur Verfügung stehen sollen. Dass dies jedoch nicht die Regel sein kann, ergibt sich aus der gesetzlichen Vermutung, wonach mangels gegenteiliger Vereinbarung die Klage nur am vereinbarten Gerichtsstand angehoben werden kann (Art. 9 Abs. 1 GestG). Ist aber ohne besondere Umstände nicht anzunehmen, dass die Parteien eine Mehrzahl von Gerichtsständen vereinbaren wollten, so kann der Klausel "Sitz der Bank" nicht die Bedeutung zugemessen werden, dass zusätzlich am "Sitz jeder Niederlassung" ein Gerichtsstand bestehen soll. Auch kann nicht angenommen werden, mit der Neuformulierung sei beabsichtigt worden, statt am Sitz der Bank einen Gerichtsstand am jeweiligen Ort derjenigen Niederlassung zu prorogieren, mit welcher der Kunde (die hauptsächlichen) Bankbeziehungen unterhält. Denn eine solche Vereinbarung hätte eindeutiger und klarer formuliert werden müssen. Als "Sitz der Bank" kann nicht entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung der "Sitz der Niederlassung" oder der "Sitz einer der Niederlassungen" verstanden werden.
| |
2.3.4 Aus dem Umstand, dass die AGB 2002 mit der neu formulierten Gerichtsstandsklausel dem Kläger ungefähr zur gleichen Zeit zugestellt wurden, als er sein Konto und Depot auf die neu gegründete Niederlassung Zürich übertrug, kann nicht abgeleitet werden, der Kläger habe annehmen dürfen, es gelte nun als prorogierter Gerichtsstand neu der Sitz der Niederlassung in Zürich, statt wie bisher der Sitz der Bank in Genf. Die Gerichtsstandsvereinbarung findet sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten und gilt daher als solche nicht nur für den Kläger persönlich, sondern für alle Kunden der Beklagten, welche die AGB in ihr Vertragsverhältnis übernommen haben. Auch dem Kläger als Adressaten der Vereinbarung musste bewusst sein, dass die allgemein formulierte Klausel für eine Vielzahl von Bankkunden den Gerichtsstand eindeutig bezeichnen soll. Unter diesen Umständen konnte der Kläger aber aus der zeitlichen Übereinstimmung der Neueröffnung einer Niederlassung durch die Beklagte, des Transfers seiner eigenen Beziehung auf diese neu eröffnete Niederlassung und der Zustellung neuer AGB an ihn nicht auf die Absicht einer Änderung der Gerichtsstandsvereinbarung schliessen. Der Sitz der Beklagten war und ist unbestrittenermassen in Genf. Daher bedeutet die rein redaktionelle Änderung der Ortsbezeichnung "Genf" auf "Sitz der Bank" inhaltlich keine Änderung der Gerichtsstandsklausel.
| |
2.3.5 Der BGE 93 I 323 zugrundeliegende Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Dem Entscheid kommt insofern keine präjudizielle Bedeutung zu. In jenem Fall war der Erfüllungsort ("lieu d'exécution") als Gerichtsstand bestimmt, der nach der damaligen Parteivereinbarung bzw. den damaligen AGB mit dem Ort übereinstimmte, wo das Konto geführt wurde. Die geschäftsunerfahrene Bankkundin - deren Wohnort im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung mit dem Sitz der Bank übereinstimmte - durfte nach Treu und Glauben annehmen, dass mit einer Wohnsitzverlegung die Führung ihres Kontos an den neuen Wohnort übertragen würde und damit auch der Gerichtsstand ändern werde, zumal die Bank im zitierten Fall eine Vielzahl von Niederlassungen in der Schweiz gehabt hatte (BGE 93 I 323 E. 5b S. 329). Im vorliegenden Fall musste der Kläger aber bei gehörig aufmerksamer Lektüre der neu formulierten Gerichtsstandsvereinbarung erkennen, dass als Gerichtsstand nicht der "Sitz" irgendeiner Niederlassung der Beklagten - auch nicht der kontoführenden -, sondern ausdrücklich der "Sitz der Bank" bestimmt ist. Er konnte und durfte nicht davon ausgehen, dass mit der redaktionellen Änderung eine inhaltliche verbunden sei, zumal der "Sitz der Bank" unbestritten Genf ist und daher die Bezeichnung des Sitzes die örtliche Zuständigkeit genauso eindeutig bezeichnet wie der Name "Genf".
| |
3.
| |
Die Rüge der Beklagten ist begründet, dass die Gerichtsstandsklausel in den AGB 2002 der Beklagten nach Treu und Glauben nur so verstanden werden kann, dass die Gerichte in Genf am Sitz der Beklagten zuständig sein sollen.
| |
Die Gerichte in Zürich sind örtlich unzuständig. Die Berufung ist gutzuheissen und der angefochtene Beschluss ist in dem Sinne abzuändern, dass auf die Klage nicht eingetreten wird. Die Gerichtsgebühr ist bei diesem Verfahrensausgang dem Kläger zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat der Beklagten deren Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG). Die Sache ist zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
| |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| |
1.
| |
Die Berufung wird gutgeheissen, der Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 9. Juni 2005 wird aufgehoben und Ziffer 1 wird wie folgt neu gefasst:
| |
"Auf die Klage wird nicht eingetreten."
| |
2.
| |
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird dem Kläger auferlegt.
| |
3.
| |
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen.
| |
4.
| |
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
| |
5.
| |
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
| |
Lausanne, 23. November 2005
| |
Im Namen der I. Zivilabteilung
| |
des Schweizerischen Bundesgerichts
| |
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |