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Informationen zum Dokument  BGer 1A.218/2004  Materielle Begründung
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BGer 1A.218/2004 vom 29.11.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1A.218/2004 /ggs
 
Urteil vom 29. November 2005
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
Parteien
 
A.________,
 
B.________,
 
C.________,
 
D.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch A.________,
 
gegen
 
Orange Communications SA,
 
Swisscom Mobile AG, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. Hubert Bühlmann,
 
Beschwerdegegnerinnen,
 
Baubewilligungskommission Herisau, Postfach 1160, 9102 Herisau,
 
Direktion Bau und Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 17A, 9102 Herisau,
 
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Fünfeckpalast, Postfach 161, 9043 Trogen.
 
Gegenstand
 
Bau einer Mobilfunkantennenanlage auf dem Sportzentrum Herisau,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 25. August 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 7. Januar 2003 erteilte die Baubewilligungskommission Herisau der Swisscom Mobile AG und der Orange Communications SA die Bewilligung zur Errichtung einer Mobilfunkanlage auf Parzelle Nr. 3308 in Herisau. Zuvor hatte bereits das kantonale Amt für Umweltschutz die umweltschutzrechtliche Bewilligung für die Anlage erteilt.
 
Gegen die Baubewilligung rekurrierten A.________ und weitere Personen erfolglos an die Baudirektion und erhoben anschliessend Beschwerde an das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden. Dieses wies die Beschwerde am 25. August 2004 ab.
 
B.
 
Gegen den am 15. Februar 2005 eröffneten verwaltungsgerichtlichen Entscheid erheben A.________, B.________, C.________ und D.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht.
 
Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Baugesuch sei abzulehnen; eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sodann stellen sie zahlreiche Feststellungs- und Verfahrensanträge (vgl. Beschwerdeschrift S. 2-5). Insbesondere beantragen sie die Gewährung der aufschiebenden Wirkung und den Ausstand der Bundesrichter Aemisegger, Nay, Féraud, Catenazzi und Fonjallaz. Es sei eine mündliche Verhandlung durchzuführen und das Verfahren zu sistieren, bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Grundsatzentscheid in Bezug auf allfällige Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Strahlenimmissionen gefällt habe.
 
C.
 
Die Swisscom Mobile AG beantragt, auf die staatsrechtliche Beschwerde sei nicht einzutreten und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Orange Communications SA und die Baudirektion des Kantons Appenzell Ausserrhoden beantragen die Abweisung der Beschwerden. Das Verwaltungsgericht beschränkt sich in seiner Vernehmlassung auf den Hinweis, dass es sich bei den Ausführungen der Beschwerde zum Herzschrittmacher von A.________ um tatsächliche Noven handle. Die Gemeinde Herisau hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das BUWAL äussert sich in seiner Vernehmlassung zu den in der Beschwerde aufgeworfenen umweltschutzrechtlichen Fragen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) beschränkt sich auf Bemerkungen zu einer von ihm im Jahre 2001 durchgeführten und in der Beschwerdeschrift erwähnten Umfrage. Das BAKOM hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
D.
 
Mit Beschluss vom 28. April 2005 wies die I. öffentlichrechtliche Abteilung das Ausstandsgesuch der Beschwerdeführer ab, soweit dieses nicht gegenstandslos geworden war.
 
E.
 
Mit Schreiben vom 20. Juni 2005 reichten die Beschwerdeführer weitere Unterlagen ein. Am 9. November 2005 nahmen die Beschwerdeführer zu den Vernehmlassungen der Beschwerdegegnerinnen, der Vorinstanzen und der Bundesämter Stellung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, der sich in erster Linie auf die Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) und damit auf Bundesverwaltungsrecht stützt. Dagegen steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht grundsätzlich offen (Art. 97 ff. OG). Die Beschwerdeführer sind als Anwohner der streitigen Mobilfunkanlage zur Beschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a OG). Auf die rechtzeitig erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten.
 
1.1 Die Beschwerdeführer machen zum einen geltend, die NISV sei gesetzes- und verfassungswidrig, zum anderen rügen sie die Verletzung von Verfahrensgarantien des Bundesverfassungsrechts. Diese Rügen können alle im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelt werden, so dass kein Raum für die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG) bleibt. Auf diese ist daher nicht einzutreten.
 
1.2 Nicht einzutreten ist auch auf die zahlreichen Feststellungsanträge der Beschwerdeführer: Dem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer würde mit der Aufhebung der angefochtenen Verfügung - der Baubewilligung für die Mobilfunkanlage - Genüge getan, weshalb kein schutzwürdiges Interesse an weitergehenden Feststellungen besteht.
 
1.3 Die Beschwerdeführer beantragen, das Verfahren sei bis zum Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) über die bei ihm hängigen Beschwerden zu sistieren.
 
Der Richter kann aus Gründen der Zweckmässigkeit das Verfahren aussetzen, insbesondere wenn das Urteil von der Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit beeinflusst werden kann (Art. 6 Abs. 1 BZP i.V.m. Art. 40 OG).
 
Die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hängigen Beschwerden betreffen andere Mobilfunkanlagen und andere Parteien, weshalb sie für das vorliegende Verfahren nicht ohne Weiteres präjudiziell erscheinen. Ob der EGMR sich in grundsätzlicher Weise zur EMRK-Konformität der schweizerischen NIS-Grenzwerten äussern wird, ist ungewiss, wie auch der Zeitpunkt eines solchen Entscheids. Unter diesen Umständen erscheint eine Sistierung des Verfahrens unzweckmässig.
 
2.
 
Die Beschwerdeführer beantragen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Anhörung von Fachleuten und Zeugen zur spezifischen Schadwirkung von Mobilfunk-Immissionen.
 
Angesichts der weitgehend technischen Materie und dem bereits von den Beschwerdeführern eingereichten umfangreichen Material erscheint eine mündliche Verhandlung jedoch nicht sinnvoll. Diese ist auch nicht nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK geboten: Bereits vor Verwaltungsgericht wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Beschwerdeführer zu Wort gekommen sind. Im Übrigen liegt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne dieser Bestimmung grundsätzlich nur vor, wenn die Beschwerdeführer geltend machen, auf ihren Grundstücken seien die (geltenden) Immissions- oder Anlagegrenzwerte der NISV überschritten (BGE 128 I 59 E. 2a/bb S. 61 f.). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu.
 
3.
 
Es ist unstreitig, dass die geplante Mobilfunkanlage die Anlage- und Immissionsgrenzwerte der NISV rechnerisch einhält. Die Baubewilligung wurde sodann unter der Auflage einer Abnahmemessung erteilt, um sicherzustellen, dass diese Grenzwerte auch effektiv an den höchstbelasteten Orten mit empfindlicher Nutzung eingehalten werden. Die Beschwerdeführer halten jedoch die Immissions- und Anlagegrenzwerte der NISV für gesetzes- und verfassungswidrig.
 
3.1 Sie machen geltend, das BUWAL habe gestützt auf eine grosse Zahl von Untersuchungen sowie der Schadenentwicklung als Folge der flächendeckenden Mobilfunkeinführung eine drastische Senkung der Anlagegrenzwerte der NISV sowie einen Stopp des weiteren UMTS-Ausbaus beantragt, was jedoch vom Bundesrat aus wirtschaftlichen Gründen ignoriert worden sei.
 
Die Beschwerdeführer stützen sich hierfür auf einen Artikel der NZZ vom 27. Mai 2004. Wie das BUWAL in seiner Vernehmlassung darlegt, war dieser Zeitungsartikel jedoch sachlich falsch: Tatsächlich hat das BUWAL die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) lediglich darauf hingewiesen, dass es möglicherweise eine Herabsetzung der Immissionsgrenzwerte beantragen müsse, wenn weitere unabhängige Studien die Ergebnisse der niederländischen TNO-Studie bestätigen sollten. Im Hinblick auf diese Eventualität empfahl das BUWAL der ComCom damals, Termine und Abdeckungsvorgaben für die Anbieter von UMTS zu überdenken, um zu vermeiden, dass laufende Vorbereitungen sich später als Fehlinvestitionen entpuppen. Dies wurde in späteren Zeitungsberichten richtig gestellt (vgl. Meldung der Schweizerischen Depeschenagentur vom 28. Mai 2004 und den Artikel des Bund vom 2. Juni 2004: "Moratoriumsgespenst geht um").
 
Hat das BUWAL somit weder eine Herabsetzung der NISV-Grenzwerte noch einen Zulassungs-Stopp für UMTS-Antennen beantragt, kann dem Bundesrat nicht vorgeworfen werden, sich über die Auffassung seiner Umweltschutzfachbehörde hinweggesetzt zu haben.
 
Auch dem Bundesgericht kann kein solcher Vorwurf gemacht werden: In seinen Vernehmlassungen an das Bundesgericht hat das BUWAL die geltenden Immissions- und Anlagegrenzwerte der NISV stets als gesetzeskonform erachtet, auch bezüglich der neuen Generation von UMTS-Antennen.
 
3.2 Die Beschwerdeführer werfen dem Verordnungsgeber vor, bei der Festlegung der Grenzwerte der NISV keine Rücksicht auf elektrosensible Personen wie A.________ genommen zu haben. Dies verstosse gegen Art. 13 Abs. 2 USG, wonach Personengruppen mit besonders erhöhter Empfindlichkeit berücksichtigt werden müssen.
 
Die Beschwerdeführer berufen sich u.a. auf eine epidemiologische Untersuchung des BAG. Danach seien bei 90% der Studienteilnehmer Symptome wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Nervosität, Tinnitus, Schwindel, Gliederschmerzen oder Herzbeschwerden aufgetreten, sobald sie in eine Zone mit Elektrosmog eingetreten seien, und zwar bei 53% der Studienteilnehmer innerhalb einiger Minuten, bei 21% innerhalb einiger Stunden und bei 17% innerhalb einiger Tage.
 
A.________ leide seit Jahren unter der bestehenden Mobilfunkbelastung. Er habe sich im Februar 2002 einer Herzklappenoperation unterzogen; inzwischen sei ihm ein Herzschrittmacher implantiert worden. Durch den Betrieb der umstrittenen Mobilfunkantenne in der Nähe seiner Wohn- und Schlafräume werde er unmittelbar gefährdet. Die Beschwerdeführer berufen sich hierfür auf ärztliche Zeugnisse des Kardiologen und des Hausarztes.
 
3.2.1 Aus dem Zeugnis des Kardiologen geht hervor, dass A.________ am 20. Oktober 2004 ein Herzschrittmacher implantiert worden ist; ihm wird empfohlen, die unmittelbare Nähe von intensiven Sendern zu vermeiden und auch beim Betrieb eines Mobiltelefons einen minimalen Abstand zum Schrittmacher einzuhalten.
 
Diese Empfehlung des Kardiologen hat zum Ziel, technische Störungen des Herzschrittmachers durch externe hochfrequente Strahlung zu verhindern. Moderne Herzschrittmacher, die den Anforderungen der Medizinprodukteverordnung vom 17. Oktober 2001 (MepV; SR 812.213) und der Verordnung vom 9. April 1997 über die elektromagnetische Verträglichkeit (VEMV; SR 734.5) entsprechen müssen, sind zwar deutlich störfester als die älteren Modelle. Immerhin kann es auch bei diesen Geräten zu Störungen kommen, wenn ein Handy in der Brusttasche getragen oder in weniger als 10 cm Abstand zum Herzschrittmacher-Aggregat benutzt wird (Jiri Silny, Auswirkungen hochfrequenter Felder auf den Menschen, Literaturstudie, Dezember 2003, S. 74 ff., insbes. S. 76 [www.lfu.baden-wuettemberg.de/lfu/uis/strahlung.html]). Trägern eines Herzschrittmachers wird deshalb empfohlen, einen Sicherheitsabstand zwischen dem Handy und dem Schrittmacher von 30 cm einzuhalten (Bundesamt für Gesundheit, www.bag.admin.ch/strahlen/nonionisant/emf/ grundlagen/d/indirekt.php). Dagegen sind die Felder einer Mobilfunk-Basisstation in keiner Alltagssituation imstande, elektronische Implantate zu beeinflussen (Silny, a.a.O., S. 6).
 
3.2.2 Aus dem Zeugnis des Hausarztes geht hervor, dass A.________ seit Jahren Herzjagen, Beklemmungsgefühle und Auftreibungen im Bauch schildere, wenn er in die Nähe einer Funkantenne komme. Für den Hausarzt sind diese Angaben glaubwürdig, weshalb er einen Kausalzusammenhang zwischen Antennen und den Symptomen als überwiegend wahrscheinlich betrachtet.
 
Aus diesem Zeugnis lässt sich entnehmen, dass A.________ elektrosensibel in dem Sinne ist, dass er seine gesundheitlichen Beschwerden aufgrund eigener Beobachtungen auf elektromagnetische Felder zurückführt. Ein objektiver Zusammenhang zwischen der nichtionisierenden Strahlung und den Gesundheitsbeeinträchtigungen ist damit jedoch nicht erwiesen.
 
Entsprechendes gilt für die von den Beschwerdeführern erwähnte Erhebung des Bundesamts für Gesundheit bei Personen, die ihre gesundheitlichen Beschwerden elektromagnetischen Feldern zuschreiben: Diese Befragung gibt lediglich die Ansichten und Einschätzungen der befragten Personen wieder. Die am häufigsten genannten gesundheitlichen Beschwerden (Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Nervosität/ Stress, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Tinnitus, Schwindel, Gliederschmerzen und Herzbeschwerden) sind sehr unspezifisch und sind bei vielen physischen und psychischen Krankheiten anzutreffen. Sie können auch auf andere Faktoren (z.B. Stress, Lärm, flackerndes Licht, Chemikalien) zurückzuführen sein (BUWAL, Elektrosmog in der Umwelt, Juni 2005, S. 11). Bisher gibt es keine allgemein anerkannten Kriterien für eine objektive Diagnose von Elektrosensibilität. Ein kausaler Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und diesen Gesundheitsbeschwerden konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
 
3.3 Die Beschwerdeführer wollen mit einer neu entwickelten "Messtechnik" beweisen, dass beim Mobilfunkbetrieb mit gepulster Sendetechnik technische Pulsfolgen exakt im Herz- und Hirnbereich auftreten. Das Verwaltungsgericht habe ihnen diesen Nachweis nicht gestattet und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
 
Es ist jedoch schon seit langem bekannt, dass die Strahlung der GSM-Mobilfunkantennen verschiedene Pulsungen und Periodizitäten im niederfrequenten Bereich aufweist. Insofern erscheint die von den Beschwerdeführern verlangte "Messdemonstration" überflüssig. Beweisbedürftig wäre vielmehr, inwiefern diese Pulsfolgen die Herz- oder Gehirntätigkeit negativ beeinflussen können. Ein solcher Nachweis kann jedoch mit einer blossen Messtechnik nicht erbracht werden.
 
3.4 Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, es sei Aufgabe der Anlagebetreiber, den Nachweis zu erbringen, dass die flächendeckende Mobilfunkstrahlung für die Umwelt und insbesondere die menschliche Gesundheit nicht schädlich sei. Die Unschädlichkeit einer Technologie kann jedoch aus prinzipiellen Gründen nicht bewiesen werden, wie das BUWAL in seiner Vernehmlassung erläutert: Dazu müsste jeder nur denkbare biologische Effekt wissenschaftlich untersucht werden, was aufgrund der Vielfalt der möglichen Effekte und der Vielfalt von Expositionen nicht möglich erscheint. Wissenschaftlich gesicherte Aussagen können nur zum Vorhandensein von Effekten gemacht werden, während zur Abwesenheit von Effekten nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind, basierend auf der Häufigkeit von Studien, in denen kein biologischer Effekt gefunden werden konnte. Eine 100-prozentige Sicherheit ist jedoch nie möglich.
 
3.5 Das Bundesgericht verlangt jedoch von den zuständigen Behörden des Bundes, namentlich dem BUWAL, dass es den Stand von Wissenschaft und Forschung verfolgt und eine Revision der NISV-Grenzwerte prüft, wenn neue Erkenntnisse über Gesundheitseffekte nichtionisierender Strahlung vorliegen.
 
Diesem Auftrag kommt das BUWAL nach: Es hat ein Nationales Forschungsprojekt zum Thema "Nichtionisierende Strahlung, Umwelt und Gesundheit" initiiert und beteiligt sich an der Finanzierung der TNO-Anschlussstudie und weiterer Studien, die im Auftrag der Forschungsstiftung Mobilkommunikation durchgeführt werden. Zudem hat es das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel beauftragt, systematisch die neuesten Studien zur hochfrequenten elektromagnetischen Strahlung in einer Datenbank zu katalogisieren (Literatur-Datenbank ELMAR, abrufbar auf der Homepage des BUWAL). Regelmässig werden Berichte zur Bewertung der bisherigen Ergebnisse veröffentlicht (vgl. Röösli/Rapp, Hochfrequente Strahlung und Gesundheit, 2003, BUWAL Umwelt-Materialien Nr. 162, mit Nachtrag A, 2004).
 
Bisher sind keine schädlichen oder lästigen Wirkungen der nichtionisierenden Strahlung unterhalb der Immissionsgrenzwerte der NISV, die im Wesentlichen den Richtwerten der ICNIRP entsprechen, nachgewiesen worden. In der Studie "Hochfrequente Strahlung und Gesundheit" Nachtrag A (S. 7 und Tabelle 1 S. 10) wird als einziger gesicherter Befund die mögliche Interferenz von Mobiltelefonen bei Implantaten genannt. Ein erhöhtes Hirntumorrisiko im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Mobiltelefonen gilt weiterhin als möglich, nicht aber als wahrscheinlich. Ansonsten werden Einflüsse der niedrigdosierten Mobilfunkstrahlung auf die Gesamtmortalität und auf andere Tumorarten als unwahrscheinlich betrachtet (a.a.O. S. 8).
 
Diese Schlussfolgerung deckt sich mit denjenigen anderer Publikationen aus jüngster Zeit, wonach die Hypothese gesundheitsschädlicher Wirkungen von Mobilfunkfeldern aufgrund der bisher vorliegenden Studien nicht erhärtet werden konnte (vgl. z.B. Agence française de sécurité sanitaire environnementale, Avis sur la téléphonie mobile, 7. Juni 2005, National Radiological Protection Board (NRPB), Mobile Phones and Health, 2004; Silny, a.a.O., Emilie van Deventer-Perkins/Michael Repacholi, Effets de la téléphonie mobile sur la santé humaine: état des connaissances scientifiques, URP 2004 S. 708 ff., insbes. S. 719 f.; Programmgruppe Mensch, Umwelt, Technik (MUT), Bewertung der wissenschaftlichen Literatur zu den Risikopotenzialen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks, 2005 [www.emf-risiko.de/Projekte/ergeb_bewlit.html]).
 
3.6 Die von den Beschwerdeführern angeführte "Naila-Studie" (H. Eger/K. Hagen/B. Lucas/P. Vogel/H. Voit, Einfluss der räumlichen Nähe von Mobilfunksendeanlagen auf die Krebsinzidenz, Umwelt-Medizin-Gesellschaft 2004 S. 326 - 332) ist, für sich allein, nicht geeignet, eine andere Schlussfolgerung zu begründen:
 
In dieser Studie nahm eine Gruppe von Hausärzten in Naila (Oberfranken) eine statistische Auswertung ihrer Patientenunterlagen im Hinblick auf Krebsfälle in der Umgebung von Mobilfunksendern vor. Die Studie gelangte zum Ergebnis, dass der Anteil von neu aufgetretenen Krebsfällen bei den Patienten, die während der letzten zehn Jahre in einem Abstand bis zu 400 m um die seit 1993 betriebene Mobilfunksendeanlage gewohnt hatten, gegenüber weiter entfernt lebenden Patienten signifikant höher war und die Patienten in durchschnittlich jüngerem Alter erkrankt waren.
 
Diese Studie weist jedoch eine Reihe von methodischen Schwächen auf, die ihre Aussagekraft relativieren (vgl. im einzelnen Naila-Mobilfunkstudie - Aktualisierte Stellungnahme des deutschen Bundesamts für Strahlenschutz [BfS] vom 6. April 2005 [www.bfs.de/elektro/ papiere/Stellungnahme_Naila]): So wurde weder Alter und Geschlecht der Patienten noch andere Risikofaktoren für Krebs bei der statistischen Analyse berücksichtigt. Sodann ist der Abstand von einer Mobilfunkbasisstation ein schlechter Indikator für das Ausmass der Strahlenbelastung, da die Exposition beispielsweise in unmittelbarer Nähe der Antenne sehr gering (Lage ausserhalb der Hauptstrahlungsrichtung; Abschirmung durch Gebäude, etc.) und umgekehrt im Fernbereich, aufgrund anderer Strahlungsquellen (z.B. Schnurlostelefone in der Wohnung), grösser sein kann (zum Problem der individuellen Expositionsabschätzung bei epidemiologischen Studien vgl. ICNIRP Standing Committee on Epidemiology, Epidemiology of Health Effects of Radiofrequency Exposure, Environmental Health Perspectives 112/2004 S. 1741 ff.). Schliesslich ist auch der Stichprobenumfang der Naila-Studie relativ gering (34 Krebsfälle in einem Zeitraum von 10 Jahren bzw., bei Berücksichtigung einer Latenzzeit von 5 Jahren, 21 Krebsfälle).
 
Ähnliche methodische Schwächen weist die von den Beschwerdeführern zitierten Studien von Santini, Navarro und Hutter auf (vgl. Seitz/ Stinner/Eikmann, Befindlichkeitsstörungen, 2005, S. 37 und 41, und Martin Röösli, Befindlichkeitsstörungen, 2005, S. 16-20 [www.emf-risiko.de/projekte/pdf/gutachten_6.pdf und _7pdf]).
 
3.7 Nach dem Gesagten können die geltenden Grenzwerte der NISV nicht als gesetz- oder verfassungswidrig betrachtet werden.
 
4.
 
Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil es die von ihnen eingereichten Unterlagen nur formal entgegengenommen habe, sich damit aber nicht näher auseinandergesetzt habe.
 
Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass es in erster Linie Aufgabe der Fachbehörden des Bundes sei, neue Grundlagen aus Wissenschaft und Forschung, welche eine Revision der NISV allenfalls begründen könnten, zu prüfen. Es berief sich sodann auf neuere bundesgerichtliche Entscheide (Urteile 1A.92/2003 vom 15. Dezember 2003 i.S. Degersheim; 1A.86/2003 vom 15. Dezember 2003 i.S. Flawil; 1A.134/2003 vom 5. April 2004 i.S. Gossau), in denen die Beschwerdeführer im Wesentlichen gleiche Eingaben gemacht hatten, und das Bundesgericht die Gesetzes- und Verfassungskonformität der NISV bestätigt hatte. Aus diesem Grund könne ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs darauf verzichtet werden, auf die zahlreichen eingereichten Unterlagen näher einzugehen.
 
Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden: Inzwischen liegen mehrere tausende Publikationen zu den Auswirkungen hochfrequenter Felder auf den Menschen vor; jährlich kommen etwa 500 neue Aufsätze hinzu (Silny, a.a.O. S. 7). Dem Richter fehlen sowohl die naturwissenschaftlichen Fachkenntnisse als auch der Überblick über den Stand der internationalen Forschung, um die Seriosität und den Beweiswert der von den Beschwerdeführern eingereichten oder zitierten Studien selbst prüfen zu können. Er kann deshalb lediglich prüfen, ob die zuständigen Fachbehörden des Bundes ihr Ermessen bzw. ihren Beurteilungsspielraum missbraucht oder in pflichtwidriger Weise untätig gewesen sind. Ist dies erst vor kurzem vom Bundesgericht verneint worden, so kann der kantonale Richter darauf Bezug nehmen, ohne selbst noch einmal die Argumentation des Bundesgerichtes wiederholen oder ergänzen zu müssen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Eingaben der Beschwerdeführer - wie im vorliegenden Fall - nichts wesentlich Neues enthalten.
 
5.
 
In ihrer Replik berufen sich die Beschwerdeführer erstmals auf eine Weisung des Kantons Appenzell Ausserrhoden, wonach Mobilfunkantennen nicht in empfindlichen Gebieten wie Schulen, Spitälern etc. bewilligt werden dürften. Die Beschwerdeführer machen geltend, die vorliegend streitige Anlage befinde sich in der Nähe eines Alters- und Pflegeheims sowie einer Alterssiedlung und einem Spital.
 
Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben: Die Beschwerdeführer weisen selbst darauf hin, dass es sich um eine noch in Vorbereitung stehende und noch nicht publizierte Regelung handelt. Diese kann daher im vorliegenden Fall ohnehin nicht berücksichtigt werden.
 
6.
 
Nach dem Gesagten erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist nicht einzutreten.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten und müssen die anwaltlich vertretene Swisscom Mobile AG für die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens entschädigen (Art. 156 und 159 OG). Da die Orange Communications SA durch ihren Rechtsdienst vertreten wurde, hat sie praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.
 
Mit dem Vorliegen des Endentscheids wird der Antrag um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
 
4.
 
Die Beschwerdeführer haben die Swisscom Mobile AG mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baubewilligungskommission Herisau, der Direktion Bau und Umwelt und dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, dem Bundesamt für Gesundheit und dem Bundesamt für Kommunikation schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. November 2005
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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