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Informationen zum Dokument  BGer 2P.179/2005  Materielle Begründung
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BGer 2P.179/2005 vom 30.11.2005
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2P.179/2005 /leb
 
Urteil vom 30. November 2005
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Betschart, Ersatzrichter Locher,
 
Gerichtsschreiber Schaub.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Curia Treuhand AG,
 
gegen
 
Kantonales Steueramt Zürich, Dienstabteilung Recht, Sumatrastrasse 10, 8090 Zürich.
 
Kantonale Steuerverwaltung Graubünden, Steinbruchstrasse 18/20, 7001 Chur,
 
Gegenstand
 
Art. 127 Abs. 3 BV (Doppelbesteuerung),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 3. Juni 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1954 geborene X.________ arbeitet seit 1979 als Service Manager Voice bei der Y._______ Bank in Zürich. Bis im August 2002 wohnte er mit seiner Ehefrau im eigenen Haus in A.________ (ZH). Dann trennte er sich von ihr, verliess das gemeinsame Domizil und beschloss, in seine Jugendheimat B.________ (GR) zurückzukehren. Ab August 2002 war X.________ als Wochenaufenthalter zuerst in C.________ (ZH), dann in der Stadt Zürich angemeldet, wo er Zimmer mit Etagen-WC bzw. -dusche, aber ohne Kochgelegenheit bewohnte. Die Wochenenden verbrachte er regelmässig in B._________ (GR), wo er die seit den Jugendjahren bestehenden Kontakte wieder intensivierte und aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben der Gemeinde teilnahm.
 
B.
 
Im Juli 2004 leitete das Steueramt der Stadt Zürich Abklärungen über das Steuerdomizil von X.________ ein. Er füllte einen "Fragebogen zur Feststellung des steuerrechtlichen Wohnsitzes" aus und liess sich am 27. August 2004 auf dem Steueramt der Stadt Zürich persönlich befragen. Am 24. November 2004 erliess das Kantonale Steueramt Zürich einen Vorentscheid, wonach die Steuerhoheit des Kantons Zürich und der Steuergemeinde Zürich ab dem 1. Januar 2004 in Anspruch genommen wurde. In seinen Erwägungen ging das Steueramt von einem Lebensmittelpunkt bzw. Steuerdomizil von X.________ in A.________ (ZH) aus.
 
C.
 
Dagegen erhob X.________ am 17. Dezember 2004 einlässlich begründet Einsprache. Anfangs 2005 stellte die Stadt Zürich X.________ die Steuererklärung für die Steuerperiode 2004 zu, worauf dieser mit Schreiben vom 13. Februar 2005 unverzüglich protestierte und zusätzliche Unterlagen einreichte.
 
Der Kanton Graubünden und die Gemeinde B.________ (GR) schätzten X.________ am 15. März 2005 für das Steuerjahr 2004 definitiv ein. Diese Veranlagung blieb unangefochten und wurde rechtskräftig.
 
Das Kantonale Steueramt Zürich unterbreitete X.________ am 4. Mai 2005 einen Einschätzungsvorschlag für die Steuerperiode 2004, den er mit ausführlichem Schreiben vom 19. Mai 2005 ablehnte. Am 3. Juni 2005 wies das Kantonale Steueramt Zürich die Einsprache gegen den Vorentscheid ab und bestätigte die Beanspruchung der Steuerhoheit durch die Stadt und den Kanton Zürich ab 1. Januar 2004.
 
D.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 7. Juli 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 3. Juni 2005 wegen Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV aufzuheben und festzustellen, dass er seinen zivil- und steuerrechtlichen Wohnsitz seit Ende 2002 in B.________ (GR) habe. Eventualiter sei die Veranlagungsverfügung des Kantons Graubünden und der Gemeinde B.________ (GR) für die Einkommens- und Vermögenssteuern für das Jahr 2004 vom 15. März 2004 (recte: 2005) aufzuheben.
 
Die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Kantonale Steueramt Zürich beantragt die Gutheissung der Beschwerde, allerdings seien dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen, weil er zahlreiche Unterlagen erst mit der Beschwerde an das Bundesgericht eingereicht habe.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Ein Vorentscheid über die Steuerhoheit (sog. Steuerdomizilentscheid) kann, wenn die Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV gerügt wird, ohne Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs direkt mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 86 Abs. 2 OG; BGE 125 I 54 E. 1a S. 55; 123 I 289 E. 1a S. 291 f.).
 
1.2 Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbots ist somit zulässig. Dem steht auch der Grundsatz der Subsidiarität nach Art. 84 Abs. 2 OG nicht entgegen. Denn Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14) sieht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur gegenüber letztinstanzlichen kantonalen Entscheiden vor; zudem ist Art. 86 Abs. 2 OG durch das Steuerharmonisierungsgesetz nicht ausser Kraft gesetzt worden (vgl. Urteil 2P.301/2003 vom 23. Juni 2005, in BGE 131 I 409 nicht veröffentlichte E. 1.1 mit Hinweisen).
 
1.3 Mit der Doppelbesteuerungsbeschwerde gegen eine Verfügung des zweitveranlagenden Kantons kann innert der Beschwerdefrist auch die bereits rechtskräftige Steuerveranlagung des erstverfügenden Kantons angefochten werden (Art. 89 Abs. 3 OG). Deshalb kann hier mit dem Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes Zürich die rechtskräftige Veranlagung des Kantons Graubünden bzw. der Gemeinde B.________ (GR) ebenfalls vollumfänglich überprüft werden (Urteil 2P.235/2003 vom 5. April 2004, publ. in: StE 2004 A 24.31 Nr. 1, E. 1.2 mit Hinweisen).
 
1.4 Eine Ausnahme von der grundsätzlich kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde ist bei Beschwerden wegen Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV gerechtfertigt. Hier kann das Bundesgericht den betroffenen Kantonen allenfalls verbindliche Weisungen hinsichtlich der verfassungskonformen Steuerausscheidung erteilen (vgl. Urteil 2P.301/2003 vom 23. Juni 2005, in BGE 131 I 409 nicht veröffentlichte E. 1.2 mit Hinweisen). In diesem Sinn sind die vom Beschwerdeführer gestellten Anträge zulässig.
 
1.5 Bei staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbots prüft das Bundesgericht Rechts- und Tatfragen frei, und es können auch neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden (BGE 131 I 145 E. 2.4 S. 149 mit Hinweisen). Dies gilt ebenfalls bei der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Steuerdomizilentscheid, wobei Vorgänge nach dem kantonalen Entscheid vor Bundesgericht nicht mehr berücksichtigt werden können (Martin Arnold, Der steuerrechtliche Wohnsitz natürlicher Personen im interkantonalen Verhältnis nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, ASA 68 S. 449 ff., 487).
 
2.
 
2.1 Im vorliegenden Fall waren die beteiligten Kantone bezüglich des Hauptsteuerdomizils des Beschwerdeführers uneinig: Das Kantonale Steueramt Zürich beanspruchte das Hauptsteuerdomizil des Beschwerdeführers vorerst aufgrund seines Steuerdomizilentscheids für das Steuerjahr 2004, während der Kanton Graubünden und die Gemeinde B.________ (GR) dieselbe Periode bereits rechtskräftig veranlagten. Es käme daher zu einer aktuellen Doppelbesteuerung, bliebe der Zürcher Steuerdomizilentscheid bestehen und würde der Beschwerdeführer in der Folge auch im Kanton Zürich für die Steuerperiode 2004 aufgrund persönlicher Zugehörigkeit eingeschätzt. Allerdings beantragt das Kantonale Steueramt Zürich in seiner Stellungnahme vom 9. August 2005 die Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde. Es geht inzwischen auch davon aus, dass sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in B.________ (GR) befindet.
 
2.2 Das Steuerdomizil von Unselbständigerwerbenden liegt vermutungsweise am Arbeitsort, von dem aus sie für längere oder unbestimmte Zeit der täglichen Erwerbstätigkeit nachgehen (vgl. Urteil 2P.59/2004 vom 30. August 2004, E. 2.1; BGE 125 I 54 E. 2b S. 56; 123 I 289 E. 2b S. 294, je mit Hinweisen).
 
2.3 Der Umstand, dass ein unverheirateter Steuerpflichtiger vom Ort aus, wo er sich während der Woche aufhält, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt, begründet nach der Rechtsprechung die natürliche Vermutung, dass er dort sein Steuerdomizil hat. Diese Vermutung lässt sich entkräften, wenn er regelmässig, mindestens ein Mal pro Woche, an den Ort zurückkehrt, mit dem er aus bestimmten Gründen besonders eng verbunden ist, und wo er andere persönliche und gesellschaftliche Beziehungen pflegt (Urteil 2P.260/2004 vom 28. April 2005, E. 2.3 mit Hinweisen). Im bisherigen Verfahren lieferte der Beschwerdeführer hinreichend Beweis dafür, dass seine Verbundenheit mit B.________ (GR) besonders eng ist. Damit wird die natürliche Vermutung umgestossen. Dies hat nun auch der Kanton Zürich zu Recht anerkannt. Jedenfalls für die Steuerperiode 2004 hatte der Beschwerdeführer sein Hauptsteuerdomizil in B.________ (GR).
 
3.
 
3.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist deshalb gegenüber dem Kanton Zürich gutzuheissen, und der Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 3. Juni 2005 ist aufzuheben. Gegenüber dem Kanton Graubünden ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen.
 
3.2 Bei diesem Verfahrensausgang wird der Kanton Zürich, der Vermögensinteressen wahrnimmt, kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG; Art. 159 OG). Er beantragt jedoch, die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, weil dieser erst in seiner staatsrechtlichen Beschwerde zahlreiche Unterlagen beigebracht habe.
 
Dem kann nicht zugestimmt werden. Der Beschwerdeführer hat die mit dem Gang ans Bundesgericht verbundenen Kosten nicht selbst verursacht (vgl. Art. 156 Abs. 6 OG), sondern vielmehr in jedem Verfahrensstadium mit den Behörden kooperiert, zahlreiche Unterlagen vorgelegt und weitere Beweismittel angeboten. Die im bundesgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beweismittel haben nur den stets vertretenen (und belegten) Standpunkt untermauert. Deshalb sind die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht dem Kanton Zürich aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG). Dieser hat dem Beschwerdeführer im Weiteren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Zürich wird gutgeheissen, und der Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 3. Juni 2005 wird aufgehoben.
 
2.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Graubünden wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Kanton Zürich auferlegt.
 
4.
 
Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- auszurichten.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kantonalen Steuerverwaltung Graubünden und dem Kantonalen Steueramt Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. November 2005
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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