BGer U 245/2005 | |||
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BGer U 245/2005 vom 01.12.2005 | |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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U 245/05
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Urteil vom 1. Dezember 2005
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IV. Kammer
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Besetzung
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Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Hofer
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Parteien
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M.________, 1948, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Yolanda Schweri, c/o Brem & Borer, Militärstrasse 76, 8021 Zürich,
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gegen
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Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Alfred Escher-Strasse 50, 8002 Zürich, Beschwerdegegnerin
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Vorinstanz
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Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
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(Entscheid vom 17. Mai 2005)
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1948 geborene M.________ war seit Dezember 1986 als Souffleuse bei der Firma O.________ AG angestellt und damit bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich) gegen die Folgen von Unfall und Berufskrankheit versichert. Laut Unfallmeldung vom 16. April 2002 erlitt sie während der Vorstellung der Oper X.________ am 14. April 2002 nach einem Paukenschlag einen Hörsturz. Die Zürich klärte ihre Leistungspflicht ab und holte die Berichte des Prof. Dr. med. W.________ von der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie des Spitals Y.________ vom 28. Oktober 2002, des Dr. med. K.________, vom 1. Oktober 2002 sowie des Dr. med. A.________, Facharzt FMH für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, Hals- und Gesichtschirurgie und Arbeitsmedizin, Abteilung Arbeitsmedizin der SUVA, vom 20. Juni 2003, welchem die technische Beurteilung der beruflichen Lärmbelastung als Souffleuse der SUVA vom 27. Mai 2003 vorlag, ein. Zudem befragte sie die Versicherte am 10. September 2002 über das Ereignis vom 14. April 2002 und holte Auskünfte beim damaligen Obmann des Chores und beim Tontechniker ein. Mit Verfügung vom 10. Juli 2003 verneinte sie den Anspruch auf Versicherungsleistungen, da die Voraussetzungen für die Annahme eines Unfalles oder einer Berufskrankheit nicht gegeben seien. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. August 2004 fest.
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B.
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Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 17. Mai 2005 ab.
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C.
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M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Zürich zu verpflichten, unter Wahrung der Mitwirkungsrechte am ehemaligen Arbeitsplatz eine Abklärung der Lärmbelastung repräsentativer Stücke zu veranlassen und ein neutrales medizinisches Gutachten zur Frage der Kausalität des Ereignisses vom 14. April 2002 und der beruflichen Tätigkeit zum Gesundheitsschaden in Auftrag zu geben; das Ereignis vom 14. April 2002 sei als Unfall oder als Berufskrankheit anzuerkennen.
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D.
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Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat die Akten der Invalidenversicherung beigezogen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Nach Art. 6 Abs. 1 UVG werden Versicherungsleistungen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt. Das kantonale Gericht hat die Rechtsgrundlagen bezüglich des Unfallbegriffs, insbesondere die Rechtsprechung zum Merkmal des ungewöhnlichen äusseren Faktors (BGE 129 V 404 Erw. 2.1, 122 V 233 Erw. 1, 121 V 38 Erw. 1a), zutreffend dargelegt. Mit dem Erfordernis der Plötzlichkeit ist sodann nicht notwendig verbunden, dass die schädigende Einwirkung auf einen blossen Augenblick beschränkt sei, wohl aber muss sie plötzlich eingesetzt haben und eine einmalige gewesen sein (EVGE 1943 S. 69). Zu ergänzen ist, dass auch nach dem In-Kraft-Treten des ATSG auf den 1. Januar 2003 die bisherige Rechtsprechung zum Unfallbegriff und zu den einzelnen begriffscharakteristischen Merkmalen weiterhin ihre Gültigkeit behält (RKUV 2004 Nr. U 530 S. 576).
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1.2 Der mangelhafte Nachweis eines die Merkmale des Unfalles erfüllenden Ereignisses lässt sich nur selten durch medizinische Feststellungen ersetzen. Diesen kommt im Rahmen der Beweiswürdigung für oder gegen das Vorliegen eines unfallmässigen Geschehens in der Regel nur die Bedeutung von Indizien zu (RKUV 1990 Nr. U 86 S. 51 Erw. 2).
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2.
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Streitig und zu prüfen ist zunächst, ob das Ereignis vom 14. April 2002 die Merkmale der Ungewöhnlichkeit und der Plötzlichkeit erfüllt und mithin ein Unfall im Rechtssinne vorliegt.
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2.1 Laut Unfallmeldung vom 16. April 2002 erlitt die Beschwerdeführerin während einer Aufführung der Oper X.________ vom 14. April 2002 nach einem Paukenschlag einen Hörsturz. Prof. Dr. med. W.________ gegenüber gab sie an, infolge eines sehr kraftvollen Paukeneinsatzes sei es zu einem Wattengefühl im Bereich der Ohren gekommen. Darüber hinaus persistiere ein beidseitiger Tinnitus. Ein sehr leiser Tinnitus sei bereits seit drei Jahren vorhanden gewesen, wobei dieser bei Lärmbelastung gelegentlich aufgetreten sei, nach Konzerten indessen jeweils wieder regredient gewesen sei. Schwindelbeschwerden oder eine bleibende Hörminderung grösseren Ausmasses wurden nicht angegeben. Das Beschwerdebild war laut Facharzt durch eine Hyperakusis als Empfindlichkeit auf akustische Reize gekennzeichnet, die unnatürlich sei. Der Versuch nach Rinne war ohne Hinweis auf eine Schallleitungsschwerhörigkeit. Im Reintonaudiogramm fand sich eine ganz geringgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit, die zwischen 10 und 20 dB schwankte und bei 6000 Hz auf 55 dB absank. Eine Schallleitungsbeeinträchtigung lag gemäss Prof. Dr. med. W.________ nicht vor. Diagnostiziert wurde ein Lärmtrauma mit konsekutivem Tinnitus und Hyperakusis bei massiver psychosozialer Überlagerung (Bericht vom 28. Oktober 2002). Gemäss Austrittsbericht der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie vom 3. Mai 2002 klagte die Versicherte über einen seit dem 14. April 2002 bestehenden sirrenden Tinnitus beidseits, welcher mittelgradig laut sei und bisher unverändert persistiere. Ein Pfeiffen oder Brummen werde verneint. Im Verlaufe der Therapie habe sich die Patientin immer besser vom Tinnitus distanzieren können, so dass dieser schliesslich fast völlig abgeklungen sei. Erwähnt wurde ein symmetrischer, leichtgradiger Hochtonverlust ab 4000 Hz beidseits. Im Bericht vom 2. Juli 2003 führte Prof. Dr. med. W.________ einen Tinnitus, erhebliche Dysakusis, leichte Schallempfindungsschwerhörigkeit hochtonbetont und posttraumatische Exazerbation bei ausgeprägtem Verdacht auf inadäquate Verarbeitung an. Eine zentral zugrunde liegende psychosoziale Gesamtkonstellation sei sicherlich für die zum Teil inadäquate Verarbeitung des Problems verantwortlich.
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2.2 Anlässlich der Befragung vom 10. September 2002 gab die Beschwerdeführerin an, der Tontechniker habe die Orgel zu laut eingestellt gehabt. Das Orchester sei dem gefolgt und habe kräftiger gespielt. Sodann habe der Pauker für sie plötzlich und überraschend viel heftiger geschlagen, was zum Hörsturz geführt habe. Als Souffleuse habe sie zu jenem Zeitpunkt am Bühnenrand gleich neben den Pauken gesessen, wie dies in 90 % aller Aufführungen der Fall gewesen sei. Mitglieder des Orchesters und Sänger hätten sich in der Folge ebenfalls über die Lautstärke beklagt. Der Obmann des Chores, welcher bei der Oper X.________ vom 14. April 2002 als Sänger auf der Bühne stand, bestätigte auf telefonische Anfrage gegenüber der Zürich, dass die Orgel tatsächlich sehr laut eingestellt war und auch er sich darüber beschwert habe. Der Dirigent habe den Pauker aufgefordert, den fraglichen Part sehr laut zu spielen. Er selber habe den betreffenden Paukenschlag indessen nicht als extrem oder ungewöhnlich empfunden. Der Tontechniker gab an, es könne durchaus vorkommen, dass innerhalb einer gewissen Bandbreite eine Aufführung lauter und eine andere etwas leiser gespielt werde. Bei der Oper X.________ müssten die Paukenschläge unabhängig von der Lautstärke der Orgel generell sehr kräftig ausgeführt werden.
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2.3 Der Bereich Akustik der SUVA hat am 6. April 2003 anlässlich einer Aufführung der Oper X.________ im Opernhaus B.________ im Souffleurkasten Schallmessungen durchgeführt. Dabei zeigte sich bei einem Schalldruckpegel von 60-104 dB (A) eine mittlere Schallbelastung von Lm 85 dB (A). Der Impulswert für die Paukenschläge lag bei Lpeak 129 dB (C) und der Schallexpositionspegel SEL bei 101 dB (A). Dabei gefährden Explosionen, Knalle oder Schläge mit Schalldruckspitzen über 140 dB (C) "Peak" das Gehör, wenn der über eine Stunde aufsummierte Schallexpositionspegel SEL 125 dB (A) übersteigt. Im Bericht vom 17. Mai 2003 gab die SUVA an, die Impulsgrenzwerte seien bei weitem nicht überschritten worden. Die Aufführung und die Aufstellung der Pauke seien gleich gewesen wie am 14. April 2002. Unterschiede in der Spielweise kämen vor und könnten 1 bis 3 dB auf die Schallpegel ausmachen. Eine Zunahme um 3 dB bedeute eine Verdoppelung der Schallenergie.
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2.4 Aufgrund der Messungen der SUVA sind die Paukeneinsätze in der Oper X.________ wohl sehr laut, erreichen jedoch die gehörgefährdenden Grenzwerte bei weitem nicht, weshalb darin grundsätzlich kein ungewöhnlicher äusserer Faktor erblickt werden kann. Allerdings ist gemäss den Akten davon auszugehen, dass anlässlich der Aufführung vom 14. April 2002, in welcher die Beschwerdeführerin das Gehörtrauma erlitt, die Pauke lauter geschlagen worden war als bei jener vom 6. April 2003, als die SUVA ihre Untersuchungen durchführte. Es ist auch zu berücksichtigen, dass nicht derselbe Paukist im Orchester war. Laut den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hatte am 6. April 2003 eine Frau Dienst. Da die Grenzwerte bei der Messung indessen bei weitem nicht erreicht wurden, kann angenommen werden, dass diese auch am 14. April 2002 nicht erreicht oder gar überschritten worden waren. Dass Pauken mitunter Spitzenwerte von 140 dB (C) verzeichnen, bedeutet nicht, dass dies auch bei den Aufführungen im Opernhaus B.________ der Fall war. Solch hohe Ergebnisse hat die SUVA jedenfalls bei keinen der anlässlich von neun verschiedenen Stücken im Frühjahr 2003 durchgeführten Messungen registriert. Auch wenn die fragliche Aufführung lauter gewesen zu sein scheint als üblich, bedeutet dies noch nichts Ungewöhnliches, das über den geplanten Inhalt der Opernaufführung hinausginge, zumal es sich bei der Oper X.________ ohnehin um eine als "laut" zu bezeichnende Oper mit teilweise sehr schallintensiven Passagen handelt, im Gegensatz etwa zum in der Opernmusik als "leise" geltenden "Barbier von Sevilla" mit einem von der SUVA im Souffleurkasten gemessenen Wert L 60-95 dB (A), entsprechend Lm 76 dB (A). Der geltend gemachte Paukenschlag gehörte im Rahmen der Oper X.________-Wiedergabe zur Interpretation des Stückes und war in diesem Sinne gewollt. Dass er in der einen Aufführung etwas intensiver und in der anderen etwas weniger heftig ausfällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Spielweise des Paukisten, dem Dirigenten und der Lautstärke anderer Instrumente, wie im vorliegenden Fall der Orgel. Da die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Souffleuse die aufgeführte Oper bestens kannte, war sie auf den Paukeneinsatz gefasst, auch wenn dieser nicht von jedem Musiker zeitlich gleich schnell und gleich kräftig ausgeführt wird. Somit erfolgte nichts, was nicht im Bereich des Erwarteten lag, weshalb weder das Element der Plötzlichkeit noch jenes der Ungewöhnlichkeit erfüllt ist.
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2.5 Ist mithin das Vorliegen eines Unfallereignisses zu verneinen, erübrigt sich diesbezüglich die Vornahme weiterer Sachverhaltsabklärungen.
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3.
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Als Anspruchsgrundlage zu prüfen ist weiter das Vorliegen einer Berufskrankheit gemäss Art. 9 UVG.
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3.1 In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 130 V 447 Erw. 1.2.1, 127 V 467 Erw. 1). Weil sich die Beeinträchtigung des Hörvermögens und somit der als Anspruchsgrundlage angerufene Sachverhalt vor dem 1. Januar 2003 verwirklicht hat, finden die auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen Bestimmungen des ATSG und der dazugehörigen Verordnung einschliesslich der damit verbundenen Änderungen des UVG keine Anwendung.
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3.2 Als Berufskrankheit gelten nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 UVG Krankheiten, die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht worden sind. Laut dem vom Bundesrat gestützt auf die ihm in Art. 9 Abs. 1 Satz 2 UVG und Art. 14 UVV eingeräumte Befugnis erlassenen Anhang 1 zur UVV gelten als berufsbedingte Erkrankungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UVG u.a. erhebliche Schädigungen des Gehörs, die durch Arbeiten im Lärm verursacht wurden (Ziff. 2 lit. a Anhang 1 zur UVV). Die Schwere der Beeinträchtigung ist aus praktischen Gründen in Prozenten des Hörverlusts zu umschreiben, wobei die Frage, ab welcher prozentualen Grenze ein Hörverlust als erheblich im Sinne der genannten Bestimmung zu qualifizieren ist, sich nicht nach abstrakten medizinischen Kriterien beantworten lässt; vielmehr kommt es darauf an, ob sich der Gehörschaden praktisch in erheblicher Weise auswirkt, indem er zu einer anspruchsbegründenden Erwerbs- oder Integritätseinbusse führt (Urteil A. vom 2. März 2005, U 371/04; Alexandra Rumo-Jungo, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, in: Murer/ Stauffer (Hrsg.), Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, 3. Aufl., Zürich 2003, S. 85). Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind Berufskrankheiten gemäss Art. 9 Abs. 3 Satz 1 UVG von ihrem Ausbruch an einem Berufsunfall gleichgestellt.
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Nach der Rechtsprechung ist eine "vorwiegende" Verursachung von Krankheiten durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten nur dann gegeben, wenn diese mehr wiegen als alle andern mitbeteiligten Ursachen, mithin im gesamten Ursachenspektrum mehr als 50 % ausmachen. "Ausschliessliche" Verursachung hingegen meint praktisch 100 % des ursächlichen Anteils der schädigenden Stoffe oder bestimmten Arbeiten an der Berufskrankheit (BGE 119 V 200 Erw. 2a mit Hinweis). Ob dies im Einzelfall so ist, muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargetan sein (BGE 114 V 111 Erw. 3c; RKUV 1988 Nr. U 61 S. 450 f. Erw. b). Die Verschlimmerung einer vorbestandenen Krankheit durch berufliche Arbeiten wird der Verursachung einer Krankheit gleichgestellt (BGE 117 V 356 Erw. 4c, 108 V 160 f. Erw. 1).
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3.3 Gemäss Untersuchungen des Bereichs Akustik der SUVA, welche im Frühjahr 2003 am Souffleur-Arbeitsplatz im Rahmen von neun unterschiedlichen Opern durchgeführt wurden, betrug die durchschnittliche Schallbelastung bei Aufführungen und Proben bei leisen Stücken Lm 77 dB (A) und bei lauten Stücken Lm 84 dB (A), während sich diese bei Vorbereitung und Einstudieren auf Lm 70 dB (A) reduzierte. Daraus ermittelte die SUVA eine mittlere Schallbelastung am Souffleur-Arbeitsplatz von Leq 82 dB (A) (Schallmessungsprotokoll vom 27. Mai 2003). Eine Belastung von Leq 88 dB (A) und mehr gilt als gehörgefährdend, während 85 - 87 dB im Grenzbereich der Gehörgefährdung liegen. Für die gesamte berufliche Tätigkeit als Souffleuse im Opernhaus B.________ von 1986 bis 2002 errechnete die SUVA einen Dauerschallpegel von Leq 82 dB (A)). Im fachlichen Bericht vom 27. Mai 2003 kam sie daher zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin während der 16-jährigen Erwerbstätigkeit keiner gehörgefährdenden Schallbelastung ausgesetzt war.
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3.4 Dr. med. A.________ weist in der ärztlichen Beurteilung vom 20. Juni 2003 darauf hin, dass die Versicherte gemäss Gehörschadendatenbank der SUVA bereits am 17. Oktober 2001 im Audiomobil untersucht worden war, wobei sich damals der gleiche Hörverlust mit einer deutlicheren Ausprägung einer Senke bei 2000 Hz und einem etwas ausgeprägteren Hochtonabfall ergeben habe. Gestützt auf das Ergebnis der Untersuchungen des Bereichs Akustik der SUVA (Bericht vom 27. Mai 2005) bezeichnete er eine durch hohe Schallbelastung verursachte Schädigung der Innenohrstrukturen als unwahrscheinlich. Dies werde auch durch die Tatsache bestätigt, dass im Reintonaudiogramm keine Veränderung habe festgestellt werden können. Weder im Rahmen der langjährigen beruflichen Tätigkeit noch beim fraglichen Schallereignis vom 14. April 2002 sei die Versicherte gehörgefährdend lärmexponiert gewesen. Eine lärmbedingte Schädigung des Gehörs im Sinne von Anhang 1 zur UVV habe somit nicht stattgefunden.
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Hinsichtlich der konkreten Ursachen der geklagten Beschwerden hält Dr. med. A.________ fest, am 14. April 2002 sei es wahrscheinlich zu einer vorübergehenden Vertäubung gekommen, wie sie allgemein bei einer stärkeren Schallbelastung vorkomme. Dies sei indessen anerkanntermassen kein direktes Zeichen für eine bleibende Innenohrschädigung. Vielmehr sei eine Lärmüberempfindlichkeit (Hyperakusis) eingetreten, ohne dass irgendwelche Zeichen einer direkten lärmbedingten Hörschädigung vorliegen würden. Es dürfte sich somit um eine unspezifische Reaktion auf ein an sich harmloses Ereignis handeln, wobei ein multifaktorielles Geschehen eine wichtige Rolle gespielt habe. So seien die Schallpegel im Vergleich zum Üblichen etwas höher gewesen, wenn auch deutlich nicht in gehörgefährdendem Ausmass. Auch die Arbeitsplatz- und die psychosoziale Situation seien nicht optimal gewesen. Wahrscheinlich spiele die Tatsache mit eine Rolle, dass die Versicherte überzeugt gewesen sei, einem gehörschädigenden Lärm ausgesetzt gewesen zu sein. Die einlässlich begründeten, schlüssigen Folgerungen, welche sich auf eine eingehend gewürdigte Dokumentation stützen, sind überzeugend. Nach der Rechtsprechung ist ein ohne eigene Untersuchungen durchgeführtes Aktengutachten zulässig, wenn - wie mit Bezug auf die Beschwerdeführerin - ein lückenloser Befund vorliegt und es im Wesentlichen nur um eine ärztliche Beurteilung eines an sich feststehenden medizinischen Sachverhalts geht (vgl. auch Lucrezia Glanzmann-Tarnutzer, Der Beweiswert medizinischer Erhebungen im Zivil-, Straf- und Sozialversicherungsprozess, in: AJP 2005 S. 74).
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3.5 Damit steht fest, dass die Hörstörung, deren Ursache grundsätzlich in einer chronischen Lärmbelastung bestehen kann, hier nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch die berufliche Arbeit verursacht wurde. Sodann ist in Bezug auf die Innenohrproblematik bei einem festgestellten leichtgradigen Hochtonverlust die für die Anerkennung einer arbeitsbedingten Erkrankung gemäss Ziff. 2 lit. a des Anhangs 1 zur UVV vorausgesetzte Erheblichkeit des Gehörschadens zu verneinen. Bejaht hat das Eidgenössische Versicherungsgericht das Vorliegen einer Berufskrankheit bei einem als sehr schwer qualifizierten (dekompensierten) Tinnitus bei einem Maschinisten, welcher während seiner gesamten Erwerbstätigkeit gehörschädigendem oder grenzwertig gehörschädigendem Lärm exponiert war (nicht veröffentlichtes Urteil Z. vom 25. September 1996, U 14/96). Der zunächst als mittelgradig laut bezeichnete Tinnitus der Beschwerdeführerin klang gemäss Austrittsbericht des Spitals Y.________ vom 3. Mai 2002 nach der Therapie fast vollständig ab, weshalb auch diesbezüglich die Erheblichkeit der Schädigung zu verneinen ist. Hinsichtlich der diagnostizierten erheblichen Dysakusis (vgl. Bericht des Prof. Dr. med. W.________ vom 2. Juli 2003), welche gemäss Dr. med. A.________ objektiv nicht messbar ist (vgl. ärztliche Beurteilung vom 20. Juni 2003), bleibt unklar, ob sie als erhebliche Schädigung des Gehörs im Sinne der obigen Verordnungsbestimmung zu verstehen ist. Nach dem in Erw. 3.4 Gesagten fehlt es diesbezüglich jedoch ohnehin am Erfordernis der vorwiegenden Verursachung durch Arbeiten im Lärm.
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3.6 Zusätzliche Beweismassnahmen, insbesondere die beantragte Durchführung weiterer Schallmessungen am ehemaligen Arbeitsplatz und Einholung eines medizinischen Gutachtens zur Frage der Kausalität des Ereignisses vom 14. April 2002 und der beruflichen Tätigkeit zum geltend gemachten Gesundheitsschaden und die Befragung von Zeugen, erübrigen sich, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und ergänzende Untersuchungen nichts am fehlenden Nachweis einer mehr als 50%igen beruflichen Einwirkung zu ändern vermögen (antizipierte Beweiswürdigung; vgl. BGE 124 V 94 Erw. 4b). Die technische Beurteilung der beruflichen Schallbelastung durch den Bereich Akustik der SUVA vom 27. Mai 2003 beruht auf einer durchaus repräsentativen Auswahl verschiedener Stücke unterschiedlicher Lautstärke. Dabei waren einzig die Opern X.________ mit Lm 85 dB (A) und Italiana mit Lm 86 dB (A) im Grenzbereich der Hörschädigung, während beispielsweise die ebenfalls laute Elemente enthaltenden Opern Nabucco und Don Carlos mit je Lm 82 dB (A) diesen nicht erreichten. In ihrer Beurteilung ging die SUVA von einem Anteil lauter Werke am gesamten Tätigkeitsbereich als Souffleuse von 52 % aus und errechnete für diesen Teilbereich bei Proben und Aufführungen eine Schallbelastung von Lm 84 dB (A), während diese bei den mit 28 % veranschlagten "leisen" Werken auf Lm 77 dB (A) ermittelt wurde. Wenn in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angeführt wird, Messungen in den Opernhäusern Dresden, Karlsruhe und Stuttgart hätten gemäss einer Untersuchung bezüglich des äquivalenten Dauerschallpegels (Leq dB [A]) wesentlich höhere Werte ergeben, als sie der Arbeitsplatzabklärung des Bereichs Akustik der SUVA zugrunde lägen, gilt es zu berücksichtigen, dass die Schallbelastung von Orchestermusikern, welche in den Akten gut dokumentiert ist, nicht ohne weiteres auf den Beruf einer Souffleuse übertragen werden kann. Vom Bereich Akustik der SUVA durchgeführte Studien über die Gehörbelastung von Orchestermusikern ergaben ebenfalls höhere Werte. Danach sind Berufsmusiker in der Schweiz durchschnittlich 35 Stunden pro Woche schallexponiert, wovon 10 bis 15 Stunden auf das individuelle Üben entfallen. Unter Berücksichtigung aller Phasen wurde ein Dauerschallpegel von zwischen 85 dB (A) und 95 dB (A) ermittelt. Der Maximalpegel betrug beim Schlagzeug über 120 dB (A), wobei der Peakpegel jedoch nie die Schwelle von 140 dB (C) überschritten hatte. Die Langzeitschallbelastung bei Orchestermusikern wurde vom Bereich Akustik der SUVA als gehörgefährdend bezeichnet (Tina Billeter und Beat Hohmann, Bereich Akustik der SUVA, Gehörbelastung von Orchestermusikern, SIS Symposium vom 25. September 2002). Im Gegensatz zu den Musikern im Orchestergraben geniesst die Souffleuse durch den Kasten, in dem sie sitzt, einen gewissen Schutz vor dem Schall der Instrumente, was auch die unterschiedlichen Messwerte erklärt. Dass dieser nicht unterschätzt werden darf, ergibt sich daraus, dass bei Musikern Abschirmmassnahmen in Form von Schutzschildern, Stellwänden oder vergleichbare Einrichtungen Anwendung finden oder diskutiert werden. Ausser in Bezug auf ihre andere Platzierung ist die Souffleuse auch deshalb weniger dem Lärm ausgesetzt, weil für sie das stundenlange Üben mit dem eigenen Instrument und teilweise auch das Üben in lärmiger Umgebung mit dem Orchester wegfällt. Eine Listenkrankheit nach Art. 9 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Anhang 1 zur UVV fällt somit ausser Betracht.
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4.
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4.1 Die Voraussetzung des ausschliesslichen oder stark überwiegenden Zusammenhanges gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG ist nach ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn die Berufskrankheit mindestens zu 75 % durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist. Die Anerkennung von Beschwerden im Rahmen dieser von der Gerichtspraxis als "Generalklausel" bezeichneten Anspruchsgrundlage ist - entsprechend der in BGE 114 V 111 Erw. 3c auf Grund der Materialien eingehend dargelegten legislatorischen Absicht, die Grenze zwischen krankenversicherungsrechtlicher Krankheit und unfallversicherungsrechtlicher Berufskrankheit nicht zu verwässern - an relativ strenge Beweisanforderungen gebunden. Verlangt wird, dass die versicherte Person für eine gewisse Dauer einem typischen Berufsrisiko ausgesetzt ist (zum Ganzen: BGE 126 V 186 Erw. 2b mit Hinweis).
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4.2 Im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 UVG ist grundsätzlich in jedem Einzelfall darüber Beweis zu führen, ob die geforderte stark überwiegende (mehr als 75%ige) bis ausschliessliche berufliche Verursachung vorliegt (BGE 126 V 189 Erw. 4b am Ende). Angesichts des empirischen Charakters der medizinischen Wissenschaft (BGE 126 V 189 Erw. 4c am Anfang) spielt es indessen für den Beweis im Einzelfall eine entscheidende Rolle, ob und inwieweit die Medizin, je nach ihrem Wissensstand in der fraglichen Disziplin, über die Genese einer Krankheit im Allgemeinen Auskunft zu geben oder (noch) nicht zu geben vermag. Wenn auf Grund medizinischer Forschungsergebnisse ein Erfahrungswert dafür besteht, dass eine berufsbedingte Entstehung eines bestimmten Leidens von seiner Natur her nicht nachgewiesen werden kann, dann schliesst dies den (positiven) Beweis auf qualifizierte Ursächlichkeit im Einzelfall aus. Oder mit andern Worten: Sofern der Nachweis eines qualifizierten (zumindest stark überwiegenden [Anteil von mindestens 75 %]) Kausalzusammenhanges nach der medizinischen Empirie allgemein nicht geleistet werden kann (z.B. wegen der weiten Verbreitung einer Krankheit in der Gesamtbevölkerung, welche es ausschliesst, dass eine eine bestimmte versicherte Berufstätigkeit ausübende Person zumindest vier Mal häufiger von einem Leiden betroffen ist als die Bevölkerung im Durchschnitt), scheidet die Anerkennung im Einzelfall aus. Sind anderseits die allgemeinen medizinischen Erkenntnisse mit dem gesetzlichen Erfordernis einer stark überwiegenden (bis ausschliesslichen) Verursachung des Leidens durch eine (bestimmte) berufliche Tätigkeit vereinbar, besteht Raum für nähere Abklärungen zwecks Nachweises des qualifizierten Kausalzusammenhanges im Einzelfall (BGE 126 V 189 Erw. 4c mit Hinweisen).
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4.3 Muss die Kausalität der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Gehörs mit der Berufstätigkeit als Souffleuse bereits im Einzelfall (mehr als 50 %) verneint werden, kann auf die nähere Prüfung der allgemeinen Kausalität (mehr als 75 %) verzichtet werden. Wie bereits dargelegt (Erw. 3.6) können die bei Orchestermusikern gewonnen Erkenntnisse sodann nicht einfach auf Souffleusen übertragen werden. Die versicherte Person muss zudem während einer gewissen Dauer einem für ihren Beruf typischen oder damit verbundenen Risiko ausgesetzt gewesen sein. Ein einmaliges Ereignis, durch welches die Gesundheitsschädigung ausgelöst wird, genügt nicht. Vielmehr ist für die Beurteilung der Exposition die gesamte ausgeübte Berufstätigkeit zu berücksichtigen (BGE 126 V 186 Erw. 2b, 116 V 144 Erw. 5d). Wird eine gesundheitliche Schädigung im Rahmen der beruflichen Arbeit durch ein einmaliges Geschehen ausgelöst, ist die berufliche Tätigkeit nur Anlass und nicht Ursache des Leidens. Es ist daher nicht von Belang, dass gewisse Instrumente bei der Aufführung vom 14. April 2002 ungewöhnlich laut waren. Somit ergibt sich auch unter dem Titel der Berufskrankheit im Sinne von Art. 9 UVG keine Leistungspflicht der Unfallversicherung.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
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Luzern, 1. Dezember 2005
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
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