BGer 6P.110/2005 | |||
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BGer 6P.110/2005 vom 20.12.2005 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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6P.110/2005
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6S.325/2005 /gnd
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Urteil vom 20. Dezember 2005
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Kassationshof
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, Präsident,
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Bundesrichter Kolly, Zünd,
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Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Schlegel,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,
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Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
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Gegenstand
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6P.110/2005
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Art. 9, 31 Abs.1 und 36 Abs.1 BV sowie Art. 5 EMRK (Strafverfahren)
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6S.325/2005
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Umwandlung von Massnahmen (Art. 43 Ziff. 3 StGB),
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Staatsrechtliche Beschwerde (6P.110/2005) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.325/2005) gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 24. Mai 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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Am 17. Dezember 1974 sprach das Untersuchungsrichteramt St. Gallen den 1957 geborenen X.________ der wiederholten unzüchtigen Handlungen mit Kindern schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingt vollziehbaren Einschliessung von drei Tagen. Am 23. Januar 1985 wurde er wegen wiederholter und fortgesetzter Unzucht mit Kindern, wiederholter und fortgesetzter unzüchtiger Handlungen mit Kindern sowie wiederholten Vorzeigens unzüchtiger Veröffentlichungen zu einer bedingten Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Am 21. April 1998 erklärte ihn das Kantonsgericht St. Gallen zweitinstanzlich der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und der mehrfachen Pornographie schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren.
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Das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen entliess X.________ am 15. März 2000 bedingt aus dem Strafvollzug. Am 14. Juli 2000 wurde er erneut wegen Verdachts sexueller Handlungen mit Kindern in Untersuchungshaft genommen.
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Am 15. Mai 2001 verurteilte ihn das Bezirksgericht Oberrheintal wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher sexueller Belästigung sowie mehrfacher Pornographie zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren. Des Weiteren ordnete es eine ambulante psychotherapeutische Behandlung an, welche sowohl während des Vollzugs als auch - soweit zweckmässig und notwendig - nach der Entlassung aus dem Strafvollzug durchgeführt werden sollte. Ausserdem verfügte es auf den Zeitpunkt der Entlassung hin eine temporär-chemische Kastration sowie eine kontrollierte Wohnsituation.
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Am 2. Oktober 2001 verweigerte das Justiz- und Polizeidepartement X.________ die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug. Gleichzeitig verfügte es den Widerruf der bedingten Entlassung vom 15. März 2000 und ordnete den Vollzug des noch nicht verbüssten Strafrests gemäss Urteil vom 21. April 1998 von 306 Tagen an. Am 27. Dezember 2001 stellte X.________ erneut ein Gesuch um bedingte Entlassung. Am 20. August 2002 wies das Departement dieses Gesuch ab, verfügte die Einstellung der ambulanten Massnahme und überwies die Angelegenheit dem Bezirksgericht Oberrheintal mit dem Antrag auf Anordnung einer Verwahrung gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.
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Nach vollständiger Strafverbüssung wurde X.________ am 14. Mai 2003 aus dem Strafvollzug entlassen.
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Am 27. Mai 2003 ordnete das Bezirksgericht Oberrheintal die Verwahrung von X.________ gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 und Art. 43 Ziff. 3 StGB an. Dagegen erhob X.________ Berufung. Das Kantonsgericht St. Gallen wies diese am 24. Mai 2005 ab.
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B.
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X.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Mit beiden Rechtsmitteln beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung.
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C.
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Das Kantonsgericht verzichtet auf eine Stellungnahme zu den Be-schwerden. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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I. Staatsrechtliche Beschwerde
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonst wie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG).
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Der angefochtene Entscheid stützt die Zulässigkeit der Abänderung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung auf Art. 43 Ziff. 3 StGB. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 36 BV, weil im geltenden Recht keine hin-reichende gesetzliche Grundlage für die Umwandlung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung nach vollständiger Strafverbüssung bestehe. Ebenso erweise sich Art. 5 EMRK als verletzt, da die neuerliche Freiheitsentziehung durch das ursprüngliche Strafurteil nicht gedeckt sei, es mithin am erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung fehle. Mit diesen Rügen beanstandet der Beschwerdeführer in Wirklichkeit eine unrichtige Anwendung von Art. 43 Ziff. 3 StGB und damit von Bundesrecht. Die Verletzung der Bundesverfassung und der EMRK wird insoweit nur mittelbar gerügt. Die Frage der verfassungs- und konventionskonformen Anwendung von Bundesrecht ist mit der Nichtigkeitsbeschwerde vorzutragen (BGE 127 IV 166 E. 2g und 4; 119 IV 107 E. 1a, mit Hinweisen). Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist daher in diesem Umfang nicht einzutreten.
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Ebenso wenig eingetreten werden kann auf die staatsrechtliche Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer unter dem Titel von Treu und Glauben gemäss Art. 9 BV eine zweckwidrige bzw. rechtsmissbräuchliche Anwendung von Art. 43 Ziff. 3 StGB geltend macht. Auch mit dieser Rüge beanstandet er eine unrichtige Anwendung von Bundesrecht, was im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde zu überprüfen ist.
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2.
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Der Beschwerdeführer wirft dem Kantonsgericht eine willkürliche Beweiswürdigung vor (Art. 9 BV). Dieses weiche ohne triftige Gründe von der Einschätzung des gerichtlichen Gutachters ab, welcher das Vorliegen einer klinisch manifesten psychischen Störung verneine. Der angefochtene Entscheid gehe über die gutachterliche Meinung hinaus und stelle ohne Begründung auf den Therapiebericht des psychiatrisch-psychologischen Dienstes des Justizvollzugs des Kantons Zürich ab.
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2.1 Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen. Dabei genügt es nicht, wenn der angefochtene Entscheid sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 8 E. 2.1; 128 I 177 E. 2.1; 127 I 38 E. 2 und 4 mit Hinweisen).
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2.2 Der Gutachter stellt in psychiatrisch-diagnostischer Hinsicht fest, dass beim Beschwerdeführer eine Pädophilie gemäss internationaler Klassifikation psychischer Störungen nach ICD-10 bzw. eine ausgeprägte Pädosexualität besteht (Hauptgutachten vom 23. April 2003, S. 30). Dieser Diagnose schliesst sich das Therapeutenteam des psychiatrisch-psychologischen Dienstes des Justizvollzugs des Kantons Zürich (PPD) unter Anwendung des Diagnosemanuals DSM-IV an (Therapiebericht vom 10. Mai 2005, S. 3). Dieser Triebstörung kommt nach den Angaben des Gutachters Krankheitswert zu (Hauptgutachten vom 23. April 2003, S. 30, 35 und 37). Uneins sind sich die Fachleute hingegen, ob der Beschwerdeführer zusätzlich an einer Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 leidet. Während namentlich die Therapeuten des PPD eine Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 als gegeben erachten, schliessen der Gutachter und ein weiterer Sachverständiger eine solche aus (Hauptgutachten vom 23. April 2003, S. 35; Gutachten Knecht vom 6. Oktober 1997, S. 28). Das Kantonsgericht hat die in dieser Hinsicht unterschiedlichen ärztlichen Beurteilungen einer sorgfältigen Würdigung unterzogen. Dabei ist es zum Schluss gelangt, dass beim Beschwerdeführer nach der Darstellung sämtlicher Fachpersonen äusserst auffällige Persönlichkeitszüge bzw. (mindestens) eine Störung in der Persönlichkeitsentwicklung vorliegen. Diese Beurteilung erscheint nicht willkürlich, zumal auch der Gutachter von "eindeutigen Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung" des Beschwerdeführers spricht und ausdrücklich darauf hinweist, dass der "Übergang von auffälligen Persönlichkeitszügen zu Persönlichkeitsstörungen als fliessend zu bezeichnen ist und gerade im Bereich der Persönlichkeitsstörungen unterschiedliche diagnostische Einschätzungen häufig anzutreffen sind" (Ergänzungsgutachten vom 25. Januar 2005, S. 21). Der Vorwurf der willkürlichen Beweiswürdigung geht mithin fehl.
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3.
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Aus diesen Gründen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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II. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
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4.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, Art. 43 Ziff. 3 Abs. 1 und 3 StGB würden sich nur auf den Fall einer aufgeschobenen Strafe beziehen. Soweit die Strafe bei der Anordnung der ambulanten Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 3 Abs. 1 StGB nicht aufgeschoben werde, müsse im Zeitpunkt des Umwandlungsentscheids zumindest ein Teil der Strafe noch nicht verbüsst sein. Die nachträgliche Umwandlung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung nach vollständiger Verbüssung der Strafe sei von Art. 43 Ziff. 3 StGB nicht gedeckt, so dass es vorliegend hinsichtlich dieses Vorgehens an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage fehle (Art. 1 StGB und Art. 7 EMRK; Beschwerde S. 4 ff.).
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4.1 Das Bezirksgericht hat mit Urteil vom 15. Mai 2001 gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB eine ambulante Behandlung des Beschwerdeführers während des Strafvollzugs angeordnet. Am 14. Mai 2003 hat der Beschwerdeführer die Strafen, zu denen er mit Urteilen vom 21. April 1998 (Strafrest nach bedingter Entlassung) und vom 15. Mai 2001 verurteilt worden war, vollständig verbüsst. Am 27. Mai 2003 ordnete das Bezirksgericht die Verwahrung gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 3 StGB an.
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4.2 Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Umwandlung einer ambulanten Massnahme in eine stationäre Massnahme bzw. in eine Verwahrung auch nach vollständiger Verbüssung der Strafe gestützt auf Art. 43 Ziff. 3 StGB zulässig (BGE 128 I 184 E. 2.3.2; vgl. auch BGE 125 IV 225 E. 2; 123 IV 100 E. 3). Diese Auffassung wurde vom Kassationshof des Bundesgerichts in einem unveröffentlichten Entscheid vom 21. November 2003 (6S.265/2003, E. 4) nuanciert. Danach soll die Umwandlung einer ambulanten Therapie in eine stationäre Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Strafe nur in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebots zulässig sein (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 4. Juli 2005, 1P.359/2005, E. 3.1.1). Dies gilt in gleicher Weise auch für die hier in Frage stehende nachträgliche Umwandlung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung.
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Dass eine solche Umwandlung in eine Verwahrung an eine noch zu verbüssende Reststrafe anknüpfen muss, ist somit entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht erforderlich. Ambulante Massnahmen können den Strafvollzug überdauern. Sie sind ebenso wie die Verwahrung zeitlich unbeschränkt. Ihre Dauer ist einzig vom Zustand des Täters und der Gefahr weiterer strafbarer Handlungen abhängig. Sie werden somit ohne Rücksicht auf Art und Dauer der ausgesprochenen Strafe durchgeführt (BGE 100 IV 12 E. 2c). Drängt sich im Verlaufe des Vollzugs eine Änderung auf, weil sich beispielsweise die ursprüngliche Einschätzung der Heilungschancen als zu positiv erwiesen hat oder sich eine andere Risikoeinschätzung aufgrund neu gewonnener Erkenntnisse im Verlaufe einer ärztlichen Behandlung ergibt (Philipp Maier/Frank Urbaniok, Die Anordnung und praktische Durchführung von Freiheitsstrafen und Massnahmen, Zürich 1998, S. 112 f.), kann gestützt auf Art. 43 Ziff. 3 StGB jederzeit eine Verwahrung nachträglich angeordnet werden. Dies gilt selbst, wenn der zeitlich befristete Strafvollzug bereits beendet ist, der Täter seine Strafe also schon vollständig verbüsst hat (vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, § 11 N 103 und 119; Marianne Heer, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Basel 2003, Art. 43 N 205 mit Hinweis; Dieselbe, Das neue Massnahmerecht: zum ersten, zum zweiten, zum dritten..., in: Anwaltsrevue 8/2005, S. 303 ff. und 307).
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4.3 Da die Abänderung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen darstellt, fragt sich immerhin, ob eine solche Umwandlung auch vor der EMRK standhält. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK eine zeitliche und inhaltliche Verknüpfung zwischen Verurteilung und neuerlicher Freiheitsentziehung verlangt: Das Urteil muss der Grund für die Haft sein. Ob die Freiheitsentziehung noch auf dem ursprünglichen Urteil beruht, kann sich als problematisch erweisen, wenn sie erst später - gerichtlich - angeordnet wird (vgl. Stefan Trechsel, Human Rights in Criminal Proceedings, Oxford 2005, S. 440, mit Hinweisen auf die Strassburger Rechtsprechung; Walter Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, Kommentar, Berlin 2005, MRK Art. 5 N 42; Joachim Renzikowski, Die nachträgliche Sicherungsverwahrung und die Europäische Menschenrechtskonvention, in: Juristische Rundschau (JR) 7/2004, S. 271 ff.).
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Die vorliegende durch die Verwahrung bedingte Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers ist vom ursprünglichen Strafurteil vom 15. Mai 2001 nicht losgelöst. Bereits damals wurde die Option einer späteren Abänderung in eine sichernde Massnahme vorbehalten, sollte sich die angeordnete ambulante Therapie als erfolglos oder unzweckmässig herausstellen (Strafurteil vom 15. Mai 2001, S. 9 und 10, E. 4b/bb und e). Die nachträgliche Umwandlung der ambulanten Massnahme in die Verwahrung konkretisiert somit lediglich den Massnahmenvollzug, wie er im ursprünglichen Strafurteil bereits vorgezeichnet war. Unter diesen Umständen ist die neuerliche Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers durch das vorangegangene Strafurteil gedeckt. Die gestützt auf Art. 43 Ziff. 3 StGB angeordnete Abänderung der Massnahme ist daher auch mit der EMRK vereinbar. Die Rüge des Beschwerdeführers ist mithin unbegründet.
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5.
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Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe zu Unrecht die Voraussetzungen der Verwahrung bejaht (Beschwerde, S. 11). Er macht namentlich geltend, dass er an keiner psychischen Störung im Rechtssinne leide.
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5.1 Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder vermindern, so kann der Richter den Täter gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Heil- oder Pflege-anstalt einweisen. Gefährdet der Täter infolge seines Geisteszustandes die öffentliche Sicherheit in schwer wiegender Weise und spiegelt sich sein gefährlicher Geisteszustand in der von ihm begangenen Tat wider, so wird vom Richter seine Verwahrung angeordnet, wenn diese Massnahme notwendig ist, um ihn vor weiterer Gefährdung anderer abzuhalten (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; BGE 121 IV 297 E. 2b).
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5.2 Die Fachleute gehen im Sinne einer Kerndiagnose übereinstimmend davon aus, dass beim Beschwerdeführer eine Pädophilie gemäss internationaler Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) bzw. eine ausgeprägte Pädosexualität besteht. Dieser Triebstörung kommt nach den Angaben des Gutachters Krankheitswert zu (Hauptgutachten vom 23. April 2003, S. 30 und 35). Vor diesem Hintergrund kann die geistige Abnormität des Beschwerdeführers gemäss Art. 43 StGB nicht in Abrede gestellt werden. Damit kann die Frage offen bleiben, ob die von der Vorinstanz gestützt auf die Darlegung sämtlicher Fachpersonen zusätzlich festgestellte Persönlichkeitsentwicklungsstörung bzw. die äusserst auffälligen Persönlichkeitszüge des Beschwerdeführers bereits als psychische Krankheit im Rechtssinne zu qualifizieren sind. Das angefochtene Urteil verletzt in diesem Punkt mithin kein Bundesrecht.
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5.3 Was die weiteren Voraussetzungen zur Anordnung einer Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anbelangt, kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz sowie der ersten Instanz verwiesen werden (angefochtener Entscheid, S. 9 - 11; Urteil des Bezirksgerichts vom 27. Mai 2003, S. 29 - 31). Zur Frage der Verhältnismässigkeit (vgl. 6S.265/2003 E. 4; Heer, a.a.O., Art. 43 N 216) bleibt immerhin Folgendes anzumerken.
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Der Beschwerdeführer ist nach Auffassung sämtlicher Fachpersonen stark rückfallgefährdet. Selbst in Kombination mit einer kontrollierten Wohnsituation und einer chemisch-temporären Kastration wäre zu befürchten, dass der Beschwerdeführer ausserhalb eines eng strukturierten Rahmens - trotz ärztlicher Behandlung - erneut sexuelle Handlungen mit Kindern vornehmen würde (Hauptgutachten vom 23. April 2003, S. 39 und 41; Ergänzungsgutachten vom 25. Januar 2005, S. 22; Therapiebericht vom 10. Mai 2005, S. 6). Gestützt auf die fachärztliche Gefährlichkeitsprognose gelangt die Vorinstanz daher zu Recht zum Schluss, der Beschwerdeführer gefährde die öffentliche Sicherheit in schwer wiegender Weise. Die Gefährdung richtet sich dabei auf hochwertige Rechtsgüter, namentlich die sexuelle Integrität von Knaben bzw. männlicher Jugendlicher.
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Die realen Therapiemöglichkeiten bei pädosexuellen Straftätern sind in der Schweiz gemäss den Ausführungen des Gutachters beschränkt. Bis heute bestehe kein stationäres therapeutisches Behandlungsangebot, das sich speziell diesem Störungsbild widme. Auf ambulanter Ebene existiere lediglich die Möglichkeit, sich im Rahmen des ambulanten Intensivprogramms (AIP) des psychiatrisch-psychologischen Dienstes des Justizvollzugs des Kantons Zürich behandeln zu lassen (Hauptgutachten vom 23. April 2003, S. 36/37).
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Das AIP, an welchem der behandlungsfähige Beschwerdeführer seit dem 26. Juni 2001 teilnimmt, wird ausschliesslich in der Strafanstalt Pöschwies durchgeführt (vgl. kantonale Akten, B/52, AIP Kurzkonzept). Sämtliche Fachpersonen erachten die weitere Teilnahme des Beschwerdeführers am AIP als indiziert, wobei sie von einer mittel- bis längerfristigen Therapiebedürftigkeit ausgehen (Hauptgutachten vom 23. April 2003, S. 39 und 41; Therapiebericht vom 10. Mai 2005, S. 7). Da der Beschwerdeführer im Rahmen dieses Therapieprogamms bereits gewisse Fortschritte gemacht hat, hält die Vorinstanz unter Eignungsgesichtspunkten an der Fortführung dieser Behandlung fest. Dass sie die ambulante Massnahme wegen der Sicherheitsinteressen Dritter als unzweckmässig eingestuft hat, steht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers dazu nicht im Widerspruch.
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Da die Behandlung des Beschwerdeführers in gesichertem Rahmen erfolgen muss, um dem hier im Zentrum stehenden Sicherungsaspekt genügend Rechnung zu tragen, hat die Vorinstanz die Möglichkeit einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung (FFE) nach Art. 397a ZGB implizit ausgeschlossen. Dies zu Recht, dient doch die FFE primär der Fürsorge und dem Schutz der betroffenen Person und nicht der Umgebung (Art. 397a Abs. 1 ZGB; Thomas Geiser, Basler Kommentar, Schweizerisches Zivilgesetzbuch I/2, Art. 397a N 26). Offenbleiben kann, ob der Beschwerdeführer in diejenige Kategorie von Tätern einzuordnen ist, bei denen trotz der laufenden ärztlichen Behandlung ernstlich die Gefahr weiterer schwerer Straftaten droht. Selbst wenn man ihn demjenigen Tätertypus zuordnen wollte, der noch nicht eindeutig aus dem Anwendungsbereich von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB herausfällt und deshalb nicht klar jenem von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zugeordnet werden kann, bei dem mithin in bestimmten Situationen ein Risiko besteht, dem mit sichernden Mitteln begegnet werden muss (vgl. BGE 123 IV 100 E. 2), müsste der bestehenden Gefahr weiterer Sexualdelinquenz und somit dem Sicherungsaspekt ein stärkeres Gewicht beigemessen werden als dem Heilungsaspekt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer dadurch die weitere Teilnahme am AIP ermöglicht wird, verletzt die vorliegende Anordnung der Verwahrung kein Bundesrecht.
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Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die Verwahrung aufgehoben werden muss, wenn ihr Grund weggefallen ist, d.h. die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr nicht mehr oder nur mehr in einem Ausmass besteht, das unter jener Schwelle bleibt, die eine Fortdauer der Massnahme rechtfertigen könnte (Art. 43 Ziff. 4 Abs. 1 StGB).
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6.
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Aus diesen Gründen ist die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen.
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III. Entschädigungs- und Kostenfolgen
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7.
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Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da seine Begehren im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde aussichtslos erschienen, ist das Gesuch abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird insoweit kostenpflichtig. Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr ist auf seine finanzielle Lage Rücksicht zu nehmen. Für das Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hingegen gutzuheissen (Art. 152 Abs. 1 OG). Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist insoweit eine angemessene Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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3.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird für das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde abgewiesen, hingegen für das Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gutgeheissen.
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4.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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5.
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Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird für das Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.
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6.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Dezember 2005
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Im Namen des Kassationshofes
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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