BGer C 258/2004 | |||
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BGer C 258/2004 vom 29.12.2005 | |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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C 258/04
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Urteil vom 29. Dezember 2005
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III. Kammer
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Besetzung
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Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiberin Polla
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Parteien
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Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln, Beschwerdeführerin,
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gegen
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K.________, 1971, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Dr. Anton Lauber, Faissgärtli 17, 4144 Arlesheim
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Vorinstanz
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Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal
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(Entscheid vom 21. Juli 2004)
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1971 geborene K.________ war vom 1. Februar 2002 bis 31. Juli 2003 bei der F.________ AG als Leiter des Bereichs Knowledge Engineering tätig. Am 20. Juni 2003 meldete er sich auf der Wohngemeinde an und stellte am 30. Juni 2003 (mit Eingang beim RAV am 3. Juli 2003) Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. August 2003. Mit Verfügung vom 30. September 2003 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland aufgrund seiner arbeitgeberähnlichen Stellung im Betrieb einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Die hiegegen erhobene Einsprache hiess die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland teilweise gut, indem sie feststellte, dass K.________ am 1. August 2003 seine arbeitgeberähnliche Stellung verloren habe. Wegen fehlender Beitragszeit verneinte es aber wiederum die Anspruchsberechtigung (Einspracheentscheid vom 19. November 2003).
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B.
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Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 21. Juli 2004 gut und wies die Sache zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an die Verwaltung zurück.
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C.
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Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei der Einspracheentscheid vom 19. November 2003 zu bestätigen.
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Während K.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG (in der bis Ende Juni 2003 in Kraft gestandenen Fassung) hat die Beitragszeit erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die Beitragszeit von zwei Jahren (Art. 9 Abs. 3 AVIG) während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Mit der am 22. März 2002 verabschiedeten 3. Teilrevision des AVIG wurde die Mindestbeitragsdauer auf zwölf Monate erhöht (Art. 13 Abs. 1 AVIG in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung).
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2.
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2.1 Zum anwendbaren Recht im Hinblick auf die mit der 3. Teilrevision des AVIG einhergehenden Rechtsänderungen hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil L. vom 20. September 2004, C 34/04, in einem Fall, wo sowohl der Eintritt der Arbeitslosigkeit als auch die Anmeldung zur Arbeitsvermittlung vor dem 1. Juli 2003 lagen, in Anwendung der in zeitlicher Hinsicht massgebenden allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätze entschieden, dass die am 1. Juli 2003 in Kraft getretene Änderung von Art. 13 Abs. 1 AVIG noch nicht zur Anwendung gelange. Die offen gelassene Frage, ob Personen, welche vor dem 1. Juli 2003 arbeitslos geworden sind und sich nach dem 30. Juni 2003 zur Arbeitsvermittlung gemeldet haben, eine sechs- oder eine zwölfmonatige beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben müssen, damit die Beitragszeit als erfüllt gelten kann, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil S. vom 12. Juli 2005, C 154/04, in dem Sinne entschieden, dass die mit der Gesetzesrevision vom 22. März 2002 verschärfte Mindestbeitragszeit von einem Jahr ab In-Kraft-Treten am 1. Juli 2003 auf alle ab diesem Zeitpunkt erfolgten Anmeldungen zum Leistungsbezug anwendbar ist (Erw. 2). Zu beachten ist hierbei, dass die versicherte Person im Zeitpunkt der Anmeldung sämtliche sieben Anspruchsvoraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 AVIG und zwar jene, die im Zeitpunkt der Anmeldung in Kraft sind, erfüllt haben muss (erwähntes Urteil S. vom 12. Juli 2005, Erw. 3.3).
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2.2 Da der Beschwerdegegner bis 31. Juli 2003 einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachging, war er mithin erst ab 1. August 2003 arbeitslos (Art. 8 Abs. 1 lit. a AVIG), weshalb er die Mindestbeitragsdauer von einem Jahr zu erfüllen hat.
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3.
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3.1 Nach den insoweit unbestrittenen tatbeständlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts arbeitete der Beschwerdegegner vom 1. Februar 2002 bis 31. Juli 2003 bei der F.________ AG. Die auch letztinstanzlich wiederholten Hinweise der Arbeitslosenkasse auf gewisse Ungereimtheiten hinsichtlich des tatsächlichen Beginns und Endes des Arbeitsverhältnisses haben ihren Ursprung in einer damit im Widerspruch stehenden Darstellung im Lebenslauf des Versicherten und im späten Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrages am 4. März 2003. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit dieses Sachverhalts ergeben sich aber aufgrund der Aktenlage nicht, zumal die Arbeitslosenkasse in ihrem Einspracheentscheid vom 19. November 2003 denselben Sachverhalt zu Grunde legte, um anschliessend die Frage nach dem Zeitpunkt des Verlusts der arbeitgeberähnlichen Stellung zu beantworten. Somit ist anzunehmen, dass der Beschwerdegegner tatsächlich im erwähnten Zeitraum für die F.________ AG in einem (beitragspflichtigen) Arbeitsverhältnis stand.
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3.2 Nach einer gründlichen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Vorinstanz hinsichtlich des Geldflusses in Würdigung der gesamten Umstände zum Schluss gelangt, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Beschwerdegegner während der Dauer des Anstellungsverhältnisses (vom 1. Februar 2002 bis 31. Juli 2003) tatsächlich Lohn entrichtet worden ist, womit der Versicherte die Beitragszeit erfüllt habe. Dem vorinstanzlichen Ergebnis ist umso mehr beizupflichten, als das Eidgenössische Versicherungsgericht in einem kürzlich ergangenen Entscheid (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil A. vom 12. September 2005, C 247/04, Erw. 3) in Präzisierung der bisherigen Rechtsprechung (ARV 2001 Nr. 27 S. 225 und seitherige Urteile) festgehalten hat, diese sei nicht in dem Sinne zu verstehen, dass eine beitragspflichtige Beschäftigung überhaupt nur dann zur Bildung von Beitragszeiten führe, wenn und soweit der Nachweis tatsächlicher Lohnzahlung erbracht ist. Unter dem Gesichtspunkt der erfüllten Beitragszeit nach Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG ist die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung während der geforderten Dauer von mindestens zwölf Beitragsmonaten grundsätzlich einzige Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (vgl. BGE 113 V 352). Diese Tätigkeit muss - zur Verhinderung von Missbräuchen - hinreichend überprüfbar sein (ARV 2001 Nr. 12 S. 143, 1996/97 Nr. 17 S. 79, 1988 Nr. 1 S. 16; Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Basel 1998, Rz 161). Dem Nachweis tatsächlicher Lohnzahlung kommt nicht der Sinn einer selbstständigen Anspruchsvoraussetzung zu, wohl aber jener eines bedeutsamen und in kritischen Fällen unter Umständen ausschlaggebenden Indizes für die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung (Urteil B. vom 2. Dezember 2005, C 252/05; vgl. dazu auch Barbara Kupfer Bucher, Der Nachweis des Lohnflusses als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung: eine zusammenfassende Darstellung der Grundlagen und der Praxis mit einer kritischen Würdigung, in: SZS 49/2005 S. 125 ff).
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3.3 Die Vorbringen der Arbeitslosenkasse in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Aufgrund der eben dargelegten Rechtsprechung braucht der effektive Lohnfluss während der Dauer der beitragspflichtigen Beschäftigung gerade nicht lückenlos durch entsprechende Belege ausgewiesen zu sein. Was den Einwand betrifft, Gründer einer Gesellschaft würden erfahrungsgemäss sehr häufig kein Gehalt beziehen, sodass auch hier wahrscheinlich kein Lohn geflossen sei, weist die Arbeitslosenkasse zum einen selber auf die vorhandenen Nachweise der Entlöhnung für die Monate Januar bis März 2003 hin. Zum andern legte das kantonale Gericht ausführlich und einleuchtend dar, dass der Versicherte ab dem Zeitpunkt der (bis auf den nicht verbuchten, aber dem privaten Bankkonto gutgeschriebenen Verdienst für den Monat März, lückenlosen) Lohngutschrift auf den Aktionärdarlehenskonto seinen Lohn beziehen konnte, was er - wenn auch nicht in voller Höhe und zeitlich unregelmässig - tatsächlich tat. Da die Form der Lohnzahlung und der Verwendungszweck grundsätzlich frei sind und die hier vom Normalfall abweichende Regelung hinsichtlich der Überweisung des Verdienstes auf ein Aktionärdarlehenskonto (und nicht auf ein vom Arbeitnehmer angegebenes Postcheck- oder Bankkonto) nicht gegen den effektiven Lohnfluss sprechen, gehen auch die diesbezüglichen Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde fehl.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
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Luzern, 29. Dezember 2005
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
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