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Informationen zum Dokument  BGer 1A.265/2005  Materielle Begründung
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BGer 1A.265/2005 vom 05.01.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1A.265/2005 /ggs
 
Beschluss vom 5. Januar 2006
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
Parteien
 
X.________,
 
Y.________ Corp.,
 
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Lustenberger,
 
gegen
 
Schweizerische Bundesanwaltschaft, Zweigstelle Zürich, Werdstrasse 138/140, Postfach 9666, 8036 Zürich,
 
Bundesamt für Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, Bundesrain 20, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Chile,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen
 
und Beweismitteln.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Schweizerische Bundesanwaltschaft, Zweigstelle Zürich, ermittelt u.a. gegen X.________ wegen des Verdachts auf Geldwäscherei. Sie blockierte Vermögenswerte von X.________ und der von ihm beherrschten Y.________ Corp. in Höhe von ca. 3 Mio. USD bei der Bank A.________, Zürich, und der Bank B.________, Zürich.
 
B.
 
Gegen X.________ läuft in Chile ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung bzw. -betrugs. Der chilenischen Presse zufolge beabsichtigt der zuständige chilenische Untersuchungsrichter, in dieser Sache ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu richten.
 
C.
 
Am 6. Oktober 2005 teilte die Bundesanwaltschaft dem Rechtsvertreter von X.________ und der Y.________ Corp. mit, dass sie in Absprache mit dem Bundesamt für Justiz entschieden habe, Chile im Rahmen einer unaufgeforderten Übermittlung von Beweismitteln und Informationen über das in der Schweiz laufende Ermittlungsverfahren zu informieren.
 
D.
 
Am 7. Oktober 2005 haben X.________ und die Y.________ Corp. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben.
 
Sie beantragen, der Entscheid der Bundesanwaltschaft, unaufgefordert Informationen und Beweismittel aus dem schweizerischen Strafverfahren gegen die Beschwerdeführer nach Chile zu übermitteln und die Zustimmung des Bundesamtes zu diesem Vorgehen seien aufzuheben bzw. es sei festzustellen, dass sie zu Unrecht erfolgt seien. Die Bundesanwaltschaft und das Bundesamt seien superprovisorisch anzuweisen, keine unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen, welche die Beschwerdeführer betreffen, an ausländische Strafverfolgungs- oder richterliche Behörden vorzunehmen; dies zumindest bis zu dem Zeitpunkt, zu dem rechtsgültig über die Zulässigkeit des in dieser Sache angekündigten Rechtshilfebegehrens aus Chile entschieden worden sei.
 
E.
 
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 forderte der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung die Beschwerdeführer auf, den angefochtenen Entscheid einzureichen, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten werden könne. Die Beschwerdeführer antworteten, dies sei ihnen nicht möglich, da die Mitteilung vom 6. Oktober 2005 mündlich erfolgt sei und die Bundesanwaltschaft sich in der Folge geweigert habe, eine entsprechende schriftliche Verfügung zu erlassen.
 
F.
 
In seiner Vernehmlassung teilt das Bundesamt für Justiz mit, es habe am 30. September 2005 ein informelles Vorabexemplar des Rechtshilfeersuchens des Berufungsgerichts von Santiago (Chile) erhalten, mit dem Hinweis, das Original werde auf diplomatischem Weg übermittelt. Beantragt würden u.a. Abklärungen bei Schweizer Banken über Konten der Y.________ Corp. Das Bundesamt ist der Auffassung, dass mit der spontanen Informationsübermittlung zumindest ein Teil des Rechtshilfeersuchens erledigt würde, noch bevor rechtskräftig über die Rechtshilfegewährung entschieden worden sei. Um eine Umgehung der Rechtshilfe zu vermeiden, werde das Bundesamt die Meldung der Bundesanwaltschaft vom 21. Oktober 2005 definitiv nicht an die chilenischen Behörden weiterleiten. Die eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde könne somit als gegenstandslos abgeschrieben werden.
 
G.
 
Die Bundesanwaltschaft beantragt, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. Das Begehren um Erlass einer superprovisorischen Massnahme sei als gegenstandslos abzuschreiben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführer.
 
H.
 
In ihrer Replik vom 15. Dezember 2005 beantragen die Beschwerdeführer, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei als gegenstandslos geworden abzuschreiben, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Bundesanwaltschaft und des Bundesamts für Justiz.
 
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 teilen die Beschwerdeführer mit, dass das chilenische Rechtshilfeersuchen nunmehr offiziell beim Bundesamt für Justiz eingegangen sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Nachdem das Bundesamt für Justiz erklärt hat, es werde die Meldung der Bundesanwaltschaft definitiv nicht an die chilenischen Behörden weiterleiten, steht fest, dass keine unaufgeforderte Übermittlung von Informationen oder Beweismitteln an Chile erfolgen wird. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher als gegenstandslos geworden abzuschreiben. Über die Prozesskosten ist mit summarischer Begründung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden (Art. 72 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG).
 
2.
 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann die unaufgeforderte Übermittlung von Informationen und Beweismitteln gemäss Art. 67a des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) nicht direkt mit Beschwerde angefochten werden (BGE 125 II 238 E. 5 S. 244 ff.); eine richterliche Überprüfung der unaufgeforderten Übermittlung kann nur im Rahmen einer Beschwerde gegen die Schlussverfügung eines allfällig sich anschliessenden Rechtshilfeverfahrens verlangt werden (BGE 125 II 238 E. 6a S. 247 f.; 356 E. 3a S. 361). Insofern hätte auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden können.
 
3.
 
Dennoch haben die Beschwerdeführer mit ihrer - an sich unzulässigen - Verwaltungsgerichtsbeschwerde das von ihnen angestrebte Prozessziel erreicht:
 
In der Einladung an die Bundesanwaltschaft, sich zum Gesuch um Erlass einer superprovisorischen Massnahme vernehmen zu lassen, wurde angeordnet, dass alle Vollziehungsvorkehrungen bis zum Entscheid über das Gesuch zu unterbleiben hätten. Damit wurde eine Übermittlung der Informationen und Beweismittel an Chile provisorisch untersagt.
 
Das Bundesamt für Justiz folgte sodann in seiner Vernehmlassung der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer, wonach eine unaufgeforderte Übermittlung von Informationen und Beweismitteln im jetzigen Zeitpunkt, nach Ankündigung eines chilenischen Rechtshilfeersuchens, zu einer Umgehung der Rechtshilfe führen könnte und deshalb zu unterbleiben habe. Es erklärte, dass es die Meldung der Bundesanwaltschaft nicht an Chile weiterleiten werde.
 
4.
 
Unter Würdigung aller Umstände erscheint es daher angebracht, den Beschwerdeführern zwar keine Parteientschädigung zuzusprechen, aber auf die Erhebung von Kosten zu verzichten.
 
Demnach beschliesst das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 72 BZP i.V.m. Art. 40 OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
3.
 
Dieser Beschluss wird den Beschwerdeführern und der Schweizerischen Bundesanwaltschaft, Zweigstelle Zürich, sowie dem Bundesamt für Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 5. Januar 2006
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
 
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