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Informationen zum Dokument  BGer U 469/2005  Materielle Begründung
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BGer U 469/2005 vom 02.02.2006
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
U 469/05
 
Urteil vom 2. Februar 2006
 
I. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Lustenberger, Kernen und Seiler; Gerichtsschreiber Schmutz
 
Parteien
 
D.________, 1957, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hanspeter Riedener, Langstrasse 4, 8004 Zürich,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 13. Oktober 2005)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
D.________, geboren 1957, war als Maurer-Vorarbeiter in der Firma W.________ AG angestellt und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 5. September 1997 erlitt er einen Unfall und nahm in der Folge die Arbeit nicht wieder auf. Per Ende 1998 wurden ihm die im Zeitpunkt des Unfalls akkumulierten Überstunden ausbezahlt. Das Arbeitsverhältnis wurde auf Ende Mai 1999 aufgelöst. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). Mit Verfügung vom 17. Dezember 2002 und Einspracheentscheid vom 27. Februar 2004 sprach sie D.________ rückwirkend ab 1. September 2002 eine Rente auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 34 % und eines versicherten Verdienstes von Fr. 68'600.- sowie eine Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse von 5 % zu.
 
B.
 
D.________ erhob Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, der versicherte Verdienst sei auf Fr. 73'420.30 und die Integritätsentschädigung auf 10 % festzulegen. Das Sozialversicherungsgericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 13. Oktober 2005 ab.
 
C.
 
D.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der versicherte Verdienst sei auf Fr. 73'420.30 festzulegen.
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für Gesundheit verzichten auf Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist letztinstanzlich einzig die Rechtsfrage, ob bei der Festsetzung des als Grundlage für die Bemessung der Rente geltenden versicherten Verdienstes die Entschädigung für die im Zeitpunkt des Unfalls angehäuften Überstunden zu berücksichtigen ist. Soweit es um die Festsetzung der Integritätsentschädigung geht, ist der kantonale Entscheid nicht angefochten.
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 15 UVG werden Renten nach dem versicherten Verdienst bemessen (Abs. 1). Als versicherter Verdienst gilt der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn (Abs. 2). Es ist dies nach Art. 22 Abs. 4 UVV der bei einem oder mehreren Arbeitgebern bezogene Lohn, einschliesslich noch nicht ausbezahlter Lohnbestandteile, auf die ein Rechtsanspruch besteht, und unter Vorbehalt der in Art. 22 Abs. 2 lit. a - d UVV genannten Abweichungen entspricht er dem nach der Bundesgesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) massgebenden Lohn.
 
2.2 Als für die Berechnung der AHV-Beiträge massgebender Lohn gilt nach Art. 5 Abs. 2 AHVG jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungs- und andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen. Gemäss Art. 7 lit. a AHVV gehören Entschädigungen für Überzeitarbeit zu dem massgebenden Lohn.
 
2.3 Art. 321c OR sieht die Pflicht zur Leistung notwendiger Überstundenarbeit vor (Abs. 1). Der Arbeitgeber kann im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer die Überstundenarbeit innert eines angemessenen Zeitraumes durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgleichen (Abs. 2). Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt, so hat der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens einem Viertel bemisst (Abs. 3).
 
3.
 
Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer in den dem Unfall vorangegangenen zwölf Monaten netto 125,3 Überstunden leistete, die er dann wegen des Unfalles nicht kompensieren konnte, bis das Arbeitsverhältnis - ebenso infolge des Unfalls - aufgelöst wurde. Diese Überstunden sind ihm wie vorgeschrieben vergütet worden. Da nach Art. 22 Abs. 4 UVV unter Vorbehalt der dort genannten Abweichungen der versicherte Verdienst dem nach der Bundesgesetzgebung über die AHV massgebenden Lohn entspricht und gemäss Art. 7 lit. a AHVV Entschädigungen für Überzeitarbeit zu dem massgebenden Lohn gehören, sind diese grundsätzlich auch bei dem zur Rentenbemessung heranzuziehenden versicherten Verdienst zu berücksichtigen. Die Vorinstanz hat jedoch erwogen, nach den Auskünften des Arbeitgebers seien im Betrieb die Überstunden in der Regel durch Freizeit ausgeglichen worden. Die vom Beschwerdeführer im September 1997 akkumulierten Überstunden seien erst durch das Unfallereignis lohnwirksam geworden. Ohne dieses hätten sie kompensiert werden müssen, und es hätte kein Rechtsanspruch auf Vergütung bestanden. Anders als regelmässig ausgerichtete Überstundenzahlungen könne daher der Ende 1998 ausbezahlte Betrag nicht als "Lohnbestandteil" im Sinne von Art. 22 Abs. 4 UVV betrachtet werden, und sei die geltend gemachte Entschädigung nicht zum versicherten Verdienst hinzuzurechnen.
 
4.
 
4.1 Die geschilderte gesetzliche Ordnung knüpft beim angestammten Arbeitsverhältnis an und stellt auf die Lohnverhältnisse ab, wie sie vor dem Unfall bestanden haben. Dieser Grundsatz hängt eng mit dem Äquivalenzprinzip zwischen versichertem Verdienst und Prämienordnung zusammen. Es soll damit sichergestellt werden, dass bei den finanziell wichtigsten Versicherungsleistungen, wie bei den Renten, von den gleichen Faktoren ausgegangen wird, die auch Basis für die Prämienberechnung bilden. Dem entspricht, dass Veränderungen des von versicherten Personen ohne den Versicherungsfall mutmasslich erzielbaren Verdienstes keinen Einfluss auf die Rente der Unfallversicherung haben sollen (BGE 127 V 172 Erw. 3b mit Hinweisen). Der für die Rentenfestsetzung massgebende versicherte Verdienst ist somit retrospektiv nach den im Jahr vor dem Unfall tatsächlich gegebenen erwerblichen Verhältnissen zu ermitteln, währenddem erwerbliche Veränderungen, die ohne das versicherte Ereignis mutmasslich eingetreten wären, bei der Bemessung des für die Rentenberechnung massgebenden versicherten Verdienstes ausser Acht zu bleiben haben (RKUV 1999 Nr. U 340 S. 405 Erw. 3c).
 
4.2 Im Lichte dieser Rechtslage kann nicht entscheidend sein, ob der Beschwerdeführer ohne den Unfall die Überstunden mit Freizeit zu kompensieren gehabt hätte. Die Regelung von Art. 15 Abs. 2 UVG und Art. 22 Abs. 4 UVV geht davon aus, dass mit dem Unfall die Erwerbstätigkeit des Verunfallten vorübergehend oder endgültig aufhört und die weiteren Umstände, die sich ohne den Unfall zugetragen hätten, nicht mehr von Bedeutung sind. Der Rechtsanspruch auf Vergütung der Überstunden entsteht wenn sie geleistet werden und wird nach Art. 323 Abs. 1 OR mangels anderer Vereinbarung jeweils per Ende Monat fällig. Offen ist in diesem Zeitpunkt nur, in welcher Form (Freizeit oder Lohn mit Zuschlag) die Vergütung geleistet wird, was aber nichts daran ändert, dass der Rechtsanspruch bereits entstanden ist. Daher ist der Vorinstanz nicht beizupflichten, wenn sie ausführt, die im Unfallzeitpunkt akkumulierten Überstunden seien erst durch das Unfallereignis lohnwirksam geworden. Es verhält sich hier anders als bei Lohnbestandteilen, auf die erst nach dem Unfall ein Rechtsanspruch entsteht (vgl. dazu BGE 127 V 173 Erw. 3b).
 
4.3 Gemäss RKUV 1996 Nr. U 245 S. 156 Erw. 7 ist eine Abgeltung von im Unfallzeitpunkt noch nicht bezogenen Ferien gestützt auf Art. 22 Abs. 2 lit. d UVV beziehungsweise Art. 8 lit. c AHVV nicht zum versicherten Verdienst hinzuzurechnen, unter anderem deshalb, weil sonst diejenigen, welche die Ferien im Unfallzeitpunkt zufälligerweise noch nicht bezogen haben, besser gestellt würden als jene, deren Ferienguthaben bereits ausgeschöpft ist. Demgegenüber ist gemäss Erw. 6 des genannten Urteils und ebenso nach RKUV 2000 Nr. U 400 S. 383 Erw. 2e eine nachträglich ausbezahlte Überstundenentschädigung zum versicherten Verdienst hinzuzurechnen. Zwar liesse sich auch hier vorbringen, dass damit diejenigen, welche die Überstunden im Unfallzeitpunkt nicht mit Freizeit kompensiert haben, besser gestellt sind als Versicherte, welche in jenem Zeitpunkt ihr Überzeitsaldo ausgeglichen haben. Es liegt aber im Wesen der Regelung von Art. 22 Abs. 4 UVV, dass bei den Arbeitnehmern, die innerhalb des Jahres vor dem Unfall einen höheren Lohnanspruch erworben haben als andere, auch der versicherte Verdienst entsprechend höher ist. Ob dies auf Überstunden oder auf andere Faktoren zurückgeht, ist unerheblich.
 
4.4 Nachdem die für nicht ausgeglichene Überzeitarbeit geschuldete Entschädigung tatsächlich ausbezahlt worden ist, ist davon auszugehen, dass auf diesem Betrag auch die Unfallversicherungsprämien abgerechnet worden sind (Art. 115 Abs. 1 UVV in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 UVV). Auch der Aspekt der Äquivalenz von versichertem Verdienst und Prämienordnung (vgl. oben Erw. 4.1) spricht daher für den Einbezug der Überzeitentschädigung in den versicherten Verdienst.
 
4.5 Bei der von der Vorinstanz vertretenen Position (vgl. oben Erw. 3) müsste jeweils auf die Verhältnisse des Einzelfalls abgestellt werden, welche aber oft beweisrechtlich unklar sind, zumal eine Abrede über die Kompensation von Überzeit formlos, auch stillschweigend, zulässig ist (Urteil A. vom 2. Mai 2005, 4C.32/2005, Erw. 2.3 mit Hinweisen).
 
5.
 
Entgegen dem Standpunkt von Verwaltung und Vorinstanz ist somit der dem Beschwerdeführer zur Entschädigung seines im Unfallzeitpunkt bestehenden Überstundenguthabens entrichtete Lohn mitsamt Zuschlag beim versicherten Verdienst zu berücksichtigen. Die vom Beschwerdeführer angestellte Berechnung wird im Quantitativ von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten und es deuten auch keine Anhaltspunkte auf eine fehlerhafte Berechnungsgrundlage hin.
 
6.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Beschwerdegegnerin (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Oktober 2005 und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 27. Februar 2004 aufgehoben, soweit damit der versicherte Verdienst auf Fr. 68'600.- festgelegt wird.
 
2.
 
Die Sache wird an die SUVA zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine nach einem versicherten Verdienst von Fr. 73'420.30 bemessene Invalidenrente neu verfüge.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
5.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
6.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
 
Luzern, 2. Februar 2006
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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