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Informationen zum Dokument  BGer 2A.637/2005  Materielle Begründung
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BGer 2A.637/2005 vom 14.02.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.637/2005 /vje
 
Urteil vom 14. Februar 2006
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Hans Ulrich Würgler,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Zürich,
 
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, vom 21. September 2005.
 
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 X.________ (geb. 1966) stammt aus dem Senegal und verfügt sei dem 5. November 1998 im Kanton Zürich über eine Niederlassungsbewilligung. Am 22. Oktober 2003 ersuchte sie darum, ihren ausserehelichen Sohn Y.________ (geb. 1990) in die Schweiz nachziehen zu können, was die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich (Migrationsamt) am 19. Mai 2004 ablehnte. Die hiergegen beim Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eingereichten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheide vom 12. April bzw. 21. September 2005).
 
1.2 X.________ beantragt vor Bundesgericht, ihrem Sohn Y.________ sei die Einreise zu erlauben und die Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat des Kantons Zürich sowie das Bundesamt für Migration widersetzen sich dem. Mit Verfügung vom 6. Februar 2006 wies der Abteilungspräsident das Gesuch von X.________ ab, das vorliegende Verfahren bis zum (Beschwerde-)Entscheid über eine allfällige Einbürgerung von Y.________ zu sistieren.
 
2.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG erledigt werden:
 
2.1 Die Verweigerung des Familiennachzugs ist im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 ANAG (SR 142.20) bei Kindern von nicht zusammenlebenden Elternteilen zulässig, wenn die Trennung von den Betroffenen ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt worden ist, für die Änderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse - gerade zum gewählten Zeitpunkt - keine überwiegenden familiären Interessen sprechen, der Wechsel sich nicht als notwendig erweist und die Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.1.3 S. 14 f. mit weiteren Hinweisen). Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK räumen grundsätzlich nicht jenem Elternteil ein Recht auf Nachzug ein, der freiwillig ins Ausland gezogen ist und ein weniger enges Verhältnis zum Kind hat als der Elternteil oder die Verwandten, die für dieses in der Heimat sorgen (BGE 125 II 633 E. 3a S. 640; 122 II 385 E. 4b S. 392). Der Nachzug des Kindes muss sich zu dessen Betreuung aus stichhaltigen Gründen als erforderlich erweisen (vgl. BGE 124 II 361 E. 3a S. 366); dies ist regelmässig nicht der Fall, wenn im Heimatland alternative Pflegemöglichkeiten bestehen, die dem Kindeswohl besser entsprechen, beispielsweise weil dadurch vermieden werden kann, dass das Kind aus seiner bisherigen Umgebung und dem ihm vertrauten Beziehungsnetz gerissen wird (BGE 125 II 585 E. 2c S. 588 mit Hinweisen).
 
2.2
 
2.2.1 Die Beschwerdeführerin reiste am 26. August 1992 in die Schweiz ein und heiratete hier den Schweizer Bürger A.________. Ihren Sohn Y.________, der aus einer früheren ausserehelichen Beziehung stammt, liess sie in der Heimat zurück, wo er von den Grosseltern mütterlicherseits und seit dem Tod der Grossmutter am 18. November 2001 vorübergehend durch eine Grosstante und später erneut durch den Grossvater und eine Tante betreut wurde. Die Beschwerdeführerin nahm die Trennung von ihrem damals zweijährigen Sohn bewusst in Kauf und liess ihn während Jahren freiwillig in der Heimat - bei ihren Eltern sowie einer Schwester und deren Kindern, die alle am selben Ort wohnten - zurück. Seine vorrangige familiäre Beziehung besteht damit zur dortigen (Gross-)Familie, mit der er nunmehr seit über 13 Jahren zusammenlebt. Zur Beschwerdeführerin unterhielt er dagegen nur punktuelle Kontakte (Telefone und Besuche in der Heimat); bloss einmal soll er sich auch ferienhalber hier aufgehalten haben.
 
2.2.2 Der Einwand der Beschwerdeführerin, ein früherer Nachzug sei nicht möglich gewesen, da ihre familiäre Situation dies nicht erlaubt habe, überzeugt nicht: Die Beschwerdeführerin ist seit dem 17. November 1999 von A.________ geschieden, der sich - was sie aber nicht weiter zu belegen vermag - dem Nachzug widersetzt haben soll; bereits ab 1997 lebte sie von diesem getrennt und unterhielt sie eine Beziehung zu ihrem heutigen schweizerischen Gatten B.________. Seit dem 5. Januar 1998 verfügte sie über die Niederlassungsbewilligung, was ihr mit Blick auf Art. 17 ANAG einen eigenständigen Nachzug ihres Sohnes ermöglicht hätte; dennoch stellte sie erst am 8. August 2002 ein entsprechendes Gesuch, das sie vorerst nicht weiter verfolgte. Spätestens nach dem Tod ihrer Mutter, die sich in erster Linie um Y.________ gekümmert haben soll, hätte es mit Blick auf das angeblich gewünschte familiäre Zusammenleben nahegelegen, dass sie sich zielstrebig um den Nachzug ihres Sohnes bemühte, dennoch wartete sie fast knapp zwei Jahre mit einem (weiteren) Gesuch zu und beliess ihren Sohn in der Heimat. Es kann deshalb - entgegen ihren Vorbringen - nicht gesagt werden, dass die vorrangige familiäre Beziehung zu ihr besteht.
 
2.2.3 Die Beschwerdeführerin vermag auch keine stichhaltigen Gründe darzutun, welche eine Veränderung der Betreuungsverhältnisse gebieten würden; solche sind praxisgemäss nicht leichthin anzunehmen. An den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit in der Heimat sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je älter das Kind ist bzw. je grösser sich die ihm in der Schweiz drohenden Integrationsschwierigkeiten erweisen (BGE 129 II 11 E. 3.3.2 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin macht zwar geltend, ihr 73-jähriger Vater leide an "Altersdemenz" und sei nicht mehr in der Lage, sich um seinen Enkel zu kümmern. Obwohl in den verschiedenen Verfahren wiederholt entsprechende Bestätigungen in Aussicht gestellt wurden, liegen bis heute indessen keine solchen vor. Gewisse altersbedingte Betreuungsprobleme nimmt der emigrierende Elternteil, der sein Kind - trotz der voraussehbaren zeitlichen Schranken der Lösung - während Jahren der Obhut der Grosseltern anvertraut, zudem regelmässig in Kauf (BGE 129 II 11 E. 3.4). Der Grossvater von Y.________ lebt offenbar inzwischen mit seiner zweiten Ehefrau zusammen, womit nicht ersichtlich ist, warum eine altersgerechte Betreuung des 15-jährigen Sohns der Beschwerdeführerin, der keiner intensiven Pflege mehr bedarf, in der Heimat nicht weiterhin möglich sein sollte. Bereits während der Krankheit der Grossmutter kümmerte sich die Schwester der Beschwerdeführerin um den Haushalt der Grosseltern und damit auch um Y.________ (vgl. S. 4 der Beschwerde vom 18. Mai 2005 an das Verwaltungsgericht: "Es ist zutreffend, dass Y.________ am selben Ort wie seine Tante wohnt und dass diese den Haushalt der Grossfamilie führt"); es ist nicht dargetan, dass und inwiefern unter diesen Umständen ein Wechsel der Betreuungsverhältnisse erforderlich wäre bzw. welche stichhaltigen Gründe hierfür sprechen würden. Die Beschwerdeführerin wendet zwar neu ein, dass der Grossvater und die Tante von Y.________ die Grossfamilie auflösten, da die Wohnung, in der sie lebten, verkauft werden müsse; diese Veränderung des Sachverhalts kann im vorliegenden Verfahren indessen nicht berücksichtigt werden, da sie erst nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts eingetreten ist (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 125 II 217 E. 3a S. 221; 121 II 97 E. 1c S. 99 f.).
 
2.2.4 Y.________ ist ausschliesslich im heimatlichen Umfeld verankert und hat dort seine vorrangigen Beziehungen. Ein Nachzug in die Schweiz wäre für ihn mit einer weitgehenden Entwurzelung sprachlicher und kultureller Natur verbunden, selbst wenn er - wie geltend gemacht wird - hier eine französischsprachige Privatschule besuchen würde, da die Beschwerdeführerin mit ihrem Gatten und dem gemeinsamen Sohn bzw. ihrer Tochter aus erster Ehe in der Deutschschweiz lebt. Es entspricht nicht dem Zweck des Familiennachzugs und ist aus integrationspolitischer Sicht unerwünscht, dass Jugendliche nach gewollter bzw. jahrelang in Kauf genommener Sozialisierung im Heimatland im Wesentlichen allein im Hinblick auf eine künftige selbständige Anwesenheit als Erwachsene zur Verschaffung besserer Zukunftsaussichten in die Schweiz geholt werden (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16; 126 II 329 E. 3b S. 333). Die Beschwerdeführerin kann die familiäre Beziehung zu ihrem Sohn - wie bis anhin - telefonisch und im Rahmen von gegenseitigen Besuchsaufenthalten leben; der angefochtene Entscheid entspricht somit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und verletzt kein Bundesrecht.
 
3.
 
3.1 Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Für alles Weitere wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid und im Beschluss des Regierungsrats vom 12. April 2005 verwiesen (Art. 36a Abs. 3 OG).
 
3.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht, 4. Abteilung, 4. Kammer, des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. Februar 2006
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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