VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.77/2006  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.77/2006 vom 15.02.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.77/2006 /vje
 
Urteil vom 15. Februar 2006
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
 
Gerichtsschreiber Feller.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
 
Rainer Weibel,
 
gegen
 
Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg, route d'Englisberg 9/11,
 
1763 Granges-Paccot,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg,
 
I. Verwaltungsgerichtshof, route André-Piller 21, Postfach, 1762 Givisiez.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Freiburg,
 
I. Verwaltungsgerichtshof, vom 20. Dezember 2005.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der polnische Staatsangehörige X.________, geb. 1958, reiste im Oktober 1990 in die Schweiz ein. Er erhielt in Anwendung von Art. 32 der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung, BVO; SR 823.21) eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Verfassens einer Dissertation an der Universität Freiburg.
 
Seit dem Herbst 1995 wohnte X.________ in gemeinsamem Haushalt mit einer Schweizer Bürgerin, mit welcher zusammen er einen Sohn, Y.________, geb. 1997, hat. In Berücksichtigung dieses Umstands erhielt er Anfang 1999 eine nunmehr gestützt auf Art. 13 lit. f BVO von den Höchstzahlen ausgenommene Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Freiburg. Die Hausgemeinschaft wurde im Februar 2001 aufgegeben; die Trennung von der Kindsmutter erfolgte definitiv im März 2002. Seit April 2002 hat X.________ kein Arbeitseinkommen. Vom 1. April 2002 bis Ende Oktober 2003 bezog er Arbeitslosenunterstützung; in der Folge wurde er vom Sozialdienst der Stadt Freiburg mit monatlich Fr. 2'456.-- unterstützt. Am 11. Mai 2005 lehnte das Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg eine Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg wies die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde am 20. Dezember 2005 ab.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde vom 6. Februar 2006 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, subsidiär die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden. Das Urteil, mit dessen Ausfällung das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos wird, ergeht im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG).
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Der Beschwerdeführer kann weder aus einem Bundesgesetz noch aus einem bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und Polen einen Bewilligungsanspruch ableiten. Ein solcher ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Begrenzungsverordnung (BGE 130 II 281 E. 2.2 S. 284, mit Hinweisen). Als mittelbar anspruchsbegründende Norm kommt allein Art. 8 EMRK (bzw. 13 BV) in Betracht. Der Sohn des Beschwerdeführers hat das Schweizer Bürgerrecht, und die Beziehung zwischen Vater und Sohn wird tatsächlich gepflegt. Obwohl dem Beschwerdeführer nicht das Sorgerecht zusteht, hat er unter diesen Umständen gestützt auf Art. 8 EMRK einen (bedingten) Rechtsanspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts ist daher zulässig (BGE 120 Ib 1; 22); Raum für eine staatsrechtliche Beschwerde besteht nicht (Art. 84 Abs. 2 OG).
 
2.2
 
2.2.1 Der Anspruch auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK gilt nicht absolut. Vielmehr ist nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ein Eingriff in das durch Ziff. 1 geschützte Rechtsgut statthaft, soweit er eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesellschaft und Moral sowie der Rechte und Pflichten anderer notwendig ist. Die Konvention verlangt insofern eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen an der Erteilung der Bewilligung und den öffentlichen Interessen an deren Verweigerung, wobei letztere in dem Sinn überwiegen müssen, dass sich der Eingriff als notwendig erweist (BGE 122 II 1 E. 2 S. 6 mit Hinweis).
 
Bei der im Hinblick auf die Bewilligungserteilung nach Art. 8 EMRK erforderlichen Interessenabwägung fällt das Interesse des um Bewilligung ersuchenden Ausländers dann ins Gewicht, wenn er mit der in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Person zusammenlebt. Was das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern betrifft, gilt dies im Falle getrennt lebender Eltern für denjenigen Elternteil, dem das Sorgerecht zusteht. Der nicht sorgeberechtigte Ausländer kann demgegenüber die familiäre Beziehung zu seinen Kindern zum Vornherein nur in einem beschränkten Rahmen, nämlich durch Ausübung des ihm eingeräumten Besuchsrechts, leben; hierzu ist nicht unabdingbar, dass er sich dauernd im gleichen Land wie die Kinder aufhält und dort über eine Anwesenheitsberechtigung verfügt. Es ist daher im Allgemeinen zulässig, dem Ausländer, der die familiäre Beziehung zu seinem in der Schweiz fest anwesenheitsberechtigten Kind im Rahmen von Besuchen pflegt, die Aufenthaltsbewilligung zu verweigern; den Anforderungen von Art. 8 EMRK ist Genüge getan, wenn ein Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her ausgeübt werden kann, wobei allerdings dessen Modalitäten entsprechend aus- bzw. umzugestalten sind. In ausländerrechtlicher Hinsicht hat das Bundesgericht daraus die Konsequenz gezogen, dass die Aufenthaltsbewilligung nur dann erteilt oder erneuert werden muss, wenn einerseits zwischen dem Ausländer und seinem in der Schweiz ansässigen Kind in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung besteht, die sich wegen der Distanz zwischen der Schweiz und dem Land, in das der Ausländer bei Verweigerung der Bewilligung auszureisen hätte, praktisch nicht aufrechterhalten liesse, und wenn andererseits das bisherige Verhalten des Ausländers zu keinerlei Klagen Anlass gegeben hat (BGE 120 Ib 1 E. 3 S. 4 ff., 22 E. 4 S. 24 ff.; Urteile 2A.508/2005 vom 16. September 2005 E. 2.2.3; 2A.218/2005 vom 21. April 2005 E. 2.1; 2A.119/2004 vom 5. März 2004 E. 3.1; 2A.563/ 2002 vom 23. Mai 2003, E. 2.2., mit weiteren Hinweisen). Was das Erfordernis der besonderen Intensität der Beziehung betrifft, kann dieses regelmässig nur dann als erfüllt betrachtet werden, wenn ein grosszügig ausgestaltetes Besuchsrecht eingeräumt ist und dieses kontinuierlich, spontan und reibungslos ausgeübt wird (Urteil 2A.412/1998 vom 15. Dezember 1998 E. 3a).
 
2.2.2 Der Beschwerdeführer bezeichnet das Verhältnis zwischen ihm und dem Sohn bzw. zwischen diesem und der Mutter als "faktisches Mitobhutsverhältnis"; es ist von einer "gemeinsame(n) und unzertrennbare(n) Erziehungseinheit" die Rede. Nun verhält es sich so, dass eine Lebensgemeinschaft der Eltern nicht besteht und das elterliche Sorgerecht allein der Mutter zukommt. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber bloss ein Besuchsrecht und kann eine ausländerrechtliche Bewilligung nur unter den vorstehend umschriebenen strengen Voraussetzungen beanspruchen.
 
Die Besuchsregelung ist grosszügig ausgestaltet, und die Kontakte werden entsprechend kontinuierlich und reibungslos gepflegt, wobei der Beschwerdeführer regelmässig auch Betreuungsfunktionen wahrnimmt. Es darf - aus der Sicht des Vaters wie aus derjenigen des Sohnes - von einer engen affektiven Beziehung ausgegangen werden, und es ist anzunehmen, dass die Ausreise des Beschwerdeführers für seinen Sohn nicht leicht zu verkraften wäre. Das Verwaltungsgericht anerkennt dies grundsätzlich, und der Verzicht auf ergänzende Abklärungen hiezu lässt sich unter dem Gesichtswinkel von Art. 105 Abs. 2 OG nicht beanstanden; die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der willkürlichen bzw. unvollständigen Sachverhaltsabklärung ist daher unbegründet. Während in affektiver Hinsicht eine enge Beziehung besteht, lässt sich dies in wirtschaftlicher Hinsicht nicht sagen. Seit längerer Zeit kommt der Beschwerdeführer nicht mit eigenen Beiträgen für den Unterhalt des Kindes auf; die mit der Ausübung des Besuchsrechts verbundenen Kosten werden aus den Sozialhilfebeiträgen der Gemeinde finanziert; nach verbindlicher tatsächlicher Feststellung des Verwaltungsgerichts (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG) ist in den monatlichen Unterstützungsleistungen ein Teilbetrag von Fr. 280.-- vorgesehen für "visites enfant; Garde alternée 50 %". Damit bleibt irrelevant, dass die Mutter freiwillig auf Unterhaltszahlungen bzw. auf Alimentenbevorschussung verzichtet. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich geltend, das Verwaltungsgericht unterscheide nicht klar zwischen der Sozialhilfeabhängigkeit und der Nichterfüllung seiner finanziellen Unterhaltsbeitragspflicht. Dazu ist nachfolgend unter dem Aspekt der zusätzlich kumulativ zu erfüllenden Bedingungen, dass das Verhalten des Ausländers zu keinen Klagen Anlass geben darf, Stellung zu nehmen.
 
2.2.3 Der Beschwerdeführer ist nie straffällig geworden. Dies reicht zur Annahme klaglosen Verhaltens im Sinne der für die vorliegende Bewilligungskonstellation massgeblichen Rechtsprechung nicht aus. Der Beschwerdeführer hat für ein Kind aufzukommen. Dennoch hat er nunmehr seit bald vier Jahren (bis zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen negativen Bewilligungsentscheids seit mehr als drei Jahren) kein Erwerbseinkommen erzielt, obwohl er über einen Studienabschluss verfügt und offenbar ergänzend Ausbildungskurse in Informatik absolviert hat. Es gibt aufgrund der bisherigen tatsächlichen Abläufe keine konkreten Anzeichen dafür, dass seine Fürsorgeabhängigkeit in absehbarer Zeit dahinfallen könnte. Daran ändert insbesondere die wenig konkrete Bestätigung der Z.________ AG vom 24. Januar 2006 nichts, welche sich ohnehin als vor Bundesgericht unzulässiges Novum erweist (Art. 105 Abs. 2 OG; vgl. BGE 125 II 217 E. 3a S. 221). Der Beschwerdeführer hat seit der definitiven Auflösung der Gemeinschaft mit der Mutter seines Sohnes (anfangs 2002) zu keinem Zeitpunkt eine auch nur minimale Integration in die Arbeitswelt geschafft. Er lebt seit November 2003 vollständig von der Fürsorge. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass er sein Studienziel, wegen dem ihm während Jahren Aufenthaltsbewilligungen erteilt worden waren, nicht erreicht hat.
 
Zu Recht hält das Verwaltungsgericht fest, dass der Beschwerdeführer bei diesen Verhältnissen grundsätzlich den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG erfüllt, wonach der Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn er oder eine Person, für die er zu sorgen hat, der öffentlichen Wohltätigkeit fortgesetzt und in erheblichem Ausmass zur Last fällt. Mittlerweile hat die Unterstützung ein erhebliches Ausmass angenommen, und bei einer Gesamtbetrachtung liegt der Schluss nahe, dass eine massgebliche Änderung nicht zu erwarten ist. Der Beschwerdeführer weist auf zwei publizierte bundesgerichtliche Urteile zum Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG hin. In BGE 119 Ib 1 war die Ausweisung eines Ehepaars mit Niederlassungsbewilligung zu beurteilen, das mehr als 20 Jahre in der Schweiz weilte und seit Jahren über die Niederlassungsbewilligung verfügte, wobei die Unterstützungsbedürftigkeit erst durch einen Unfall entstanden und im Übrigen dank der Entwicklung der Verhältnisse vorerst dahingefallen war. BGE 123 II 529 sodann betrifft einen anerkannten Flüchtling, welchem, gleich wie seiner Familie, Asyl erteilt worden war. Das Bundesgericht schützte den kantonalen Entscheid, womit die Erteilung der Niederlassungsbewilligung gestützt auf den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG verweigert worden war. Es ist unerfindlich, welche für den Beschwerdeführer günstigen Rückschlüsse sich aus jenen Urteilen ziehen lassen sollten. Dasselbe gilt für allfällige Berichte des Bundesamtes für Statistik oder der Direktion für Gesundheit und Soziales des Kantons Freiburg, welche der Beschwerdeführer einzuholen beantragt. Der Fall des Beschwerdeführers ist aufgrund der gesamten konkreten Umstände behandelt worden; blosse statistische Erkenntnisse als solche sind unter dem Gesichtswinkel des Rechtsgleichheitsgebots unerheblich. Der Beschwerdeführer hat keine konkreten Vergleichsfälle aufgezeigt, welche auf eine Ungleichbehandlung zu seinen Ungunsten schliessen liessen. Die Bewilligungsverweigerung erweist sich als verhältnismässig.
 
2.3 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet und abzuweisen.
 
Dementsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG), dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen ist (Art. 152 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'200.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Bevölkerung und Migration und dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. Februar 2006
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).