BGer 6A.11/2006 | |||
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BGer 6A.11/2006 vom 13.04.2006 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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6A.11/2006 /Rom
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Urteil vom 13. April 2006
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Kassationshof
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, Präsident,
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Bundesrichter Karlen, Zünd,
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Gerichtsschreiber Weissenberger.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Peter Nuspliger,
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gegen
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Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern, Kramgasse 20, 3011 Bern.
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Gegenstand
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Belassen des Führerausweises für Motorfahrzeuge mit Auflagen,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern vom 26. Oktober 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ wurde mit rechtskräftig gewordenem Strafurteil vom 30. Juni 2004 des Erwerbs, Besitzes und Konsums von Kokain schuldig gesprochen und zu einer Busse von Fr. 200.-- verurteilt.
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Gestützt darauf forderte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern ein Arztzeugnis ein, das sich zur Frage der möglichen Drogenabhängigkeit äussern sollte. Nachdem der Arzt diese Frage nicht abschliessend zu beantworten vermochte, ordnete das erwähnte Amt eine Eignungsuntersuchung durch die Psychiatrische Poliklinik der Universität Bern (PUPK) an. Im Gutachten vom 29. April 2005 hielt die PUPK fest, eine Drogensucht könne nicht nachgewiesen aber auch nicht ausgeschlossen werden. X.________ solle die Chance erhalten, unter Auflagen weiter zu fahren und selbst zu beweisen, dass keine Drogensucht vorliege.
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B.
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Mit Verfügung vom 9. Juni 2005 beliess das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern X.________ den Führerausweis für Motorfahrzeuge mit der Auflage, künftig strikt drogenabstinent zu leben, sich während eines halben Jahrs in monatlichen Abständen kurzfristig angeordneten Urinproben zu unterziehen, welche die Drogenabstinenz bestätigten, und in dieser Zeitspanne zusätzlich vierteljährlich die Ergebnisse der Urinanalysen zusammen mit Arztzeugnissen einzureichen, welche sich zur Drogenabstinenz und Fahreignung aussprechen müssten.
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Das Amt wies die von X.________ dagegen erhobene Einsprache am 22. Juli 2005 ab. X.________ erhob gegen diesen Entscheid Beschwerde bei der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern, welche sie am 26. Oktober 2006 abwies.
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C.
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X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der Entscheid der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern vom 26. Oktober 2006 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern ersucht um Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das Parlament verabschiedete am 14. Dezember 2001 eine Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (vgl. BBl 1999 4462; AS 2002 2767 ff.). Die revidierten Bestimmungen zum Sicherungsentzug sind am 1. Januar 2005 in Kraft getreten (AS 2004 2849). Die Übergangsbestimmungen zur genannten Gesetzesrevision sehen vor, dass die nach bisherigem Recht angeordneten Massnahmen nach bisherigem Recht berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall erging die Verfügung des Strassen- und Schifffahrtsamts des Kantons Bern vom 9. Juni 2005 unter dem neuen Recht. Es kommt hier deshalb nicht der seit dem 1. Januar 2005 aufgehobene Art. 10 Abs. 3 SVG sondern neues Recht zur Anwendung.
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2.
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Im Rahmen der Verhältnismässigkeit ist es nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen stets zulässig, aus besonderen Gründen den Führerausweis mit Auflagen zu versehen, wenn diese der Sicherstellung der Fahreignung und damit der Verkehrssicherheit dienen sowie mit dem Wesen der Fahrerlaubnis im Einklang stehen. Erforderlich ist zudem, dass sich die Fahreignung nur mit dieser Massnahme aufrecht erhalten lässt und die Auflagen erfüll- und kontrollierbar sind (eingehend BGE 131 II 248 E. 6).
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3.
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3.1 Gemäss dem Arztzeugnis vom 17. September 2004 ergab die durchgeführte Urinprobe ein positives Ergebnis bezüglich Cannabinoiden. Nach den eigenen Aussagen des Beschwerdeführers gegenüber dem Arzt konsumiert er seit vielen Jahren regelmässig Cannabis. In den Monaten vor der ärztlichen Untersuchung gab er an, jedes Wochenende und insgesamt ein- bis zweimal wöchentlich Cannabis zu konsumieren, verneinte indessen einen Mischkonsum. Anlässlich der Eignungsuntersuchung in der PUPK erklärte der Beschwerdeführer, seit seinem 24. Altersjahr am Wochenende zu "kiffen". Früher habe er ein- bis zweimal die Woche Cannabis geraucht, seit mindestens einem Jahr eher weniger (ein- bis zweimal im Monat). Dass er auch unter der Woche konsumiere, liege über zehn Jahre zurück. Er habe nie andere Drogen konsumiert, auch nicht Kokain. Die Gutachterin führt dazu aus, angesichts des angegebenen geringen Cannabiskonsums sei unklar, weshalb der Beschwerdeführer die Urin- und Blutprobenentnahme bis zum 21. April 2005 verzögert und erst auf erneute Aufforderung hin habe durchführen lassen. Dieses Verhalten sowie die sehr diffuse Drogenanamnese wären auch gut mit fortgesetztem Drogenkonsum vereinbar. Mit einer auf Cannabinoide positiven Urinprobe im September 2004 und der neuen Urinprobe, die verzögert abgenommen worden und negativ ausgefallen sei, könne keine Drogensucht nachgewiesen, eine solche aber auch nicht ausgeschlossen werden. Es sei deshalb zu empfehlen, dass der Beschwerdeführer während eines Jahres monatlich Urinproben abgebe, damit frühzeitig ein zunehmender Drogenkonsum erfasst werden könne (angefochtener Entscheid, S. 5 f.).
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3.2 Die Vorinstanz führt dazu zusammengefasst aus, die widersprüchlichen und im Verfahren laufend relativierten Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Cannabiskonsum, die auf Cannabinoide positiv ausgefallene erste Urinprobe, die ohne Grund längere Zeit verzögerte zweite Untersuchung, sowie seine Bestreitung des nachgewiesenen Kokainkonsums legten den Schluss nahe, dass er regelmässig und nicht bloss gelegentlich Cannabis konsumiere. Angesichts dieser Anhaltspunkte für einen die Fahreignung beeinträchtigenden Drogenmissbrauch sei eine kontrollierte Abstinenz während sechs Monaten erforderlich und verhältnismässig. Dies verletzt aus den nachfolgenden Gründen Bundesrecht nicht.
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Der heute 37-jährige Beschwerdeführer konsumiert nach eigenen Angaben seit seinem 24. Altersjahr regelmässig Cannabis. Aufgrund seiner Verurteilung im Jahre 2004 ist zudem ein Konsum von Kokain erstellt. Sein Aussageverhalten im Verfahren, der positive Befund auf Cannabinoide bei der ersten - längere Zeit vorher angekündigten - ärztlichen Untersuchung, seine hinausgezögerte zweite Urin- und Blutprobenanalyse, der Konsum mehrerer berauschender oder betäubender Mittel sowie der langjährige regelmässige Cannabiskonsum sind hinreichend aussagekräftige Anzeichen für den Verdacht, dass er gewohnheitsmässig Cannabis konsumiert und selbst vor einer ärztlichen Untersuchung darauf nicht verzichten kann.
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Bei einem solchen Konsumverhalten ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Betroffene ausser Stande ist, eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche zu erkennen oder trotz einer solchen Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Strassenverkehr abzusehen. Das gilt in erhöhtem Masse für den Beschwerdeführer, der beruflich auf den Führerausweis angewiesen ist.
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Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz einen besonderen Grund bejahen, der die Anordnung von Auflagen zur Kontrolle der Fahreignung erlaubt. Angesichts der festgestellten Gefahr des gewohnheitsmässigen Cannabismissbrauchs erscheint es auch verhältnismässig, wenn die kantonalen Behörden die Fahrerlaubnis von der Einhaltung einer vergleichsweise kurz bemessenen sechsmonatigen kontrollierten Abstinenz abhängig machen. Es besteht keine mildere Massnahme, mit der gewährleistet werden könnte, dass der Beschwerdeführer nicht in fahruntüchtigem Zustand am Verkehr teilnimmt.
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3.3 Das Gesagte bedeutet nicht, dass bei bloss einmaligem oder gelegentlichem Drogenkonsum ohne weiteres entsprechende Auflagen angeordnet werden könnten.
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Es entspricht zwar gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis, dass der Cannabisrausch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Der gelegentliche Cannabiskonsument, der nicht mit Alkohol oder anderen Drogen mischt, ist jedoch in der Regel in der Lage, konsumbedingte Leistungseinbussen als solche zu erkennen und danach zu handeln. Demgegenüber ist bei andauerndem bzw. regelmässigem und gleichzeitig hohem Konsum von einer mindestens geringen Bereitschaft und Fähigkeit auszugehen, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen (BVerfG, 1 BvR 2062/96 vom 20. Juni 2002, Absätze 33 ff.).
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Die Neigung, unter Substanzeinfluss zu fahren, verstärkt sich mit zunehmendem Konsum. Deshalb kann regel- oder gar gewohnheitsmässiger Cannabiskonsum zumindest berechtigte Zweifel an der Fahreignung begründen, die gegebenenfalls weitere Abklärungen im Rahmen einer Eignungsprüfung oder von Auflagen rechtfertigen. Ausschliesslich vereinzelter Cannabiskonsum ohne zusätzliche fahreignungsbeeinträchtigende Umstände wird dies demgegenüber regelmässig nicht zulassen. Allerdings ist der gelegentliche Konsument von Cannabisprodukten nicht ohne weiteres von einem regel- oder gewohnheitsmässigen Konsumenten zu unterscheiden, zumal entsprechende Erklärungen des Betroffenen nicht stets als wahr unterstellt werden können. Bestehen nach den Umständen des konkreten Falles hinreichend aussagekräftige Anzeichen für den Verdacht, dass der Fahrausweisinhaber mindestens regelmässig Cannabis konsumiert, und kann die ärztliche Untersuchung diesen Verdacht nicht ausräumen sowie die konkreten Konsumgewohnheiten abschliessend erhellen, können die Behörden im Interesse der Verkehrssicherheit verhältnismässige Auflagen anordnen, welche der Klärung der Fahreignung dienen.
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4.
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Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern sowie dem Strassenverkehrsamt des Kantons Bern und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 13. April 2006
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Im Namen des Kassationshofes
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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