VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer I 785/2004  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer I 785/2004 vom 25.04.2006
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 785/04
 
Urteil vom 25. April 2006
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiberin Schüpfer
 
Parteien
 
S.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler, Neumarkt 6, Haus am Steinberg, 8001 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
 
(Entscheid vom 20. Oktober 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1963 im X.________ geborene S.________, welcher von 1987 bis 2002 in der Schweiz lebte und arbeitete, erlitt am 3. September 2001 einen Arbeitsunfall und zog sich dabei multiple Verletzungen des rechten Unterschenkels und Fusses sowie eine offene Weber-C-Fraktur links zu. Die SUVA leistete Heilbehandlung und richtete Taggelder aus. Vom 22. Mai bis 12. Juni 2002 weilte S.________ zur Rehabilitation und Abklärung in der Klinik Z.________. Die SUVA gewährte dem Versicherten auf Grund der dabei gewonnenen Erkenntnisse mit Verfügung vom 5. Februar 2003 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 30 % ab 1. Januar 2003 und eine Integritätsentschädigung von 10 %. S.________ weilte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Schweiz, da er aus invaliditätsfremden Gründen auf Ende Juni 2002 weggewiesen worden war. Am 28. Oktober 2002 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland zog verschiedene Akten der SUVA, so unter anderem den Austrittsbericht der Klinik Z.________ vom 12. Juni 2002 und deren Zusammenfassung der Entscheidungsgrundlagen für die Rentenfestsetzung, bei und legte die medizinischen Akten, auch jene, welche der Versicherte von seinen ihn in P.________ behandelnden Ärzten einreichte, ihrem beratenden Arzt vor. Mit Verfügung vom 16. Januar 2004 lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren des Versicherten ab. Daran wurde auf Einsprache hin festgehalten (Entscheid vom 1. März 2004).
 
B.
 
Die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 20. Oktober 2004).
 
C.
 
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm mindestens eine halbe Invalidenrente auszurichten. Weiter beantragt er die unentgeltliche Verbeiständung.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Rekurskommission hat zu Recht erkannt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich, soweit nichts anderes bestimmt ist, unter den gleichen Voraussetzungen Anspruch auf eine ordentliche Invalidenrente hat wie Schweizer Bürger und dass sich der Rentenanspruch nach schweizerischem Recht bestimmt (Art. 2 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung vom 8. Juni 1962). Die Vorinstanz hat sodann in Anwendung des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und unter Berücksichtigung der ab 1. Januar 2004 geltenden Änderungen des IVG (4. IV-Revision, AS 2003 3837; BGE 130 V 332 Erw. 2.2 und 2.3) die Bestimmungen über die Begriffe der Erwerbsunfähigkeit und Invalidität (Art. 7 und 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie über die Ermittlung des Invaliditätsgrades (Art. 16 ATSG) und den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Hinweise zur Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung und zur praxisgemässen Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen; vgl. auch AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc [Urteil D. vom 27. November 2001, I 82/01]) sowie zur Beweiswürdigung (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass die Prüfung eines allfälligen schon vor dem 1. Januar 2003 entstandenen Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung für die Zeit bis 31. Dezember 2002 aufgrund der bisherigen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen erfolgt (BGE 130 V 445 ff. Erw. 1).
 
2.
 
Strittig ist einzig, ob die für die Ermittlung des Invaliditätsgrades herangezogenen Verweisungstätigkeiten und der als zumutbar bezeichnete Umfang einer entsprechenden Erwerbstätigkeit mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vereinbar sind.
 
2.1 Wie die Rekurskommission richtig festgestellt hat, ist der mögliche Rentenbeginn ein Jahr (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) nach dem Unfall vom 3. September 2001, somit auf September 2002 festzusetzen. Die erwerblichen Verhältnisse sind daher vorab für jenen Zeitpunkt zu prüfen (vgl. BGE 129 V 222).
 
2.2 Verwaltung und Vorinstanz stützen sich auf die medizinischen Abklärungen und auf die sich daraus ergebende Zumutbarkeitsbeurteilung der SUVA. Weder im Verfahren vor der Rekurskommission noch letztinstanzlich bringt der Beschwerdeführer vor, er leide unter anderen oder weiteren Gesundheitsschäden, als sie dieser zu Grunde gelegt wurden. Im Austrittsbericht vom 12. Juni 2002 werden ein Fallfuss rechts, ein Tinnel-Phänomen am Fibulaköpfchen rechts, belastungsabhängige Schmerzen am linken oberen Sprunggelenk bei erhaltener Beweglichkeit und eine Hyposensibilität am lateralen Unterschenkel rechts sowie zwischen der ersten und zweiten Zehe diagnostiziert. Diese Befunde haben zur Folge, dass der Beschwerdeführer seine angestammte Tätigkeit als Bauarbeiter (Bohr- und Fräsenspezialist) nicht mehr ausüben kann. Hingegen ist eine leichte bis mittelschwere wechselbelastende, vorwiegend sitzende Arbeit ganztags möglich, soweit das Heben und Tragen von schweren Lasten, längeres Gehen und Stehen, Gehen auf unebenem Gelände, Arbeiten auf einer Leiter oder auf einem Baugerüst und knieende oder hockende Tätigkeiten vermieden werden. Ohne auf diese detaillierte Beurteilung einzugehen, macht der Beschwerdeführer geltend, er könne wohl höchstens noch einer 50%igen Tätigkeit nachgehen. Diese Ansicht wird nicht begründet und ist auch nicht nachvollziehbar, nachdem er lediglich an Folgen einer (beidseitigen) Fussverletzung leidet. Weshalb ihn diese daran hindern sollte eine angepasste Tätigkeit vollzeitlich auszuführen, ist nicht ersichtlich. Insoweit ergibt sich, dass die von Verwaltung und Vorinstanz bezeichneten Verweisungstätigkeiten mit dem gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers vereinbar sind und deren Ausübung im Rahmen eines vollen Arbeitspensums zumutbar erscheint.
 
2.3 In erwerblicher Hinsicht hat die SUVA Tätigkeiten im Bereich leichte Montage, Controlling, Eichung und Lötarbeiten als den gesundheitlichen Gegebenheiten entsprechend bezeichnet. Sie ermittelte mit Hilfe ihrer Dokumentation über Arbeitsplätze (DAP) ein mögliches Invalideneinkommen von Fr. 51'000.-. Gemäss der in BGE 129 V 472 veröffentlichten Rechtsprechung setzt bei der Ermittlung des für die Invaliditätsbemessung massgebenden Invalideneinkommens das Abstellen auf DAP-Löhne voraus, dass in der Regel mindestens fünf zumutbare Arbeitsplätze angegeben werden. Im Hinblick auf die Repräsentativität der DAP-Profile und der daraus abgeleiteten Lohnangaben bedarf es zusätzlicher Angaben über die Gesamtzahl der auf Grund der gegebenen Behinderung in Frage kommenden dokumentierten Arbeitsplätze, über den Höchst- und den Tiefstlohn sowie über den Durchschnittslohn der dem jeweils verwendeten Behinderungsprofil entsprechenden Gruppe, womit eine Überprüfung des Auswahlermessens ermöglicht wird. Fehlt es an entsprechenden Angaben, hat die Invaliditätsbemessung auf Grund von Tabellenlöhnen gemäss den vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) zu erfolgen (BGE 129 V 478 ff. Erw. 4.2.2). Verwaltung und Vorinstanz haben das von der SUVA ermittelte Invalideneinkommen übernommen. Der Beschwerdeführer hat gegen den Einkommensvergleich keine Einwendungen erhoben. Eine Überprüfung mit Hilfe der Durchschnittslöhne gemäss LSE ergibt, dass der Beschwerdeführer zumutbarerweise ein Invalideneinkommen von Fr. 44'395.- (Fr. 4175.- x 12 : 40 x 41,7 x0,85) erzielen könnte. Dabei ist ein leidensbedingter Abzug (vgl. BGE 126 V 75 ff.) von 15 % berücksichtigt. Bei einem unbestrittenen Valideneinkommen im Jahre 2002 von Fr. 72'540.- ergibt dies einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 39 %. Auch wenn man von einem maximal zulässigen Abzug von 25 % vom Tabellenlohn ausginge, was hier nicht gerechtfertigt wäre, resultiert ein Invaliditätsgrad von 46 %. Wie beide Vorinstanzen zu Recht erkannt haben, hat eine aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende versicherte Person ohne Wohnsitz in der Schweiz bei einem Invaliditätsgrad von weniger als 50 % keinen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Urteil I. vom 18. März 2005, I 275/02; vgl. aber BGE 130 V 253). Bezüglich der weiteren Argumentation - so hinsichtlich der geltend gemachten beeinträchtigten Lebensqualität und des Anspruchs auf Fürsorgeleistungen - wird auf die richtigen Ausführungen der Vorinstanz verwiesen, welchen nichts hinzuzufügen bleibt.
 
3.
 
Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar als unbegründet, nicht aber als aussichtslos zu bezeichnen ist und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Till Gontersweiler für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 25. April 2006
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).