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Informationen zum Dokument  BGer P 16/2005  Materielle Begründung
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BGer P 16/2005 vom 26.04.2006
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess {T 7}
 
P 16/05
 
Urteil vom 26. April 2006
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Grünvogel
 
Parteien
 
M.________, 1946, Beschwerdeführer, vertreten
 
durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-
 
Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,
 
gegen
 
Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau, Ausgleichskasse, EL-Stelle, St. Gallerstrasse 13,
 
8501 Frauenfeld, Beschwerdegegner
 
Vorinstanz
 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden
 
(Entscheid vom 17. März 2005)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 22. Dezember 2003 lehnte die EL-Stelle des Kantons Thurgau den Anspruch des 1946 geborenen M.________ auf Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Februar 2003 ab, weil die anrechenbaren Einnahmen die anerkannten Ausgaben überstiegen. Eine dagegen erhobene Einsprache hiess das kantonale Amt am 28. September 2004 in dem Sinne gut, als es die Sache zur weiteren Abklärung und anschliessender Neuverfügung gemäss den Erwägungen zurückwies. Dabei hielt es fest, das der Firma E._______ GmbH per 31. Dezember 2002 gewährte Darlehen von Fr. 163'968.45 wie auch die Stammeinlage seien bei der EL-Berechnung als Vermögen zu berücksichtigen; ferner seien auf der Ausgabenseite die Krankenversicherungsprämien einzurechnen; im Übrigen sei die Verfügung nicht zu beanstanden.
 
B.
 
Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau hob diesen Einspracheentscheid auf Beschwerde hin am 17. März 2005 auf und wies die Sache an die EL-Stelle zur Neuberechnung des Ergänzungsleistungsanspruchs im Sinne der Erwägungen und zu anschliessender Neuverfügung zurück. Dabei erwog sie, beim in der Firma E.________ GmbH mit Stichtag 31. Dezember 2002 investierten Darlehen in der Höhe von Fr. 163'968.45 sei im Umfang von Fr. 94'270.20 von Verzichtsvermögen auszugehen, dessen erstmalige Amortisation gemäss Art. 17a Abs. 1 ELV auf den 1. Januar 2003 erfolge. Weiter führte sie aus, die übrigen, von M.________ in die Firma eingebrachten Vermögenswerte, bestehend aus dem Restbetrag des Darlehens wie auch der Stammeinlage von Fr. 34'000.-, seien bei der EL-Berechnung für das Jahr 2003 mit Fr. 29'190.45 zu berücksichtigen. Der Restbetrag sei angesichts der maroden Verfassung der Firma als nicht mehr einbringlich zu betrachten; ferner müsse der auf der Ausgabenseite zu berücksichtigenden Krankenkassenprämienpauschale eine allfällige Prämienverbilligung gegenübergestellt werden.
 
C.
 
Dagegen lässt M.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche und der Einspracheentscheid seien aufzuheben und die Angelegenheit sei an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie den Anspruch neu überprüfe.
 
Während das Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts stellt der Rückweisungsentscheid einer kantonalen Rekursinstanz eine im Sinne von Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht anfechtbare Endverfügung dar. Anfechtbar ist grundsätzlich nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides. Verweist indessen das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive, auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an die die Sache zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich. Beziehen sich diese Erwägungen auf den Streitgegenstand, ist somit auch deren Anfechtbarkeit zu bejahen (BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis).
 
2.
 
Streitig ist einzig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das vom Beschwerdeführer in der Firma E.________ GmbH investierte Geld bei der EL-Bedürftigkeitsberechnung als Vermögen und Vermögensertrag anzurechnen ist.
 
3.
 
Das kantonale Gericht hat die diesbezüglichen Bestimmungen über die anrechenbaren Einkünfte aus Vermögen (Art. 3c Abs. 1 lit. b ELG) und die Anrechenbarkeit von Einkünften und Vermögenswerten, auf die verzichtet worden ist (Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG), in Darlegung der dazu ergangenen Rechtsprechung (BGE 110 V 21 Erw. 3; ZAK 1988 S. 255 Erw. 2b; nicht veröffentlichte Urteile S. vom 30. November 1998, P 17/97, und W. vom 7. Dezember 1995, P 51/95; vgl. auch BGE 120 V 191 Erw. 2b mit weiteren Hinweisen) zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.
 
4.
 
4.1 Das von der Firma E.________ GmbH in der Bilanz per 31. Dezember 2002 ausgewiesene, voll liberierte Stammkapital von Fr. 35'000.-, wie auch das als langfristiges Fremdkapital aufgeführte Darlehen in der Höhe von Fr. 163'948.45, stammen, abgesehen von der von Dritter Seite eingebrachten Stammeinlage von Fr. 1000.-, unstreitig vom Beschwerdeführer. Aus der augenscheinlich sehr angespannten finanziellen Situation der Firma schloss die Vorinstanz auf eine nur noch beschränkt vorhandene Einbringlichkeit des Darlehens und der Stammeinlagen. Dabei stellte sie die bilanzmässig ausgewiesenen Vermögenswerte (Aktiven) den kurzfristigen Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung gegenüber und errechnete einen (Differenz-)Betrag von Fr. 29'190.45, der im Falle einer auf der Bilanz basierenden Liquidation noch zur Verteilung an den Beschwerdeführer als einzigen weiteren Kapitalgeber (Darlehen und Stammkapital) zur Verfügung stände. In diesem Umfang erachtete die Vorinstanz das vom Beschwerdeführer in der Firma investierte Geld als per 1. Januar 2003 einbringlich.
 
Für den uneinbringlichen Teil prüfte das kantonale Gericht in einem weiteren Schritt, inwieweit ein Vermögensverzicht vorliege. Dabei hielt es unter Hinweis auf das unveröffentlichte Urteil S. vom 30. November 1998, P 17/95, treffend fest, eine Verzichtshandlung sei für die fraglichen Darlehen nur anzunehmen, soweit diese ohne Rechtspflicht, ohne jede Sicherheit und ohne konkrete Gegenleistung gewährt worden seien und dabei dessen Hingabe von Anfang an einem Vabanquespiel gleichzusetzen war, d.h. damit ein ausgesprochen hohes Risiko des vollen Wertverlustes eingegangen wurde. Von diesem Grundsatz ausgehend verneinte die Vorinstanz alsdann für den in der Rangrücktrittsvereinbarung vom 7. März 2001 erwähnten Betrag von Fr. 75'000.- einen Vermögensverzicht sinngemäss mit dem Vermerk, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer der Firma diese Summe zu einem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt habe, als noch berechtigte Hoffnungen auf eine Rückzahlung bestanden hätten. Für den verbliebenen Teil in der Höhe von Fr. 94'270.20, für welchen am 18. Februar 2003 ebenfalls ein Rangrücktritt erklärt wurde, erachtete das kantonale Gericht dagegen den freiwilligen Vermögensverzicht für ausgewiesen. Dabei führte es zur Begründung an, dieses, dem in den Jahren 2001 und 2002 erwirtschafteten Verlust entsprechende Kapital, sei offensichtlich erst nach Abschluss der ersten Rangrücktrittsvereinbarung vom 7. März 2001, kurz vor der vom Beschwerdeführer behaupteten Niederlegung der Firmenaktivitäten per 31. Dezember 2002, zur Verfügung gestellt worden und habe zur Deckung des Gesamtverlusts der Jahre 2001 und 2002 gedient, ohne dass der Gesellschafter dazu verpflichtet gewesen wäre und noch ernsthafte Aussichten auf eine spätere Rückzahlung bestanden hätten.
 
4.2 Dieser differenziert erfolgten Einschätzung ist mit folgender Präzisierung beizupflichten: Die finanzielle Situation der Firma war tatsächlich schon sehr bald nach deren Gründung im November 1999 prekär. Bereits im Jahr 2000 konnte sie sich nur noch allein dank der vom Beschwerdeführer gewährten Darlehen in der Höhe von Fr. 75'000.- über Wasser halten, was mehr als dem doppelten Betrag der Stammeinlage entspricht. Ohne Aussicht auf eine nachhaltige Verbesserung des Geschäftsgangs musste es dergestalt dem als Geschäftsführer und faktischem Alleineigentümer der Firma jederzeit über die Finanzen informierten Beschwerdeführer bereits Ende 2000 klar gewesen sein, dass jede weitere Darlehensgewährung an die hoch defizitäre GmbH einem Vabanquespiel gleich kam, zumal sich bereits für dieses Jahr trotz der Investitionen eine Unterdeckung im Sinne von Art. 735 OR abzeichnete, was schliesslich zur Rangrücktrittsvereinbarung vom 7. März 2001 in der Höhe der erwähnten Fr. 75'000.- geführt hat. Dennoch entschloss er sich in den beiden Folgejahren dazu, weitere Darlehen zu gewähren. Ob er dabei nun tatsächlich den Gesamtbetrag von Fr. 94'270.20 erst nach dem 7. März 2001 der Firma zur Verfügung gestellt hat oder Teile davon bereits kurz davor, am 8. Februar 2001, wie letztinstanzlich nunmehr unter Hinweis auf einen ins Recht gelegten Einzahlungsbeleg desselben Datums behauptet wird, ist nicht entscheidend. Die Rangrücktrittsvereinbarung vom 7. März 2001 bringt - wie bereits erwähnt - lediglich das zum Ausdruck, was für den Beschwerdeführer gegen Ende des Geschäftsjahres 2000 ohnehin schon bekannt sein musste.
 
4.3 Die weiteren in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände vermögen ebenso wenig zu einer anderen Betrachtungsweise zu führen. Soweit die vorinstanzlich durchgeführte Berechnung des theoretischen Restwertes des in der Firma investierten Vermögens bemängelt wird, sind die dabei vorgebrachten Argumente nicht nachvollziehbar. Auch trifft es nicht zu, dass generell kein Vermögensverzicht anzunehmen ist, wenn jemand sein Vermögen "verprasst". Aus dem letztinstanzlich angerufenen BGE 115 V 335 kann dies jedenfalls nicht in dieser Form herausgelesen werden.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 26. April 2006
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
i.V.
 
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