BGer 2A.558/2005 | |||
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BGer 2A.558/2005 vom 08.05.2006 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.558/2005 /bie
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Urteil vom 8. Mai 2006
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Betschart, Müller,
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Gerichtsschreiber Matter.
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Parteien
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A.________ und B.________,
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Einfache Gesellschaft, Handel mit Waren aller Art, Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Schilling,
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gegen
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Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
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Eidgenössische Steuerrekurskommission,
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Avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.
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Gegenstand
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Mehrwertsteuer; 1. Quartal 1995 - 3. Quartal 2000 / Vorsteuerabzug,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom
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16. August 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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A.________ und B.________ handeln als einfache Gesellschaft u.a. mit Luxusuhren. Seit Anfang 1999 sind sie im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. Im Rahmen einer Kontrolle kam die Eidgenössische Steuerverwaltung zum Schluss, dass die Eintragungspflicht bereits Anfang 1995 bestand. Sie forderte deshalb für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 30. September 2000 insgesamt Mehrwertsteuern von 189'468 Franken nach, wobei sie die pro Jahr geschuldeten Beträge teils ermessensweise festlegte. Im Einspracheverfahren beschränkte sie ihre Forderung auf 127'700.10 Franken. Auf Beschwerde der Pflichtigen hin reduzierte die Eidgenössische Steuerrekurskommission diesen Betrag - gemäss Antrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung - um weitere 19'704.75 Franken auf 107'995.35 Franken, wovon 12'798.65 Franken zusätzlich gewährten Vorsteuerabzügen entsprachen.
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B.
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Am 14. September 2005 haben A.________ und B.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie behaupten nicht mehr, dass die Voraussetzungen für eine Ermessenstaxation nicht erfüllt waren, und sie bestreiten auch die Schätzung des Umsatzes nicht mehr. Sie machen jedoch geltend, es hätte die Höhe des Vorsteuerabzuges geschätzt bzw. es hätte nach dem Saldosteuersatz abgerechnet werden müssen. In diesem Sinne sei der Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 16. August 2005 aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Eidgenössische Steuerverwaltung schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Beschwerdeentscheide der Eidgenössischen Steuerrekurskommission können nach den Artikeln 97 ff. OG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 54 Abs. 1 der hier noch anwendbaren Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer [Mehrwertsteuerverordnung; MWSTV; AS 1994 1464]). Die Beschwerdeführer sind gemäss Art. 103 lit. a OG zur Beschwerde legitimiert. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
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2.
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2.1 Die Mehrwertsteuer wird vom Entgelt berechnet (vgl. Art. 26 Abs. 1 MWSTV). Von dieser Steuer auf dem Ausgangsumsatz darf der Steuerpflichtige jene Steuern in Abzug bringen, welche ihm von anderen Steuerpflichtigen überwälzt worden sind. Dies jedoch nur dann, wenn er die Vorsteuern mittels Belegen nachweisen kann (vgl. Art. 29 Abs. 1 lit. a MWSTV). Der Steuerpflichtige hat seine Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und so einzurichten, dass sich daraus die für die Feststellung der Steuerpflicht sowie für die Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuern massgebenden Tatsachen leicht und zuverlässig ermitteln lassen (vgl. Art. 47 Abs. 1 MWSTV). Liegen keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vor, oder stimmen die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht überein, so nimmt die Eidgenössische Steuerverwaltung eine Schätzung nach pflichtgemässem Ermessen vor (vgl. Art. 48 MWSTV).
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2.2 Die Beschwerdeführer machen einen Verstoss gegen Art. 29 und 48 MWSTV geltend. Sie seien nicht auf effektiven, sondern auf fiktiven Umsätzen besteuert worden. Deshalb befänden sie sich nun in einem Beweisnotstand, da sie nicht in der Lage seien, für die ihnen angelasteten hypothetischen Verkäufe Vorsteuerbelege einzureichen. Aus Gründen der Rechtsgleichheit und der Fairness sei somit auch der Vorsteuerabzug ermessensweise zu schätzen, wie dies in der Lehre gefordert werde (vgl. u.a. Daniel Schär, Schätzung der Vorsteuer muss möglich werden, Zusammenführung von Beweislast und Ermessenseinschätzung, ST 2005 324 ff.). Werde stattdessen - wie von den Behörden erwogen - der Vorsteuerabzug von einem strikten Nachweis abhängig gemacht, so liege darin eine doppelte Bestrafung (nebst der hypothetischen Erfassung des Umsatzes).
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2.3 Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht unzutreffend. Dabei erübrigt sich hier, die Möglichkeit einer Vorsteuerschätzung allgemein zu prüfen. Auch ist nicht näher auf die genannte Lehrmeinung einzugehen. Es genügt festzuhalten, dass sich eine ermessensweise Bestimmung des Vorsteuerabzuges gerade in einem Fall wie dem vorliegenden nicht rechtfertigt:
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Von fiktiven bzw. rein hypothetischen Verkäufen zu sprechen, ist umso weniger angebracht, als die Beschwerdeführer die von den Behörden erfassten Umsätze nunmehr anerkennen. Von einem (durch die Steuerverwaltung verursachten) Beweisnotstand kann ebenfalls keine Rede sein. In Wirklichkeit haben die Beschwerdeführer das Unvermögen, rechtsgenügliche Belege vorzulegen, nur sich selbst zuzuschreiben und sogar bewusst in Kauf genommen, indem - wie inzwischen eingestanden - ihre Geschäftsstrategie in Bezug auf die Luxusuhren jahrelang u.a. auf einer systematischen Umgehung der Mehrwertsteuer beruhte. Zusätzlich zu zahlreichen und gravierenden Verstössen gegen ihre Selbstveranlagungs- und Aufzeichnungspflicht haben sie eingeräumt, bei ihrem Vertrieb von "Uhren des oberen Preissegments" in einer Vielzahl von Fällen auf dem "Graumarkt" ausserhalb der traditionellen Verkaufskanäle tätig geworden zu sein, darunter im "illegalen Sekundärhandel" (nicht zuletzt mit Schmuggelware). In solchen Fällen steht dem geschätzten Warenverkauf logischerweise wohl ein Gütereinkauf gegenüber, dessen Höhe an sich ebenfalls geschätzt werden könnte. Gerade bei den hier getätigten Geschäften besagt aber die Tatsache, dass der Verkäufer die von ihm weiterveräusserten Waren irgendwann einmal erworben haben muss, noch keineswegs, dass darauf auch die Mehrwertsteuer bezahlt worden ist, soweit eine solche Steuerpflicht überhaupt bestand. Unter diesen Umständen besteht kein Grund für eine Ausnahme von der Pflicht, angeblich bezahlte Vorsteuern als steuermindernde Tatsachen im Einzelnen nachzuweisen.
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Im Übrigen haben die Beschwerdeführer Gelegenheit erhalten, zwecks nachträglicher Ermöglichung des Vorsteuerabzugs trotz formell ungenügender Rechnung Bestätigungen der Leistungserbringer einzuholen und einzureichen, was sie aber nicht getan haben. Ein zusätzliches Entgegenkommen ist rechtlich nicht geboten, genauso wenig eine über die schon im Einsprache- und Rekursverfahren gewährten Vorsteuerabzüge hinausgehende Reduzierung der Steuerforderung.
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2.4 Vorliegend ist auch kein Platz für eine Saldobesteuerung. Deren Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, und zwar aus Gründen, welche die Beschwerdeführer ebenfalls sich selbst zuzuschreiben haben. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid (vgl. S. 21 f.) verwiesen werden.
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3.
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Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art 156 Abs. 1 und 7 OG in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird den Beschwerdeführern unter Solidarhaft auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Eidgenössischen Steuerverwaltung und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. Mai 2006
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber
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