VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 5C.307/2005  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 5C.307/2005 vom 19.05.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5C.307/2005 /bnm
 
Urteil vom 19. Mai 2006
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
 
Gerichtsschreiberin Scholl.
 
Parteien
 
X.________,
 
Klägerin und Berufungsklägerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter M. Studer,
 
gegen
 
Y.________,
 
Beklagte und Berufungsbeklagte,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas C. Huwyler,
 
Gegenstand
 
Dienstbarkeit; Nachbarrecht,
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, vom 23. November 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ ist Eigentümerin der Parzelle GS 1 in der Gemeinde A.________. Y.________ gehört die nördlich davon gelegene, durch eine Erschliessungsstrasse getrennte Nachbarparzelle GS 2. Im Grundbuch sind seit dem 12. Juli 1983 zu Gunsten und zu Lasten der beiden Liegenschaften unter anderem folgende Dienstbarkeiten eingetragen: "Verbot von zusätzlichen Fenstern" und "Pflanzhöhebeschränkung". Anfangs 1999 liess Y.________ an ihrem Haus in der südlichen, gegen die Liegenschaft von X.________ gerichteten Fassade zusätzliche Fenster einbauen.
 
B.
 
B.a Am 30. August 2002 reichte X.________ beim Kantonsgericht Zug gegen Y.________ Klage ein und beantragte, diese sei zu verpflichten, sämtliche nach dem 12. Juli 1983 auf ihrer Liegenschaft eingebauten Fenster, insbesondere an der südlichen Hausfassade, zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Y.________ beantragte daraufhin widerklageweise, X.________ sei zu verpflichten, den Baum auf der nordöstlichen Seite von deren Grundstück auf die erlaubte Höhe zurückzuschneiden sowie Hallenbadfenster zu entfernen. Mit Urteil vom 12. Mai 2004 verpflichtete das Kantonsgericht Zug Y.________, sämtliche anlässlich des Umbaus im Frühling/ Sommer 1999 an der südlichen Hausfassade ihrer Liegenschaft zusätzlich eingebauten Fenster zu entfernen und den vor diesem Umbau herrschenden Zustand wieder herzustellen. Auf die Widerklage trat das Kantonsgericht nicht ein.
 
Dagegen gelangte Y.________ an das Obergericht des Kantons Zug. Dieses hob am 23. November 2004 das kantonsgerichtliche Urteil auf, wies die Klage ab und wies die Sache in Bezug auf die Widerklage zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
 
B.b Auf eine von X.________ gegen dieses Urteil eingereichte Berufung trat das Bundesgericht am 30. Mai 2005 nicht ein, weil kein Endentscheid nach Art. 48 OG vorlag und nicht dargelegt wurde, inwiefern die Voraussetzungen zur ausnahmsweisen Anfechtung eines selbstständigen Vor- oder Zwischenentscheids erfüllt seien (Verfahren 5C.15/2005).
 
B.c In der Folge gelangte das Verfahren zur Behandlung der Widerklage an das Kantonsgericht Zug zurück. Am 2. November 2005 zog Y.________ ihre Widerklage zurück und ersuchte um Abschreibung des Verfahrens. Daraufhin schrieb das Kantonsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 10. November 2005 zufolge Rückzugs am Protokoll ab.
 
C.
 
X.________ gelangt mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht. Sie verlangt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts vom 23. November 2004 und die Bestätigung des kantonsgerichtlichen Urteils vom 12. Mai 2004.
 
Y.________ beantragt in ihrer Antwort, auf die Berufung nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen und subeventualiter, die Sache an das Obergericht zurückzuweisen.
 
X.________ ist in der gleichen Sache auch mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht gelangt (Verfahren 5P.455/2005).
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und der Entscheid über die Berufung ist auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich indes, die Berufung vorab zu behandeln, da sie - wie nachfolgend aufgezeigt wird - unabhängig von den in der staatsrechtlichen Beschwerde vorgebrachten Rügen gutzuheissen ist (BGE 117 II 630 E. 1a S. 631).
 
2.
 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und inwieweit auf eine Berufung eingetreten werden kann (BGE 129 III 415 E. 2.1).
 
2.1 Nach Art. 48 Abs. 1 OG ist die Berufung in der Regel erst gegen die Endentscheide der oberen kantonalen Gerichte zulässig. Die Berufung gegen den Endentscheid bezieht sich unter anderem auch auf die ihm vorausgegangenen Entscheide, welche nicht schon früher weiterziehbar waren (Art. 48 Abs. 3 OG). Im Urteil vom 23. November 2004 hat das Obergericht über die Klage endgültig entschieden und nur die Widerklage zurückgewiesen. Es handelt sich dabei um ein Teilurteil, das von der Klägerin seinerzeit zwar mit eidgenössischer Berufung angefochten, vom Bundesgericht jedoch nicht materiell beurteilt worden ist (vgl. vorstehend lit. B.b). Nachdem die Widerklage durch Rückzug hinfällig geworden ist, kann auf die Berufung gegen diesen Entscheid ohne weiteres eingetreten werden (Jean-François Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. II 1990, N. 1.1.7.6 zu Art. 48 OG; vgl. auch BGE 121 III 214 E. 1 S. 216). Im Übrigen handelt es sich vorliegend um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG, wobei der erforderliche Streitwert gegeben ist. Die Berufung ist zudem rechtzeitig erhoben worden.
 
2.2 Nicht eingetreten werden kann auf die Berufung, soweit die Klägerin die Konnexität zwischen Klage und Widerklage bestreitet und eine Verletzung von Art. 6 GestG rügt. Da die Beklagte ihre Widerklage zurückgezogen hat, erweist sich diese Frage als gegenstandslos.
 
2.3 Die Beklagte hat weder Berufung noch Anschlussberufung erhoben. Trotzdem rügt sie in ihrer Berufungsantwort einzelne Erwägungen des Obergerichts, insbesondere in Bezug auf die Auslegung der Dienstbarkeit. Zu einer solchen Kritik an einzelnen Punkten der vorinstanzlichen Urteilsbegründung ist sie grundsätzlich befugt. Sie hat dabei die gleichen Formvorschriften zu beachten, die für die Berufung gelten (Art. 59 Abs. 3 OG; BGE 120 II 128 E. 2a S. 129; 124 III 277 E. 2 S. 282).
 
3.
 
Vorab ist der Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit zu klären, die als "Verbot von zusätzlichen Fenstern" im Grundbuch eingetragen ist.
 
3.1 Die Beklagte bringt in ihrer Berufungsantwort vor, der Wortlaut des Grundbucheintrags sei unklar. Im ganzen Quartier hätten immer wieder Umbauten stattgefunden, bei denen neue Fenster eingebaut worden seien. Deshalb sei auf den Begründungsakt abzustellen, der die Erhaltung des Sichtschutzes als einzigen Zweck der Dienstbarkeit nenne. Der strittige Fenstereinbau habe keine zusätzlichen Einblickmöglichkeiten auf das Grundstück und das Haus der Klägerin zur Folge und laufe somit dem Sinn der Dienstbarkeit nicht zu wider.
 
3.2 Für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit gibt Art. 738 ZGB eine Stufenordnung vor. Ausgangspunkt ist der Grundbucheintrag. Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend (Art. 738 Abs. 1 ZGB). Nur wenn sein Wortlaut unklar ist, darf im Rahmen des Eintrags auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden oder auf die Art, wie die Dienstbarkeit während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt wurde (Art. 738 Abs. 2 ZGB; BGE 128 III 169 E. 3a S. 172; 130 III 554 E. 3.1 S. 556 f.).
 
3.3 Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, ist der Grundbucheintrag "Verbot von zusätzlichen Fenstern" klar und eindeutig. Zudem stehen sich nicht mehr die ursprünglichen Parteien des Dienstbarkeitsvertrages gegenüber. Eine Auslegung der Dienstbarkeit nach dem Erwerbsgrund oder der Art, wie sie ausgeübt wurde, ist damit unzulässig. Sollte der Grundbucheintrag unter Berücksichtigung des Erwerbsgrundes als ungerechtfertigt erscheinen - wie die Beklagte sinngemäss geltend macht - kann eine Löschung oder Abänderung nur gestützt auf Art. 975 ZGB mittels Grundbuchberichtigungsklage verlangt werden (BGE 123 III 461 E. 2c S. 465). Eine solche wurde nicht erhoben. Das obergerichtliche Urteil ist damit in diesem Punkt nicht zu beanstanden.
 
4.
 
Zur Hauptsache ist einerseits strittig, ob die Klägerin auf die Dienstbarkeit bzw. deren Ausübung verzichtet hat, und andererseits, ob sie ihr Klagerecht wegen verzögerter Rechtsausübung verwirkt hat. Das Obergericht vermischt in seinen Erwägungen diese Fragen zum Teil. Indes sind diese zwei Problemstellungen auseinander zu halten und getrennt voneinander zu beurteilen (Hans Merz, Berner Kommentar, N. 514 zu Art. 2 ZGB). Eine weitere Frage ist, ob und inwieweit Art. 674 Abs. 3 ZGB im vorliegenden Fall analog anwendbar ist.
 
5.
 
Zuerst ist die Frage eines konkludenten oder ausdrücklichen Verzichts zu klären.
 
5.1 Ein Dienstbarkeitsberechtigter kann auf die Ausübung einer Dienstbarkeit oder auf das dingliche Recht selbst verzichten. Dieser Verzicht ist wirksam, wenn er vom Berechtigten bedingungs- und vorbehaltlos erklärt worden ist. Die Äusserung des Verzichtswillens kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen, wobei konkludentes Verhalten den Willen eindeutig zum Ausdruck bringen muss (BGE 127 III 440 E. 2a S. 442; 128 III 265 E. 4a S. 269 f.; 123 III 461 nicht publizierte E. 3a, publ. in: ZBGR 80/1999 S. 122).
 
5.2 Tatbeständlich erstellt ist im vorliegenden Fall (Art. 63 Abs. 2 OG), dass die Klägerin keine Baueinsprache gegen die Baubewilligung für die Fenster eingereicht hat. Zudem hat sie weder vor Baubeginn noch während der Bauausführung ausdrücklich die Einhaltung der Dienstbarkeit verlangt. Während der Bauphase kam es zu Gesprächen zwischen der Klägerin und der Architektin der Beklagten, wobei in erster Linie über eine Bepflanzung (der neuen Fensterfront) gesprochen wurde.
 
5.3 Angesichts der hohen Anforderungen, die an einen stillschweigenden Verzicht zu stellen sind, kann allein darin, dass die Klägerin nicht sofort gegen das Bauvorhaben opponiert hat, nicht bereits eine Einwilligung in dieses gesehen werden. Aus den geführten Gesprächen über die Bepflanzung der Fensterfront lässt sich keine Einwilligung ableiten, so dass allfällige Vorbehalte und Bedingungen nicht zu prüfen sind. Eine Einigung über die Bepflanzung kam schliesslich nicht zustande. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auf die Dienstbarkeit stillschweigend verzichtet hat.
 
5.4 Die Beklagte bringt in ihrer Berufungsantwort vor, die Klägerin habe ihre Zustimmung zum Fenstereinbau nicht (nur) mit konkludentem Verhalten, sondern auch mit ausdrücklichen Willensäusserungen erteilt. Das Kantonsgericht hat indes gestützt auf ein Beweisverfahren festgehalten, dass der Beweis einer ausdrücklichen Zustimmung nicht erbracht wurde. Das Obergericht hat zu diesem Punkt nichts Gegenteiliges festgehalten. Schlussfolgerungen, welche auf Beweiswürdigung beruhen, kann das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüfen (Art. 63 Abs. 2 und Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 117 II 256 E. 2 S. 257 f.; 130 III 563 E. 3.2 S. 569). Auf die Ausführungen der Beklagten kann damit nicht eingetreten werden.
 
6.
 
Damit ist als nächstes zu prüfen, ob die Klägerin ihren Anspruch auf Beseitigung der Fenster wegen verspäteter Rechtsausübung verwirkt hat (Art. 2 ZGB).
 
6.1 Das Obergericht hat - wie bereits erwähnt - festgehalten, dass die Klägerin weder vor Baubeginn noch während der Bauausführung die Einhaltung der Dienstbarkeit verlangt habe. In einem Schreiben von 23. Mai 2000 habe sie bzw. ihr Beauftragter nur darauf hingewiesen, dass der Zustand der Bepflanzung nicht der zwischen ihr und der Architektin getroffenen Vereinbarung entspreche, und vorgeschlagen, Wege zu diskutieren, wie das Problem der freien Sicht und der Werteinbusse gelöst werden könne. Erst im Schreiben von 7. Juli 2000 habe die Klägerin der Beklagten rechtliche Schritte angedroht, sofern die Angelegenheit nicht gütlich geregelt werde. Diese rechtlichen Schritte seien dann erst im Sommer 2002 mit dem Sühnebegehren eingeleitet worden, mit dem die Entfernung der Fenster verlangt worden sei. Die Klägerin habe also - wenn man das Schreiben vom 7. Juli 2000 als Einspruch gegen die Dienstbarkeit werten wolle - beinahe 1 ½ Jahre, seit sie Kenntnis von der Bauführung gehabt habe, zugewartet, bis sie die Dienstbarkeitsverletzung gerügt habe. Ein konkretes Begehren auf Einhaltung der Dienstbarkeit sei sogar erst rund 3 ½ Jahre nach Baubeginn gestellt worden. Die Klägerin habe mithin einen längeren Zeitraum ungenutzt verstreichen lassen. Bei der Beklagten sei während dieser Zeit ein schützenswerter Besitzstand entstanden, der durch die verspätete Rechtsausübung zerstört werde. Der Klägerin sei zuzumuten gewesen, spätestens nach Baubeginn die Einhaltung der Dienstbarkeit zu verlangen, um die Beklagte von grösseren Investitionen abzuhalten. Die Klägerin habe demgemäss ihre Klageberechtigung verwirkt.
 
6.2 Sachenrechtliche Abwehransprüche sind unbefristet und unverjährbar; sie können aber unter Umständen untergehen, wenn sie zu spät geltend gemacht werden. Eine Verwirkung wegen verspäteter Rechtsausübung ist aber nicht leichthin anzunehmen, weil nach Art. 2 ZGB ein Recht nur dann nicht geschützt werden darf, wenn sein Missbrauch offensichtlich ist (BGE 117 II 575 E. 4a S. 577; 131 III 581 nicht publizierte E. 3.2). Eine Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte die Verletzung seines Rechts während längerer Zeit geduldet hat und der Verletzer, der inzwischen einen schützenswerten Besitzstand erworben hat, in guten Treuen auf diese Untätigkeit vertrauen durfte (BGE 88 II 145 E. 3 S. 149 f.; 127 III 357 E. 4c/bb S. 364).
 
6.3 Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin keine Einsprache gegen die Baubewilligung erhoben hat, konnte die Beklagte noch nicht in guten Treuen schliessen, diese toleriere die Dienstbarkeitsverletzung. Zudem ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Klägerin bis zum ausdrücklichen Protest im Jahr 2000 keineswegs vollständig untätig geblieben ist. Sie hat zwar nicht umgehend die Einhaltung der Dienstbarkeit verlangt, erstellt sind aber Gespräche über eine Bepflanzung der neu eingebauten Fenster. Angesichts dieser Tatsachen kann es der Klägerin nicht als rechtsmissbräuchliches Verhalten angerechnet werden, wenn sie eine Einhaltung der Dienstbarkeit erst verlangt hat, nachdem eine Einigung über die Bepflanzung nicht erzielt werden konnte. Mit Hinblick darauf erscheint auch die Zeitspanne von 1 ½ Jahren nicht als unverhältnismässig lange.
 
Im vorliegenden Fall geht es zudem auch nicht um eine "vergessene" Dienstbarkeit (vgl. Hinweis bei Peter Liver, Zürcher Kommentar, N. 226 zu Art. 737 ZGB), vielmehr ist nach dem Sachverhalt davon auszugehen, dass sich die Beklagte des Bestands der Dienstbarkeit bewusst gewesen ist. Wenn sie sich daher auf ihre getätigten Investitionen beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass es in erster Linie an ihr gelegen hätte, sich vorab der ausdrücklichen und vorbehaltlosen Einwilligung der Klägerin zu versichern (BGE 88 II 145 E. 3 S. 150; 104 II 86 E. 3f S. 92) - wie sie es bei anderen betroffenen Nachbarn offenbar auch getan hat.
 
Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass angesichts der konkreten Umstände die Beklagte nicht in guten Treuen darauf vertrauen konnte, die Klägerin dulde die Verletzung der Dienstbarkeit, und der Klägerin ist auch keine verzögerte Rechtsausübung vorzuwerfen, die zu einer Verwirkung ihres Klagerechts führen würde. Die Berufung erweist sich insofern als begründet.
 
7.
 
Strittig ist weiter die (analoge) Anwendung von Art. 674 Abs. 3 ZGB.
 
7.1 Das Obergericht hat offen gelassen, ob Art. 674 Abs. 3 ZGB auf Bauten, welche in Verletzung einer Dienstbarkeit errichtet wurden, anwendbar sei. Indes hat es die zu dieser Bestimmung entwickelten Grundsätze - namentlich zur Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchs - trotzdem sinngemäss angewendet.
 
7.2 Für den Fall eines unberechtigten Überbaus, gegen den der Verletzte, für den die Situation erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch erhoben hat, sieht Art. 674 Abs. 3 ZGB vor, dass dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden kann, sofern es die Umstände rechtfertigen. In BGE 83 II 201 E. 3 hat es das Bundesgericht ausdrücklich abgelehnt, diese Bestimmung analog auf die Verletzung einer Dienstbarkeit im Sinne von Art. 737 ZGB anzuwenden. Gegen diesen Entscheid ist in der Literatur teilweise Kritik erwachsen (vgl. Peter Liver, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts 1957, ZBJV 1959 S. 28 ff.; Arthur Meier-Hayoz, Berner Kommentar, N. 22 zu Art. 674 ZGB).
 
7.3 Es kann offen bleiben, ob an der Rechtsprechung von BGE 83 II 201 festzuhalten ist, da die Voraussetzungen von Art. 674 Abs. 3 ZGB hier ohnehin nicht erfüllt sind. Erforderlich gemäss dieser Bestimmung ist der gute Glaube des Bauenden. Dieses Erfordernis soll verhindern, dass ein Grundeigentümer, der wissentlich über die Grenze baut, auf die Untätigkeit des Nachbarn spekuliert und daraus einen Nutzen zieht (Arthur Meier-Hayoz, a.a.O., N. 65 zu Art. 674 ZGB). Ob sich aus den von der Vorinstanz verbindlich festgestellten Umständen (Art. 63 Abs. 2 OG) der gute Glaube einer Person ableiten lässt, stellt eine im Berufungsverfahren zu prüfenden Rechtsfrage dar.
 
Im vorliegenden Fall fehlt es am guten Glauben der Beklagten. Diese hat - wie oben erwähnt - die Dienstbarkeit, welche den Einbau neuer Fenster verbietet, gekannt. Auf Grund der Umstände (vgl. E. 6.3 oben) hat sie auch nicht davon ausgehen können, die Klägerin sei mit dem Fenstereinbau einverstanden.
 
Damit kann auch offen bleiben, wie eine analoge Anwendung von Art. 674 Abs. 3 ZGB überhaupt prozessual vorzubringen wäre. In einem nicht publizierten Urteil hat das Bundesgericht nämlich festgehalten, dieser Anspruch könne nicht mittels Einrede, sondern nur in Form einer Klage bzw. Widerklage geltend gemacht werden (Urteil des Bundesgerichts 5C.193/1988 vom 8. Juni 1989, E. 4). Eine solche hat die Beklagte vorliegend indes nicht erhoben.
 
8.
 
Die Beklagte hatte im kantonalen Verfahren vor Obergericht noch geltend gemacht, die Rechtsausübung der Klägerin sei unnütz und interessenlos, weil durch den Einbau der Fenster kein zusätzlicher Einblick auf ihr Grundstück erfolge, vor dem sie geschützt werden solle. Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid diese Frage offen gelassen, da es die Klage wegen verzögerter Rechtsausübung ohnehin als verwirkt angesehen hat. Die Beklagte beantragt vor Bundesgericht im Rahmen eines Eventualantrages die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Beurteilung der Frage der unnützen oder schikanösen Rechtsausübung.
 
Auf eine Rückweisung kann indes verzichtet werden. Denn mit dieser Rüge stellt die Beklagte einerseits erneut den Umfang und Inhalt der Dienstbarkeit in Frage. Zu diesem Punkt kann auf das Gesagte (vgl. E. 3 oben) verwiesen werden. Im Übrigen regelt nicht Art. 2 ZGB, sondern Art. 736 ZGB den Fall, da eine Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat oder im Vergleich zur Belastung von unverhältnismässig geringer Bedeutung ist (Max Baumann, Zürcher Kommentar, N. 369 zu Art. 2 ZGB). Eine Ablösung der Dienstbarkeit hat die Beklagte indes nicht verlangt.
 
9.
 
Damit ist die Berufung gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das angefochtene Urteil ist in Bezug auf die Klageabweisung aufzuheben. Die Klage ist im Sinne des kantonsgerichtlichen Urteils gutzuheissen.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Für die Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfrage des kantonalen Verfahrens wird die Sache zudem an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und die Ziffern 1, 2, 4 und 5 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zug vom 23. November 2004 werden aufgehoben.
 
Die Beklagte wird verpflichtet, sämtliche anlässlich des Umbaus im Frühling/Sommer 1999 an der südlichen Hausfassade der Liegenschaft in A.________, GS 2, zusätzlich eingebauten Fenster zu entfernen und mit Bezug auf diese Fenster den vor diesem Umbau herrschenden Zustand wieder herzustellen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Beklagten auferlegt.
 
3.
 
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Mai 2006
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).