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Informationen zum Dokument  BGer 2A.72/2006  Materielle Begründung
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BGer 2A.72/2006 vom 09.06.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.72/2006/fun
 
Urteil vom 9. Juni 2006
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Betschart, Müller,
 
Gerichtsschreiber Matter.
 
Parteien
 
X.________ AG,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Guggenheim,
 
gegen
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben, Eigerstrasse 50, 3003 Bern,
 
Eidgenössische Steuerrekurskommission, avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.
 
Gegenstand
 
Verrechnungssteuer (geldwerte Leistung),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 4. Januar 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die X.________ AG mit Sitz in Zürich bezweckt u.a. die Erbringung von Dienstleistungen aller Art, insbesondere Finanz- und Anlageberatung, Geschäftsvermittlung, Unternehmensberatung und Durchführung von Treuhandgeschäften. Ihr einziger Verwaltungsrat ist A._________.
 
Am 4. Mai 1998 ging von der B.________ Bank in Orlando eine Zahlung von USD 50'000 auf dem Konto der X.________ AG bei der Credit Suisse ein. Gleichentags wurden dort USD 49'750 wieder abgehoben und in bar an C.D._________ übergeben. Diese Auszahlung qualifizierte die Eidgenössische Steuerverwaltung mit Verfügung vom 22. Januar 2004 sowie Einspracheentscheid vom 19. April 2004 als geldwerte Leistung der Gesellschaft an eine nahestehende Person und belastete sie mit einer Verrechnungssteuer von Fr. 24'029.25 (35 % von Fr. 68'655.--, d.h. USD 49'750 zum Kurs von 1.38), mit folgender Begründung: Das von der Gesellschaft geltend gemachte Treuhandgeschäft sei nicht rechtsgenüglich erwiesen. Insbesondere sei nicht belegt, welche Gegenleistung der Auszahlung von USD 49'750 gegenüber gestanden habe. Somit müsse die geschäftliche Begründetheit der Auszahlung vollumfänglich abgelehnt und davon ausgegangen werden, dass ein steuerbarer Wertzufluss der Gesellschaft unentgeltlich an nahestehende Personen weitergeleitet worden sei.
 
B.
 
Nach erfolgloser Beschwerde an die Eidgenössische Steuerrekurskommission hat die X.________ AG am 3. Februar 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, es liege keine geldwerte Leistung vor, sondern bloss die grundsätzlich steuerfreie Verkettung von entgeltlichen Geschäften mit Fremdkapital, wobei die Gesellschaft nur "Durchlaufstation" gewesen sei. Sie beantragt, den Entscheid der Rekurskommission vom 4. Januar 2006 aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Die Eidgenössische Steuerverwaltung schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Rekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Gemäss Art. 43 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR 642.21) in Verbindung mit Art. 97 ff. OG unterliegt der angefochtene Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a OG). Auf ihre form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
 
1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer nach Art. 104 OG die Verletzung von Bundesrecht (lit. a) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (lit. b) rügen. An die Sachverhaltsfeststellung ist das Bundesgericht gebunden, wenn - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (Art. 105 Abs. 2 OG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung nicht schon dann, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (vgl. zum Ganzen ASA 68 746 E. 1 mit Hinweisen).
 
2.
 
2.1 Nach Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG unterliegen der Verrechnungssteuer unter anderem Gewinnanteile und sonstige Erträge auf den von einem Inländer ausgegebenen Aktien. Art. 20 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966 zum Verrechnungssteuergesetz (VStV; SR 642.211) bezeichnet als steuerbaren Ertrag jede geldwerte Leistung der Gesellschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte oder an ihnen nahestehende Dritte, die sich nicht als Rückzahlung der im Zeitpunkt der Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grund- und Stammkapital darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung gehören ohne Rücksicht auf Form und Bezeichnung solche freiwilligen Zuwendungen der Gesellschaft zu den geldwerten Leistungen, die den Aktionären oder diesen nahestehenden Dritten ausgerichtet werden und die ihren Rechtsgrund im Beteiligungsverhältnis haben. In dem Masse, als solche Leistungen einem unbeteiligten Dritten unter im Übrigen gleichen Umständen nicht erbracht worden wären und auch keine Kapitalrückzahlung darstellen, ist darauf die Verrechnungssteuer geschuldet. Der Verrechnungssteuer unterworfene geldwerte Leistungen bilden auch die Zuwendungen an Nichtbeteiligte, die den Inhabern der gesellschaftlichen Beteiligungsrechte nahe stehen. Als nahe stehende Personen gelten dabei solche, zu denen wirtschaftliche oder persönliche Verbindungen bestehen, welche nach den gesamten Umständen als eigentlicher Grund der zu besteuernden Leistung betrachtet werden müssen. Nahe stehend sind auch Personen, denen der Aktionär erlaubt, die Gesellschaft wie eine eigene zu benutzen (vgl. zum Ganzen ASA 72 736 E. 1 mit weiteren Hinweisen).
 
2.2 Der Nachweis des Aufwandcharakters von Leistungen obliegt, den allgemeinen Regeln folgend, der steuerpflichtigen Gesellschaft. Diese ist nach Art. 39 VStG auch verpflichtet, der Eidgenössischen Steuerverwaltung alle nötigen und zumutbaren Auskünfte zu erteilen und ihr Einblick in die Geschäftsbücher sowie weitere Belege und Urkunden zu gewähren. Ein behauptetes Treuhandverhältnis oder Inkassomandat muss unberücksichtigt bleiben, wenn es nicht einwandfrei nachgewiesen ist, grundsätzlich durch schriftliche und unterzeichnete Abmachungen aus der Zeit der Begründung. Solche Erfordernisse gelten besonders dann, wenn internationale Rechtsverhältnisse in Frage stehen. Diese entziehen sich weitgehend der Kontrolle der inländischen Steuerbehörden, weshalb an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Das Merkblatt "Treuhandverhältnisse" der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom Oktober 1967 (Nachdruck 1993) gilt als administrative Weisung. Die Erfüllung der darin aufgestellten formellen Erfordernisse (wiedergegeben in ASA 68 746 E. 3a) ist nach der Rechtsprechung nicht unabdingbare Voraussetzung, doch ist in jedem Fall ein eindeutiger Nachweis notwendig (vgl. ASA 72 736 E. 5.2 mit weiteren Hinweisen).
 
2.3 Im Einklang mit der Rechtsprechung haben die Steuerbehörden hier ein Treuhand- bzw. Inkassogeschäft als nicht erwiesen ablehnen können, ohne gegen Bundesrecht zu verstossen. Schriftliche und unterzeichnete Abmachungen aus der Zeit der vermeintlichen Geschäftsbegründung liegen unbestrittenermassen nicht vor. Die buchmässige Abwicklung der Ein- und Auszahlung seitens der Gesellschaft ist nicht korrekt erfolgt bzw. zumindest unklar geblieben, wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat (vgl. S. 12 des angefochtenen Entscheids, E. 3b in fine). Hinsichtlich der konkreten Umstände der Transaktion und bezüglich der angeblich vereinbarten Rechtsnatur des Geschäfts hat die Beschwerdeführerin widersprüchliche Angaben gemacht. Zuerst hat sie von einem Treuhand-, dann von einem Inkassogeschäft gesprochen, zuletzt von einem Inkassomandat in uneigentlichem Sinne (vgl. Ziff. 21 der Beschwerdeschrift vor Bundesgericht). Mit jeder Umqualifizierung hat sie indessen nur darauf reagiert, dass sie die Beweisanforderungen für die zuvor behauptete Geschäftsform jeweils nicht erfüllt hatte.
 
Die von ihr genannten vermeintlichen Nachweise (vgl. Ziff. 13 der Beschwerdeschrift) beschränken sich auf bloss interne Arbeitsunterlagen sowie auf einseitige, erst nachträglich erstellte oder sonst unzulängliche Dokumente. Es geht aus ihnen keineswegs rechtgenüglich hervor, dass die Auszahlung - wie behauptet - in Wirklichkeit zu Gunsten von E.D.________, dem Schwiegervater der Empfängerin C.D.________, bestimmt gewesen sei. Dieser sei weder Anteilsinhaber der Gesellschaft, noch bestehe gegenüber dem Alleinaktionär der Gesellschaft eine Familienbeziehung oder eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Dagegen hat die Vorinstanz zutreffend eingewendet, dass ein F.D.________ bis im September 1997 Präsident bzw. Direktor der Gesellschaft mit Einzelunterschrift war. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind somit zumindest unklar gewesen und es bis heute auch geblieben, weil die Gesellschaft diesen wesentlichen Punkt während des ganzen Verfahrens nicht geklärt hat. Damit ist sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen (vgl. E. 2.2 oben). Wie die Rekurskommission bundesrechtskonform festgehalten hat, war bei einer solchen Sach- und Rechtslage nicht ausgeschlossen, dass die Auszahlung Personen zukam, welche die Gesellschaft wie ihre eigene benutzen konnten. Unbelegt ist namentlich, ob die Auszahlung tatsächlich an E.D.________ gegangen ist und - gegebenenfalls - unter welchen konkreten Umständen, auf welcher wirtschaftlichen Grundlage und mit welcher etwaigen Gegenleistung.
 
Gesamthaft ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin die für internationale Rechtsverhältnisse - wie hier - gültigen, strengen Anforderungen an den Nachweis eines Treuhand-, Inkasso- oder Durchlaufgeschäfts (vgl. dazu schon ASA 65 397 E. 4b) nicht erfüllt hat. Insbesondere hat sie keine Belege vorgebracht, welche die fehlenden schriftlichen und unterzeichneten Abmachungen aus der Zeit der Geschäftsbegründung ersetzen könnten. Von einem einwandfreien Beweis kann umso weniger die Rede sein, als die Gesellschaft nebst widersprüchlichen sowie ungenügend belegt gebliebenen Angaben auch ihr Verhältnis zu dem von ihr behaupteten wirklichen Zahlungsempfänger im Dunkeln gelassen hat. Somit hat die Vorinstanz mangels Gegenbeweis ohne Bundesrecht zu verletzen annehmen können, dass die Beschwerdeführerin hier den aus einem Eigengeschäft erzielten Gewinn an eine nahestehende Person weitergeleitet hat, welche die Gesellschaft wie eine eigene benutzen konnte (vgl. dazu u.a. ASA 68 746 E. 3d sowie RDAT 2001 I n. 18t pag. 421 E. 4b). Diese Beurteilung beruht auch nicht auf einer offensichtlich unrichtigen bzw. unvollständigen Feststellung des Sachverhalts (vgl. E. 1.2 oben).
 
2.4 Ebensowenig kann der Rekurskommission eine unkorrekte Beweiswürdigung, eine falsche Verteilung der Beweislast oder eine Gehörsverweigerung vorgeworfen werden. Insbesondere hat sie in antizipierter Beweiswürdigung auf die Einvernahme von E.D.________ verzichten dürfen. Dieser hätte allenfalls eine der verschiedenen widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdeführerin stützen, nicht aber den erforderlichen eindeutigen Nachweis eines entgeltlichen Geschäfts unter aussenstehenden Dritten erbringen können (vgl. dazu auch ASA 72 736 E. 4.2 und 61 537 E. 1c).
 
3.
 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen Steuerverwaltung und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. Juni 2006
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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