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Informationen zum Dokument  BGer 1P.263/2006  Materielle Begründung
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BGer 1P.263/2006 vom 14.08.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1P.263/2006 /ggs
 
Urteil vom 14. August 2006
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
 
Gerichtsschreiberin Schilling.
 
Parteien
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Hess-Odoni,
 
gegen
 
1. A.________,
 
2. Ehepaar B.________,
 
3. Ehepaar C.________,
 
4. D.________ und E.________,
 
5. Ehepaar F.________,
 
6. Ehepaar G.________,
 
Beschwerdegegner, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz Keller,
 
Gemeinderat Horw, Gemeindehausplatz 1, Postfach, 6048 Horw,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Gestaltungsplan "Sonnhalde",
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 16. März 2006.
 
Sachverhalt:
 
Auf dem Gebiet der Gemeinde Horw soll für eine in der Landhauszone liegende Fläche von 4'727 m2 ein Gestaltungsplan erlassen werden. Da sich die Grundeigentümer über die Parzellierung der Fläche nicht einigen konnten, ersuchten sechs der sieben Eigentümer die Gemeindeverwaltung, einen Gestaltungsplan aufzustellen. Der Gestaltungsplan wurde vom 25. April bis 24. Mai 2005 öffentlich aufgelegt. Gegen diesen erhob der Grundeigentümer X.________ Einsprache. Mit Beschluss vom 4. August 2005 wies der Gemeinderat von Horw die Einsprache ab, soweit öffentlichrechtliche Anträge gestellt worden waren, und erliess den Gestaltungsplan "Sonnhalde".
 
Gegen den Entscheid des Gemeinderates von Horw reichte X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ein. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 16. März 2006 ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.
 
X.________ hat gegen das Urteil des Luzerner Verwaltungsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Gerügt werden im Wesentlichen Verletzungen des Willkürverbotes (Art. 9 BV), des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), des Fairnessgebotes (Art. 29 Abs. 1 BV) sowie der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV).
 
Die übrigen vom Gestaltungsplan betroffenen Grundeigentümer stellen Antrag auf Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei. Der Gemeinderat von Horw und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ersuchen um Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ist mit Präsidialverfügung vom 21. Juni 2006 abgewiesen worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer beklagt sich nicht nur über Willkür und Verfahrensmängel, sondern auch über eine Verletzung der Eigentumsgarantie. Er macht in diesem Zusammenhang jedoch nur geltend, es werde insofern in seine verfassungsmässig geschützte Eigentümerposition eingegriffen, als über sein Grundstück verfügt werde, ohne dass er Mitwirkungsrechte hätte wahrnehmen können. Einer solchen Rüge kommt keine selbständige Bedeutung zu; sie geht im Vorwurf der willkürlichen Anwendung kantonalen (Verfahrens-)Rechts und der Verletzung des Gehörsanspruchs auf.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer bringt in erster Linie vor, das Verwaltungsgericht habe den am 8. Mai 2001 revidierten § 74 des luzernischen Planungs- und Baugesetzes vom 7. März 1989 (PBG) willkürlich ausgelegt und angewendet. Nach dieser Bestimmung sei der Gemeinderat Horw nicht berechtigt, anstelle der - uneinigen - Grundeigentümer einen Gestaltungsplan zu erlassen. Hierzu sei der Gemeinderat nur befugt, wo gemäss übergeordneter Zonenplanung eine Gestaltungsplanpflicht bestehe. Eine solche bestehe für das Gebiet "Sonnhalde" nicht.
 
2.1 § 74 PBG lautet:
 
"Gestaltungsplanpflicht
 
1. Verständigen sich die beteiligten Grundeigentümer nicht über die Aufstellung oder die Änderung eines Gestaltungsplanes, kann der Gemeinderat auf begründetes Gesuch eines oder mehrerer Beteiligter den Gestaltungsplan aufstellen oder ändern.
 
2. Soweit erhebliche öffentliche Interessen es erfordern, kann der Gemeinderat vor Erteilung einer Baubewilligung von den Grundeigentümern ohne Rücksicht auf die Grösse der zu überbauenden Fläche einen Gestaltungsplan oder dessen Änderung verlangen.
 
3. Baubewilligungen in Gebieten, welche die gemäss § 75 Abs. 1 im Bau- und Zonenreglement vorzuschreibende Mindestfläche aufweisen, dürfen in der Regel nur aufgrund eines Gestaltungsplanes erteilt werden, sofern kein Bebauungsplan vorliegt. Das gilt insbesondere für ortsbildlich und landschaftlich schützenswerte Gebiete."
 
2.2 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid zur Auslegung von § 74 PBG ausgeführt, ein Blick auf die Materialien und damit in die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung zeige, dass die Einschätzung des Beschwerdeführers nicht mit dem gesetzgeberischen Willen übereinstimme. Bis zur Teilrevision des PBG vom 8. Mai 2001 sei im letzten Satz von § 74 Abs. 1 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Regelung im ersten Satz auch in den Fällen der Absätze 2 und 3 gelte. Diese Ergänzung sei zwar bei der Teilrevision 2001 weggelassen worden. Das heisse allerdings nicht, dass die gemeinderätliche Befugnis habe eingeschränkt werden sollen. Aus der regierungsrätlichen Botschaft gehe vielmehr hervor, dass mit der Änderung von § 74 PBG die Kompetenz des Gemeinderates ausgeweitet worden sei, könne doch dieser nunmehr bei besonderen Verhältnissen nicht nur einen Gestaltungsplan aufstellen, sondern auch einen bestehenden ändern. Im Übrigen sei, wie der Regierungsrat festgehalten habe, § 74 PBG unverändert geblieben. Die Streichung des letzten Satzes von § 74 Abs. 1 PBG habe daher rein redaktionelle Gründe und ändere nichts an der Möglichkeit des Gemeinderates, in den Fällen der Absätze 2 und 3 anstelle der Grundeigentümer einen Gestaltungsplan zu erlassen.
 
2.3 Die Auslegung und Anwendung einer kantonalen Bestimmung ist nicht schon dann willkürlich, wenn eine andere Interpretation möglich oder sogar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn der angefochtene Entscheid schlechterdings unhaltbar ist und zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber unmöglich gewollt haben konnte (vgl. etwa BGE 123 I 1 E. 4a S. 5, 125 II 129 E. 5b S. 134, je mit Hinweisen). Davon kann hier keine Rede sein. Der Beschwerdeführer vermag die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes darüber, wie § 74 PBG nach seiner Änderung zu verstehen sei, nicht zu widerlegen. Sein Hinweis auf den Gesetzestext ist angesichts der angeführten verwaltungsgerichtlichen Erwägungen unbehelflich. Ebenso wenig zeigt er auf, dass der angefochtene Entscheid zu einem Ergebnis führen würde, welches mit dem gesetzgeberischen Willen in klarem Widerspruch stünde.
 
Das Verwaltungsgericht weist übrigens zu Recht darauf hin, dass die Gemeinde Horw bestätigt habe, auf einem Gestaltungsplan für das fragliche Gebiet bestanden zu haben. Der Gestaltungsplan "Sonnhalde" umfasse unbestrittenermassen eine Fläche, die grösser sei als die Mindestfläche, für welche Baubewilligungen in der Regel nur aufgrund eines Gestaltungsplanes erteilt werden dürften. Die Weigerung eines Eigentümers, sich fair an der Erstellung eines Gestaltungsplans zu beteiligen, könne jedenfalls als Grund für den Verzicht auf einen solchen Plan nicht genügen. Auch diese Überlegungen des Verwaltungsgerichts zu § 74 Abs. 1 und 3 PBG sind willkürfrei.
 
3.
 
In der staatsrechtlichen Beschwerde wird weiter geltend gemacht, selbst wenn § 74 Abs. 1 PBG im vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar wäre, würde es an den Voraussetzungen für den Erlass eines Gestaltungsplans durch den Gemeinderat fehlen. Insbesondere hätten die Grundeigentümer kein entsprechendes Gesuch gestellt und seien den Eigentümern, vorab dem Beschwerdeführer, Mitwirkungsrechte und das rechtliche Gehör verweigert worden.
 
Das Verwaltungsgericht hat sich mit diesen Vorwürfen eingehend befasst und sie mit überzeugenden Argumenten als unzutreffend erklärt. Die staatsrechtliche Beschwerde ist insofern unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid als offensichtlich unbegründet abzuweisen (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG).
 
4.
 
Das soeben Gesagte gilt auch für die Rüge des Beschwerdeführers, die Gemeinde habe entgegen der gesetzlichen Vorschrift nicht selbst einen Gestaltungsplan aufgestellt, sondern lediglich den von den Grundeigentümern erarbeiteten Plan übernommen. Zum einen stellt das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid klar, dass die Gemeinde den Gestaltungsplan-Entwurf nicht unbesehen übernommen, sondern mehrere Nachbesserungen verlangt hat. Zum anderen hält das Verwaltungsgericht zutreffend fest, dass § 74 PBG dem Gemeinderat auch erlaubt, über einen privat erarbeiteten Planentwurf zu beschliessen. Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der Verletzung seines Rechts zur Stellungnahme erweist sich angesichts der aktenmässig belegten Ausführungen des Verwaltungsgerichts über die Beteiligung des Beschwerdeführers am Gestaltungsplanverfahren ebenfalls als haltlos.
 
5.
 
In prozessualer Hinsicht beanstandet der Beschwerdeführer schliesslich, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Durchführung eines Augenscheins abgewiesen und demzufolge den Sachverhalt nur ungenügend abgeklärt habe; die Beurteilung der Rüge, der umstrittene Gestaltungsplan verstosse gegen die Idee und das Konzept einer Landhauszone, hätten genaue Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse vorausgesetzt. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb sich das Verwaltungsgericht nicht anhand der bei den Akten liegenden Pläne und Fotos ein genügendes Bild von der vorgesehenen Überbauung hätte machen können. Soweit der Beschwerdeführer willkürliche Sachverhaltsannahmen rügt, ohne diese auch nur ansatzweise zu nennen, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde mangels einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechenden Begründung nicht einzutreten.
 
6.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist mithin abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist.
 
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Ausgang des Verfahrens gemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat den privaten Beschwerdegegnern für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer hat den privaten Beschwerdegegnern für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Horw und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. August 2006
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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