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Informationen zum Dokument  BGer 1A.96/2006  Materielle Begründung
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BGer 1A.96/2006 vom 30.08.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1A.96/2006
 
1A.97/2006 /scd
 
Urteil vom 30. August 2006
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Nay, Reeb,
 
Gerichtsschreiber Forster.
 
Parteien
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________
 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwälte Andrea Molino und John Rossi,
 
gegen
 
Schweizerische Bundesanwaltschaft,
 
Taubenstrasse 16, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Rechtshilfe an Brasilien,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Schlussverfügungen der Schweizerischen Bundesanwaltschaft vom 30. März 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die brasilianischen Behörden führen ein Strafverfahren gegen Y.________, A.________ und weitere Angeschuldigte wegen gewerbsmässigen Betruges, Veruntreuung, krimineller Organisation, Korruption, Geldwäscherei und weiteren mutmasslichen Delikten. Einen Teil des Deliktserlöses von mehr als 26 Mio. USD habe die Täterschaft unter anderem auf Konten in der Schweiz überwiesen. Mit Eingaben vom 16. Dezember 2004 und 16. Mai 2005 ersuchte Brasilien die schweizerischen Behörden um Rechtshilfe. Nachdem das Bundesamt für Justiz (BJ) das Ersuchen zur Prüfung und Erledigung an die Schweizerische Bundesanwaltschaft (BA) delegiert hatte, ordnete die BA mit Zwischenverfügungen vom 29. Juni 2005 Kontensperren bei verschiedenen Banken an.
 
B.
 
Mit (insgesamt fünf) Schlussverfügungen vom 30. März 2006 bewilligte die BA die rechtshilfeweise Herausgabe von Kontenunterlagen, welche von den Banken ediert worden waren.
 
C.
 
Gegen die sie betreffenden zwei Schlussverfügungen der BA vom 30. März 2006 gelangten A.________, B.________ und C.________ gemeinsam mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 1. Mai 2006 an das Bundesgericht. Sie beantragen je die Verweigerung der Rechtshilfe, die Nichtweitergabe ihrer jeweiligen Kontenunterlagen und die Aufhebung der (sie betreffenden) Kontensperren (Verfahren 1A.96/2006 und 1A.97/2006).
 
Die BA und das BJ beantragen je die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführer replizierten am 4. August 2006.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das vorliegende Urteil wird in der Sprache des angefochtenen Entscheids ausgefertigt. Zwischen der Schweiz und Brasilien besteht (über den Auslieferungsvertrag vom 23. Juli 1932 hinaus [SR 0.353.919.8]) kein ratifiziertes Abkommen über die akzessorische internationale Zusammenarbeit in Strafsachen. Das vorliegende Ersuchen ist daher nach dem schweizerischen Landesrecht zu beurteilen (vgl. BGE 113 Ib 257 E. 2 S. 264; 111 Ib 138 E. 2 S. 141; 110 Ib 173 E. 2 S. 176). Dabei kommen namentlich das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung (IRSV, SR 351.11) zur Anwendung (vgl. Art. 1 Abs. 1 IRSG). Beim Entscheid über die beantragte internationale Rechtshilfe in Strafsachen ist auch den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Staat ein Rechtshilfeabkommen besteht oder nicht.
 
1.1 Die BA kann vom BJ zuständig erklärt werden für die Ausführung von Ersuchen im Rahmen der akzessorischen Rechtshilfe, soweit die fraglichen Delikte, falls in der Schweiz begangen, in die Kompetenz der Bundesstrafrechtspflege fallen würden (vgl. Art. 79 Abs. 2 i.V.m. Art. 17 Abs. 4 IRSG). Die BA erlässt in diesem Fall auch die Schlussverfügung (vgl. Art. 80d IRSG). In den Zuständigkeitsbereich der Bundesstrafrechtspflege fallen bei grenz- oder kantonsüberschreitenden Sachverhalten grundsätzlich komplexe Wirtschaftsdelikte, Geldwäscherei sowie organisierte Kriminalität (Art. 340-340bis StGB).
 
1.2 Bei den angefochtenen Entscheiden handelt es sich um Schlussverfügungen (sowie mitanfechtbare Zwischenverfügungen) der ausführenden Bundesbehörde in Rechtshilfesachen (im Sinne von Art. 80d IRSG), gegen die die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben ist (Art. 80g Abs. 1 IRSG; vgl. BGE 130 II 505 E. 1 S. 506).
 
1.3 Die Beschwerdeführer sind zur Prozessführung legitimiert, soweit sie Inhaber der von den Rechtshilfemassnahmen betroffenen Bankkonten sind (vgl. Art. 80h lit. b IRSG i.V.m. Art. 9a lit. a IRSV; Verfahren 1A.96/2006).
 
Beim Verfahren 1A.97/2006 stellt sich die Frage, inwiefern allenfalls die Beschwerdeführerin 1 prozesslegitimiert sein könnte. Gemäss der angefochtenen Schlussverfügung ist sie am betroffenen Konto lediglich wirtschaftlich berechtigt. Die Beschwerdeführerin 1 bestreitet nicht, dass nicht sie, sondern eine andere Person Inhaberin dieses Kontos ist bzw. dass sie lediglich als wirtschaftlich Berechtigte fungiert. Soweit die streitigen Rechtshilfemassnahmen sich auf eine Bankverbindung beziehen, deren Inhaber dritte Personen oder Firmen sind, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Es wird denn auch nicht dargetan, dass insofern die Voraussetzungen für eine allfällige Ausnahme von der betreffenden Gesetzgebung und Gerichtspraxis erfüllt wären (vgl. BGE 129 II 268 E. 2.3.3 S. 269; 123 II 153 E. 2C-d S. 157 f.).
 
1.4 Zulässige Beschwerdegründe sind die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unzulässige oder offensichtlich unrichtige Anwendung ausländischen Rechts in den Fällen nach Art. 65 IRSG (Art. 80i Abs. 1 IRSG). Die betreffenden Fragen prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (vgl. BGE 123 II 134 E. 1d S. 136). Zulässig ist auch die Rüge der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts durch die BA; der Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 OG trifft hier nicht zu (Art. 104 lit. a-b OG).
 
1.5 Das Bundesgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden (Art. 25 Abs. 6 IRSG). Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde prüft es jedoch grundsätzlich nur Rechtshilfevoraussetzungen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden (vgl. BGE 132 II 81 E. 1.4 S. 84 mit Hinweisen).
 
2.
 
Die Beschwerdeführer bringen vor, die Sachdarstellung des Ersuchens sei zu wenig genau. Die zeitlichen Angaben zum Ablauf des inkriminierten Lotterie-Gewinnspiels seien vage und die Ausführungen über die Art und Weise der Individualisierung der Käufer der Gewinnlose nicht transparent. Der angebliche Deliktsbetrag beruhe auf hypothetischen Zahlen. Ausserdem fehle es am Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit. Die ersuchende Behörde ermittle in Wirklichkeit wegen illegaler Devisenausfuhr und Widerhandlungen gegen die brasilianische Lotteriegesetzgebung. Zur Verfolgung entsprechender Fiskal- und Finanzdelikte sei keine Rechtshilfe zulässig. Rechtshilfefähige gemeinrechtliche Delikte wie etwa Betrug lägen nicht vor. Das Strafverfahren betreffe nicht Personen, die angeblich geschädigt worden wären, und aus den Akten sei nicht ersichtlich, dass Loskäufer in irgendeiner Weise gegen den Ablauf des Gewinnspiels protestiert hätten. Als Geschädigter komme lediglich der staatliche Fiskus in Frage; der Staat habe jedoch keine Lose gekauft und auch keine Vermögensdispositionen vorgenommen. Darüber hinaus fehle es auch am Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung.
 
2.1 Art. 64 Abs. 1 IRSG bestimmt (für die akzessorische Rechtshilfe), dass prozessuale Zwangsmassnahmen nur angewendet werden dürfen, wenn aus der Darstellung des Sachverhalts im Ersuchen hervorgeht, dass die im Ausland verfolgte Handlung die objektiven Merkmale eines nach schweizerischem Recht strafbaren Tatbestandes aufweist. Der Rechtshilferichter prüft, ob der im Ausland verübte inkriminierte Sachverhalt, sofern er - analog - in der Schweiz begangen worden wäre, die Tatbestandsmerkmale einer schweizerischen Strafnorm erfüllen würde (vgl. BGE 132 II 81 E. 2.7.2 S. 90 f.; 129 II 462 E. 4.4 S. 465; 118 Ib 543 E. 3b/aa S. 546; Peter Popp, Grundzüge der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, Basel 2001, Rz. 237 f.; Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2. Aufl., Bern 2004, Rz. 357 f.). Die Strafnormen brauchen nach den Rechtssystemen der Schweiz und des ersuchenden Staates nicht identisch zu sein (vgl. BGE 132 II 81 E. 2.1 S. 84; 113 Ib 72 E. 4b S. 76, je mit Hinweisen). Einem Ersuchen wird grundsätzlich nicht entsprochen, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die auf eine Verkürzung fiskalischer Abgaben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs-, handels- oder wirtschaftspolitische Massnahmen verletzt (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 IRSG).
 
Das Ersuchen hat eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhaltes zu enthalten (Art. 28 Abs. 3 lit. a IRSG). Die Bewilligung internationaler Rechtshilfe setzt voraus, dass sich aus der Sachdarstellung des Ersuchens hinreichende Verdachtsmomente für den untersuchten deliktischen Vorwurf ergeben. Von den Behörden des ersuchenden Staates kann jedoch nicht verlangt werden, dass sie den Sachverhalt, der Gegenstand des hängigen Strafverfahrens bildet, lückenlos und völlig widerspruchsfrei darstellen. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des Rechtshilfeverfahrens unvereinbar, ersucht doch ein Staat einen andern gerade deswegen um Unterstützung, damit er die bisher im Dunkeln gebliebenen Punkte klären kann. Es reicht daher - unter dem Gesichtspunkt des hier massgebenden IRSG - aus, wenn die Angaben im Rechtshilfeersuchen den schweizerischen Behörden ermöglichen zu prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine rechtshilfefähige Straftat vorliegen, ob Verweigerungsgründe gegeben sind bzw. in welchem Umfang dem Begehren allenfalls entsprochen werden muss. Es kann auch nicht verlangt werden, dass die ersuchende Behörde die Tatvorwürfe bereits abschliessend mit Beweisen belegt. Der Rechtshilferichter hat weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen, sondern ist vielmehr an die Sachdarstellung im Ersuchen gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet wird (vgl. BGE 132 II 81 E. 2.1 S. 85 mit Hinweisen).
 
2.2 In den angefochtenen Schlussverfügungen wird die Sachdarstellung des Ersuchens wie folgt zusammengefasst:
 
"Den Beschuldigten wird vorgeworfen, in den Jahren 1997 bis 2004 mittels verschiedener von ihnen beherrschten Gesellschaften" in mehreren brasilianischen Bundesstaaten "das unter dem Namen 'Toto Bola' bekannte Lotteriegewinnspiel betrieben zu haben. Bei diesem Lotteriespiel erfolgten die Verkäufe der Nummernlose durch Losverkaufsstellen" in den betreffenden Bundesstaaten. "Sodann wurden bei wöchentlichen Ziehungen die Gewinnlose ermittelt. Die Losziehung wurde jeweils durch RBS TV, eine zum brasilianischen Medienkonzern Rede Globo gehörende Fernsehgesellschaft, montags um 12 Uhr mittags, zu einer Sendezeit mit grosser Einschaltquote, während des Werbeintervalls im Rahmen der Nachrichtensendung 'Jornal de Almoço' ausgestrahlt. Die Käufer der Nummernlose glaubten infolgedessen, dass die Losziehung während der Ausstrahlung dieser Sendung erfolge und dass es sich um eine tatsächliche Ausschüttung von Gewinnen mittels einer regelkonform veranstalteten Losziehung handle".
 
Das deliktische Vorgehen lasse sich "in zwei zeitlich aufeinanderfolgende Tatphasen unterscheiden. Von 1997 bis 2003 machten sich die Beschuldigten den Umstand zunutze, dass die Losziehung tatsächlich jeweils 36 Stunden vor der Ausstrahlung im vorgenannten Fernsehprogramm erfolgte, ohne Beteiligung von Publikum und ohne die effektive Begleitung von unabhängigen Auditoren (...). Dem Beschuldigten Y.________ und seinen Mittätern sei es deshalb gelungen, rechtzeitig die Gewinnscheine mit den gezogenen Gewinnzahlen zu lokalisieren, selbige aus dem Umlauf zu nehmen und damit die angegebene Gewinnsumme nicht auszahlen sondern vielmehr für sich behalten zu können oder aber einen Strohmann als Losgewinner auftreten zu lassen, welcher dann eine Summe ausbezahlt erhielt, die erheblich unter dem tatsächlich ausgeschütteten Gewinn lag". Weiter hätten sich die Beschuldigten "den Umstand der zeitlichen Voraufzeichnung der Losziehung während der Zeitperiode von 1997 bis 2004 insofern zunutze" gemacht, "als die Gewinnsumme bereits im Zeitpunkt der Aufzeichnung der Losziehung aufgrund der bis zu jenem Zeitpunkt verkauften Lose berechnet wurde, die Losverkäufe durch" eine "vom Beschuldigten Y.________ beherrschte Gesellschaft während der darauffolgenden 36 Stunden bis zur tatsächlichen Ausstrahlung der Losziehung aber andauerten. Gemäss Ermittlungen der ersuchenden Behörde verfügt der Beschuldigte Y.________ über 98,90%" der Anteile der Gesellschaft; 1,10% der Anteile befänden sich im Eigentum einer Mitangeschuldigten.
 
Nebst den geprellten Loskäufern sei "auch der brasilianische Staat selbst" geschädigt worden. "Nachdem oft wegen der geringen Gewinnsumme die Loskäufer diese Gewinne gar nicht einlösten, hätte" die Gesellschaft "diese nicht eingeforderten Gewinnsummen jeweils innert 10 Tagen an die Staatskasse weiterleiten müssen, was aber nicht erfolgt sei". Ab 2003 hätten die Angeschuldigten ihre Vorgehensweise insofern geändert, "als sie zur Ziehung der Gewinnlose im Spiel 'Toto Bola' nun eine als 'Bingueira' bezeichnete, mit einer speziellen Software ausgestattete Losziehungsmaschine illegal aus Argentinien nach Brasilien importierten". Dieses Gerät habe "die Manipulierung der zu ziehenden Gewinnzahlen" ermöglicht, "da es zusammen mit einem Computerprogramm betrieben wurde, welches die Ablesung des Strichcodes ermöglichte, der auf den im Gewinngerät befindlichen Zahlenkugeln enthalten war."
 
2.3 Diese Sachdarstellung entspricht den Anforderungen von Art. 28 IRSG.
 
2.4 Gemeinrechtlichen Betrug begeht, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt (Art. 146 Abs. 1 StGB). Nach der Praxis des Bundesgerichtes ist Arglist namentlich im Falle von besonderen betrügerischen Machenschaften ("manoeuvres frauduleuses") gegeben, wozu das Erstellen komplexer Lügenkonstruktionen gezählt wird (vgl. BGE 125 IV 124 E. 2c S. 127, E. 3b S. 128; 122 IV 197 E. 3d S. 205, je mit Hinweisen).
 
2.5 Den Angeschuldigten wird im Wesentlichen vorgeworfen, sie hätten zwischen 1997 und 2004 ein Lotterie-Gewinnspiel mit hohen angeblichen Hauptgewinnen in einem Fernsehsender inszeniert. Den zahlreichen Loskäufern sei vorgespiegelt worden, dass die von ihnen gekauften Nummernlose an einer live ausgestrahlten Auslosung grosser Gewinnsummen teilnähmen. In Wirklichkeit sei das Gewinnspiel in verschiedener Hinsicht manipuliert gewesen. So sei die "Auslosung" schon 36 Stunden vor der Ausstrahlung der Sendung aufgezeichnet worden. Die gezogenen Gewinnlose seien in der Zwischenzeit aus dem Verkehr gezogen worden, bevor sie in den Verkauf gelangten. Zur Vertuschung seien im Fernsehen unter anderem angebliche "Hauptgewinner" aufgetreten, die in Wirklichkeit mit einer (erheblich tiefer liegenden) Prämie abgefunden worden seien. Ab 2003 sei auch noch die Losziehungsmaschine technisch-elektronisch manipuliert worden. Auf diese Weise habe die Täterschaft einen deliktischen Gewinn von mehr als 26 Mio. USD erzielt. Zu den Geschädigten gehöre neben den zahlreichen geprellten Loskäufern auch der Staat.
 
Dieser Sachverhalt fiele bei einer strafrechtlichen Verurteilung nach schweizerischem Recht grundsätzlich unter den Tatbestand des gewerbsmässigen Betruges (Art. 146 Abs. 2 StGB). Insbesondere wäre das Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung erfüllt. Dabei ist namentlich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das manipulierte Gewinnspiel auf sehr aufwändige Weise medial inszeniert und das Vorgehen systematisch vertuscht worden sein soll, etwa durch Strohmänner, die als angebliche Gewinner oder als angebliche Aufsichtspersonen ("Auditoren") in den Sendungen aufgetreten seien, oder durch technische Manipulationen des Auslosungsgerätes. Die betreffenden Vorkehren können ingesamt als betrügerische arglistige Machenschaften ("manoeuvres frauduleuses") qualifiziert werden.
 
2.6 Was die Beschwerdeführer dagegen einwenden, lässt die im Ersuchen dargelegten Verdachtsgründe nicht ohne Weiteres dahinfallen. Sie verkennen, dass den Angeschuldigten nicht bloss Fiskaldelikte oder Verstösse gegen die Lotteriegesetzgebung zur Last gelegt werden. Es wird diesen vielmehr vorgeworfen, sie hätten eine sehr grosse Zahl von Loskäufern arglistig und in betrügerischer Absicht getäuscht. Daran ändert auch der Einwand nichts, es sei kein konkreter Vermögensschaden ersichtlich bzw. die einzelnen Loskäufer hätten keine Strafklage erhoben. Auch nach schweizerischem Recht stellt Betrug kein Antragsdelikt dar (abgesehen vom hier nicht gegebenen privilegierten Fall von Art. 146 Abs. 3 StGB). Der Vermögensschaden besteht darin, dass die Loskäufer praktisch wertlose Lotteriescheine gekauft haben sollen, welche zum Vornherein keinerlei Chancen auf die in Aussicht gestellten Hauptgewinne hatten.
 
Soweit die Beschwerdeführer den im Ersuchen dargelegten Sachverhalt lediglich bestreiten, begründen sie kein Rechtshilfehindernis. Dies gilt namentlich für das Vorbringen, der Deliktsbetrag beruhe auf hypothetischen Zahlen. Auch der Einwand, es sei praktisch unmöglich, die Käufer von Gewinnlosen zu individualisieren, geht an der Sachdarstellung des Ersuchens vorbei. Die ersuchende Behörde legt dar, dass die vorzeitig gezogenen Gewinnlose danach aus dem Verkauf genommen worden seien. Dafür bedurfte es keiner Individualisierung von Käufern. Dass die ersuchende Behörde zur Hochrechnung des Deliktsbetrages auch Steuerakten herangezogen hat, begründet ebenfalls kein Rechtshilfehindernis. Was die von den Beschwerdeführern befürchtete fiskalische Verfolgung betrifft, ist im Übrigen auf die in den Schlussverfügungen enthaltenen ausdrücklichen Spezialitätsvorbehalte (gemäss Art. 67 IRSG) hinzuweisen.
 
2.7 Wie im Ersuchen ausgeführt wird, ist der inkriminierte Sachverhalt auch nach brasilianischem Recht strafbar. Damit ist die Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit grundsätzlich erfüllt. Es kann offen bleiben, ob zusätzlich noch weitere Tatbestände des schweizerischen StGB in Frage kämen.
 
3.
 
Die Beschwerdeführer bestreiten sodann den ausreichenden Sachzusammenhang zwischen ihren von den Rechtshilfemassnahmen betroffenen Bankverbindungen und dem Gegenstand des Strafverfahrens. Es sei nicht erwiesen, dass Erlöse aus den fraglichen Gewinnspielen auf die betreffenden Konten geflossen sind. Es handle sich um Konten, welche der Familie der Beschwerdeführer gehörten. Die Familie habe über Vermögenswerte in Argentinien verfügt. Etwa ab 2000 habe sich die Wirtschaftslage in Argentinien jedoch dramatisch verschlechtert. Um ihre Ersparnisse zu schützen, habe die Familie daher entschieden, ihr Vermögen in die USA und nach Europa zu transferieren.
 
3.1 Gemäss Art. 28 IRSG muss die ersuchende Behörde den Gegenstand und den Grund ihres Gesuches spezifizieren. Daraus leitet die Praxis ein Verbot der Beweisausforschung ab. Dieses richtet sich gegen Beweisaufnahmen "auf's Geratewohl". Es dürfen keine strafprozessualen Untersuchungshandlungen zur Auffindung von Belastungsmaterial zwecks nachträglicher Begründung eines Tatverdachtes (oder zur Verfolgung nicht rechtshilfefähiger Delikte) durchgeführt werden. Eine hinreichend präzise Umschreibung der Verdachtsgründe soll möglichen Missbräuchen vorbeugen. Es sind grundsätzlich alle sichergestellten Aktenstücke zu übermitteln, welche sich auf den im Ersuchen dargelegten Verdacht beziehen können. Mithin muss eine ausreichende inhaltliche Konnexität zwischen dem untersuchten Sachverhalt und den fraglichen Dokumenten erstellt sein (BGE 129 II 462 E. 5.3 S. 467 f.; 122 II 367 E. 2c S. 371; 121 II 241 E. 3a S. 242 f., je mit Hinweisen).
 
Es ist Aufgabe der ersuchten Rechtshilfebehörde, diejenigen Akten auszuscheiden, für die keine Rechtshilfe zulässig ist. Daher muss die ersuchte Behörde grundsätzlich aufzeigen, dass zwischen den von der Rechtshilfe betroffenen Unterlagen und dem Gegenstand der Strafuntersuchung ein ausreichender Sachzusammenhang besteht (BGE 122 II 367 E. 2c S. 371). Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde forscht das Bundesgericht jedoch nicht von sich aus nach Aktenstücken, die im ausländischen Verfahren (mit Sicherheit) nicht erheblich sein könnten. Es obliegt dem Betroffenen, schon im erstinstanzlichen Verfahren gegenüber der ausführenden Behörde konkret darzulegen, welche einzelnen Aktenstücke (bzw. welche Passagen daraus) für die Strafuntersuchung offensichtlich entbehrlich seien, und diese Auffassung auch zu begründen. Dies gilt besonders bei einer komplexen Untersuchung mit zahlreichen Akten (vgl. BGE 130 II 14 E. 4.3 S. 16 f.; 126 II 258 E. 9b/aa S. 262; 122 II 367 E. 2d S. 372, je mit Hinweisen).
 
3.2 Gemäss dem Rechtshilfeersuchen seien sämtliche Einnahmen aus den Losverkäufen deliktischer Herkunft. Der Haupttäter habe diese Einnahmen über verschiedene von ihm beherrschte Gesellschaften abgezweigt. Die mitangeschuldigte Beschwerdeführerin 1 habe einerseits über Beteiligungen an drei dieser Gesellschaften verfügt. Anderseits sei sie als Vertreterin der das Gewinnspiel betreibenden Firma aufgetreten und habe in Porto Alegre diejenige Liegenschaft erworben, auf der die betrügerischen Gewinnspiele durchgeführt bzw. aufgezeichnet worden seien. Der Hauptangeschuldigte und die Beschwerdeführerin 1 hätten den Deliktserlös zwischen 1997 und 2003 via Uruguay in die Schweiz transferiert. Zu den Begünstigten gehöre eine von den Rechtshilfemassnahmen mitbetroffene Gesellschaft.
 
Die streitigen Kontensperren und Kontenerhebungen im Verfahren 1A.96/2006 beziehen sich auf Bankverbindungen der mitangeschuldigten Beschwerdeführerin 1 bzw. ihrer Eltern (Beschwerdeführer 2 und 3). Wie sich aus den Akten ergibt, wurden die Konten im fraglichen Deliktszeitraum eröffnet. Im relevanten Zeitraum erfolgten über die betroffenen Bankverbindungen hohe verdächtige Geldtransfers.
 
Was das Verfahren 1A.97/2006 betrifft, sind die Beschwerdeführer, wie bereits dargelegt, nicht prozesslegitimiert (vgl. oben, E. 1.3).
 
3.3 Nach dem Gesagten besteht ein ausreichend enger Sachzusammenhang zwischen den hier streitigen Kontensperren und Kontenerhebungen und dem Gegenstand des Strafverfahrens.
 
4.
 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die verursachten Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Schweizerischen Bundesanwaltschaft sowie dem Bundesamt für Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, Sektion Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. August 2006
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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