VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer I 295/2006  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer I 295/2006 vom 19.09.2006
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess {T 7}
 
I 295/06
 
Urteil vom 19. September 2006
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Fessler
 
Parteien
 
F.________, 1949, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Alex Frei, Bahnhofstrasse 32a, 8360 Eschlikon,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 16. Februar 2006)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1949 geborene F.________ ersuchte im November 2003 die Invalidenversicherung um Umschulung und eine Rente. Nach Abklärungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit (u.a. Expertise Medizinisches Zentrum X.________ [MZX] vom 3. Januar 2005) sowie zur Einschränkung im Haushalt (Bericht vom 29. März 2005) lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 30. März 2005 das Leistungsbegehren ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 9. August 2005 fest.
 
B.
 
Die Beschwerde der Abiba Ferati wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 16. Februar 2006 ab.
 
C.
 
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihr mindestens eine halbe Invalidenrente ab 1. Januar 2004 zuzusprechen.
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung.
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat in Anwendung der geltenden Gerichts- und Verwaltungspraxis zur gemischten Methode (vgl. BGE 125 V 148 f. Erw. 2a-c sowie BGE 130 V 393 und Urteil E. vom 13. Dezember 2005 [I 156/04]) einen Invaliditätsgrad von 11 % ermittelt (0,5 x 7 % + 0,5 x 14,75 %), was keinen Rentenanspruch ergibt (Art. 28 Abs. 1 IVG). Dabei entspricht 0,5 (= 50 %/100 %) dem zeitlichen Umfang gemessen an einem Normalarbeitspensum, in welchem die Versicherte ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre. 7 % beträgt die Einschränkung im erwerblichen Bereich und 14,75 % die Behinderung im Haushalt.
 
Zur Ermittlung des Invaliditätsgrades im erwerblichen Bereich hat das kantonale Gericht einen Einkommensvergleich durchgeführt (vgl. dazu BGE 128 V 30 Erw. 1 in Verbindung mit BGE 130 V 343). Das Valideneinkommen hat es dem zuletzt 2002 als Gemüserüsterin erzielten, an die Nominallohnentwicklung 2002/03 und 2003/04 angepassten Verdienst, ergebend Fr. 22'172.-, gleichgesetzt. Das Invalideneinkommen hat die Vorinstanz auf der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2004 des Bundesamtes für Statistik (LSE 04) ermittelt unter der Annahme einer trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 50 % in leichten wechselbelastenden Tätigkeiten ohne Tragen und Heben von schweren Lasten von über 10 kg sowie ohne Überkopfarbeiten. Ausgehend vom durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn («Total») von Frauen für einfache und repetitive Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) im privaten Sektor von Fr. 3893.- im Monat (LSE 04 S. 53 TA1), einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 41,6 Wochenstunden und einem Abzug vom Tabellenlohn von 15 % im Sinne von BGE 126 V 75 ergaben sich Fr. 20'650.- (vgl. BGE 126 V 77 Erw. 3b/bb, 124 V 321). Die daraus resultierende Erwerbseinbusse von Fr. 1522.- entsprach einem Invaliditätsgrad von gerundet 7 %. Den Grad der Unmöglichkeit einer Betätigung im Aufgabenbereich Haushalt (Art. 8 Abs. 3 ATSG) hat das kantonale Gericht den aufgrund der Erhebung vor Ort am 21. März 2005 ermittelten 14,75 % gleichgesetzt.
 
3.
 
Abgesehen von der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung bei Anteilen der Erwerbstätigkeit und Haushalt von je 0,5 und dem Valideneinkommen sind sämtliche Bemessungsfaktoren, insbesondere die trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbare Arbeitsfähigkeit bestritten.
 
3.1
 
3.1.1 Die von der Vorinstanz der Invaliditätsbemessung im erwerblichen Bereich zugrunde gelegte Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer leichten wechselbelastenden Tätigkeit ohne Tragen und Heben von schweren Lasten von über 10 kg sowie ohne Überkopfarbeiten stammt aus dem Gutachten des MZX vom 3. Januar 2005. In der Expertise wurden als Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit eine depressive Störung mit somatischem Syndrom (ICD-10 F32.11) auf dem Boden einer einfach strukturierten Persönlichkeit sowie ein weichteilrheumatisches Schmerzsyndrom der linken Körperhälfte mit Betonung des linken oberen Quadranten bei intermittierendem subacromialem Impingement genannt. Die Arbeitsfähigkeit wurde aus psychiatrischer Sicht auf maximal 50 % und aus somatischer Sicht auf mindestens 66 2/3 % geschätzt. Im Gutachten des MZX vom 3. Januar 2005 wurde somit das vom Neurologen Dr. med. R.________ in seinem Bericht vom 16. Dezember 2002 an den Hausarzt erwähnte beidseitige und ausgeprägte, deutlich linksbetonte Karpaltunnelsyndrom nicht unter den Diagnosen, auch nicht unter denjenigen ohne Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit aufgeführt. Gemäss den in diesem Verfahren eingereichten medizinischen Unterlagen wurde die Versicherte am 2. Februar 2006 in der Klinik Y.________ unter der Diagnose «symptomatisches CTS bds., linksbetont» an der linken Hand operiert. Eine durch das beidseitige Karpaltunnelsyndrom bedingte zusätzliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit lässt sich für den massgebenden Prüfungszeitraum bis zum Einspracheentscheid vom 9. August 2005 (SVR 2005 AHV Nr. 9 S. 30 Erw. 1.3.1) nicht ausschliessen.
 
3.1.2 Im Weitern wurde im Gutachten des MZX vom 3. Januar 2005 die Arbeitsfähigkeit auf insgesamt 50 % festgelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die psychisch bedingte und die auf das Schmerzsyndrom zurückzuführende Arbeitsunfähigkeit verhielten sich nicht additiv. Die Explorandin könne sich in der frei bleibenden Zeit von ihren somatischen und psychischen Beschwerden genügend erholen. Dies wirft die Frage auf, inwiefern die bei einem erwerblichen Arbeitspensum von 50 % notwendige Erholungszeit sich auf die Beschäftigung im Haushalt auswirkt. Im diesbezüglichen Abklärungsbericht vom 29. März 2005 lässt sich hiezu nichts entnehmen. In diesem Zusammenhang wird zu Recht darauf hingewiesen, dass gemäss Rechtsprechung bei teilerwerbstätigen Versicherten, die sich daneben in einem Aufgabenbereich nach Art. 5 Abs. 1 IVG und Art. 8 Abs. 3 ATSG betätigen, grundsätzlich eine gleichzeitige Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in beiden Bereichen zu erfolgen hat, soweit möglich und quantifizierbar unter Berücksichtigung der jeweils anderen, allenfalls sich leistungsvermindernd auswirkenden Tätigkeit (Urteil E. vom 13. Dezember 2005 [I 156/04] Erw. 6). Dies bedeutet insbesondere, dass bei der Ermittlung der Behinderung im Haushalt die Situation zugrunde zu legen ist, wo die versicherte Person im Rahmen des Zumutbaren eine Teilerwerbstätigkeit ausübt.
 
Weitere Abklärungen zur Arbeitsfähigkeit erübrigen sich indessen. Selbst wenn wegen des linksbetonten CTS von einer somatisch bedingten Arbeitsfähigkeit von lediglich 40 % und in Berücksichtigung einer Leistungseinbusse infolge der erwerblichen Tätigkeit von einer höheren Einschränkung im Haushalt ausgegangen wird, ändert sich nichts am Ergebnis (vgl. Erw. 4).
 
3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird schliesslich geltend gemacht, beim Invalideneinkommen sei von einem anderen tieferen Tabellenlohn als dem durchschnittlichen Lohn in allen Wirtschaftszweigen des privaten Sektors («Total») auszugehen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe als Gemüserüsterin in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit einen äusserst bescheidenen Stundenlohn von Fr. 16.- erzielt.
 
3.2.1 Nach der Gerichtspraxis kann einer erschwerten Verwertbarkeit der trotz des Gesundheitsschadens noch zumutbaren Arbeitsfähigkeit allenfalls dadurch Rechnung getragen werden, dass auf einen anderen als auf den durchschnittlichen Lohn in allen Wirtschaftszweigen des privaten Sektors («Total») abgestellt wird (BGE 129 V 483 Erw. 4.3.2; RKUV 2001 Nr. U 439 S. 347 [U 240/99]). Diese Ausnahmeregelung kommt indessen nur zum Zuge, wenn der Verwertbarkeit der verbliebenen Arbeitsfähigkeit derart enge Grenzen gesetzt sind, dass praktisch alle Tätigkeiten eines bestimmten Wirtschaftszweiges ausser Betracht fallen (RKUV 2001 Nr. U 439 S. 348 f. Erw. 3c/cc; Urteil L. vom 15. März 2006 [U 471/05] Erw. 3). Ob es sich vorliegend so verhält, ist fraglich, kann jedoch offen bleiben.
 
3.2.2 Sodann sind nach der mit ZAK 1989 S. 456 begründeten, im Urteil M. vom 29. August 2002 (I 97/00) ausdrücklich bestätigten Rechtsprechung im Rahmen des Einkommensvergleichs nach alt Art. 28 Abs. 2 IVG resp. Art. 16 ATSG invaliditätsfremde Gesichtspunkte überhaupt nicht oder dann bei beiden Vergleichsgrössen gleichmässig zu berücksichtigen (vgl. auch BGE 129 V 225 Erw. 4.4 mit Hinweisen). Es kann offen bleiben, ob der als Gemüserüsterin erzielte Stundenlohn von Fr. 16.- branchenunüblich tief war und auf invaliditätsfremden Faktoren beruhte mit der Folge, dass ein entsprechender masslicher Einschlag beim Invalideneinkommen zu machen wäre.
 
3.2.3 Die zuletzt 2002 ausgeübte Tätigkeit als Gemüserüsterin war eine Zwischenverdiensttätigkeit im Sinne von Art. 24 AVIG. Es kommt dazu, dass gemäss dem in den Akten befindlichen Auszug aus dem individuellen Konto die Versicherte im Zeitraum April bis Oktober 1998 und ab 1. Januar 1999 mit zwei kurzen Unterbrüchen Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezog. Unter diesen Umständen ist das Valideneinkommen auf der Grundlage von statistischen Durchschnittslöhnen zu ermitteln, wobei vom selben (Tabellen-)Lohn auszugehen ist wie beim Invalideneinkommen. Der Invaliditätsgrad entspricht somit dem Grad der Arbeitsunfähigkeit bezogen auf das erwerbliche Arbeitspensum ohne gesundheitliche Beeinträchtigung unter Berücksichtigung des Abzuges vom Tabellenlohn (vgl. Urteil M. vom 15. April 2003 [I 1/03] Erw. 5.2).
 
4.
 
Bei einer Arbeitsfähigkeit von 40 % und einem Abzug vom Tabellenlohn von 15 % ergibt sich eine Erwerbsunfähigkeit von 32 % ([1 - 0,4/0,5 x 0,85] x 100 %). Die Einschränkung im Haushalt müsste somit mehr als 45 % betragen, damit ein anspruchsbegründender Invaliditätsgrad von 40 % resultierte. Dies ist auch unter der Annahme einer erheblichen zusätzlichen Leistungseinbusse in diesem Aufgabenbereich infolge der erwerblichen Tätigkeit zu verneinen.
 
Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
 
Luzern, 19. September 2006
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).