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Informationen zum Dokument  BGer 5C.78/2006  Materielle Begründung
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BGer 5C.78/2006 vom 05.10.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5C.78/2006 /bnm
 
Urteil vom 5. Oktober 2006
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
 
Gerichtsschreiber von Roten.
 
Parteien
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
4. D.________,
 
5. E.________,
 
Kläger und Berufungskläger,
 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Poli,
 
gegen
 
P.________,
 
Beklagte und Berufungsbeklagte,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bazzani,
 
Gegenstand
 
Grundbuchberichtigung,
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung Grosse Kammer, vom 23. Juni 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Zu Gunsten und zu Lasten mehrerer benachbarter Liegenschaften ist im Grundbuch G.________ eine Dienstbarkeit "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" eingetragen. Beim Beleg 224/37 handelt es sich um die Abschrift eines Kaufvertrags vom 13. April 1937. Anlässlich der Bereinigung der Dienstbarkeiten bei Einführung des Grundbuchs anerkannten die damaligen Eigentümer der berechtigten und belasteten Parzellen am 11. November 1971 unterschriftlich die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37". Unter Ziff. 9 auf S. 3 des Belegs 224/37 wird die Baubeschränkung wie folgt umschrieben:
 
"Ebenso verpflichtet sich die Käuferin auf der von ihr gekauften Parzelle lediglich ein Einfamilienhaus im Chalet-Stil zu erstellen, bestehend aus Keller, Erdgeschoss, I. Stock und ausgebautem Dachstock."
 
Diesen "Bedingungen" schliesst ein Abschnitt an mit der nachstehenden Überschrift:
 
"Überdies gelten folgende allgemeine Bedingungen sowohl für den Verkauf dieser als auch für den Verkauf von weiteren Bauparzellen ab der Liegenschaft 'L.________'."
 
Ziff. 4 (S. 4) dieser allgemeinen Bedingungen hat folgenden Wortlaut:
 
"Die Käufer von Parzellen dürfen Häuser mit maximum 2 Stockwerken und Dachzimmern erstellen. Deren Firsthöhen sollen 14 m nicht übersteigen, gemessen auf dem gewachsenen nicht aufgefüllten Boden, in der Mitte des Abstandes zwischen der berg- und talseitigen Front des bestehenden Gebäudes.
 
Die Minimalabstände der Gebäude von den Parzellengrenzen betragen über der Hauptstrasse 4 Meter, unter der Hauptstrasse 5 Meter."
 
Die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" berechtigt und belastet unter anderem die Parzelle alt-Nr. 429, die mit einem Einfamilienhaus überbaut ist. Mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Juli 1995 wurde den Rechtsvorgängern der heutigen Eigentümerin der Parzelle alt-Nr. 429 die Erstellung von zehn Reihen-Einfamilienhäusern verboten mit der Begründung, gemäss Ziff. 9 des Belegs 224/37 dürfe auf der Parzelle nicht mehr als ein Einfamilienhaus gebaut werden.
 
B.
 
Eigentümerin der Parzelle alt-Nr. 429 ist heute P.________. Im August 2002 liess sie die Parzelle aufteilen. Der Grundstücksteil mit dem Einfamilienhaus behielt die Nr. 429 (938 m2). Die abgetrennten Parzellen erhielten die Nrn. 1417 (514 m2), 1418 (514 m²) und 1419 (600 m²). Auf Antrag der Eigentümerin wurde auf den neu eröffneten Grundbuchblättern der Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" eingetragen.
 
Eigentümer weiterer aus der Baubeschränkung berechtigter und belasteter Parzellen sind B.________ und A.________ (Nr. 439), D.________ und C.________ (Nr. 438) und E.________ (Nr. 430). Sie sprachen gegen die Eintragung auf den Grundbuchblättern der Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 ein und erhoben Klage mit dem Antrag, das Stichwort "Baubeschränkung" in "Bauverbot" zu ändern, eventuell mit dem Zusatz "(umschriebenes Bauverbot)" zu ergänzen, subeventuell festzustellen, dass auf den Parzellen Nrn. 1417, 1418, 1419 und 429 insgesamt nur ein Einfamilienhaus im Chalet-Stil gebaut werden dürfe, also nur auf einer der vier Parzellen ein Einfamilienhaus.
 
Die Beklagte P.________ schloss auf Abweisung der Klage und stellte Feststellungsbegehren zum Inhalt der Baubeschränkung.
 
C.
 
Das Kantonsgericht Nidwalden hiess das Eventualbegehren der Kläger gut und wies das Grundbuchamt an, auf den Hauptbuchblättern der Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 das Stichwort der Dienstbarkeit "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" mit dem Zusatz "(umschriebenes Bauverbot)" zu ergänzen und die damit verbundenen Änderungen bzw. Ergänzungen auf den Hauptbuchblättern der klägerischen Parzellen Nrn. 430, 438 und 439 vorzunehmen (Urteil vom 7. April 2004). Die dagegen von der Beklagten eingelegte Appellation hiess das Obergericht des Kantons Nidwalden gut und hob das kantonsgerichtliche Urteil auf (Dispositiv-Ziff. 1). Es wies die Klage ab (Dispositiv-Ziff. 2) und stellte den Inhalt der "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" antragsgemäss wie folgt fest: "Die Käufer von Parzellen dürfen Häuser mit Maximum 2 Stockwerken und Dachzimmern erstellen. Deren Firsthöhen sollen 14 m nicht übersteigen, gemessen auf dem gewachsenen nicht aufgefüllten Boden, in der Mitte des Abstandes zwischen der berg- und talseitigen Front des bestehenden Gebäudes" (Dispositiv-Ziff. 3 des Urteils vom 23. Juni 2005).
 
D.
 
Mit eidgenössischer Berufung beantragen die Kläger, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und das Urteil des Kantonsgerichts zu bestätigen. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
 
E.
 
Mit Urteil vom heutigen Tag hat die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts die gleichzeitig gegen das nämliche Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde der Kläger abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P.112/2006).
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Entgegen der Darstellung der Kläger liegt eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit vor. Die Begehren betreffen die Richtigstellung des Eintrags der Dienstbarkeit im Grundbuch und die Feststellung des Inhalts der Dienstbarkeit (vgl. BGE 109 II 491 E. 1c/cc S. 492 f.). Das Kantonsgericht hat auf einen Mindeststreitwert von mehr als einer Million Franken abgestellt. Da der Streitgegenstand vor Obergericht inhaltlich - wenn auch mit formell teilweise geänderten Begehren - die gleichen Fragen umfasst hat, wird die gesetzlich vorausgesetzte Berufungssumme überschritten (Art. 46 OG). Die Kläger beantragen die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Bestätigung des kantonsgerichtlichen Urteils. Sie stellen damit einen zulässigen Berufungsantrag des Inhalts, ihr Eventualklagebegehren gutzuheissen und die von der Beklagten beantragten Feststellungen nicht zu treffen (Art. 55 Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 90 II 476 E. 1 S. 479). Der diesbezügliche Einwand der Beklagten betrifft die materielle Begründetheit des Antrags und nicht die Zulässigkeitsvoraussetzung, dass das gestellte Begehren alle für die grundbuchliche Vollziehbarkeit erforderlichen Angaben enthält. Weitere formelle Einzelfragen werden im Sachzusammenhang zu erörtern sein. Auf die Berufung kann grundsätzlich eingetreten werden.
 
2.
 
Was mit der Dienstbarkeit geschieht, wenn das berechtigte oder belastete Grundstück geteilt wird, ergibt sich aus Art. 743 und Art. 744 ZGB: Die Dienstbarkeit besteht nach der Teilung des berechtigten bzw. belasteten Grundstücks in der Regel zu Gunsten bzw. zu Lasten aller Teile weiter (je Abs. 1) und wird nur auf denjenigen Teilen gelöscht, auf denen sie nicht mehr ausgeübt werden kann bzw. nicht mehr lastet (je Abs. 2 und 3).
 
Der gesetzlichen Regel entsprechend hat das Grundbuchamt die auf der Parzelle alt-Nr. 429 eingetragene Dienstbarkeit "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" auf die von der Parzelle alt-Nr. 429 abgeteilten Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 übertragen. Nach Auffassung der Kläger entspricht diese Benennung der Dienstbarkeit auf den neu gebildeten Parzellen nicht dem Erwerbsgrund. Ihrer Ansicht nach muss das Stichwort der Dienstbarkeit auf den Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 in "Bauverbot" geändert oder zumindest in diesem Sinne ergänzt werden, weil die Stammparzelle Nr. 429 bereits mit einem Einfamilienhaus überbaut ist und folglich auf der ganzen Fläche der früheren Parzelle alt-Nr. 429 bzw. auf den nunmehr neu gebildeten Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 nicht mehr gebaut werden darf. Die Streitfrage, ob die Benennung der Dienstbarkeit im Grundbucheintrag den Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit gemäss dem Erwerbsgrund richtig wiedergibt, kann - entgegen der Darstellung der Beklagten - Gegenstand der Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB) bilden (BGE 123 III 461 E. 2c S. 465; Liver, Zürcher Kommentar, 1980, N. 26 zu Art. 738 ZGB).
 
Wird - wie hier mit Parzelle alt-Nr. 429 - das berechtigte und belastete Grundstück geteilt, ohne dass Teilgrundstücke aus dem Grunddienstbarkeitsverhältnis ausscheiden, entstehen so viele Dienstbarkeiten als belastete und berechtigte Teilgrundstücke vorhanden sind (sog. Vervielfältigung der Dienstbarkeit: Liver, a.a.O., N. 20 ff. zu Art. 743 und N. 14 ff. zu Art. 744 ZGB; Steinauer, Les droits réels, II, 3.A. Bern 2002, N. 2311a und N. 2311e S. 404 f.). Jeder Eigentümer hat nach der Teilung die Befugnisse und Belastungen, die den Inhalt der Dienstbarkeit ausmachen. Auszugehen ist von der ursprünglichen Dienstbarkeit, deren Inhalt und Umfang sich nach den Art. 737 und Art. 738 ZGB bestimmt (Liver, a.a.O., N. 24 zu Art. 743 und N. 12 zu Art. 744 ZGB).
 
3.
 
Die Kläger wenden ein, Inhalt und Umfang der "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" seien bereits im Urteil vom 12. Juli 1995 bestimmt worden. Dessen Rechtskraft schliesse eine Neubeurteilung dieser Frage im Sinne einer verbindlich entschiedenen Vorfrage aus (S. 7 f. Ziff. 7 der Berufungsschrift). Das Obergericht hat die materielle Rechtskraft verneint, weil es heute um einen anderen als den damals beurteilten Sachverhalt gehe (E. 4 S. 9 f. des angefochtenen Urteils).
 
3.1 Soweit der zu beurteilende Anspruch - wie hier - auf Bundesrecht beruht, bestimmt das Bundesrecht über die materielle Rechtskraft, d.h. über die Verbindlichkeit eines Urteils für spätere Prozesse. Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, wenn der Anspruch dem Gericht aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf den gleichen Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird (BGE 125 III 241 E. 1 S. 242). Anspruchsidentität ist somit zu verneinen, wenn zwar aus dem gleichen Grund wie im Vorprozess geklagt wird, aber erhebliche Tatsachen geltend gemacht werden, die seitdem eingetreten, also neu sind und den Anspruch in der nunmehr eingeklagten Form erst entstehen liessen (BGE 112 II 268 E. I/1b S. 272; 125 III 241 E. 1d S. 246). Die Bindungswirkung des früheren Urteils beschränkt sich auf das Dispositiv. Die Urteilserwägungen sind nur heranzuziehen, soweit sie zur Feststellung der Bedeutung des Dispositivs und der Identität des Anspruchs, auf den es sich bezieht, erforderlich sind. Im Übrigen haben die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen eines Urteils in einer anderen Streitsache keine bindende Wirkung (BGE 123 III 16 E. 2a S. 18 f.).
 
3.2 Gemäss dem Dispositiv des Urteils vom 12. Juli 1995 wird den Eigentümern der Parzelle [alt-]Nr. 429 verboten, auf ihrem Grundstück das bereits bewilligte Bauprojekt zu realisieren. Aus den Erwägungen (vorab E. 1c S. 8 f.) folgt, dass ihnen verboten wird, auf der Parzelle [alt-]Nr. 429 mehr als ein Einfamilienhaus zu bauen.
 
Die Parzelle alt-Nr. 429 wurde nach Abschluss des damaligen Prozesses im August 2002 parzelliert. Die Streitfrage im vorliegenden Prozess lautet dahin, ob und wie die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" auf die neu gebildeten Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 übertragen werden muss. Es geht um die Anwendung der Teilungsbestimmungen in Art. 743 und Art. 744 ZGB, wonach die Dienstbarkeit nach der Teilung "in der Regel" für alle Teile weiterbesteht. Zur Frage, ob und wie diese "Regel" hier anzuwenden ist, gibt das rechtskräftige Urteil vom 12. Juli 1995 keine verbindliche Antwort und kann es auch keine geben, weil es vor der Entstehung der Parzellen Nr. 1417, 1418 und 1419 ergangen ist.
 
Entgegen der Darstellung der Kläger ist das Urteil vom 12. Juli 1995 auch nicht präjudiziell für die Beurteilung von Vorfragen im hängigen Prozess. Wenn aus dem Dispositiv des Urteils vom 12. Juli 1995 hervorgeht, dass auf der ganzen Parzelle alt-Nr. 429 nur ein Einfamilienhaus gebaut werden darf, wird damit lediglich der Grundsatz bestätigt, dass Objekt der Belastung mit einer Dienstbarkeit stets das ganze Grundstück ist und dass Dienstbarkeiten vermutungsweise zu Gunsten und zu Lasten auch des ganzen Grundstücks ausgeübt werden können (Liver, a.a.O., N. 24 Abs. 1 zu Art. 730 und N. 17 zu Art. 743 ZGB). Nicht festgestellt wird in den Urteilserwägungen, geschweige denn im allein massgebenden Urteilsdispositiv, dass die Dienstbarkeit gemäss der heutigen Rechtsbehauptung der Kläger tatsächlich auf der gesamten Fläche der Parzelle alt-Nr. 429 ausgeübt werden darf. Die Frage, ob die Ausübung der Dienstbarkeit allenfalls vertraglich oder auf Grund des Zwecks und Inhalts der Dienstbarkeit auf bestimmte Stellen des belasteten Grundstücks beschränkt sei (Liver, a.a.O., N. 24 Abs. 2 zu Art. 730, N. 3 zu Art. 742 und N. 17 zu Art. 743 ZGB), hat sich bei Erlass des Urteils vom 12. Juli 1995 nicht gestellt und auch nicht stellen können, weil die diese Frage hervorrufende Teilung der Parzelle alt-Nr. 429 bzw. die Bildung der neuen Parzellen Nr. 1417, 1418 und 1419 erst danach erfolgt ist.
 
3.3 Die obergerichtliche Annahme, das rechtskräftige Urteil vom 12. Juli 1995 sei im vorliegenden Prozess weder als Ganzes noch für die Beurteilung bestimmter Vorfragen verbindlich, verletzt aus den dargelegten Gründen kein Bundesrecht.
 
4.
 
Zu beurteilen ist der Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit, die nach der Teilung grundsätzlich für alle Teile weiterbesteht, gemäss den in Art. 738 ZGB genannten Kriterien: Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend (Abs. 1). Im Rahmen des Eintrags kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist (Abs. 2).
 
4.1 Aus der Benennung der Dienstbarkeit "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" lässt sich - wie so oft (BGE 128 III 169 E. 3a S. 172) - ihr Inhalt und Umfang nicht erschliessen. Das Obergericht hat deshalb auf den verwiesenen Beleg 224/37 abgestellt und den Erwerbsgrund der Dienstbarkeit gemäss dem Kaufvertrag aus dem Jahre 1937 nach dem Vertrauensgrundsatz ausgelegt.
 
Die Kläger wenden dagegen ein, ein Abstellen allein auf den Beleg 224/37 sei unzulässig, weil das Urteil vom 12. Juli 1995 als Belegsergänzung im Grundbuch aufgenommen worden sei. Ferner hätte bei der Auslegung die Zeugenaussage von Dr. Z.________ berücksichtigt werden müssen, der zwar nicht beim Vertragsschluss im Jahre 1937 dabei gewesen sei, wohl aber bei der Bereinigung der Dienstbarkeiten anlässlich der Grundbucheinführung, wo die damaligen Eigentümer der Parzelle alt-Nr. 429 am 11. November 1971 die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" anerkannt hätten. Die Kläger machen eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften und infolgedessen eine lückenhafte Feststellung des Sachverhalts geltend (S. 9 ff. Ziff. 8 und 9 sowie S. 14 Ziff. 11 der Berufungsschrift).
 
Den praktisch gleichen Einwand hat das Bundesgericht im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde der Kläger beurteilt mit dem Ergebnis, dass die Kläger entsprechende Beweisanträge vor Kantonsgericht, aber nicht vor Obergericht gestellt haben und dass das Obergericht unter Willkürgesichtspunkten nicht verpflichtet gewesen ist, ohne Antrag der Kläger auf Beweisergänzung - unter Herrschaft der Verhandlungsmaxime - gleichsam von Amtes wegen in erster Instanz gestellte Beweisanträge abzunehmen (E. 3 dortselbst; vgl. auch S. 41 der Berufungsantwort). Beweisanträge, die nach Form und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Rechts entsprechen, sind Voraussetzung des bundesrechtlichen Anspruchs darauf, für rechtserhebliche Sachvorbringen zum Beweis zugelassen zu werden. Fehlt es daran, kann - unter Herrschaft der hier geltenden Verhandlungsmaxime - Art. 8 ZGB nicht verletzt sein (BGE 114 II 289 E. 2a S. 290). Die Berufung erweist sich als unbegründet. Soweit die Kläger eine Verletzung von kantonalem Recht geltend machen, ist die Berufung unzulässig, wie das die Beklagte zu Recht hervorhebt. Dasselbe gilt aber auch für deren Vorbringen zum kantonalen öffentlichen Baurecht in der Berufungsantwort (vgl. Art. 43 OG; BGE 132 III 414 E. 5.2 S. 430).
 
4.2 Das Obergericht hat keinen wirklichen Parteiwillen aus dem Jahre 1937 mehr feststellen können (vgl. zu dessen Bedeutung für Rechtsnachfolger: BGE 130 III 554 E. 3.1 S. 557 f.). Der Erwerbsgrund ist deshalb nach dem Vertrauensgrundsatz so auszulegen, wie er nach seinem Wortlaut und Zusammenhang sowie namentlich auf Grund der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks und mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Dienstbarkeit verstanden werden durfte und musste (BGE 128 III 265 E. 3a S. 267; 131 III 345 E. 1.2 S. 347). Dass die damaligen Eigentümer der Parzelle alt-Nr. 429 die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" anlässlich der Bereinigung der Dienstbarkeiten bei Einführung des Grundbuchs anerkannt haben, ändert für die Auslegung nichts, zumal hier über das Anerkenntnis hinaus keinerlei Zusatzerklärungen der damaligen Eigentümer festgestellt sind (vgl. BGE 131 III 345 E. 1.3 S. 348). Was den Zweck der Dienstbarkeit im Besonderen angeht, muss danach gefragt werden, welche Interessen bei objektiver Betrachtung zur Zeit der Errichtung auf Grund der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks vernünftigerweise von Bedeutung sein konnten (BGE 107 II 331 E. 3b S. 335 f.; 130 III 554 E. 3.2 und E. 3.3 S. 559 und S. 561; vgl. zuletzt Hürlimann-Kaup, Die Ermittlung des Zwecks einer Grunddienstbarkeit, SJZ 102/2006 S. 6 ff.).
 
4.3 Die kantonalen Gerichte haben den Beleg 224/37 nirgends im vollen Wortlaut wiedergegeben. Die wenigen zitierten Stellen verdeutlichen aber unter dem Gesichtspunkt des Vertragsaufbaus, dass zwei Abschnitte bestanden haben müssen, die jeweilen neu mit Ziffern durchnummeriert worden sind. So findet sich eine Ziff. 9 auf der dritten Seite und eine Ziff. 4 auf der vierten Seite. Sodann sind die Adressaten der beiden Abschnitte verschieden, richtet sich doch Ziff. 9 an die "Käuferin" und Ziff. 4 an "Käufer". Dass "Käufer" in Ziff. 4 bloss mögliche oder künftige Käufer sein sollen, belegt die Überschrift des zweiten Abschnitts, wonach "folgende allgemeine Bedingungen sowohl für den Verkauf dieser als auch für den Verkauf von weiteren Bauparzellen ab der Liegenschaft 'L.________" gelten. Die Einleitung zu diesem zweiten Abschnitt kann nach Treu und Glauben nur dahin verstanden werden, dass die damaligen Vertragsparteien nicht nur kein Parzellierungsverbot wollten (E. 5c/bb S. 12 des angefochtenen Urteils), sondern weitergehend die Parzellierung der Liegenschaft und den Verkauf von Bauparzellen geradezu vorgesehen haben und ausdrücklich regeln wollten. Vom Vertragszweck her sollte im Jahre 1937 Vorsorge für eine geordnete spätere Überbauung der gesamten Liegenschaft "L.________" und den Teilen davon getroffen werden.
 
Die Parteivorbringen vor den kantonalen Gerichten, aber auch die einschlägigen angerufenen Belege bestätigen die Auslegung. Die verschiedenen Parzellen am "L.________", einem heute noch bestehenden natürlichen Kleingewässer, dürften seinerzeit eine zusammenhängende Liegenschaft gebildet haben, die später nach und nach aufgeteilt worden ist. Aus der amtlichen Abschrift des Belegs 224/37 (in den kantonsgerichtlichen Präsidialakten und als Auszug in bekl.Bel. 11) geht hervor, dass damals ab der Liegenschaft "L.________" (Parzelle Nr. 170 gemäss Mutationsplan Nr. 295) ein Terrain bestimmter Grösse verkauft worden ist (Parzelle Nr. 430 gemäss Mutationsplan Nr. 295). Anlässlich dieses Verkaufs haben die Vertragsparteien eine Regelung für künftige weitere Abparzellierungen getroffen. Dass dieser Beleg 224/37 nicht die Parzelle alt-Nr. 429 zum Gegenstand gehabt hat, spielt keine Rolle, zumal die damaligen Eigentümer der Parzelle alt-Nr. 429 wie auch aller weiteren heute am Prozess beteiligten sowie die Eigentümer bzw. deren Rechtsvorgänger der Parzelle Nr. 170 wechselseitig die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" im Bereinigungsverfahren bei Einführung des Grundbuchs anerkannt haben, um nach den im Beleg 224/37 aufgestellten Bestimmungen die geordnete Überbauung zu gewährleisten.
 
Die kantonalen Gerichte haben auf Grund ihrer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse nicht eigens festgestellt, welche Liegenschaft mit "L.________" gemeint ist. Das Bundesgericht kann dies anhand des in den Akten liegenden und mehrfach angerufenen Bereinigungsheftes Nr. 174 (bekl.Bel. 10) ergänzen (Art. 64 Abs. 2 OG). Die Parzelle alt-Nr. 429 hat nach kantonalem Grundbuch "Chalet L.________" bzw. "L.________land" geheissen und bei Einführung des Grundbuchs in Übereinstimmung mit dem anerkannten Beleg 224/37 die neue Ortsbezeichnung "L.________ S.________strasse 85" erhalten. Nach dem Wortlaut der allgemeinen Bedingungen in Beleg 224/37 dürfen ab der Liegenschaft "L.________" weitere Parzellen abgeteilt und überbaut werden. Es gilt somit auch für neu gebildete Parzellen die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37". Die gegenteilige Auffassung der Kläger, wonach auf der ganzen Fläche der Parzelle alt-Nr. 429 nur ein (im Sinne von "1") Einfamilienhaus im Chalet-Stil gebaut werden dürfe, findet im Wortlaut und im Zweck der Regelung gemäss Beleg 224/37 somit keine Stütze (S. 11 ff. Ziff. 10 der Berufungsschrift). Weder sollte damit eine weitere Parzellierung noch die Überbauung der Parzellen verhindert, sondern Letztere nur geordnet werden. Nach der Teilung darf auf allen Teilen gemäss der "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" gebaut werden. Es verletzt deshalb kein Bundesrecht, dass das Obergericht die Klagebegehren abgewiesen hat, auf den Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 sei das Stichwort der Dienstbarkeit in "Bauverbot" zu ändern oder zumindest in diesem Sinne zu ergänzen.
 
5.
 
Das Obergericht hat den Inhalt der "Baubeschränkung" gemäss dem Antrag der Beklagten festgestellt und auf Ziff. 4 Abs. 1 des Belegs 224/37 beschränkt. Nach Ansicht des Obergerichts ist der Beleg so zu verstehen, dass es nur um den Erhalt der Quartier- Ästhetik gehe und nicht um eine Einschränkung der Anzahl Häuser pro Parzelle (Ziff. 9) und die minimalen Grenzabstände (Ziff. 4 Abs. 2 des Belegs 224/37). Aus einer Fotodokumentation hat das Obergericht geschlossen, die privat vereinbarten Bauvorschriften seien bezüglich des Chaletstils und teilweise bezüglich der Grenzabstände nicht gelebt worden, so dass diese beiden Bedingungen zwischen den gegenwärtigen Vertragsparteien heute nicht mehr aktuell seien (E. 5c/cc-dd S. 12 f. des angefochtenen Urteils).
 
5.1 Von den im Gesetz aufgezählten Gründen abgesehen (Art. 734-736 ZGB), ist der Untergang einer Dienstbarkeit auch durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht, unter Einschluss von entsprechend eindeutigem konkludenten Verhalten, möglich. Dazu gehört beispielsweise die "Gestattung der Verbauung eines Wegrechts" (BGE 127 III 440 E. 2a S. 442; 128 III 265 E. 4a S. 269 f.). Das konkludente Verhalten muss den Willen, auf die Dienstbarkeit zu verzichten, indessen eindeutig zum Ausdruck bringen (BGE 123 III 461 E. 3a, in: ZBGR 80/1999 S. 125; Urteil 5C.227/2004 vom 10. Februar 2005, E. 3.1, in: ZBGR 87/2006 S. 162). Davon klar zu unterscheiden ist die allenfalls vertragswidrige Art der Ausübung der Dienstbarkeit. Sie ändert an Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit nichts, wenn deren Eintrag im Grundbuch und deren Erwerbsgrund - wie hier - eindeutig sind. In diesem Fall kann die langjährige Ausübung auch nicht zur Erweiterung der Dienstbarkeit durch Ersitzung führen (vgl. BGE 131 III 345 E. 2.3.2 S. 352).
 
5.2 Der Einwand der Kläger, die obergerichtliche Feststellung sei bundesrechtswidrig (S. 11 ff. Ziff. 10 der Berufungsschrift), ist begründet. Zum einen ändert am Inhalt der "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" nach dem soeben Gesagten nichts, dass einzelne Eigentümer die dienstbarkeitsrechtliche Überbauungsordnung nicht eingehalten haben. Zum anderen erscheint es als widersprüchlich, den mit der Dienstbarkeit bezweckten Erhalt der Quartier-Ästhetik hervorzuheben, dann aber die beiden Grundpfeiler, die eine geregelte Überbauung am besten zu gewährleisten vermögen, für unerheblich zu erklären, die Gestaltung der Gebäude und die Grenzabstände nämlich. Es kommt hinzu, dass nach Angaben der Beklagten auf den klägerischen Parzellen schon vor der wechselseitigen Anerkennung der "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" dienstbarkeitswidrig gebaut worden sein soll (S. 15 f. Ziff. 6 der Appellation und S. 14 der Berufungsantwort). Soweit diese Sachdarstellung zutrifft, die jeweiligen Eigentümer die "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" bei der Einführung des Grundbuchs dann aber trotzdem unterschriftlich anerkannt haben, so hatte ihr Anerkenntnis im Bereinigungsverfahren rechtsbegründende Wirkung (BGE 131 III 345 E. 1.3 S. 348) und muss für Neubauten nach der Bereinigung unbedingt gelten.
 
5.3 Aus den dargelegten Gründen muss die Berufung der Kläger gutgeheissen werden, was das Feststellungsbegehren der Beklagten vor Obergericht angeht. Zu einer selbstständigen Feststellung des Dienstbarkeitsinhalts besteht vorliegend kein Anlass. Die auf den Parzellen Nrn. 1417, 1418 und 1419 eingetragene "Baubeschränkung laut Beleg 224/37" gilt gemäss den im verwiesenen Beleg enthaltenen Bestimmungen. Der Inhalt der Dienstbarkeit wird - entgegen der Annahme der Beklagten - sowohl durch die Ziff. 9 auf S. 3 als auch durch die Ziff. 4 Abs. 1 und 2 auf S. 4 des Belegs 224/37 ausreichend klar und deutlich umschrieben.
 
6.
 
Die Berufung bleibt erfolglos, soweit die Kläger damit eine Ergänzung des Eintrags der Baubeschränkung im Grundbuch verlangt haben mit der Folge, dass die Parzellen Nrn. 429, 1417, 1418 und 1419 insgesamt mit nur einem Haus hätten überbaut werden können und nicht jede Parzelle im Sinne der Baubeschränkung gemäss Beleg 224/37 überbaubar gewesen wäre. Die Berufung ist hingegen gutzuheissen, soweit das Obergericht auf Antrag der Beklagten Feststellungen zum Inhalt der Baubeschränkung getroffen hat, die vom Wortlaut des Belegs 224/37 abweichen. Die Kläger obsiegen damit nur in einem Teilbereich und unterliegen überwiegend. Es rechtfertigt sich, die Gerichtskosten den Klägern zu drei Vierteln und der Beklagten zu einem Viertel aufzuerlegen und die Kläger zu einer entsprechend herabgesetzten Parteientschädigung an die Beklagte zu verpflichten (Art. 156 Abs. 3 und 7 und Art. 159 Abs. 3 und 5 OG). Zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens wird die Sache an das Obergericht zurückgewiesen (Art. 157 und Art. 159 Abs. 6 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Die Dispositiv-Ziff. 3-7 des Urteils des Obergerichts des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung Grosse Kammer, vom 23. Juni 2005 werden aufgehoben. Dispositiv-Ziff. 3 wird wie folgt geändert:
 
"3. Das Feststellungsbegehren der Beklagten wird abgewiesen."
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 8'000.-- wird zu drei Vierteln den Klägern unter solidarischer Haftbarkeit und zu einem Viertel der Beklagten auferlegt.
 
3.
 
Die Kläger haben die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigung für das kantonale Verfahren an das Obergericht zurückgewiesen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung Grosse Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 5. Oktober 2006
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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