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Informationen zum Dokument  BGer 2A.543/2006  Materielle Begründung
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BGer 2A.543/2006 vom 20.11.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.543/2006 /leb
 
Urteil vom 20. November 2006
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
Parteien
 
A.X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg,
 
gegen
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Rathaus, 4500 Solothurn,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
 
Postfach 157, 4502 Solothurn.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
 
vom 10. Juli 2006.
 
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1
 
A.X.________ (geb. 1972) stammt aus Marokko. Er war von 1999 bis zum Jahr 2004 gestützt auf Kurzaufenthaltsbewilligungen in der Schweiz als "Zeltarbeiter/Circus-Arbeiter" tätig. Am 22. Januar 2005 heiratete er die Schweizer Bürgerin B.X.________ (geb. 1986), worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei dieser erteilt wurde. Ab Mitte Mai bzw. Juni 2005 lebten die Ehegatten X.________ freiwillig getrennt; ein Eheschutzverfahren wurde eingeleitet. Am 31. März 2006 weigerte sich das Departement des Innern des Kantons Solothurn, die Aufenthaltsbewilligung von A.X.________ zu verlängern, da er sich in rechtsmissbräuchlicher Weise auf eine nur noch auf dem Papier bestehende Ehe berufe. Hiergegen gelangte A.X.________ erfolglos an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn.
 
1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. September 2006 beantragt er, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 10. Juli 2006 aufzuheben und seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern; allenfalls sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die kantonalen Behörden zurückzuweisen. Am 20. September 2006 legte der Abteilungspräsident der Eingabe vorläufig aufschiebende Wirkung bei; gleichzeitig liess er die kantonalen Akten einholen. Gestützt hierauf erweist sich die Beschwerde - soweit darauf einzutreten ist - als offensichtlich unbegründet und kann ohne Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG erledigt werden.
 
2.
 
2.1 Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers hat trotz ordnungsgemässem und ununterbrochenem Aufenthalt von fünf Jahren keinen Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung (vgl. Art. 7 ANAG; SR 142.20), falls die Ehe eingegangen wurde, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung zu umgehen ("Ausländerrechtsehe"), oder sich die Berufung auf die Beziehung anderswie als rechtsmissbräuchlich erweist (vgl. Art. 7 Abs. 2 ANAG; BGE 128 II 145 E. 2 u. 3; 127 II 49 E. 5 S. 56 ff.). Dies ist praxisgemäss der Fall, wenn sich der Ausländer auf eine Ehe beruft, die ohne jegliche Aussichten auf Wiedervereinigung nur noch (formell) aufrechterhalten wird, um von der damit verbundenen Aufenthaltsberechtigung zu profitieren (BGE 130 II 113 E. 4.2). Hierzu dient Art. 7 ANAG nicht, auch wenn er für den Bewilligungsanspruch - anders als Art. 17 ANAG - nur an das formelle Bestehen der Ehe anknüpft und nicht an das tatsächliche Zusammenleben der Gatten (BGE 130 II 113 E. 4.2; 119 Ib 417 ff.; 121 II 97 ff.). Die gesetzliche Regelung will die Fortführung des Familienlebens in der Schweiz - allenfalls auch in einer vorübergehenden Krisensituation - ermöglichen und absichern, jedoch nicht einem missbräuchlichen, ausschliesslich ausländerrechtlich motivierten Festhalten an einer klar gescheiterten Ehe Vorschub leisten (BGE 127 II 49 E. 5a mit Hinweisen). Zwar soll die Regelung verhindern, dass der ausländische Partner mit Blick auf die Erneuerung seiner Bewilligung der Willkür des schweizerischen Gatten ausgeliefert wird; damit akzeptierte der Gesetzgeber jedoch nicht, dass jener seinerseits Art. 7 ANAG zu institutsfremden Zwecken missbraucht (BGE 130 II 113 E. 4.1 u. 4.2; Urteil 2A.139/2006 vom 22. März 2006, E. 2.3.2). Ob dies der Fall ist, entzieht sich in der Regel einem direkten Beweis und muss deshalb aufgrund von Indizien erstellt werden (BGE 130 II 113 E. 10.2 S. 135; 127 II 49 E. 5a S. 57). Dabei sind klare Hinweise dafür erforderlich, dass die Führung einer Lebensgemeinschaft tatsächlich nicht mehr beabsichtigt und realistischerweise nicht mehr zu erwarten ist (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151; 127 II 49 E. 5a S. 56 f. mit Hinweisen).
 
2.2 Dies war hier vor Ablauf der von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG geforderten Aufenthaltsdauer von fünf Jahren der Fall (BGE 128 II 145 E. 1.1.5): Der Beschwerdeführer heiratete seine Frau am 22. Januar 2005; bereits im Mai/Juni 2005 trennten sich die Ehegatten indessen wieder. Sie verbrachten somit bloss rund vier - allenfalls fünf - Monate zusammen. Die Ehe ist inzwischen über 17 Monate getrennt, ohne dass es in dieser Zeit auch nur ansatzweise zu irgendeiner Wiederannäherung gekommen wäre oder der Beschwerdeführer irgendwelche Bemühungen hierum substantiiert dartun könnte. Seine Gattin ist zu ihrer Mutter gezogen und unterhält heute offenbar eine Beziehung zu einem anderen Mann. Sie hat in den kantonalen Verfahren wiederholt erklärt, dass sie so gut wie möglich jeden Kontakt zu ihrem Gatten vermeide und für sie nur noch die Scheidung in Frage komme; jener widersetze sich dieser, weshalb sie die gesetzliche Frist von zwei Jahren abwarten müsse (vgl. Art. 114 ZGB; vgl. das Schreiben vom 28. Juli 2005 sowie das Protokoll des Gesprächs mit ihr vom 16. September 2005). Gestützt auf diese Umstände durften die kantonalen Behörden davon ausgehen, dass der Ehewille erloschen war und sich der Beschwerdeführer auf eine auch für ihn seit geraumer Zeit erkennbar inhaltsleer gewordene Beziehung berief, an deren Wiederaufleben er nicht mehr ernsthaft glauben konnte.
 
2.3 Was der Beschwerdeführer hiergegen einwendet, überzeugt nicht und ist nicht geeignet, den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt, an den das Bundesgericht grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 2 OG), in Frage zu stellen: Das Verwaltungsgericht hat die verschiedenen Erklärungen der Ehegatten sorgfältig gewürdigt und die Ausführungen des Beschwerdeführers, er hoffe auf eine Wiedervereinigung, liebe seine Frau immer noch und glaube, dass sie "vernünftig" werde und auf ihren in jugendlichem Ungestüm getroffenen Entscheid zurückkommen werde, mit nachvollziehbarer Begründung verworfen (Interessenlage, fehlender Nachweis fortbestehender Kontakte zwischen den Gatten, neue Beziehung usw.). Auf die Gründe, die ursprünglich zur Trennung geführt haben bzw. darauf, wer diese zu verantworten hat, kommt es nach der Rechtsprechung im vorliegenden Zusammenhang ebenso wenig an (vgl. BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117 mit Hinweisen) wie auf den Umstand, ob ein gerichtliches Trennungs- oder Scheidungsverfahren bereits hängig ist oder nicht; im Übrigen kann ein ausländerrechtlich relevanter Rechtsmissbrauch auch dann vorliegen, wenn zivilrechtlich das Festhalten an der Ehe nicht missbräuchlich erscheint (vgl. Art. 114 ZGB; AS 2004, 2161 in Kraft seit 1. Juni 2004; BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 152); entscheidend ist, dass bereits vor Ablauf der zivilrechtlichen Trennungsfrist von zwei Jahren erstellt ist, dass die Ehe inhaltslos geworden ist und eine Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft nicht mehr zur Diskussion steht, das Eheband aber dennoch aufrechterhalten wird, um von der damit verbundenen Bewilligung zu profitieren.
 
2.4 Soweit die kantonalen Behörden im Ermessensbereich von Art. 4 ANAG davon abgesehen haben, die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers zu verlängern, ist gegen ihren Entscheid - wie gegen die damit verbundene Wegweisung (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 OG) - die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; BGE 130 II 281 E. 2.1; 122 II 186 ff.). Die Anerkennung eines Härtefalls im Sinne von Art. 13 lit. f BVO (SR 823.21) bewirkt nur, dass der Ausländer von den Höchstzahlen der Begrenzungsverordnung ausgenommen ist (BGE 128 II 200 E. 4 S. 207 f.), begründet indessen keinen Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung, welcher das Ermessen der kantonalen Behörden im Rahmen von Art. 4 ANAG beschränken würde (vgl. BGE 130 II 281 E. 2.2). Der Beschwerdeführer wendet deshalb vergeblich ein, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen und sei hier integriert. Soweit er geltend macht, nicht in seine Heimat zurückkehren zu können, da ihn seine Familie wegen der Heirat verstossen habe, steht dies im Widerspruch zu seiner Aussage, er habe seine Gattin zwei Brüdern vorgestellt und es arrangiert, "dass die Ehefrau mit seiner Mutter in Marokko" telefoniere, was durch ein Schreiben eines Freundes des Ehepaars vom 26. Oktober 2005 bestätigt wird, wonach sich der Beschwerdeführer "gefreut" habe, seine Gattin "seinen Eltern vorzustellen". Zwar hält sich der Beschwerdeführer mit Unterbrüchen inzwischen seit rund acht Jahren in der Schweiz auf, doch beruht seine Anwesenheit im Wesentlichen auf Kurzaufenthaltsbewilligungen, auf deren Erteilung er keinen Anspruch hatte, weshalb er das Land regelmässig wieder verlassen musste; er kann aus seinen bisherigen Aufenthalten in der Schweiz deshalb keinen Bewilligungsanspruch gestützt auf den Schutz seines Privatlebens ableiten (vgl. Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 13 Abs. 1 BV; BGE 130 II 281 E. 3.2.1; 126 II 377 E. 2c S. 384 ff.).
 
3.
 
3.1 Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Für alles Weitere wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 36a Abs. 3 OG).
 
3.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, da seine Eingabe gestützt auf die publizierte Rechtsprechung zum Vornherein aussichtslos war (Art. 152 OG). Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer überhaupt als bedürftig gelten kann, nachdem er gemäss eigenen Angaben in der Lage ist, monatlich Fr. 600.-- an seine Eltern in Marokko zu überweisen, was seine Behauptung ebenfalls widerlegt, von der Familie verstossen worden zu sein. Bei der Festsetzung der Höhe der Gerichtsgebühr wird auch der Art der Prozessführung Rechnung getragen (Art. 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement des Innern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. November 2006
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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