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Informationen zum Dokument  BGer 5P.337/2006  Materielle Begründung
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BGer 5P.337/2006 vom 27.11.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.337/2006 /blb
 
Urteil vom 27. November 2006
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
 
Gerichtsschreiber Schett.
 
Parteien
 
Einwohnergemeinde X.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Y.________,
 
Beschwerdegegner,
 
Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.
 
Gegenstand
 
Art. 9 und 29 BV (Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Erledigungsbeschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, vom 13. Juni 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Urteil des Bezirksgerichts B.________ vom 30. Oktober 1985 wurde Y.________ (Beschwerdegegner) verpflichtet, für seine Tochter Z.________, geb. 1983, einen Unterhaltsbeitrag bis zum Eintritt des Kindes in die volle Erwerbstätigkeit, längstens bis zur Mündigkeit, zu entrichten. Der Beschwerdegegner kam dieser Verpflichtung bis August 2002, als die Tochter ihre dreijährige Lehre als Damencoiffeuse erfolgreich abschloss, nach. Wegen ihrer Zusatzlehre als Herrencoiffeuse verlangte die Tochter weiterhin Unterhaltsbeiträge, welche der Beschwerdegegner verweigerte. In der Folge bevorschusste die Vormundschaftsbehörde der Einwohnergemeinde X.________ (Beschwerdeführerin) die Unterhaltsbeiträge.
 
Mit Zahlungsbefehl vom 14. Februar 2003 setzte die Beschwerdeführerin die bevorschussten Unterhaltsbeiträge in Betreibung. Der Beschwerdegegner erhob Rechtsvorschlag. Mit Verfügung vom 13. Mai 2003 wurde der Beschwerdeführerin in der betreffenden Betreibung definitive Rechtsöffnung erteilt.
 
B.
 
Am 28. Februar 2003 reichte der Beschwerdegegner beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren des Bezirks B.________ Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG ein, mit den - soweit hier interessierend - Begehren, (1.) es sei festzustellen, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nicht bestehe, (3.) die Betreibung sei demgemäss aufzuheben und (4.) unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Der Einzelrichter führte ein Beweisverfahren durch und erkannte am 2. Februar 2006 in Gutheissung der Klage, dass die in Betreibung gesetzte Forderung nicht bestehe. Die Betreibung werde aufgehoben und das Betreibungsamt angewiesen, diese zu löschen. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens auferlegte er die Kosten für das Verfahren der Beschwerdeführerin und sprach dem Beschwerdegegner eine Prozessentschädigung zu.
 
C.
 
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Beschwerdeführerin trat das Obergericht des Kantons Zürich nicht ein, soweit sich diese gegen den negativen Feststellungsentscheid und die Aufhebung der Betreibung richtete, und hiess sie im Kosten- und Entschädigungspunkt gut. Es hob den angefochtenen Entscheid im Kosten- und Entschädigungspunkt auf, auferlegte die Kosten zu einem Viertel der Beschwerdeführerin und zu drei Vierteln dem Staat und verpflichtete die Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner eine Prozessentschädigung von Fr. 538.-- zu bezahlen. Zur Begründung für den Nichteintretensentscheid in der Sache führte das Obergericht aus, die Betreibung sei mit dem unbenutzten Ablauf der Frist für das Fortsetzungsbegehren (Art. 88 Abs. 2 SchKG) am 5. April 2004 dahingefallen. In diesem Zeitpunkt sei das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdegegners an der negativen Feststellungsklage dahingefallen, so dass der Einzelrichter die Klage als gegenstandslos geworden hätte abschreiben müssen. Insoweit sei der Beschwerdeführerin Recht zu geben. Da indessen mit dem Dahinfallen der Betreibung auch die Beschwerdeführerin ihr eigenes Recht verwirkt habe, die Fortsetzung der Betreibung zu verlangen, sei auf ihre Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Feststellung, ihre Forderung gegenüber dem Beschwerdegegner bestehe nicht und entsprechend werde die Betreibung aufgehoben, nicht einzutreten. Lediglich im Kostenpunkt sei ihr Rechtsschutzinteresse nicht dahingefallen. In diesem Punkt müssten die Beschwerde gutgeheissen und die Kosten so verlegt werden, wie wenn das Verfahren rechtzeitig abgeschrieben worden wäre.
 
D.
 
Die Einwohnergemeinde X.________ erhebt durch ihre Vormundschaftsbehörde staatsrechtliche Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Obergerichts sowie gegen den Kostenentscheid insoweit, als ihr Kosten auferlegt worden sind und beantragt in diesem Umfang dessen Aufhebung. Der Beschwerdegegner hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Der angefochtene Entscheid ist an sich berufungsfähig, weil damit materiellrechtlich über die negative Feststellungsklage des Beschwerdegegners entschieden wurde, welche eine Zivilrechtsstreitigkeit betrifft (Art. 46 OG; BGE 132 III 89 E. 1.2 S. 93). Allerdings beträgt die in Betreibung gesetzte Forderung, deren Nichtbestehen klageweise behauptet wurde, lediglich Fr. 4'984.-- nebst Zins und Zahlungsbefehlskosten, so dass der gemäss Art. 46 OG für die Berufung erforderliche Streitwert von Fr. 8'000.-- nicht erreicht wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde zulässig (Art. 84 Abs. 2 OG).
 
1.2 Beim angefochtenen Erledigungsbeschluss handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid gemäss Art. 84 Abs. 1 OG.
 
1.3 Die Beschwerdeführerin war im kantonalen Verfahren als Partei beteiligt. Da sie als Gemeinde im Umfang der Alimentenbevorschussung in die privatrechtlichen Alimentenforderungen subrogiert (Art. 289 Abs. 2 ZGB), bewegt sie sich beim Alimenteninkasso gegen den Beschwerdegegner auf dem Boden des Privatrechts. Sie kann gegen den kantonalen Nichteintretensentscheid wie eine Privatperson staatsrechtliche Beschwerde mit der Rüge erheben, das Obergericht habe ihre verfassungsmässigen Rechte verletzt. Sie ist insoweit in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88 OG), so dass auch aus dieser Sicht auf die staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden kann.
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin führt aus, sie habe es wegen des sich hinziehenden hängigen Zivilprozesses tatsächlich fälschlicherweise unterlassen, rechtzeitig die Fortsetzung der Betreibung zu verlangen, so dass die Frist nach Art. 88 Abs. 2 SchKG, wonach das Fortsetzungsbegehren binnen eines Jahres nach der Zustellung des Zahlungsbefehls einzureichen sei, abgelaufen sei. Bei dieser Sachlage sei die Betreibung dahingefallen. Das Obergericht habe deshalb mit Recht erkannt, der erstinstanzliche Richter hätte richtigerweise einen Erledigungsbeschluss fällen müssen. Richtig sei auch die Schlussfolgerung des Obergerichts, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf der Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes, was zur Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde führe, soweit darauf eingetreten werden könne. In der Folge sei das Obergericht indessen auf die Beschwerde lediglich im Kosten- und Entschädigungspunkt eingetreten und habe diese gutgeheissen. Auf das eigentliche Hauptbegehren der Beschwerdeführerin, dass nämlich die Feststellung der Nichtschuld der betriebenen Alimente aufzuheben sei, sei das Obergericht nicht eingetreten. Dieses argumentiere rein betreibungsrechtlich, wenn es ausführe, der Beschwerdeführerin mangle es an der Beschwer, weil sie mit dem Dahinfallen der Betreibung ihr Recht, deren Fortsetzung zu verlangen, verwirkt habe. Bei dieser Argumentation lasse das Obergericht die materiellrechtliche Wirkung des Sachurteils vollständig ausser Acht. Es übersehe, dass das Sachurteil bezüglich der Feststellung der Nichtschuld über die dahingefallene Betreibung hinaus volle materielle Rechtskraft erlangt habe und insofern eine res iudicata geschaffen worden sei, die jeder späteren Geltendmachung der von der materiellen Rechtskraft betroffenen Alimente, insbesondere auf dem Wege einer neuen Betreibung entgegenstehe. Wegen des Nichteintretensentscheids sei die Beschwerdeführerin mit einem Anspruchsverlust belastet. Da das Obergericht auf eine ihm frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eingetreten sei, obschon es darüber hätte entscheiden müssen, liege eine formelle Rechtsverweigerung vor. Die Rüge ist begründet.
 
3.
 
Gemäss Art. 85a SchKG kann der Betriebene jederzeit vom Gericht des Betreibungsorts feststellen lassen, dass die Schuld nicht oder nicht mehr besteht oder gestundet ist (Abs. 1). Heisst das Gericht die Klage gut, so hebt es die Betreibung auf oder stellt sie ein (Abs. 3). Der Zweck dieser negativen Feststellungsklage besteht hauptsächlich in der Aufhebung bzw. Einstellung der Betreibung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts setzt sie daher voraus, dass eine Betreibung hängig ist. Es handelt sich dabei um eine Prozessvoraussetzung, die auch noch im Zeitpunkt des Entscheids erfüllt sein muss. Fällt die Betreibung im Verlaufe des Verfahrens dahin, so darf danach kein Urteil über das Feststellungsbegehren mehr ergehen und die Klage ist aus diesem Grund materiell nicht mehr zu prüfen (BGE 127 III 41 E. 4c S. 43; vgl. 125 III 149). Das Obergericht hat daher Art. 85a SchKG nicht willkürlich angewendet, wenn es die negative Feststellungsklage materiell nicht überprüft hat.
 
4.
 
Die Klage nach Art. 85a SchKG weist indessen eine Doppelnatur auf. Sie bezweckt als materiellrechtliche Klage auch die Feststellung der Nichtschuld bzw. der Stundung (Art. 85a Abs. 1 SchKG; BGE 125 III 149 E. 2c S. 151; 127 III 41 E. 4a S. 43; 132 III 89 E. 1.1 S. 92). Hat das Gericht den Bestand oder Nichtbestand der Schuld festgestellt, dann wirkt diese Feststellung nicht nur für die Betreibung, in deren Rahmen die Klage eingereicht wurde, sondern sie hat wie ausgeführt materielle Wirkung auch auf zukünftige Betreibungen und tritt in volle Rechtskraft (BBl 1991 III 70; Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., § 4 N. 48 und 49). Das Obergericht durfte deshalb die erstinstanzliche Feststellung, dass die Schuld von Fr. 4'984.-- nebst Zins und Kosten nicht bestehe, nicht in der Meinung bestehen lassen, das Interesse an deren Feststellung sei mit dem Dahinfallen der Betreibung ebenfalls dahingefallen. Vielmehr würde diese Feststellung in volle Rechtskraft erwachsen, wenn sie im vorliegenden Verfahren nicht beseitigt würde. Indem das Obergericht die erstinstanzliche Feststellung bestehen liess, hat es eine formelle Rechtsverweigerung begangen (Art. 29 Abs. 2 BV). Es hätte die Nichtigkeitsbeschwerde vielmehr gutheissen und dafür sorgen müssen, dass die Feststellung (ohne Prüfung der Begründetheit) aufgehoben wird. Diese Folge kann je nach kantonalem Verfahrensrecht erreicht werden, indem das Obergericht die erstinstanzliche Feststellung selber aufhebt und die Feststellungsklage als gegenstandslos geworden abschreibt oder indem es die Sache zur Ausfällung eines Abschreibungsbeschlusses zurückweist. Wegen der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde ist dieser Frage nicht weiter nachzugehen. Es genügt vielmehr, den angefochtenen Entscheid gemäss Rechtsbegehren im anbegehrten Umfang aufzuheben.
 
5.
 
Die Gerichtskosten werden in der Regel der vor Bundesgericht unterliegenden Partei auferlegt (Art. 156 Abs. 1 OG). Der obsiegenden Gemeinde sind daher keine Verfahrenskosten aufzuerlegen. Dem Beschwerdegegner können keine Kosten auferlegt werden, weil er auf einen Antrag verzichtet hat und dem Kanton Zürich ebenso wenig, weil er ohne eigene Vermögensinteressen entschieden hat (Art. 156 Abs. 2 OG). Die Verfahrenskosten sind daher auf die Gerichtskasse zu nehmen. Der nicht durch einen Anwalt vertretenen Beschwerdeführerin ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und Ziffer 1 des Beschlusses des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Juni 2006, soweit auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht eingetreten wird, sowie Ziffer 3 werden aufgehoben.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. November 2006
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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