BGer 5P.439/2006 | |||
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BGer 5P.439/2006 vom 27.11.2006 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5P.439/2006 /fco
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Urteil vom 27. November 2006
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II. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
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Gerichtsschreiber Zbinden.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Präsident des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
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Gegenstand
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Art. 9 BV (Entschädigung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
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vom 21. September 2006.
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Sachverhalt:
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A.
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Im Scheidungsverfahren der Eheleute Y.________ wurde der Beklagten, G.Y.________, die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und ein amtlicher Rechtsbeistand in der Person von Rechtsanwalt X.________ bestellt.
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B.
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Am 19. Juni 2006 reichte Rechtsanwalt X.________ beim Obergericht des Kantons Aargau seine Kostennote für das erstinstanzliche Verfahren ein. Der Präsident des Obergerichts des Kantons Aargau wies mit Verfügung vom 21. September 2006 die Obergerichtskasse gestützt auf § 12 Abs. 1 Anwaltstarif an, Rechtsanwalt X.________ für das erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 15'017.45 (inkl. Barauslagen von Fr. 778.50 und MWSt von Fr. 1'060.70) auszurichten, womit eine Kürzung des unbestrittenen Honorars von Fr. 26'356.50 um die Hälfte erfolgte.
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C.
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Rechtsanwalt X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV mit dem Antrag, die Verfügung des Präsidenten des Obergerichts des Kantons Aargau vom 21. September 2006 aufzuheben.
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Der Präsident des Obergerichts hat auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer erachtet die Festsetzung seines Honorars als willkürlich; er ist damit in seinen rechtlichen Interessen betroffen und insoweit zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG; BGE 131 V 153 E. 1 S. 155).
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2.
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2.1 Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, nach dem unbestreitbar zur Entlastung der Staatskasse erlassenen § 12a Abs. 2 des aargauischen Dekretes über die Entschädigung der Anwälte (AnwT; SAR 291.150) könne die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters bei hohem Streitwert bis zur Hälfte herabgesetzt werden, wobei ein hoher Streitwert nach unbestrittener Auffassung des Präsidenten bei einem Betrag von mehr als Fr. 100'000.-- gegeben sei. Im konkreten Fall liege der Streitwert des erstinstanzlichen Scheidungsverfahrens deutlich über diesem "Grenzwert". Nach dem klaren Wortlaut von § 12a Abs. 2 AnwT könne das Honorar indes bei einem Streitwert von weniger als Fr. 100'000.-- nicht gekürzt werden; die gegenteilige, dem klaren Wortlaut von § 12a Abs. 2 AnwT widersprechende Auffassung des Präsidenten sei somit willkürlich. Werde die besagte Bestimmung verfassungskonform ausgelegt, führe die volle Kürzung seines Honorars um 50% im Ergebnis dazu, dass bei einem hohen Streitwert ein geringeres Honorar resultiere, als dies bei einem Fr. 100'000.-- unterschreitenden und damit eine Kürzung ausschliessenden Streitwert der Fall wäre. Bereits aus diesem Grund sei die angefochtene Verfügung als willkürlich aufzuheben (Beschwerde, act. 1, S. 5-8 Ziff. 3).
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2.2 Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 129 I 173 E. 3.1, mit Hinweisen).
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Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen ausgelegt werden (BGE 127 V 1 E. 4a S. 5, 88 E. 1d S. 92; 125 II 206 E. 4a S. 208; 124 III 259 E. 3a S. 262). Ist der Wortlaut einer Vorschrift klar und unzweideutig, so ist die rechtsanwendende Behörde daran gebunden, sofern nicht triftige Gründe zur Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt (BGE 124 II 265 E. 3a S. 268; 118 Ib 187 E. 5a S. 191; 113 Ia 12 E. 3c S. 14, 437 E. 3 S. 444). Weicht sie vom klaren Wortlaut ab, ohne dass solche Gründe vorliegen, handelt sie willkürlich (BGE 113 Ia 12 E. 3c S. 14; 115 Ia 120 E. 2d S. 123; 119 Ia 433 E. 4 S. 439; 125 I 164 E. 3c).
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2.3 Der Präsident hat das Honorar von Fr. 26'356.50 gestützt auf § 12a Abs. 2 AnwT um 50% auf Fr. 13'178.25 gekürzt. Er begründet dies mit der Rechtsprechung zu alt § 10 Abs. 2 AnwT, wonach eine Kürzung des Honorars nicht nur bei einem hohen Streitwert von Fr. 88'000.-- vorgenommen worden sei, vielmehr die untere zu einer Kürzung berechtigende Grenze praxisgemäss Fr. 22'000.-- betragen habe und ab Fr. 88'000.-- regelmässig die maximale Kürzung des Honorars erfolgt sei (act. 2 E. 2.1; AGVE 1997 Nr. 34; 1996 Nr. 28; siehe dazu auch Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, N. 4 zu § 131 ZPO). An dieser Praxis ist nach Ansicht des Präsidenten festzuhalten, nachdem die Kostenersparnis als erklärtes Ziel der Revision gegolten habe und deshalb weitere Kürzungsmöglichkeiten in den Tarif "eingebaut" worden seien.
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Diese Argumentation lässt indes unerwähnt, dass nach alt § 10 Abs. 2 AnwT die Entschädigung an den unentgeltlichen Rechtsvertreter "namentlich bei hohem Streitwert" um einen Drittel herabgesetzt werden konnte (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N. 4 zu § 131 ZPO). Abweichend davon sieht der geltende § 12a Abs. 2 AnwT vor, dass die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters bei "hohem Streitwert" bis auf die Hälfte herabgesetzt werden kann. Weder Sinn noch Zweck der Norm lassen erkennen, dass die Bestimmung nicht ihrem klaren Wortlaut entsprechend auszulegen wäre. Nach der geltenden Regelung ist eine Kürzung somit ausschliesslich bei hohem Streitwert möglich. Der Präsident geht überdies aufgrund der Materialien unwidersprochen davon aus, dass ab einem Betrag von ca. Fr. 100'000.-- von einem hohen Streitwert auszugehen ist. Aufgrund des klaren Wortlautes von § 12a Abs. 2 AnwT und der anhand der Materialien ermittelten Streitwertgrenze von Fr. 100'000.-- lässt sich nicht ohne Willkür vertreten, dass eine Kürzung des Honorars bereits ab einem Streitwert von Fr. 22'000.-- und ab dem Betrag von Fr. 100'000.-- gar die volle Kürzung von 50% vorgenommen werden könne. Die ausgerechnet damit begründete volle Kürzung um 50% beruht auf willkürlicher Auslegung der massgebenden Bestimmung, entbehrt damit einer haltbaren Begründung und erweist sich folglich als willkürlich, auch wenn der konkrete Streitwert von Fr. 120'000.-- über der besagten Streitwertgrenze liegt.
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3.
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Die staatsrechtliche Beschwerde ist gutzuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben. Damit erübrigt es sich, auf die weiteren Rügen einzugehen (act. 1, S. 9 ff. 4 Ziff. 4). Dem Kanton Aargau sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG), doch hat er den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Präsidenten des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, vom 21. September 2006 wird aufgehoben.
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2.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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3.
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Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
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4.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Präsidenten des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 27. November 2006
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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