VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer P 4/2006  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer P 4/2006 vom 07.12.2006
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess {T 7}
 
P 4/06
 
Urteil vom 7. Dezember 2006
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Schmutz
 
Parteien
 
L.________ und S.________, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt, Grenzacher-strasse 62, Beschwerdegegner
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
 
(Entscheid vom 10. August 2005)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
L.________, geboren 1960, bezog seit 1. Juni 1999 bis 30. April 2001 eine ganze und ab 1. Mai 2001 eine halbe Invalidenrente. Mit Verfügung vom 18. Februar 2003 sprach ihm das Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt auf Grund der am 1. Februar 2000 eingereichten Anmeldung rückwirkend ab 1. Mai 2001 Ergänzungsleistungen zu. Die Nachzahlung für die Zeit von Mai 2001 bis Februar 2003 betrug Fr. 12'310.- und der Anspruch ab Februar 2003 monatlich Fr. 729.-.
 
Mit Schreiben vom 26. März 2003 teilte die PAX, Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: PAX) mit, sie gewähre L.________ im Auftrag der beruflichen Vorsorgeeinrichtung infolge Erwerbsunfähigkeit eine Komplementärrente von Fr. 278.05 pro Monat; der für die Periode vom 1. Mai 2001 bis 30. April 2003 auszuzahlende Betrag belaufe sich auf Fr. 6673.-. Auf schriftliche Aufforderung des Amtes für Sozialbeiträge vom 12. Februar 2004, den Bescheid der Pensionskasse und einen Beleg, aus dem der Anspruch für das aktuelle Kalenderjahr ersichtlich sei einzureichen, um den Anspruch auf Ergänzungsleistungen und kantonale Beihilfen zur AHV/IV-Rente neu berechnen zu können, stellte das Ehepaar L.________ und S.________ der Behörde am 24. März 2004 das Schreiben der PAX vom 26. März 2003 zu.
 
Mit Verfügung vom 15. April 2004 forderte das Amt für Sozialbeiträge das Ehepaar L.________ und S.________ zur Rückerstattung von seit Mai 2001 ausgerichteten Ergänzungsleistungen/kantonalen Beihilfen auf, was es damit begründete, die Rente der PAX werde rückwirkend ab Mai 2001 in die Berechnung der Ergänzungsleistung einbezogen und ab Januar 2003 erfolge eine Anpassung an das Erwerbseinkommen (der Ehefrau) sowie ab Januar 2004 eine solche an die Rente der PAX. Dies ergebe für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis 20. April 2004 einen Anspruch von insgesamt Fr. 10'332.-. Bei einem bereits ausbezahlten Betrag von Fr. 22'732.- belaufe sich das Total der Rückforderung auf Fr. 12'400.-. Daran hielt es mit Einspracheentscheid vom 29. Juli 2004 fest.
 
B.
 
Die gegen die Rückforderung erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 10. August 2005 ab. Dabei sah es die Voraussetzungen für einen Erlass der Rückforderung für nicht gegeben an.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde und ergänzender Eingabe vom 18. Januar 2006 erneuern L.________ und S._______ sinngemäss den vorinstanzlich gestellten Antrag, es sei festzustellen, dass sie dem Amt für Sozialbeiträge nichts schuldeten.
 
Das Amt für Sozialbeiträge und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur soweit eingetreten werden, als bundesrechtliche Ergänzungsleistungen streitig sind. Zusatzleistungen (Beihilfen und Gemeindezuschüsse) nach kantonalem Recht fallen somit ausser Betracht (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis; nicht veröffentlichte Erw. 1 des in BGE 130 V 407 publizierten Urteils N. vom 13. Juli 2004, P 22/04).
 
2.
 
Der Frage, ob im Zusammenhang mit der Rückerstattung von zu Unrecht bezogenen Leistungen Art. 25 ATSG anzuwenden ist, wenn der Einspracheentscheid nach dem In-Kraft-Treten des ATSG (auf den 1. Januar 2003) ergangen ist (hier: am 29. Juli 2004), die Rückerstattung aber vor - bzw. vor und nach - dem 1. Januar 2003 gewährte Leistungen betrifft (hier: für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis 20. April 2004), kommt insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung zu, als die nach dem ATSG für die Rückerstattung massgeblichen Grundsätze aus der früheren Regelung und Rechtsprechung hervorgegangen sind (BGE 130 V 318 Erw. 5).
 
3.
 
Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 131 V 164 Erw. 2.1, 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw. 1b, je mit Hinweisen).
 
3.1 Was die Berechnung der am 15. April 2004 verfügten Rückforderung betrifft, so ist sie vor- und letztinstanzlich nicht umstritten. Für das kantonale Gericht ist sie auf Grund der Akten nachvollziehbar. Auch nicht umstritten sind die jeweilige Höhe und die zeitliche Staffelung des korrigierten Leistungsanspruches. Der vorinstanzliche Entscheid ist in diesem Punkt - soweit es um die Rückforderung von bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen und nicht von Zusatzleistungen nach kantonalem Recht geht (vgl. oben Erw. 1) - zu bestätigen.
 
3.2 Hingegen ist über den Erlass der Rückforderung bislang noch nicht verfügt worden. Darum fehlt es diesbezüglich an einer Anfechtungsgrundlage und das kantonale Gericht hat darüber zu Unrecht bereits geurteilt. Gemäss Art. 3 Abs. 2 ATSV hat der Versicherer in der Rückforderungsverfügung auf die Möglichkeit des Erlasses hinzuweisen, was vorliegend geschehen ist. Nach Absatz 3 von Artikel 3 ATSV verfügt er den Verzicht auf die Rückforderung, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen für den Erlass gegeben sind. Auf diese Verzichtsmöglichkeit hat denn auch der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer in der Beschwerde an das kantonale Gericht hingewiesen. In den übrigen Fällen ist spätestens 30 Tage nach Eintritt der Rechtskraft der Rückforderungsverfügung ein schriftliches und begründetes Gesuch um Erlass der Rückerstattung zu stellen (Art. 4 Abs. 4 ATSV), worauf über den Erlass zu verfügen ist (Art. 4 Abs. 5 ATSV). Die vorliegende Rückforderungsverfügung wird erst mit dem letztinstanzlichen Entscheid rechtskräftig; ein schriftliches Erlassgesuch ist nach dem Stand der Akten (noch) nicht eingereicht worden und es liegt auch keine Verfügung darüber vor. Darum ist der vorinstanzliche Entscheid in diesem Punkt zu korrigieren.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 10. August 2005 wird insoweit abgeändert, als festgestellt wird, dass das Gericht zu Unrecht bereits über den Erlass der am 15. April 2004 verfügten Rückforderung von Fr. 12'400.- geurteilt hat.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
 
Luzern, 7. Dezember 2006
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).