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Informationen zum Dokument  BGer 5C.209/2006  Materielle Begründung
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BGer 5C.209/2006 vom 31.01.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5C.209/2006 /sat
 
Urteil vom 31. Januar 2007
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
 
Gerichtsschreiber Schett.
 
Parteien
 
X.________,
 
Klägerin und Berufungsklägerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Hadrian Meister,
 
gegen
 
Bank Z.________,
 
Beklagte und Berufungsbeklagte,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Känzig,
 
Gegenstand
 
Eigentumsansprache,
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 13. Juni 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Bank Z.________ erwirkte am 7. Dezember 1995 beim Obergericht des Kantons Zürich für eine Forderung gegenüber Y.________ über Fr. 9'188'000.-- zuzüglich Zins zu 5% seit 9. November 1984 einen Arrest auf verschiedenen Vermögenswerten. Der Arrestvollzug erfolgte am 28. Dezember 1995. Darunter fallen insbesondere 14 Gemälde verschiedener Künstler im Schätzungswert von total Fr. 192'500.--, welche nunmehr in einem Safe bei der Bank V.________ gelagert sind. Die von Y.________ daraufhin eingereichte Arrestaufhebungsklage wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 6. Dezember 2002 abgewiesen. In der Prosekutionsbetreibung des Betreibungsamtes Zürich I gegen Y.________ wurde der Bank Z.________ am 9. März 2004 gestützt auf zwei bundesgerichtliche Urteile aus dem Jahre 2002 die definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 9'188'000.-- zuzüglich Zins zu 5% seit 9. November 1984 erteilt.
 
B.
 
Bereits am 22. Januar 1999 pfändete das Betreibungsamt Zürich I in einer von W.________ gegen Y.________ angehobenen Betreibung die 14 verarrestierten Gemälde. Der Schätzungswert der Gemälde wurde neu auf Fr. 385'000.-- festgelegt. Der Bank Z.________ wurde gleichzeitig der provisorische Pfändungsanschluss gewährt. In der von ihr angehobenen Prosekutionsbetreibung gegen Y.________ erfolgte am 15. Juli 2004 die definitive Pfändung.
 
C.
 
Am 23. März 2004 wandte sich X.________ an das Betreibungsamt Zürich I und machte ihr Eigentum an 13 der 14 gepfändeten Gemälde geltend. Sie trug vor, die auf beigelegter Liste genannten Gemälde im September 1994 von Y.________ gekauft zu haben. Am 11. Mai 2004 reichte sie einen Kaufvertrag vom 1. September 1994 nach, woraus hervorgeht, dass sie die Gemälde von Y.________ damals für insgesamt Fr. 275'000.-- erworben hatte, welcher Betrag mit seinen Schulden in gleicher Höhe verrechnet worden war. Die Bank Z.________ bestritt die Eigentumsansprache, worauf das Betreibungsamt Zürich X.________ Frist zur Klage nach Art. 107 SchKG ansetzte.
 
D.
 
Am 22. Juli 2004 erhob X.________ vor dem Bezirksgericht Zürich Widerspruchsklage gegen die Bank Z.________, welche der Einzelrichter am 1. September 2005 abwies. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Klage von X.________ mit Urteil vom 13. Juni 2006 ebenfalls ab und legte den Umfang der Pfandhaft in der gegen Y.________ laufenden Betreibung fest. Es kam zum Schluss, dass das Zuwarten von X.________ mit der Eigentumsansprache offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei.
 
E.
 
X.________ ist mit Berufung vom 21. August 2006 an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragt, das obergerichtliche Urteil vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Durchführung des Beweisverfahrens und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei ihre Klage gutzuheissen und festzustellen, dass die von ihr näher umschriebenen Gegenstände ihr alleiniges Eigentum bildeten und daher aus der Pfandhaft zu entlassen seien. Das zuständige Betreibungsamt sei richterlich anzuweisen, ihr diese Gegenstände auf erstes Verlangen herauszugeben.
 
Die Bank Z.________ schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Das angefochtene Urteil ist vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) ergangen, womit die Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes (aOG) weiterhin anzuwenden sind (Art. 132 Abs. 1 BGG).
 
1.2 Die Widerspruchsklage nach Art. 107 SchKG beschlägt eine betreibungsrechtliche Streitigkeit mit Reflexwirkung auf das materielle Recht. Sie wird im Hinblick auf die Berufung an das Bundesgericht wie eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit behandelt. Die gesetzliche Streitwertgrenze ist erreicht (Art. 46 aOG). Die Berufung richtet sich gegen den Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts (Art. 48 Abs. 1 aOG). Sie erweist sich damit als zulässig.
 
2.
 
Die Vorinstanz stellte für das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 63 Abs. 2 aOG), dass die Klägerin von der im Dezember 1995 erfolgten Arrestlegung auf den von ihr als Eigentum angesprochenen Gemälden von Anfang an Kenntnis hatte. Die Klägerin habe selber ausgeführt, dass der Beschlag in der von ihr und Y.________ damals gemeinsam bewohnten Wohnung in A.________ stattgefunden habe. Zudem habe sie anerkannt, dass sie ohne weiteres bereits zu diesem Zeitpunkt eine Eigentumsansprache hätte erheben können. Einzig auf Empfehlung ihres Rechtsanwaltes habe sie damals noch nichts unternommen. Dieser habe ihr geraten, nichts gegen den Arrestbeschlag vorzukehren, da sich der Arrestschuldner selber wehren werde und sie ihr Eigentum an den Gemälden noch im Pfändungsverfahren werde geltend machen können.
 
Das Verhalten der Klägerin ist nach Ansicht der Vorinstanz offensichtlich rechtsmissbräuchlich im Sinne der Rechtsprechung. Es führe dazu, dass die Beklagte sich nach einem über zehnjährigen Verfahren noch immer nicht aus den Arrestgegenständen befriedigen könne, sondern sich jetzt noch auf einen Prozess mit der Klägerin einlassen müsse, in dem es allenfalls zu einem ausgedehnten und aufgrund des Zeitablaufs nicht ganz einfachen Beweisverfahren mit internationalem Bezug kommen könnte. Falls die Klägerin von ihrem damaligen Anwalt tatsächlich im behaupteten Sinne beraten worden war, erweise sich dessen Ratschlag als qualifiziert falsch und sei ihr anzurechnen, da sie nicht besser gestellt werden dürfe als jemand, der aufgrund eigenen Wissens gehandelt habe. Zudem erscheine das Zuwarten der Klägerin selbst bei Vorliegen einer solchen Auskunft nicht in milderem Licht, da es nicht um eine Verzögerung um Wochen oder Monate, sondern um ganze neun Jahre gehe.
 
3.
 
Die Klägerin bringt vor, gemäss Art. 106 Abs. 2 SchKG könne sie ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung der gepfändeten Gegenstände nicht verteilt sei. Das Bundesgericht habe in seiner bisherigen Rechtsprechung keine Verwirkungsfrist im Falle einer verzögerten Drittansprache angenommen, sondern einzig gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB bei Vorliegen eines offensichtlichen Rechtsmissbrauchs auf den Verlust der Rechte des Ansprechers geschlossen. Der Hinweis der Vorinstanz auf die bald zehn Jahre dauernde Auseinandersetzung zwischen Gläubigerin und Schuldner betreffe sie nicht und sei von ihr nicht zu verantworten. Der Bestand des Arrestes sei zudem erst festgestanden, nachdem die Forderung der Gläubiger geklärt worden sei. Hätte der Schuldner obsiegt, so wäre der Arrest dahingefallen, ohne dass sie einen zusätzlichen Prozess hätte anheben müssen. Daher sei ihr Zuwarten nicht rechtsmissbräuchlich, sondern durch die Umstände gerechtfertigt.
 
4.
 
4.1 Das Widerspruchsverfahren dient der Klärung von Ansprüchen Dritter an gepfändeten Gegenständen (Art. 106 Abs. 1 SchKG; BGE 119 III 22 E. 4). Die Geltendmachung von Drittansprachen ist an keine formelle Frist gebunden. Sie können angemeldet werden, solange der Erlös des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist (Art. 106 Abs. 2 SchKG). Diese Regel gilt auch im Falle des Arrestvollzugs (Art. 275 SchKG). Gemäss der bereits vor der Revision des Zwangsvollstreckungsrechts herausgebildeten Praxis des Bundesgerichts sind Rechte Dritter an gepfändeten oder verarrestierten Gegenständen dem Grundsatz von Treu und Glauben folgend innert nützlicher Frist geltend zu machen, ansonsten sie verwirken. Der Gläubiger soll frühzeitig wissen, dass seine Rechte im Betreibungsverfahren berührt sein könnten. Auf diese Weise soll er sich unnötige Kosten für die Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens ersparen und gegebenenfalls einen neuen Arrest oder eine Ergänzungspfändung erwirken können (BGE 120 III 123 E. 2a; 114 III 92 E. 1a). Der Dritte ist daher erst gehalten, wenn er von der Pfändung oder dem Arrestbeschlag Kenntnis erhält, seine Ansprüche anzumelden (BGE 112 III 59 E. 1). Allerdings muss rechtskräftig feststehen, dass der Arrest zulässig gewesen war oder dass die fraglichen Vermögenswerte gemäss Art. 92 SchKG pfändbar sind (BGE 114 III 92 E. 1c; 112 III 59 E. 2). Daraus folgt insbesondere auch, dass sich der Dritte bereits gegen den Arrestbeschlag wehren muss und seine Rechte nicht erst im Stadium der (allfälligen) Prosekutionspfändung anmelden kann. Eine gegenteilige Regelung ist überdies im Rahmen der Revision des Zwangsvollstreckungsrechts im Jahre 1991 klar abgelehnt worden. Die bisherige Praxis des Bundesgerichts trägt nach Ansicht des Gesetzgebers den Interessen beider Seiten genügend Rechnung (Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 8. Mai 1991, BBl 1991 III S. 169).
 
4.2 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin bereits Ende 1995 von der Verarrestierung der von ihr als Eigentum angesprochenen Gemälde Kenntnis hatte. Gemäss ihren eigenen Angaben wohnte sie zum massgeblichen Zeitpunkt sogar mit dem Schuldner in der Wohnung in A.________, wo sich die strittigen Gemälde damals befanden. Zwar lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, wann die Klägerin Kenntnis erhielt, dass das Obergericht des Kantons Zürich die Arrestaufhebungsklage von Y.________ am 6. Dezember 2002 abgewiesen hatte. Sie war indes - wiederum gemäss den eigenen Angaben - über die vielfachen Verfahren zwischen Y.________ und der Beklagten durchaus im Bilde. Sie anerkannte im kantonalen Verfahren sogar, dass ihr die Geltendmachung der Eigentumsansprache bereits im Arrestaufhebungsverfahren durchaus möglich gewesen wäre.
 
4.3 In welchem Zeitraum eine Drittansprache zu erfolgen hat, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (BGE 120 III 123 E. 2a). Es ist daher nicht allein auf den Zeitablauf abzustellen, sondern auch den Gründen Rechnung getragen, welche ein Zuwarten gegebenenfalls erklären können. Die Klägerin stellt sich in diesem Zusammenhang einerseits auf den Standpunkt, dass sie mit ihrer Eigentumsansprache auf jeden Fall bis zur Pfändung habe warten dürfen und die vorangehende Arrestlegung sie nicht betreffe. Damit übergeht sie die geltende Rechtsprechung, ohne sich mit den Gründen auseinander zu setzen, welche dazu geführt haben. Zudem scheint sie der Ansicht zu sein, den Zeitpunkt der Eigentumsansprache auf jeden Fall im Rahmen von Art. 106 Abs. 2 SchKG frei wählen zu können. Dass ihr Verhalten am Grundsatz von Treu und Glauben gemessen wird und sie auch ohne formelle Frist ihre Rechte innert einem nützlichem Zeitraum wahren muss, lässt sie mit dieser Haltung ausser Acht. Die Klägerin hat bereits im kantonalen Verfahren keinen einzigen konkreten Grund vorgebracht, der ihr Zuwarten mit der Eigentumsansprache rechtfertigen könnte. Im Gegenteil, sie hat mit der Anmeldung ihrer Rechte - wie bereits erwähnt - bewusst zugewartet. Damit erweist sich ihr Verhalten als offensichtlich rechtsmissbräuchlich und die Eigentumsansprache damit als verwirkt. Der Hinweis der Klägerin auf die behauptete Beratung durch ihren damaligen Anwalt ändert daran nichts. Selbst wenn er ihr die behauptete falsche Belehrung tatsächlich erteilt haben und die Klägerin einzig gestützt darauf zugewartet haben sollte, was nicht erstellt ist, würde dieser Umstand ihr Verhalten noch nicht als entschuldbar erscheinen lassen. Wie die Vorinstanz im angefochtenen Urteil zu Recht ausgeführt hat, würde andernfalls besser gestellt, wer sich auf falsche Ratschläge stützt, statt aufgrund eigener unzutreffender Beurteilung zu handeln.
 
5.
 
Nach dem Gesagten ist der Berufung kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt die Klägerin die Verfahrenskosten und schuldet der Beklagten eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 aOG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
 
3.
 
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 31. Januar 2007
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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