BGer 6P.248/2006 | |||
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BGer 6P.248/2006 vom 01.02.2007 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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6P.248/2006
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6S.578/2006 /rom
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Urteil vom 1. Februar 2007
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Kassationshof
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, Präsident,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
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Gerichtsschreiber Willisegger.
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Parteien
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X.________,
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Y.________,
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Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Baumgartner und Rechtsanwalt Thomas Sprenger,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich,
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Bezirksgericht Bülach Einzelrichterin in Strafsachen, Spitalstrasse 13, 8180 Bülach.
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Gegenstand
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6P.248/2006
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Strafverfahren; Willkür, Treu und Glauben (Art. 9 BV), rechtliches Gehör (Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 29 Abs. 2 BV),
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6S.578/2006
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Beschlagnahme geheimer Unterlagen,
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Staatsrechtliche Beschwerde (6P.248/2006) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.578/2006) gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Bülach, Einzelrichterin in Strafsachen, vom 8. November 2006.
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Es wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
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1.
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1.1 In einer gegen die Organe der in Konkurs gegangenen Firma A.________ geführten Strafuntersuchung wurden am 18. Juni 2002 (bis 23. Juni 2002) in verschiedenen Räumlichkeiten der Y.________, der Firma B.________ und der Firma C.________ (beide heute: X.________) Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei wurden Akten und Daten sichergestellt, bei denen die Untersuchungsbehörde aufgrund einer Sichtung vor Ort von einem Zusammenhang mit den in der Strafuntersuchung abzuklärenden Sachverhalten ausging. Bei denselben Bankinstituten wurden im Verlaufe der Jahre 2002 und 2003 mittels Editionsverfügungen Serverdaten angefordert und durch die Institute auf Datenträgern zur Sichtung bereitgestellt.
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Nachdem die Bankinstitute zunächst die Versiegelung verlangt hatten, stimmten sie später zu, dass die Akten gesichtet und triagiert würden. Eine Teilmasse, welche von den Untersuchungsbehörden als irrelevant betrachtet wurde, konnte so den Banken zurückgegeben werden. Bei einem weiteren Teil der Akten erklärten sich die Banken einverstanden, dass diese zu den Untersuchungsakten genommen würden. Eine letzte von der Untersuchungsbehörde als relevant erachtete Teilmasse, welche die Banken aber nicht freigeben wollten, wurde weiterhin als versiegelt betrachtet.
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1.2 Am 28. November 2005 verfügte die Staatsanwaltschaft, dass die "Akten E3.7 - E3.36" (keine Versiegelung beansprucht) und die Akten "E4.1 - E4.24" (Versiegelung beansprucht) beschlagnahmt würden. Zugleich stellte die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Bülach für letztere das Entsiegelungsgesuch.
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Das Bezirksgericht Bülach bewilligte am 3. März 2006 die Entsiegelung und den Beizug zu den Untersuchungsakten. Einen Rekurs hiegegen wies das Obergericht (III. Strafkammer) des Kantons Zürich am 2. Juni 2006 ab, soweit es darauf eintrat. Von Amtes wegen fasste das Obergericht das Dispositiv des angefochtenen Beschlusses wie folgt: "Der Untersuchungsbehörde wird die Durchsuchung der Akten bewilligt." Das Obergericht führte zur Begründung aus, ein Entsiegelungsverfahren sei an sich gar nicht mehr nötig, da die Akten bereits durchsucht worden seien (vgl. BGE 114 Ib 357). Ob auf Grund der entsprechenden Zusicherung der Untersuchungsbehörde, die nicht freigegebenen Akten würden versiegelt bleiben, hier etwas anderes gelte, brauche nicht entschieden zu werden. Die Entsiegelung wäre nämlich zu bewilligen. Der Richter habe nur zu entscheiden, ob der Untersuchungsbehörde zu gestatten sei, die versiegelten Akten auf ihre Beweiseignung zu durchsuchen, was zu verweigern wäre, wenn konkrete Anhaltspunkte bestünden, dass die versiegelten Papiere für die Untersuchung ohne Belang seien; das aber sei nicht der Fall. Durch den Richter selbst sei die Durchsuchung nur vorzunehmen, wenn unter den Papieren sich solche befinden könnten, die von einem Berufsgeheimnis gedeckt seien. Das Bankgeheimnis begründe indessen kein Zeugnisverweigerungsrecht und damit auch kein Beschlagnahmeverbot. Nicht Sache des Richters sei es, über die Beweiseignung der Dokumente und deren Eingliederung in die Akten zu befinden; darum sei im Dispositiv des Beschlusses des Bezirksgerichts Bülach lediglich die Durchsicht zu bewilligen, hingegen wegzulassen, dass die Dokumente zu den Akten genommen würden.
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1.3 Mit Verfügung vom 26. Juli 2006 wurde in der Folge von der Staatsanwaltschaft erneut angeordnet, die Akten der X.________ und der Y.________ würden beschlagnahmt und zu den Untersuchungsakten genommen. Einen Rekurs gegen diese Beschlagnahmeverfügung wies die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirkes Bülach am 8. November 2006 ab, soweit sie darauf eintrat. Sie führte zur Begründung aus, die fraglichen Akten seien bereits mit Verfügung vom 28. November 2005 beschlagnahmt worden. Einer weiteren Beschlagnahmeverfügung habe es nicht mehr bedurft, so dass die Überprüfung der Rechtmässigkeit der Verfügung vom 26. Juli 2006 obsolet sei.
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2.
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2.1 Die X.________ und die Y.________ haben gegen den Entscheid der Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirkes Bülach vom 8. November 2006 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde erhoben.
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2.2 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG bzw. nach BStP (Art. 132 Abs. 1 BGG). Das erstgenannte Rechtsmittel ist offensichtlich unzulässig, das zweitgenannte offensichtlich unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Über beide Rechtsmittel ist deshalb im vereinfachten Verfahren mit lediglich summarischer Begründung zu entscheiden (Art. 36a OG).
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2.3 Mit der Nichtigkeitsbeschwerde machen die Beschwerdeführerinnen geltend, die Einzelrichterin gehe davon aus, dass die Beschlagnahmeverfügung vom 28. November 2005 in materielle Rechtskraft erwachsen sei. Ob dies zutreffe, sei als Frage des Bundesrechts mit Nichtigkeitsbeschwerde zu rügen. Allerdings ist die materielle Rechtskraft, das heisst die Verbindlichkeit eines Urteils für spätere Prozesse, eine Frage des Bundesrechts nur, sofern der zu beurteilende Anspruch auf Bundesrecht beruht (BGE 121 III 474 E. 2). Der Entscheid über die Aktenbeschlagnahme gründet nicht im materiellen Strafrecht des Bundes, sondern im kantonalen Strafprozessrecht. Schon darum ist die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, die nur damit begründet werden kann, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 BStP), unzulässig. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde könnte aber auch mangels Legitimation nicht eingetreten werden, da diese in Art. 270 BStP abschliessend geregelt ist (BGE 62 I 55 E. 2; Erhard Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, S. 79 N 222; Gilbert Kolly, Le pourvoi en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral, Bern 2004, S. 19 Ziff. 3.1) und die Beschwerdeführerinnen nicht darunter fallen.
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2.4 Mit der staatsrechtlichen Beschwerde machen die Beschwerdeführerinnen in ähnlicher Weise wie mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend, eine prozessuale Verfügung sei nicht unabänderlich und darum hätte die Einzelrichterin nicht mit der Begründung, dass über die Beschlagnahme schon in der Verfügung vom 28. November 2005 unangefochten entschieden worden sei, die Überprüfung der Beschlagnahmeverfügung vom 26. Juli 2006 verweigern dürfen. Da indessen die Staatsanwaltschaft mit der Verfügung vom 26. Juli 2006 ebenso wie schon in der Verfügung vom 28. November 2005 die Beschlagnahme der Akten angeordnet hat, liegt gar keine Abänderung einer Verfügung vor, sondern eine Bestätigung der ersten durch die zweite, so dass der Einzelrichterin jedenfalls nicht Willkür vorgeworfen werden kann, wenn sie unter solchen Umständen die Frage als bereits entschieden erachtet.
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Die Beschwerdeführerinnen rufen ferner den Grundsatz von Treu und Glauben an (Art. 9 BV) und machen sinngemäss geltend, auf Grund des Entscheides des Obergerichts vom 2. Juni 2006 sei das weitere Vorgehen in dem Sinne verbindlich vorgezeichnet gewesen, dass die Staatsanwaltschaft noch habe darüber befinden müssen, ob die durchsuchten Dokumente zu den Strafakten zu nehmen seien oder nicht. Das ist zwar insofern richtig, als das Obergericht ausgeführt hat, es sei nicht Sache des Gerichtes, sondern der Untersuchungsbehörden, darüber zu befinden, ob die durchsuchten Akten untersuchungsrelevant seien. Aus dieser Erwägung musste die Einzelrichterin aber nicht folgern, dass der Entscheid der Staatsanwaltschaft über die Relevanz der Dokumente erneut der Anfechtung unterliege, zumal das Obergericht gerade ausgeführt hat, dass diese Frage nicht eine solche sei, die das Gericht zu entscheiden habe, weil es sonst die Untersuchung führen würde (Entscheid des Obergerichts vom 2. Juni 2006, S. 20 oben). Die Beschwerdeführerinnen zeigen jedenfalls nicht substantiiert (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) auf, inwiefern die Einzelrichterin das kantonale Strafprozessrecht in diesem Punkt willkürlich ausgelegt hätte.
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Schliesslich ist auch der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) nicht dadurch verletzt, dass die Einzelrichterin den Beschwerdeführerinnen nicht vor dem Entscheid Gelegenheit gab, zu ihrer Rechtsauffassung Stellung zu nehmen. Dass die Einzelrichterin eine weitere Beschlagnahmeverfügung nicht für erforderlich hielt, nachdem eine solche schon zuvor erlassen worden ist, kann nicht als völlig unerwarteter Rechtsstandpunkt qualifiziert werden, der eine vorgängige Anhörung erforderlich gemacht hätte (BGE 124 I 49 E. 3c; 114 Ia 97 E. 2a).
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3.
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Da auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten und die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann, haben die Beschwerdeführerinnen die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP; Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.
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Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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3.
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Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 4'000.-- wird den Beschwerdeführerinnen auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Bülach, Einzelrichterin in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 1. Februar 2007
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Im Namen des Kassationshofes
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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