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Informationen zum Dokument  BGer 2A.763/2006  Materielle Begründung
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BGer 2A.763/2006 vom 20.02.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.763/2006/ble
 
Urteil vom 20. Februar 2007
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
 
Gerichtsschreiberin Dubs.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. René Müller,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Aargau, Postfach,
 
5001 Aarau,
 
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 27. Oktober 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ (geb. 1974), Staatsangehörige von Lettland, heiratete am 30. März 2004 einen Schweizer Bürger. Aufgrund der Heirat wurde ihr eine Aufenthaltsbewilligung (letztmals verlängert bis zum 31. März 2006) zum Verbleib beim Ehemann erteilt.
 
Am 26. August 2005 bewilligte das Migrationsamt des Kantons Aargau den Nachzug des aus erster Ehe stammenden Sohnes (geb. 1995) von X.________. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2005 teilte der schweizerische Ehemann dem Migrationsamt mit, seine Ehefrau habe nur kurz mit ihm in ehelicher Gemeinschaft gelebt. Mit Urteil des Gerichtspräsidiums Kulm vom 7. Dezember 2005 wurde die Ehe X.________-Y.________ gerichtlich getrennt.
 
B.
 
Mit Verfügung vom 21. März 2006 verweigerte das Migrationsamt X.________ die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und wies sie aus dem Kantonsgebiet weg. Dagegen erhob X.________ erfolglos Einsprache. Gegen den Einspracheentscheid beschwerte sie sich sodann beim Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde betreffend unentgeltliche Rechtspflege wies dieses die Sache an das Migrationsamt zurück (Ziff. 1) bzw. gewährte die unentgeltliche Rechtspflege für das Einspracheverfahren (Ziff. 2 und 3), im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Ziff. 2) und verweigerte die unentgeltliche Rechtspflege für das rekursgerichtliche Beschwerdeverfahren (Ziff. 4).
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 13. Dezember 2006 beantragt X.________, den Entscheid des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 27. Oktober 2006 aufzuheben, soweit damit die Beschwerde abgewiesen wurde (Ziff. 2 des Dispositivs), und ihr die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Zudem stellt sie den Antrag, Ziff. 4, 5, 6 und 7 des Dispositivs (betreffend unentgeltliche Rechtspflege und Kostenverlegung) aufzuheben und ihr für das vorinstanzliche sowie das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
 
Das Bundesgericht hat die Akten des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau beigezogen, jedoch keine Vernehmlassungen der kantonalen Behörden eingeholt. Das Bundesamt für Migration schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das neue Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG: RS 173.110) in Kraft getreten. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG ist hier allerdings noch das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) anwendbar, da der angefochtene Entscheid vor Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes ergangen ist.
 
1.2 Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt (BGE 130 II 281 E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen).
 
1.3 Die Beschwerdeführerin lebt zwar getrennt von ihrem Ehegatten, die Ehe besteht aber formell weiterhin. Gemäss Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) besitzt die Beschwerdeführerin somit grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (vgl. BGE 126 II 265 E. 1b S. 266 mit Hinweis).
 
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Lettland. Diese ist seit dem 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union und mit Wirkung ab 1. April 2006 dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten anderseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) beigetreten (AS 2006 S. 995). Die Beschwerdeführerin hätte somit grundsätzlich auch einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung für Familienangehörige gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen (Art. 3 FZA i. V. m. Art. 3 Anhang I zum FZA), sofern ihr Ehemann von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte, was nicht bekannt ist und offen bleiben kann. Das Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Ausgeführten ohnehin zulässig.
 
1.4 Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so ist deren Sachverhaltsfeststellung für das Bundesgericht verbindlich, sofern diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensgarantien erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.
 
2.1 Das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer gilt für Staatsangehörige der Europäischen Gemeinschaft und ihre Familienangehörigen nur so weit, als das Freizügigkeitsabkommen keine abweichende Bestimmung enthält oder dieses Gesetz eine vorteilhaftere Rechtsstellung vorsieht (Art. 1 lit. a ANAG). Das Freizügigkeitsabkommen steht jedoch der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung bei rechtsmissbräuchlicher Berufung auf eine Ehe nicht entgegen (BGE 130 II 113 E. 9 S. 129 ff.). Da die Beschwerdeführerin nicht erwerbstätig ist, auch nicht behauptet, auf der Suche nach einer Erwerbstätigkeit zu sein, und weil sie von der öffentlichen Fürsorge unterstützt wird, fällt zudem ein selbständiges, originäres Aufenthaltsrecht aufgrund des Abkommens zum Vornherein ausser Betracht (vgl. Art. 2, 6, 12 und 24 Anhang I zum FZA). Gleichgültig ob das Freizügigkeitsabkommen angewendet oder auf das innerstaatliche Recht der Schweiz abgestellt wird, ändert sich vorliegend am Ergebnis nichts.
 
2.2 Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers - wie erwähnt - grundsätzlich Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern zu umgehen (Art. 7 Abs. 2 ANAG), sowie bei rechtsmissbräuchlicher Berufung auf eine definitiv gescheiterte Ehe.
 
3. Nach gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich im fremdenpolizeilichen Verfahren auf eine Ehe beruft, welche nur (noch) formell besteht oder aufrecht erhalten wird, mit dem alleinigen Ziel, ihm eine Anwesenheitsberechtigung zu ermöglichen; dieses Ziel wird von Art. 7 ANAG nicht geschützt (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151 mit Hinweisen).
 
Dass die Ehe nur noch formell und ohne Aussicht auf Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft besteht, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und ist bloss durch Indizien zu erstellen (BGE 130 II 113 E. 10.2 S. 135 mit Hinweis). Feststellungen über das Bestehen solcher Indizien können äussere Gegebenheiten, aber auch innere, psychische Vorgänge betreffen (Wille der Ehegatten); es handelt sich so oder anders um tatsächliche Feststellungen, welche für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (oben E. 1.3). Frei zu prüfen ist die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien) darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe bezwecke die Umgehung fremdenpolizeilicher Vorschriften und sei rechtsmissbräuchlich (BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152 mit Hinweisen).
 
4.
 
4.1 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz leben die Ehegatten seit dem 28. August 2005 definitiv getrennt und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ernsthaft beabsichtigen, die Ehe fortzuführen. Hinweise darauf, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder unvollständig wären, sind nicht ersichtlich und gehen namentlich auch nicht aus den Vorbringen der Beschwerdeführerin hervor. Zwar macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz sei fälschlicherweise davon ausgegangen, es sei kein Scheidungsverfahren hängig. Angesichts der gesamten Umstände handelt es sich dabei jedoch nicht um eine entscheidwesentliche Tatsache. Zudem vermag die Beschwerdeführerin daraus ohnehin nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Im Übrigen hat die Vorinstanz offen gelassen und kann auch im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob eine Scheinehe vorliegt, weshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen nicht weiter einzugehen ist. Es ist unbestritten, dass die Eheleute insgesamt bloss wenige Monate in ehelicher Gemeinschaft gelebt haben. Bereits zwei Monate nach ihrer Einreise verliess die Beschwerdeführerin ihren Ehegatten und lebte während einem Jahr getrennt von ihm. Offenbar kam es nochmals zu einem kurzen ehelichen Zusammenleben, als die Beschwerdeführerin ihren Sohn aus erster Ehe im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz holte. Unter den vorliegenden Verhältnissen musste auch der Beschwerdeführerin seit längerer Zeit bewusst sein, dass die Ehe definitiv gescheitert ist. Umstände oder eigene Bemühungen, die darauf schliessen liessen, dass konkret Hoffnung auf Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens bestünde, macht die Beschwerdeführerin jedenfalls keine geltend. Die Gründe, die ein längeres Zusammenleben verhindert bzw. zum Scheitern der Ehe geführt haben, sind dabei nicht von Belang.
 
4.2 Das Verwaltungsgericht geht in seinem Urteil von der dargestellten Rechtsprechung zur missbräuchlichen Berufung auf die Ehe aus. Bei gesamthafter Betrachtung aller Indizien musste sich der Schluss aufdrängen, dass keine Aussichten auf Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft bestehen. Wenn sich die Beschwerdeführerin unter den dargelegten Umständen dennoch auf die Ehe beruft, um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu erwirken, handelt sie rechtsmissbräuchlich. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich. Es genügt, ergänzend auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid zu verweisen (Art. 36a Abs. 3 OG). Dass die Vorinstanz unter den vorliegenden Umständen die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels verweigert hat, ist nicht zu beanstanden.
 
5.
 
5.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen.
 
5.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 OG). Ihrem für das bundesgerichtliche Verfahren gestellten Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Der finanziellen Lage der Beschwerdeführerin wird bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen (Art. 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Migrationsamt und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Februar 2007
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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