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Informationen zum Dokument  BGer I 807/2006  Materielle Begründung
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BGer I 807/2006 vom 30.03.2007
 
Tribunale federale
 
{T 7}
 
I 807/06
 
Urteil vom 30. März 2007
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Lustenberger und Seiler,
 
Gerichtsschreiber Fessler.
 
Parteien
 
Z.________, 1940, Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Peter Sorg, Promenadenstrasse 17, 8200 Schaffhausen,
 
gegen
 
IV-Stelle Schaffhausen, Oberstadt 9,
 
8200 Schaffhausen, Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom
 
30. Juni 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1940 geborene Z.________ meldete sich Ende Juli 1999 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen, u.a. Begutachtung durch die Klinik X.________ mit Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL), verneinte die IV-Stelle Schaffhausen mit Verfügung vom 19. Februar 2002 den Anspruch auf eine Invalidenrente. Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 22. August 2003 ab. Mit Urteil vom 11. August 2005 (I 641/03) hob das Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts) dieses Erkenntnis auf und wies die Sache an das kantonale Gericht zurück, damit es im Sinne der Erwägungen neu entscheide.
 
B.
 
Nachdem Z.________ zum Gutachten der Klinik X.________ vom 23. Februar 2001 Stellung genommen und die IV-Stelle sich hiezu geäussert hatte, wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 30. Juni 2006 die Beschwerde gegen die Verfügung vom 19. Februar 2002 erneut ab.
 
C.
 
Z.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine halbe Invalidenrente zuzusprechen.
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Der angefochtene Entscheid ist am 30. Juni 2006 ergangen. Das Verfahren richtet sich somit nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG). Das am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG [AS 2006 1205 ff., 1243]) ist insoweit nicht anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG).
 
1.2 Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach dem 1. Juli 2006 anhängig gemacht worden ist, bestimmt sich die Kognition im vorliegenden Streit um eine Rente der Invalidenversicherung nach Art. 132 OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung (BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). Es ist daher nur zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 104 lit. a OG), oder ob das kantonale Gericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (Art. 104 lit. b OG und Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat die Invalidität in Anwendung des ausserordentlichen Bemessungsverfahrens (BGE 128 V 29 S. 30 E. 1; BGE 104 V 135 E. 2c S. 137 in Verbindung mit BGE 130 V 343) ermittelt. Dabei hat es entsprechend dem Antrag in der Beschwerde den Tätigkeitsbereich des Versicherten wie folgt aufgeteilt und prozentual gewichtet: «Betriebsführung», «Büroarbeiten» sowie «Verkauf und Kundenbedienung» je 10 %, «Unterhalts- Reinigungs- und Umgebungsarbeiten»: 70 %. Gestützt auf das Gutachten der Klinik X.________ vom 23. Februar 2001 mit Bericht über die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) vom 11./12. Dezember 2000 ermittelte die Vorinstanz durch Betätigungsvergleich in den Bereichen «Betriebsführung», «Büroarbeiten» sowie «Verkauf und Kundenbedienung» keine Behinderung und im Bereich «Unterhalts-, Reinigungs- und Umgebungsarbeiten» eine solche von 30 %. Auf die Durchführung der praxisgemäss erforderlichen erwerblichen Gewichtung dieser Einschränkungen verzichtete das kantonale Gericht mit der Begründung, die drei Bereiche ohne Behinderung seien im Vergleich zu den «Unterhalts-, Reinigungs- und Umgebungsarbeiten» zumindest gleichwertig, wenn nicht höher zu veranschlagen. Der Invaliditätsgrad könne daher die allein hier vorliegende Behinderung von 21 % (30 % von 70 %) nicht übersteigen (vgl. BGE 128 V 29 E. 4d S. 34). Somit bestehe kein Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 1 IVG).
 
3.
 
Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung in mehrfacher Hinsicht. Seine Vorbringen sind indessen nicht stichhaltig:
 
3.1 Vorab trifft nicht zu, dass das kantonale Gericht die durch Betätigungsvergleich ermittelten Behinderungen in den einzelnen Tätigkeitsbereichen überhaupt nicht erwerblich gewichtet hätte. Vielmehr hat die Vorinstanz «Betriebsführung», «Büroarbeiten» sowie «Verkauf und Kundenbetreuung» im Vergleich zu den «Unterhalts-, Reinigungs- und Umgebungsarbeiten» als zumindest gleichwertig erachtet. Zur Begründung hat sie zwar einzig auf BGE 128 V 29 E. 4d S. 34 hingewiesen. Indessen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht näher dargelegt, inwiefern die beanstandete Feststellung offensichtlich unrichtig sei. Abgesehen davon räumte der Beschwerdeführer in seiner vorinstanzlichen Stellungnahme vom 31. März 2006 zum Gutachten der Klinik X.________ vom 23. Februar 2001 selber ein, der vorliegende Fall weise weitgehende Parallelen zum erwähnten Urteil BGE 128 V 29 auf. Von diesbezüglichen Abklärungen kann abgesehen werden. Sie änderten am Ergebnis nichts (E. 3.3). Im Weitern beruht der vorinstanzliche Betätigungsvergleich offensichtlich nicht auf dem nicht datierten Abklärungsbericht Selbständigerwerbende. Vielmehr stellte das kantonale Gericht einzig auf das Gutachten vom 23. Februar 2001 und den Bericht der Klinik X.________ über die EFL vom 11./12. Dezember 2000 ab. Im Übrigen ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargetan, inwiefern die Mitarbeit der Ehefrau des Beschwerdeführers und seiner beiden Töchter im Betrieb sowie die Aufgabe des Geschäfts der Ehegattin für den Betätigungsvergleich von Bedeutung wären. Sodann ist das erstmalige Vorbringen, der Beschwerdeführer müsse während der Arbeitszeit während mindestens zwei Stunden pro Tag liegen und sich erholen, soweit überhaupt zulässig (Art. 105 Abs. 2 OG), unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht (BGE 130 V 97 E. 3.2 S. 99 mit Hinweisen) unbegründet.
 
3.2 Im Weitern spricht der Umstand, dass die Gutachter der Klinik X.________ keinen Augenschein im Betrieb des Beschwerdeführers vorgenommen hatten, nicht gegen den Beweiswert der Expertise vom 23. Februar 2001 und des Berichts über die EFL vom 11./12. Dezember 2000. Im Rahmen der Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit wurde die mit Tests ermittelte Belastbarkeit des Versicherten mit den kritischen Arbeitsanforderungen in seinem Betrieb verglichen (Job Match). Hiezu konnte der Beschwerdeführer die hauptsächlich zu verrichtenden Arbeiten schriftlich formulieren. Diese wurden durch Befragung ergänzt. Der Vergleich zeigte, welche Arbeitsanforderungen mit der Belastbarkeit gemäss Tests übereinstimmten und welche nicht. In Bezug auf die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgezählten Arbeiten ist mit Ausnahme des Auffüllens von Gestellen, wo die Leistungsfähigkeit höchstens 20 % betragen soll, und der Reinigungsarbeiten am Boden sowie bis zur Kopfhöhe, wo eine Einschränkung von 50 % bestehen soll, grundsätzlich keine Differenz zum Ergebnis im EFL-Bericht ersichtlich. Dies allein lässt die vorinstanzliche Feststellung einer Behinderung von 30 % im Tätigkeitsbereich «Unterhalts-, Reinigungs- und Umgebungsarbeiten» nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen. Immerhin ist zu beachten, dass in der Beschwerde an das kantonale Gericht geltend gemacht wurde, der behandelnde Arzt Dr. med. B.________ habe nach der «Job matching»-Methode eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % ermittelt. Die Vorinstanz hat sich zu diesem Vorbringen nicht geäussert. Selbst wenn indessen darauf abgestellt und von einer Behinderung von 50 % bei den Unterhalts-, Reinigungs- und Umgebungsarbeiten ausgegangen würde, änderte sich nichts am Ergebnis (E. 3.3). Das Vorbringen schliesslich, im Bereich Verkauf und Kundenbedienung bestehe auf Grund der raschen Ermüdung und der Konzentrationsstörungen eine Behinderung von 25 %, hat unberücksichtigt zu bleiben. Es beruht auf unzulässigen neuen ärztlichen Berichten (Art. 105 Abs. 2 OG).
 
3.3 Es ist nicht anzunehmen, dass der wirtschaftliche Wert der 70 % der gesamten Tätigkeit umfassenden «Unterhalts-, Reinigungs- und Umgebungsarbeiten» im Vergleich zu den drei anderen, je 10 % ausmachenden Bereichen «Betriebsführung», «Büroarbeiten» sowie «Verkauf und Kundenbedienung» mehr als eineinhalbmal so hoch ist. Daraus ergibt sich bei einer Behinderung von 50 % in diesem Bereich ein Invaliditätsgrad von höchstens 39 % ([0,3 x 0 % + 0,7 x 50 % x 1,5]/[0,3 + 0,7 x 1,5]; zum Runden BGE 130 V 121; vgl. BGE 128 V 29 E. 4c S. 33). Somit besteht selbst bei für den Beschwerdeführer günstigsten Annahmen kein Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung, weshalb der angefochtene Entscheid zu bestätigen ist.
 
4.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 zweiter Satz OG, in Kraft seit 1. Juli 2006). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss in dieser Höhe verrechnet.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen, der Ausgleichskasse des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
 
Luzern, 30. März 2007
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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