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Informationen zum Dokument  BGer 2A.771/2006  Materielle Begründung
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BGer 2A.771/2006 vom 17.04.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.771/2006 /leb
 
Urteil vom 17. April 2007
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Müller, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Merz.
 
Parteien
 
Kanton Zürich,
 
Beschwerdeführer, handelnd durch die Sicherheitsdirektion, Kantonales Sozialamt, Schaffhauserstrasse 78, Postfach, 8090 Zürich,
 
gegen
 
Kanton St. Gallen,
 
handelnd durch das Departement des Innern,
 
Amt für Soziales, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen,
 
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Art. 19 ZUG (Kostenersatzpflicht des Heimatkantons für die Unterstützung eines Bedürftigen),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 17. November 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________, Bürger von Gossau SG, hat am 13. August 2004 zusammen mit B.________ und dem gemeinsamen Sohn C.________, beide mit Bürgerrecht von Volketswil ZH, in Winterthur Wohnsitz begründet. Dort wurde der 3-Personen-Haushalt ab dem 1. September 2004 von der städtischen Fürsorgebehörde unterstützt.
 
Der Kanton Zürich ersuchte den Kanton St. Gallen, ihm den auf A.________ entfallenden Anteil der ausgerichteten Sozialleistungen für die Zeit bis zum 12. August 2006 zu vergüten. Letzterer lehnte das Begehren ab und erhob Einsprache, die das Zürcher Sozialamt am 15. November 2004 abwies. Gegen diesen Entscheid erhob der Kanton St. Gallen Beschwerde beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement. Dieses hiess das Rechtsmittel am 17. November 2006 teilweise gut und erklärte, dass der 3-Personen-Haushalt keine Unterstützungseinheit bilde.
 
B.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 19. Dezember 2006 beantragt der Kanton Zürich dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 17. November 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Kanton Zürich in der Unterstützungssache A.________ einen Kostenersatzanspruch gegenüber dem Kanton St. Gallen habe.
 
C.
 
Der Kanton St. Gallen ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der angefochtene Entscheid erging noch vor dem Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG richtet sich das Verfahren daher nach den Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG, BS 3 531; BGE 132 V 393 E. 1.1 S. 395; Mitteilungen des Bundesgerichts zum Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes, Ziff. I, publ. in: ZBl 108/2007 S. 56).
 
2.
 
2.1 Streitgegenstand bildet der Anspruch auf Kostenersatz, der dem Kanton Zürich für die Unterstützung von A.________ gegenüber dessen Heimatkanton St. Gallen zusteht. Nach Art. 16 des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977 (ZUG; SR 851.1) erstattet der Heimatkanton dem Wohnkanton die Kosten der Unterstützung, die dieser ausgerichtet hat, wenn der Unterstützte noch nicht zwei Jahre ununterbrochen in einem anderen Kanton Wohnsitz hat. Art. 19 ZUG regelt die interkantonale Kostenersatzpflicht bei Familienangehörigen mit verschiedenem Bürgerrecht. Danach besteht ein Ersatzanspruch des Wohnkantons gegenüber dem Heimatkanton auch bei Familien, deren Angehörige verschiedene Kantonsbürgerrechte besitzen. Der erstattungspflichtige Anteil berechnet sich in diesem Fall so, dass die Kosten von Unterstützungen, die nicht durch persönliche Bedürfnisse eines bestimmten Familienmitglieds verursacht wurden, nach Köpfen aufgeteilt werden.
 
2.2 Der Kanton Zürich stellt sich auf den Standpunkt, Art. 19 ZUG sei auch bei stabilen Konkubinatsverhältnissen anzuwenden. Da ein gefestigtes Konkubinat vorliege, berechne sich die auf A.________ entfallende Unterstützung gemäss Art. 19 ZUG durch Aufteilung des Gesamtbetrags nach Köpfen unter Abzug der durch die persönlichen Bedürfnisse verursachten Kosten.
 
2.3 Der Kanton St. Gallen vertritt dagegen die Auffassung, Art. 19 ZUG sei unter den gegebenen Umständen nicht anwendbar. Der 3 -Personen-Haushalt könne nicht als Unterstützungseinheit angesehen werden. A.________ allein sei nicht unterstützungsbedürftig, beziehe er doch Arbeitslosengelder von rund Fr. 1'600.-- pro Monat, während sein Bedarf nur rund Fr. 1'200.-- monatlich betrage. Ein Ersatzanspruch des Kantons Zürich bestehe daher - mangels erfolgter Unterstützung von A.________ - nicht.
 
2.4 Der angefochtene Entscheid folgt in dem Umfang der Ansicht des Kantons St. Gallen, als darin erklärt wird, Art. 19 ZUG erfasse Konkubinatsverhältnisse nicht.
 
Hingegen gelangt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zum Schluss, dass diese Bestimmung im Verhältnis von A.________ zu seinem Sohn C.________ zum Zug komme. Insoweit sei von einer Unterstützungseinheit auszugehen und der Kanton St. Gallen für einen allfälligen Fehlbetrag ersatzpflichtig. In diesem Punkt ist der Departementsentscheid nicht angefochten. Diesbezüglich hat das Bundesgericht demnach auch nicht festzustellen, dass bzw. ob der Kanton Zürich einen Kostenersatzanspruch gegenüber dem Kanton St. Gallen hat.
 
2.5 Zu prüfen ist hier allein, ob A.________, B.________ und C.________ gleich wie Familienangehörige eine Unterstützungseinheit im Sinne von Art. 19 ZUG bilden.
 
3.
 
Für Familienangehörige, die im gleichen Haushalt leben, sieht Art. 19 ZUG eine Ausnahme von der individualisierten Berechnung der gewährten Unterstützung vor. Es ist in diesem Fall - vorbehältlich persönlicher Bedürfnisse eines bestimmten Familienmitglieds wie z.B. Ausbildungskosten - von einer Unterstützungseinheit auszugehen und der geleistete Beitrag nach Köpfen auf die Familienangehörigen zu verteilen. Die nach dem Kopfteilungsprinzip bestimmte Unterstützung bildet die Grundlage für die Berechnung der Kostenersatzpflicht des Heimatkantons (vgl. Art. 19 Abs. 2 ZUG).
 
Die dargestellte Regelung beruht auf dem Gedanken, dass die Familie im Sozialhilferecht als Einheit betrachtet wird und dies auch bei der interkantonalen Kostenersatzpflicht gelten soll. Art. 32 Abs. 3 ZUG hält ausdrücklich fest, dass in Hausgemeinschaft lebende Ehegatten und unmündige Kinder mit gleichem Unterstützungswohnsitz rechnerisch als ein Unterstützungsfall zu behandeln sind. Diese am 14. Dezember 1990 ins Gesetz aufgenommene Norm bestätigt die schon zuvor geltende Rechtslage, wonach in Hausgemeinschaft lebende Familienangehörige als Einheit erfasst werden sollen (Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 22. November 1989, BBl 1990 I 68 f.). Da Art. 32 Abs. 3 ZUG als Personen, die eine Unterstützungseinheit bilden, lediglich die Ehegatten und die unmündigen Kinder aufführt, liegt es nahe, den Begriff des Familienangehörigen in Art. 19 ZUG nur auf diese Mitglieder der Familie zu beziehen (so wohl auch Werner Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger [ZUG], 2. Aufl., Zürich 1994, S. 137 N. 220). Auf jeden Fall ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte Anhaltspunkte dafür, dass auch Konkubinatspartner und ihre Kinder von Art. 19 ZUG erfasst werden.
 
4.
 
Der beschwerdeführende Kanton Zürich übersieht zwar nicht, dass die interkantonale Kostenersatzpflicht sich gemäss Art. 19 ZUG nur bei Familienangehörigen nach dem Kopfteilungsprinzip richtet. Er behauptet jedoch, aus Art. 2 Abs. 2 ZUG ergebe sich, dass die Methode, wie im Wohnsitzkanton die Unterstützung berechnet wird, auch für die Weiterverrechnung an den Heimatkanton massgebend sein müsse. Diese Argumentation geht fehl, trifft Art. 19 ZUG doch gerade für die Weiterverrechnung eine besondere bundesrechtliche Regelung. Es fragt sich deshalb einzig, ob der Begriff des Familienangehörigen angesichts der heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht mehr nur auf Ehegatten und unmündige Kinder zu beschränken, sondern vielmehr auch auf Konkubinatspartner und ihre gemeinsamen Kinder zu erstrecken sei, wie dies der Kanton Zürich verlangt.
 
Bereits die Vorinstanz legt dar, es möge unbefriedigend erscheinen, wenn Konkubinatspaare - wie im vorliegenden Fall - nach kantonalem Sozialhilferecht als Einheit betrachtet werden, dies aber bei der interkantonalen Weiterverrechnung gemäss Art. 19 ZUG nicht gilt. Es trifft auch zu, dass der Gesetzgeber in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften vermehrt Rechnung getragen hat und seit dem 1. Januar 2007 zwei Personen gleichen Geschlechts ihre Partnerschaft eintragen lassen können (Art. 2 des Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare vom 18. Juni 2004, SR 211.231). Diese neuen Regelungen belegen indessen gerade nicht die Notwendigkeit, Art. 19 ZUG in dem vom Kanton Zürich geltend gemachten weiten Sinn auszulegen. Sie zeigen vielmehr, dass es die Aufgabe des Gesetzgebers ist, das geltende Recht allfälligen neuen Gegebenheiten anzupassen. Im Übrigen weist die Vorinstanz mit Grund darauf hin, dass in den Kantonen zwar ein Trend besteht, stabile Konkubinatsverhältnisse bei der Sozialhilfe Ehepaaren gleichzustellen, die kantonalen Regelungen aber nicht einheitlich sind und die Kantone unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht gehalten sind, bei der Fürsorge Konkubinats- und Ehepaare gleichzustellen (vgl. etwa Urteil 2P.230/2005 vom 10. Juli 2006, E. 3.3).
 
Im angefochtenen Entscheid wird daher zu Recht erklärt, Art. 19 ZUG finde auf Konkubinatsverhältnisse keine Anwendung.
 
5.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen.
 
Bei diesem Verfahrensausgang und angesichts des auf dem Spiele stehenden Vermögensinteresses sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Kanton Zürich aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kanton Zürich auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Kanton Zürich, dem Kanton St. Gallen und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 17. April 2007
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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