VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6S_105/2007  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6S_105/2007 vom 27.04.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.105/2007 /rom
 
Urteil vom 27. April 2007
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
 
Gerichtsschreiber Thommen.
 
Parteien
 
Generalprokurator des Kantons Bern, 3001 Bern,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegner, vertreten durch Maître Pierre Seidler,
 
Gegenstand
 
Ersatzforderung (Art. 59 aStGB),
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kassationshofs des Kantons Bern vom 22. Dezember 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 2. März 2001 verkaufte A.________ am Autosalon in Genf an X.________ und Y.________ je einen Lamborghini Diabolo 6.0 S.E. zum Preis von Fr. 350'000.--. Kaufvertraglich war die Leistung eines Depots von je 70'000.-- vorgesehen, welches an den Kaufpreis angerechnet werden resp. im Fall der Nichterfüllung als Konventionalstrafe dem Verkäufer verbleiben sollte. Am 25. April 2001 verkaufte A.________ zudem einen Lamborghini Diabolo GT zum Preis von Fr. 470'000.-- an X.________. Das hierfür vereinbarte Depot betrug Fr. 90'000.--. Die Depots im Gesamtbetrag von Fr. 230'000.-- wurden von den beiden Käufern aus veruntreuten Geldern beglichen. A.________ wusste nicht um die kriminelle Herkunft dieser Gelder.
 
B.
 
Mit Urteil vom 10./11. April 2006 verpflichtete das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern A.________ zur Bezahlung einer Ersatzforderung von Fr. 144'000.-- an den Kanton Bern. Am 22. Dezember 2006 verzichtete der Kassationshof des Obergerichts des Kantons Bern darauf, gegenüber A.________ eine Einziehungsersatzforderung im Sinne von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anzuordnen.
 
C.
 
Dagegen erhebt der a.o. Generalprokurator des Kantons Bern eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz beantragt.
 
D.
 
Die Vorinstanz verzichtet auf Gegenbemerkungen. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach BStP (Art. 132 Abs. 1 BGG).
 
Am 1. Januar 2007 ist auch der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Die neuen Bestimmungen sind hier aber noch nicht von Bedeutung, da das Bundesgericht im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nur prüft, ob das kantonale Gericht das eidgenössische Recht richtig angewendet hat (Art. 269 Abs. 1 BStP), mithin das Recht, welches im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Entscheids noch gegolten hat (BGE 129 IV 49 E. 5.3).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 59 StGB. Es sei ungerechtfertigt, dass sich der Beschwerdegegner aus dem Geld der Geschädigten befriedigen könne und seine Ansprüche nicht gegen seine Vertragspartner geltend machen müsse. Eine gleichwertige Gegenleistung im Sinne von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB läge z.B. vor, wenn der Beschwerdegegner mindestens eines der Fahrzeuge ausgeliefert hätte. Vorliegend habe er indes von den Geschädigten deliktisch erlangtes Geld erhalten, ohne dass er durch eine Gegenleistung deren Schaden vermindert hätte. Der Beschwerdegegner habe das aus einem Delikt stammende Geld zurückzuzahlen und seine Forderungen aus den nicht erfüllten Verträgen gegen den Täter zivilrechtlich durchzusetzen. Diese Lösung erhalte den Besitzstand der Geschädigten, und der Verurteilte würde diese Forderung so nicht einfach los.
 
2.1
 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Nach Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist die Einziehung von Vermögenswerten ausgeschlossen, wenn ein Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben und soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat. In den Grenzen dieser Bestimmung erkennt der Richter gegenüber einem Dritten auf eine Ersatzforderung, soweit die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind (Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB).
 
Wie das Bundesgericht in derselben Strafsache im Urteil 6S.477/2005 vom 6. Oktober 2006 bereits festgehalten hat, liegt Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Gedanke zugrunde, dass sich Delikte nicht nur für den Täter, sondern auch für Dritte nicht lohnen sollen. Belohnt oder begünstigt ist indes nur, wer den Vermögenswert deliktischer Herkunft ohne Gegenleistung erhält. Deshalb ist die Einziehung unentgeltlicher Zuwendungen auch bei gutgläubigen Dritten möglich. Umgekehrt ist die Einziehung bei Dritten ausgeschlossen, die für die empfangenen Vermögenswerte eine gleichwertige Gegenleistung erbracht haben. Reugeld oder Konventionalstrafe stellen nach dem zitierten Entscheid keine unentgeltlichen Zuwendungen dar, soweit sie nicht übersetzt sind. Sie bilden die Gegenleistung für die im Hinblick auf Vertragsschluss und -erfüllung getätigten Aufwendungen und den Verzicht auf die Wahrnehmung anderer Marktchancen. Nach Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB sind die dafür empfangenen Zahlungen daher, soweit ihre Gleichwertigkeit gegeben ist, von der Einziehung ausgeschlossen. Es besteht kein Anlass auf diesen Entscheid zurückzukommen.
 
2.2 Im Gegensatz zum ersten vom Bundesgericht in dieser Sache beurteilten Entscheid hat die Vorinstanz in casu die empfangenen Zahlungen explizit als Kaufpreisanzahlungen ('Depots') resp. Konventionalstrafen qualifiziert. Aufgrund einer vom Beschwerdeführer zu Recht nicht beanstandeten Würdigung des ex ante zu beurteilenden Geschäftsrisikos, des tatsächlich eingetretenen Schadens sowie anhand eines Vergleichs mit branchenüblichen Werten stuft die Vorinstanz die Konventionalstrafe als angemessen und marktüblich ein. Der Verzicht auf eine Ersatzforderung gegen den unbestrittenermassen gutgläubigen Beschwerdegegner steht nach dem Gesagten im Einklang mit Art. 59 StGB. An diesem Ergebnis vermögen auch die am Opferschutz orientierten Einwände des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Entgegen dessen Vorbringen dient die Gegenleistung nicht dazu, ein Haftungssubstrat für die Geschädigten zu schaffen. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass sich der Täter nicht der deliktisch erlangten Vermögenswerte entäussern kann durch gegenleistungslose Begünstigungen oder nicht angemessen entschädigte Zuwendungen. Soweit der Täter jedoch wie im vorliegenden Fall die Vermögenswerte gegen eine angemessene Gegenleistung an einen gutgläubigen Dritten veräussert hat, scheidet eine Ersatzforderung aus. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.
 
3.
 
Unterliegt der öffentliche Ankläger des Kantons, so werden keine Kosten auferlegt (Art. 278 Abs. 2 BStP). Dem obsiegenden Beschwerdegegner wird mangels Aufwendungen keine Entschädigung zugesprochen (Art. 278 Abs. 3 BStP).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationshof des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. April 2007
 
Im Namen des Kassationshofs
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).