BGer I 130/2006 | |||
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BGer I 130/2006 vom 09.05.2007 | |
Tribunale federale
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{T 7}
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I 130/06
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Urteil vom 9. Mai 2007
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Ursprung, Präsident,
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Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
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Gerichtsschreiber Jancar.
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Parteien
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IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug, Beschwerdeführerin,
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gegen
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D.________, 1950, Beschwerdegegnerin,
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vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke Schiess, Bahnhofplatz 9, 8910 Affoltern am Albis.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
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vom 22. Dezember 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1950 geborene D.________ war seit 1. September 1980 zu 100 % als Operateurin/Bestückerin bei der Firma X.________ AG angestellt. Daneben arbeitete sie seit 1. Januar 1984 als Hauswartin für die Firma Y.________; ab Mai 2003 war die Firma Z.________ AG ihre Arbeitgeberin im Rahmen der Hauswartstätigkeit. Die Versicherte musste sich diversen Operationen unterziehen (ca. 1970 Operation eines dorsalen Handgelenksganglions, 1974 Carpaltunnelsyndromoperation links, 1978 Halsrippenoperation links, 1979 Nervenplexusoperation am Hals links, am 10. Mai 1985 Diskushernienoperation L4/5 links, 1992 Sigmaresektion wegen Adeno-Karzinoms, am 5. März 2002 Sehnenscheidenspaltung II links). Am 10. September 2001 beanspruchte sie bei der Invalidenversicherung wegen Rückenschmerzen Hilfsmittel. Am 18. April 2002 gewährte ihr die IV-Stelle Zug Rumpforthesen. Am 16. September 2002 meldete sich die Versicherte wegen Rückenproblemen erneut zum Leistungsbezug (Hilfsmittel und Rente) an. Zur Abklärung der Verhältnisse holte die IV-Stelle diverse Arztberichte sowie Gutachten des Dr. med. M.________, Facharzt FMH für Rheumatologie und Innere Medizin, vom 21. Juli 2003 (mit Ergänzung vom 13. Mai 2004) und des Dr. med. A.________, Neurologe FMH, vom 19. August 2004, ein. Mit Verfügungen vom 1. September 2004 sprach sie der Versicherten gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 62 % ab 1. August 2002 bis 31. Dezember 2003 eine halbe Invalidenrente und ab 1. Januar 2004 eine Dreiviertelsrente zu. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 28. Februar 2005 ab.
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B.
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In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Zug den Einspracheentscheid auf und stellte fest, dass die Versicherte ab 1. August 2002 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe (Entscheid vom 22. Dezember 2005).
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C.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragte die IV-Stelle beim Eidgenössischen Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: Bundesgericht), in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei der Einspracheentscheid insofern zu bestätigen, als damit für die Zeit vom 1. August 2002 bis 31. Dezember 2003 eine halbe und ab 1. Januar 2004 eine Dreiviertelsrente zugesprochen worden sei; eventuell sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es nach den in dieser Beschwerde aufgeführten Vorgaben das Invalideneinkommen neu festsetze und den Invaliditätsgrad entsprechend neu ermittle.
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Das kantonale Gericht und die Versicherte schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
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2.
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Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Gericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Gericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 hängig war, richtet sich die Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht.
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3.
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Der Einspracheentscheid datiert vom 28. Februar 2005. Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch ab 1. August 2002 (BGE 131 V 164 ff.). Entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln ist für die Zeit bis 31. Dezember 2002 sowie 31. Dezember 2003 auf die damals geltenden Bestimmungen und ab diesen Zeitpunkten auf die neuen Normen des ATSG (in Kraft seit 1. Januar 2003) bzw. der 4. IV-Revision (in Kraft seit 1. Januar 2004) samt Ausführungsverordnungen abzustellen (BGE 130 V 445 ff.).
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4.
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Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 und in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348 mit Hinweisen), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen und in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), die Ermittlung des ohne Invalidität erzielbaren Einkommens (Valideneinkommen; BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweis) sowie die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens (Invalideneinkommen) nach den vom Bundesamt für Statistik in der Lohnstrukturerhebung (LSE) ermittelten Tabellenlöhnen und die von diesen zulässigen Abzüge (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 und E. 4.2.3 S. 481) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261, AHI 2002 S. 62 E. 4b/cc, I 82/01, je mit Hinweisen) sowie zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung und zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 352 ff.; RKUV 2003 Nr. U 487 S. 337 E. 5.1, U 38/01). Richtig ist auch, dass die im ATSG enthaltenen Formulierungen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7), der Invalidität (Art. 8), der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16) sowie der Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen (Art. 17) den bisherigen von der Rechtsprechung dazu entwickelten Begriffen in der Invalidenversicherung entsprechen (BGE 130 V 343 ff.; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts I 817/05 vom 5. Februar 2007, E. 3.2); hieran hat die 4. IV-Revision nichts geändert (vgl. SVR 2006 IV Nr. 10 S. 38 E. 2.1, I 457/04 betreffend Art. 17 ATSG). Darauf wird verwiesen.
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5.
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5.1 Als Gesunde arbeitete die Versicherte seit 1. September 1980 zu 100 % als Operateurin/Bestückerin bei der Firma X.________ AG. Seit 1. Januar 1984 war sie zusätzlich als Hauswartin angestellt, zunächst bei der Y.________, ab Mai 2003 bei der Z.________ AG.
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Im Einspracheentscheid vom 28. Februar 2005 addierte die IV-Stelle für die Ermittlung des Valideneinkommens die Löhne aus diesen beiden Tätigkeiten und errechnete für das Jahr 2002 einen Betrag von Fr. 79'893.-. In medizinischer Hinsicht stellte sie auf das Gutachten des Dr. med. M.________ vom 21. Juli 2003 ab, wonach die Versicherte für eine körperlich leichte, wechselbelastende Arbeit zu 50 % arbeitsfähig sei. Auf Grund der LSE zog sie für das Jahr 2002 ein Invalideneinkommen von Fr. 29'667.- (Tabelle TA1, Anforderungsniveau 3: Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt) bei, da die Versicherte einen reichen Schatz an Berufs- und Fachkenntnissen aufweise. Verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 79'893.- ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 63 % bzw. den Anspruch auf eine halbe Invalidenrente ab 1. August 2002 bis Ende 2003 und auf eine Dreiviertelsrente ab 1. Januar 2004 (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen und seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), weshalb sie die Einsprache abwies.
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Im Rahmen der Verfügungen vom 1. September 2004 (Invaliditätsgrad 62 %) ging die IV-Stelle hinsichtlich des Invalideneinkommens noch anders vor. Beim LSE-Tabellenlohn stellte sie auf das Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) ab, woraus gestützt auf die 50%ige Arbeitsfähigkeit für das Jahr 2002 ein Einkommen von Fr. 23'944.- resultierte. Zudem rechnete sie den Lohn aus der Hauswartstätigkeit von Fr. 6637.- an, was total Fr. 30'631.- ergab.
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5.2 Die Vorinstanz ermittelte aus den beiden Tätigkeiten der Versicherten bei den Firmen X.________ AG und Y.________ für das Jahr 2002 ein Valideneinkommen von total Fr. 80'335.- (Fr. 73'698.- + Fr. 6637.-). Sie ging ebenfalls davon aus, die Versicherte sei für eine körperlich leichte, wechselbelastende Arbeit zu 50 % arbeitsfähig. Beim Invalideneinkommen stellte die Vorinstanz auf den von der IV-Stelle im Rahmen der Verfügung veranschlagten LSE-Tabellenlohn von Fr. 23'944.- (Anforderungsniveau 4) ab; unberücksichtigt liess sie den Verdienst aus der Hauswartstätigkeit, da sie diese als nicht mehr zumutbar erachtete. Gestützt hierauf errechnete sie einen Invaliditätsgrad von 70 % (Valideneinkommen Fr. 80'335.-/Invalideneinkommen Fr. 23'944.-), was zum Anspruch auf eine ganze Invalidenrente ab 1. August 2002 führe. Bei diesem Ergebnis liess die Vorinstanz die Frage offen, ob vom Invalideneinkommen noch ein leidensbedingter Abzug vorzunehmen sei.
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6.
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Als Valideneinkommen für das Jahr 2002 zog die Vorinstanz die Löhne der Versicherten aus der 100%igen Erwerbstätigkeit bei der Firma X.________ AG von Fr. 73'698.- (Einkommen im Jahre 2001 Fr. 71'900.-; Nominallohnentwicklung bei Frauen 2001-2002 im Bereich Verarbeitendes Gewerbe/Industrie 2,5 %, vgl. Bundesamt für Statistik, Schweizerischer Lohnindex 2004, Tabelle T1.2.93; BGE 129 V 408) und aus dem Nebenerwerb als Hauswartin bei der Firma Y.________ von Fr. 6637.- heran, was total Fr. 80'335.- ergibt. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. auch RKUV 2005 Nr. U 538 S. 112 E. 4.1.2, U 66/02, und RKUV 2003 Nr. U 476 S. 107, U 130/02; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 181/05 vom 3. Februar 2006, E. 2), zumal die IV-Stelle hiegegen keine stichhaltigen Einwände vorbringt.
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7.
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7.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, der medizinische Sachverhalt sei nicht vollständig abgeklärt. Auf weitere Untersuchungen sei indessen zu verzichten, weil auf Grund des Valideneinkommens von Fr. 80'335.- und des Invalideneinkommens von Fr. 23'994.- ein Invaliditätsgrad von 70 % und damit jedenfalls Anspruch auf eine ganze Invalidenrente gegeben sei (E. 5.2 hievor).
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7.2 Wie aus Erwägung 8 hienach erhellt, ist der Vorinstanz beizupflichten, dass der Sachverhalt in medizinischer Hinsicht nicht hinreichend geklärt ist.
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Diese Auffassung vertritt auch die Versicherte. Nachdem ihr die Vorinstanz indessen eine ganze Invalidenrente zugesprochen hat, hatte sie kein schutzwürdiges Interesse, den kantonalen Entscheid anzufechten (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 704/05 vom 3. Februar 2006, E. 3.1 mit Hinweis). Letztinstanzlich verlangt sie denn auch die Durchführung einer ergänzenden medizinischen Abklärung, falls der Anspruch auf eine ganze Rente nicht ausgewiesen sei.
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8.
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8.1
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8.1.1 Dr. med. M.________ beschrieb im Gutachten vom 21. Juli 2003 eine Überlagerungssymptomatik und Aggravationstendenzen mit erheblicher Diskrepanz zu den objektivierbaren Befunden am Bewegungsapparat; es stelle sich die Frage einer Konversionssymptomatik oder einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Das diffuse Schmerzsyndrom beeinträchtige die Arbeitsfähigkeit wesentlich mehr als die objektivierbaren Befunde am Bewegungsapparat. In diesem Lichte überzeugt es nicht, wenn Dr. med. M.________ von einer hälftigen Arbeitsunfähigkeit aus rheumatologischer Sicht ausging.
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Gemäss Bericht des Dr. med. K.________ vom 19. April 2004 sind die Beschwerden der Versicherten durch die vorliegenden Befunde nicht erklärbar. Dr. med. B.________, Innere Medizin FMH, gab im Bericht vom 22. Juni 2004 an, gesamthaft gesehen scheine ihm die Versicherte aus orthopädischen Gründen (LWS und HWS) sowie aus psychischen Gründen (Depression) nicht mehr einsatzfähig. Dr. med. A.________ stellte eine im Vordergrund stehende massivste Aggravationstendenz fest (Bericht vom 19. August 2004).
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Festzuhalten ist weiter, dass Frau Dr. med. E.________, Allgemeinmedizin FMH, Regionalärztlicher Dienst (RAD), in der Stellungnahme vom 22. Februar 2005 ausgeführt hat, ihres Erachtens nach stehe eine Aggravation im Vordergrund; eine somatoforme Schmerzstörung sei möglich bis wahrscheinlich. So oder so halte sie die attestierte 50%ige Einschränkung in angepasster Tätigkeit für eher hoch. Auch wenn Frau Dr. med. E.________ die Versicherte nicht selber untersucht hatte, sind auf Grund ihrer Einschätzung ebenfalls Zweifel am Gutachten des Dr. med. M.________ angebracht.
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8.1.2 Notwendig ist nach dem Gesagten die (bis anhin nicht durchgeführte) psychiatrische Abklärung der Frage, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die Versicherte aus psychischen Gründen in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist. Aufzuzeigen ist insbesondere, inwiefern die Arbeitsunfähigkeit somatisch und/oder psychisch bedingt ist, da für die Beurteilung der Zumutbarkeit eines Arbeitseinsatzes aus psychischer Sicht besondere Regeln gelten. Diesfalls kommt der Frage zentrale Bedeutung zu, ob und inwiefern, allenfalls bei geeigneter therapeutischer Behandlung, von der versicherten Person trotz des Leidens willensmässig erwartet werden kann zu arbeiten (BGE 130 V 352 ff., 127 V 294 E. 5a S. 299 f.; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 654/05 vom 22. November 2006, E. 6.3.2).
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8.2
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8.2.1 Dr. med. M.________ gab im Gutachten vom 21. Juli 2003 an, die Versicherte sei für eine körperlich leichte, wechselbelastende Arbeit zu 50 % arbeitsunfähig. Gleichzeitig führte er aus, die bisherige Tätigkeit als Hauswartin sei seines Erachtens nach nur mehr zu 20 % möglich.
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Die IV-Stelle interpretiert dies dahingehend, dass die bisher nebenerwerblich ausgeübte Hauswartsarbeit in der 50%igen Arbeitsfähigkeit nicht inbegriffen, sondern der Versicherten zusätzlich zumutbar sei, soweit sie leichte Arbeiten umfasse. Die Vorinstanz vertrat diesbezüglich die Auffassung, der Versicherten könne nicht noch zusätzlich eine Tätigkeit als Hauswartin zugemutet werden. Wenn Dr. med. M.________ ausführe, diese Arbeit könne nur noch zu 20 % ausgeübt werden, sei dies eher im Sinne eines Tätigkeitsvergleichs zu verstehen. Eine solch reduzierte Arbeitsfähigkeit bezogen auf die Hauswartstätigkeit dürfte aber kaum mehr erwerblich umzusetzen sein. Die Versicherte bringt vor, auf Grund der Arztberichte sei unklar, ob überhaupt noch eine Arbeitsfähigkeit bestehe; neben einem 50%igen Pensum könnte sie aber keinem weiteren Erwerb nachgehen, ansonsten eine Arbeitsfähigkeit von mehr als 50 % bestünde.
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8.2.2 Die Angaben des Dr. med. M.________ sind mithin missverständlich hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang die Versicherte insgesamt arbeits(un)fähig ist. Es ist unklar, ob er im Ergebnis von 50%iger oder 70%iger Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit ausging. Auch in diesem Punkt bildet seine Expertise keine hinreichende Beurteilungsgrundlage.
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8.3 Der Auffassung des Dr. med. N.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie und Orthopädie, wonach die Versicherte auf Grund der Wirbelsäulen-Veränderungen - mithin aus rein somatischen Gründen - selbst für leichte Arbeit nicht mehr einsetzbar sei (Berichte vom 25. August 2003 und 17. März 2004), kann nach dem Gesagten für sich allein nicht gefolgt werden, zumal er sie nicht näher begründet hat.
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8.4 In Anbetracht dieser Aktenlage ist eine abschliessende und rechtskonforme Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit und somit des Invaliditätsgrades nicht möglich. Festzuhalten ist weiter, dass es beim Zusammenwirken von physischen und psychischen Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist, die somatischen und psychischen Befunde isoliert zu betrachten (Urteil des Bundesgerichts I 33/06 vom 9. Januar 2007, E. 6.3 mit Hinweis). Die IV-Stelle, an welche die Sache zurückzuweisen ist, hat daher eine interdisziplinäre Begutachtung - vorzugsweise in der hierfür spezialisierten Abklärungsstelle der Invalidenversicherung - zu veranlassen. Diese hat sich zum psychischen und physischen Gesundheitszustand, zu seinen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit im angestammten Beruf und allenfalls in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit sowie zur Entwicklung/Veränderung der gesundheitlichen Situation/Restarbeitsfähigkeit seit allfälligem Rentenbeginn zu äussern. Gestützt hierauf wird die IV-Stelle über den Leistungsanspruch ab 1. August 2002 neu zu befinden haben.
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9.
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Im Hinblick auf das weitere Vorgehen bei der Bemessung des Invaliditätsgrades ist Folgendes festzuhalten:
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9.1 Im Urteil I 197/05 vom 16. November 2005 hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht zu entscheiden, ob es in entsprechender Anwendung des Grundsatzes der Parallelität der Bemessungsfaktoren (BGE 129 V 222 E. 4.4 S. 225; AHI 1999 S. 239 E. 1, I 377/98) gerechtfertigt ist, das auf Grund des LSE-Tabellenlohnes ermittelte Invalideneinkommen des Leistungsansprechers um den Prozentsatz zu erhöhen, um den sein Validenlohn über dem Durchschnittsverdienst für eine vergleichbare Tätigkeit lag. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat dies verneint, da angesichts der gesundheitlichen Einschränkungen des Versicherten nicht von vornherein davon ausgegangen werden könne, er werde auf Grund seiner Kenntnisse und Berufserfahrung - wie als Gesunder - eine überdurchschnittliche Leistung erbringen und ein über der statistischen Norm liegendes Einkommen erzielen können. Sollte er sich allerdings trotz seiner Behinderung beruflich besonders qualifizieren und sollte sich dies beim Invalideneinkommen tatsächlich lohnwirksam niederschlagen sowie zu einer anspruchsrelevanten Verringerung des Invaliditätsgrades führen, werde diese Tatsache revisionsweise zu berücksichtigen sein.
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9.2 Vorab ist festzuhalten, dass über das zu veranschlagende Invalideneinkommen und in diesem Rahmen über die von der Vorinstanz offen gelassene Frage, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang von einem allfällig heranzuziehenden Tabellenlohn ein leidensbedingter Abzug gerechtfertigt ist, erst nach rechtsgenüglicher Ermittlung der Arbeits(un)fähigkeit befunden werden kann (E. 8.4 hievor; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 618/05 vom 13. Februar 2006, E. 4.6).
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9.3 Hinsichtlich der Frage einer allfälligen Erhöhung des statistischen Invalideneinkommens ist zu beachten, dass die Versicherte bei der X.________ AG unbestrittenermassen Schichtarbeit geleistet hat, was auf Grund entsprechender Zulagen zweifellos auch zum überdurchschnittlichen Valideneinkommen geführt hat. Da sie im massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides (BGE 131 V 9 E. 1 S. 11, 129 V 167 E. 1 S. 169) diese Stelle nicht mehr inne hatte und auch keine neue zumutbare Erwerbstätigkeit aufgenommen hat (vgl. auch E. 10 hienach), ist für die Bestimmung des hypothetischen Invalideneinkommens auf die LSE-Tabellenlöhne abzustellen (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475; erwähntes Urteil I 197/05, E. 4). In diesem Rahmen kann nicht der Durchschnittslohn für Schichtarbeit herangezogen werden, selbst wenn die medizinische Abklärung ergeben sollte, dass der Versicherten eine solche weiterhin zumutbar sei. Denn das Abstellen auf eine entsprechende Verdienstmöglichkeit ist in Anbetracht des für die Ermittlung des Invalideneinkommens massgebenden ausgeglichenen Arbeitsmarktes (Art. 16 ATSG; vgl. auch AHI 1998 S. 287 E. 3b, I 198/97) nicht repräsentativ. Es kann nicht davon ausgegangen werden, die Versicherte müsse wieder eine Schichtarbeit suchen und/ oder werde eine entsprechende Stelle finden. Weiter ist der Beschwerdegegnerin beizupflichten, dass ihre Erfahrung als Operatorin/Bestückerin, die sie sich bei der X.________ AG jahrelang aneignen konnte, ein Spezialgebiet betrifft; diese Kenntnisse werden auf dem Arbeitsmarkt höchstens begrenzt von Nutzen sein. Soweit ihr Valideneinkommen mithin wegen Schichtzulagen und der langjährigen Berufserfahrung bei der X.________ AG überdurchschnittlich hoch war, kann dies beim Invalideneinkommen nicht im Voraus erhöhend veranschlagt werden.
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Über eine Berufsausbildung verfügt die Versicherte nicht. Bei der Handelsschule Q.________ hat sie lediglich einen Maschinenschreibkurs erfolgreich bestanden (Prüfungsausweis vom 4. April 1972); dieser Umstand kann ebenfalls nicht von vornherein zu einer Erhöhung des statistischen Invalideneinkommens führen.
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Die Vorinstanz hat demnach im Ergebnis zu Recht erkannt, dass das Invalideneinkommen gestützt auf den LSE-Tabellenlohn im Anforderungsniveau 4 zu bestimmen sein wird, wovon auch die IV-Stelle noch im Rahmen der Verfügungen vom 1. September 2004 ausgegangen ist (E. 5.1 hievor).
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10.
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10.1 Im Weiteren macht die IV-Stelle geltend, es wäre der Beschwerdegegnerin im Sinne einer schadenmindernden Aufgabenteilung trotz des Gesundheitsschadens möglich, die Hauswarttätigkeit zusammen mit ihrem Ehemann weiter auszuüben und in diesem Rahmen die körperlich leichten Arbeiten zu übernehmen. Somit wäre es angebracht, beim Invalideneinkommen 50 % des Hauswartlohnes zu berücksichtigen.
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10.2 Diesbezüglich brachte die Versicherte vorinstanzlich vor, sie übe die Hauswarttätigkeit gesundheitsbedingt nicht mehr aus, was sie der Hausverwaltung denn auch im Mai 2003 mitgeteilt habe. Die Arbeiten seien interimistisch von ihrem Ehemann bzw. ihrem Sohn übernommen worden. Da die Hauswartsstelle sowieso ihrem Sohn übergeben werde, sei dies eine Zwischenlösung gewesen, weshalb man sich der Einfachheit halber geeinigt habe, sie (die Versicherte) auf der Lohnliste weiterzuführen. Letztinstanzlich bringt die Versicherte vor, sie gehe keiner Erwerbstätigkeit mehr nach, was unbestritten ist. Zudem befindet sich bei den Akten ein Arbeitsvertrag zwischen der Z.________ AG und dem Sohn der Versicherten vom 8. März 2005, wonach dieser ab 1. Mai 2005 als Hauswart angestellt ist.
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Gestützt hierauf ist erstellt, dass die Beschwerdegegnerin die Hauswartsarbeit nicht mehr ausübt. Demnach ist bei der Bestimmung des Invalideneinkommens kein entsprechender Lohn anzurechnen (vgl. E. 9.3 hievor); hieran ändert unter den gegebenen Umständen nichts, dass die Versicherte allenfalls noch während zwei Monaten nach Erlass des Einspracheentscheides (28. Februar 2005) pro forma auf der Lohnliste als Hauswartin stand.
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11.
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Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, dass dem Abzugskriterium Nationalität/Aufenthaltskategorie vorliegend keine relevante Bedeutung zukommt, da die Versicherte seit 1996 das Schweizer Bürgerrecht besitzt. Richtig ist auch, dass Teilzeitarbeit sich in allen Pensen bei Frauen im Anforderungsniveau 4 proportional berechnet zu einer Vollzeittätigkeit sogar tendenziell lohnerhöhend auswirkt (LSE 2002 S. 28 Tabelle 8* und 2004 S. 25 Tabelle T6*; vgl. auch Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 654/05 vom 22. November 2006, E. 10.2.3 mit Hinweisen). Weiter ist der Vorinstanz beizupflichten, dass Hilfsarbeiten auf dem massgebenden hypothetischen ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) grundsätzlich altersunabhängig nachgefragt werden und sich das Alter in diesen Tätigkeiten auch nicht lohnsenkend auswirkt (vgl. AHI 1999 S. 177 E. 3b, I 593/98; Urteil des Eidgnössischen Versicherungsgerichts I 45/06 vom 5. März 2007, E. 8.2).
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12.
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Die Vergleichseinkommen (Validen- und Invalideneinkommen) sind entgegen dem Vorgehen von Verwaltung und Vorinstanz nicht nur für den Zeitpunkt des allfälligen Rentenbeginns (2002), sondern auch für denjenigen des Erlasses des Einspracheentscheides (2005) zu ermitteln (BGE 129 V 222 E. 4.2 S. 224).
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13.
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Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die IV-Stelle hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung, weil den im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen werden darf (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 143 E. 4a S. 150 mit Hinweisen) und kein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung (BGE 128 V 124 E. 5b S. 133 sowie 323) vorliegt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden Ziff. 1 des Dispositivs des Entscheides des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 22. Dezember 2005 und der Einspracheentscheid vom 28. Februar 2005 aufgehoben, und es wird die Sache an die IV-Stelle Zug zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch ab 1. April 2002 neu verfüge.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie, Zürich, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
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Luzern, 9. Mai 2007
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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i.V.
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© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |