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Informationen zum Dokument  BGer U 115/2006  Materielle Begründung
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BGer U 115/2006 vom 24.07.2007
 
Tribunale federale
 
{T 7}
 
U 115/06
 
Urteil vom 24. Juli 2007
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Leuzinger, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Widmer,
 
Bundesrichter Ferrari, Frésard, Seiler,
 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
 
Parteien
 
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, General-Guisan-Strasse 40, 8401 Winterthur, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Marianne I. Sieger, Kuttelgasse 8, 8001 Zürich,
 
gegen
 
W.________, 1965, Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Glaus,
 
Oberer Graben 44, 9000 St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 23. November 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a W.________, geboren 1965, arbeitete von Mai 1991 bis zu ihrer Entlassung per Ende November 1996 zunächst mit vollem Pensum, später im Umfang von 80 %, als medizinische Masseurin und Bademeisterin bei Dr. med. S.________ und war bei der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend "Winterthur") unfallversichert. Am 19. Dezember 1995 erlitt sie einen Unfall. Die wegen Kopf- und Nackenschmerzen am 22. Dezember 1995 aufgesuchte Chirurgie X.________ ging von einem Stauchungstrauma im Bereich der Halswirbelsäule aus und diagnostizierte eine Myogelose. Der Gesundheitszustand der W.________ verschlechterte sich zunehmend; seit 1997 ist W.________ wegen Gehstörungen auf einen Rollstuhl angewiesen.
 
Die "Winterthur" erbrachte zunächst Leistungen (Heilbehandlung und Taggelder, nach Überentschädigungsberechnung aufgrund der IV-Rente), stellte diese aber mit Verfügung vom 31. Juli 2000 per sofort ein, da kein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und dem Unfall vom Dezember 1995 vorliege. Diese Verfügung bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 16. Februar 2001. Die von W.________ mit dem Antrag auf Aufhebung des Einspracheentscheids erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 22. Mai 2002 ab. Das von W.________ hierauf angerufene damalige Eidgenössische Versicherungsgericht hiess die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne gut, dass es den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 22. Mai 2002 und den Einspracheentscheid der "Winterthur" vom 16. Februar 2001 aufhob und die Sache an die "Winterthur" zurückwies, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, neu verfüge (Urteil vom 10. September 2003, U 289/02). In den Erwägungen führte es aus, da die "Winterthur" bis Ende Juli 2000 Versicherungsleistungen erbracht habe und geltend mache, es liege kein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden mehr vor, trage sie die objektive Beweislast, d.h. sie habe "so lange Versicherungsleistungen auszurichten, als nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Dahinfallen der Kausalität erstellt" sei. Die bisher eingeholten Arztberichte vermöchten keine abschliessende Antwort auf die Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs zu erbringen; der Sachverhalt erweise sich daher als ungenügend abgeklärt. Die "Winterthur" werde im Rahmen einer interdisziplinären Begutachtung abzuklären haben, ob somatische oder psychische Beschwerden vorlägen und welche davon unfallkausal seien.
 
A.b In der Folge forderte der Rechtsvertreter von W.________ bei der "Winterthur" die Zahlung der seit Anfang August 2000 aufgelaufenen Leistungen (Schreiben vom 6. November 2003). Die "Winterthur" lehnte dies mit Verfügung vom 5. August 2004 ab. Daran hielt sie im Einspracheentscheid vom 19. Januar 2005 fest.
 
B.
 
W.________ erhob dagegen am 6. April 2005 Beschwerde an das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit dem Antrag, der Einspracheentscheid vom 19. Januar 2005 und die Verfügung vom 5. August 2004 seien aufzuheben und die "Winterthur" sei zu verpflichten, ihr die aufgelaufenen Versicherungsleistungen (Taggelder, Heilungskosten, Hilflosenentschädigung) seit 1. August 2000 zuzüglich Zins sowie die laufenden Taggelder bis auf weiteres auszuzahlen. Das Verwaltungsgericht hiess mit Entscheid vom 23. November 2005 die Beschwerde gut und wies die "Winterthur" an, W.________ die aufgelaufenen Versicherungsleistungen seit 1. August 2000 zuzüglich Zins zu 5 % ab mittlerem Verfall seit 1. Januar 2003 nachzuzahlen.
 
C.
 
Die "Winterthur" erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des kantonalen Entscheides vom 23. November 2005.
 
W.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2).
 
2.
 
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin für die Dauer der Abklärungen, die sie aufgrund des Rückweisungsentscheids noch treffen muss, die Versicherungsleistungen auszurichten hat (wobei sich diese Frage nur stellt, wenn die noch vorzunehmenden Abklärungen ergeben, dass die Unfallkausalität tatsächlich weggefallen ist). Obwohl es damit bloss um eine Zahlung während der Dauer eines hängigen Verfahrens geht, handelt es sich um Versicherungsleistungen, so dass die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt ist, sondern sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung erstreckt; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG) und das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG in der hier anwendbaren, bis 30. Juni 2006 gültig gewesenen Fassung; vgl. BGE 121 V 180 Erw. 4a; RKUV 2003 Nr. U 479 S. 190 Erw. 2 [Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02]; AHI 2000 S. 182 Erw. 2b [Urteil S. vom 22. Oktober 1998, I 267/98]).
 
3.
 
Vorinstanz und Beschwerdegegnerin gehen davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Taggelder weiterhin erbringen muss, da sie weder in der Verfügung vom 31. Juli 2000 noch im Einspracheentscheid vom 16. Februar 2001 den dagegen erhobenen Rechtsmitteln die aufschiebende Wirkung entzogen habe. Die Taggelder wären somit für die Dauer der noch vorzunehmenden Abklärungen weiterhin geschuldet, selbst wenn die Abklärungen ergeben sollten, dass die Unfallkausalität in einem früheren Zeitpunkt bereits weggefallen ist. Die Beschwerdeführerin stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, die Taggelder seien für die Dauer der Abklärungen nicht geschuldet. Die Antwort auf die Streitfrage hängt davon ab, was es mit der aufschiebenden Wirkung der gegen die Einstellung erhobenen Rechtsmittel für eine Bewandtnis hat.
 
Die Vorinstanz hat erwogen, die gegen den Einspracheentscheid vom 16. Februar 2001 erhobene Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht habe aufschiebende Wirkung gehabt; diese sei weder in der Verfügung vom 31. Juli 2000 noch im Einspracheentscheid vom 16. Februar 2001 entzogen worden. Es bleibe damit einstweilen beim Zustand, der vor dem Erlass des mit der Beschwerde angefochtenen Entscheids bestanden habe. Mithin müssten die Versicherungsleistungen weiterhin erbracht werden.
 
Demgegenüber vertritt die Beschwerdeführerin den Standpunkt, bei der Einstellungsverfügung vom 31. Juli 2000 handle es sich um eine negative Verfügung, die der aufschiebenden Wirkung nicht zugänglich sei. Sie beruft sich ferner auf die ständige Praxis der Unfallversicherer sowie auf die Rechtsprechung (BGE 129 V 370, 106 V 18; RKUV 2003 Nr. U 479 S. 188 [Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02]), die entgegen der vorinstanzlichen Auffassung auch auf den vorliegenden Fall Anwendung finde. Zudem entspreche es ständiger Praxis der Unfallversicherer mindestens bis zum Inkrafttreten des ATSG, in den Einstellungsverfügungen die aufschiebende Wirkung nicht zu entziehen und die Ausrichtung der Taggelder trotz erhobener Rechtsmittel einzustellen.
 
Anders als die "Winterthur" hält die Beschwerdegegnerin das Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02, nicht für einschlägig. Sie beruft sich darauf, dass das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht in seinem ersten Urteil vom 10. September 2003 klar gesagt habe, die Leistungen seien so lange weiter auszurichten, als das Dahinfallen der Kausalität nicht erstellt sei, d.h. bis die noch vorzunehmenden Abklärungen getroffen seien. Des Weitern habe es die Verfügung vom 31. Juli 2000 aufgehoben, so dass gar keine leistungsaufhebende Verfügung mehr bestehe und schon aus diesem Grund weiterhin Leistungen auszurichten seien.
 
4.
 
4.1 Aufschiebende Wirkung bedeutet, dass die im Verfügungsdispositiv angeordnete Rechtsfolge vorläufig nicht eintritt, sondern gehemmt wird. Der Suspensiveffekt verhindert, dass Verfügungen, die Rechte oder Pflichten feststellen, begründen, ändern oder aufheben, Geltung erhalten. Gegenstand der aufschiebenden Wirkung können nur positive Verfügungen sein, d.h. solche, die eine Pflicht auferlegen oder einem Gesuch stattgeben (BGE 126 V 409, 124 V 84 Erw. 1a; RKUV 2003 Nr. U 479 S. 192 Erw. 5.1 [Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02]; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 241 ff.). Negative Verfügungen, mit denen ein Begehren um Feststellung, Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten abgelehnt wird, wie namentlich leistungsverweigernde Anordnungen, sind der aufschiebenden Wirkung nicht zugänglich (BGE 126 V 409, 123 V 41 Erw. 3, 117 V 188 Erw. 1b mit Hinweisen; RKUV 2003 Nr. U 479 S. 192 Erw. 5.1 [Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02]; Gygi, a.a.O., S. 243; Christian Zünd, Bemerkungen zum Urteil V. vom 22. September 2000, C 112/00 [BGE 126 V 407], in: AJP 2001 S. 705 ff.). Denn mit solchen Verfügungen wird nichts angeordnet, was der Vollstreckung bedürfte und deren Aufschub überhaupt zugänglich wäre. Um den Vollstreckungsaufschub zu erwirken, bedarf es deshalb der Anordnung einer positiven vorsorglichen Massnahme.
 
4.2 Die Verfügung, mit der eine bisher gewährte Leistung nicht mehr gewährt wird, ist eine positive Verfügung, welche der aufschiebenden Wirkung zugänglich ist (BGE 124 V 84 bezüglich Taggelder der Arbeitslosenversicherung; Urteil L. vom 2. Februar 2005, U 411/04, bezüglich Taggelder der Unfallversicherung; Frage offen gelassen in RKUV 2003 Nr. U 479 S. 192 Erw. 5.2 [Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02] sowie RKUV 2004 Nr. U 521 S. 449 Erw. 2 [Urteil D. vom 16. April 2004, U 75/04].
 
5.
 
5.1 Dem von den Parteien diskutierten Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02, lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde: Der Unfallversicherer hatte anfänglich Leistungen erbracht, diese dann aber eingestellt. Der gegen die Leistungseinstellung erhobenen Einsprache entzog er die aufschiebende Wirkung. Gegen diese Zwischenverfügung reichte der Versicherte Beschwerde ein. Das frühere Eidgenössische Versicherungsgericht liess offen, ob es sich bei der Verfügung, mit der bisher erbrachte Taggeldleistungen eingestellt werden, um eine positive oder eine negative Verfügung handle, weil im ersten Fall der Entzug der aufschiebenden Wirkung aufgrund einer Interessenabwägung gerechtfertigt und im zweiten Fall aufgrund der gleichen Interessenabwägung eine entsprechende positive vorsorgliche Massnahme anzuordnen wäre. Im Ergebnis musste somit der Unfallversicherer während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens die Leistungen nicht erbringen.
 
5.2 Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenem Fall insofern, als hier die Beschwerdeführerin weder in ihrer Verfügung vom 31. Juli 2000 noch im Einspracheentscheid vom 16. Februar 2001 dem Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung entzogen hat. Die Vorinstanz hat massgeblich auf diesen Umstand abgestellt.
 
Zwar behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht, sie habe der Einsprache bzw. Beschwerde jemals die aufschiebende Wirkung entzogen. Sie macht jedoch geltend, die aufschiebende Wirkung könne auch sinngemäss oder stillschweigend entzogen werden, was der ständigen Praxis der Unfallversicherer mindestens bis zum Inkrafttreten des ATSG entspreche. Bereits in BGE 109 V 232 wurde indessen festgehalten, dass der Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nicht sinngemäss erfolgen kann, sondern ausdrücklich angeordnet werden muss. In RKUV 2003 Nr. U 479 S. 191 Erw. 3 [Urteil B. vom 11. Dezember 2002, U 21/02] wurde offen gelassen, ob dies auch bezüglich der Einsprache gilt. Die Frage braucht auch hier nicht weiter erörtert zu werden, da, wie sich aus dem Folgenden ergibt, die Auffassung der Beschwerdeführerin im Ergebnis ohnehin richtig ist.
 
6.
 
6.1 Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, dass die Einsprache gegen die Verfügung vom 31. Juli 2000 und die kantonale Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 16. Februar 2001 aufschiebende Wirkung hatten. Bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 22. Mai 2002 hätte somit damals die Beschwerdeführerin die Taggelder weiterhin erbringen müssen, da sie die aufschiebende Wirkung nicht entzogen hat.
 
Indessen hat das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid vom 22. Mai 2002 die Beschwerde abgewiesen und damit den angefochtenen Entscheid bestätigt. Wäre dieser Entscheid rechtskräftig geworden, hätte die heutige Beschwerdeführerin mit Recht die Leistungen mit Wirkung per 31. Juli 2000 eingestellt. Nun hat die heutige Beschwerdegegnerin gegen jenes Urteil Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Dieses Rechtsmittel hatte gemäss Art. 111 in Verbindung mit Art. 132 OG keine aufschiebende Wirkung. Denn von Gesetzes wegen kommt einzig den Beschwerden gegen Verfügungen, die zu einer Geldleistung verpflichten, aufschiebende Wirkung zu (Art. 111 Abs. 1 OG); als solche gelten nur Verfügungen, mit denen der Verfügungsadressat zu einer Geldzahlung verpflichtet wird, nicht aber Verfügungen, mit denen dem Adressaten eine Versicherungsleistung zugesprochen oder entzogen wird (BGE 110 V 43 oben, 109 V 232; Gustavo Scartazzini, Zum Institut der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in der Sozialversicherungsrechtspflege, in: SZS 1993 S. 313 ff., S. 323). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hätte somit nur aufschiebende Wirkung gehabt, wenn diese angeordnet worden wäre (Art. 111 Abs. 2 OG), was jedoch nicht der Fall ist. Während der Dauer des damaligen Rechtsmittelverfahrens war somit die heutige Beschwerdeführerin weiterhin nicht verpflichtet, Leistungen zu erbringen.
 
6.2 Mit dem Urteil des damaligen Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 10. September 2003 ist der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 22. Mai 2002 aufgehoben und die Sache zur neuen Abklärung an die heutige Beschwerdeführerin zurückgewiesen worden. Damit liegt - wie die Beschwerdegegnerin insoweit zu Recht vorbringt - an sich keine leistungsaufhebende Verfügung mehr vor. Indessen hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Verfügungen über die Revision von Renten entschieden, dass der Entzug der aufschiebenden Wirkung auch dann weiterhin gilt, wenn ein erst- oder letztinstanzliches Gerichtsurteil die Revisionsverfügung aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Verwaltung zurückgewiesen hat. Mithin entfaltet auch während der Dauer der infolge der Rückweisung vorzunehmenden Überprüfung die Rentenrevision ihre Wirkung, obwohl bei formaler Betrachtung an sich keine Verfügung mehr vorliegt (BGE 106 V 19 ff. Erw. 3; in BGE 129 V 372 ff. Erw. 3 und 4 mit ausführlicher Begründung entgegen Kritik in der Lehre und auch mit Geltung nach dem Inkrafttreten des ATSG bestätigt). Diese Rechtsprechung muss erst recht gelten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht entzogen worden ist, sondern von Gesetzes wegen gar nicht bestanden hat.
 
6.3 Nach Auffassung der Vorinstanz ist diese Praxis nicht ohne weiteres auf die Einstellung von Taggeldleistungen übertragbar. Indessen ist die Einstellung einer Taggeldzahlung vergleichbar mit einer revisionsweisen Aufhebung einer laufenden Rente. In beiden Fällen werden Leistungen, die bisher erbracht worden sind, nicht mehr erbracht, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen (rentenbegründender Invaliditätsgrad bzw. Kausalität zwischen Unfall und Leiden) nicht mehr erfüllt sind. Die Beschwerdegegnerin erachtet einen Vergleich mit der Revision für verfehlt, weil es im vorliegenden Verfahren nicht um einen Zwischenentscheid gehe. Dies ist aber nicht ausschlaggebend, ging es doch auch in BGE 106 V 18 oder 129 V 370 nicht um Zwischenverfügungen. In beiden Fällen wurde aber - wie auch hier - die Frage thematisiert, ob während der Dauer eines Verfahrens die Leistungen weiter auszurichten seien. Auch im Rentenrevisionsverfahren steht bis zum rechtskräftigen Entscheid nicht fest, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung (oder Reduktion) der Rente wirklich gegeben sind; dies bildet vielmehr gerade Thema des Rechtsmittelverfahrens. Dabei stellt sich die Frage, ob bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss die Rente weiterhin zu bezahlen ist. Genau gleich verhält es sich im Verfahren betreffend Einstellung von Leistungen des Unfallversicherers. Die Beschwerdeführerin wollte die Leistungen per 31. Juli 2000 einstellen. Sie hat aufgrund des höchstinstanzlichen Urteils vom 10. September 2003 näher abzuklären, ob in diesem Zeitpunkt die Kausalität noch gegeben ist. Wird als Folge der noch zu treffenden Abklärungen diese Frage zu verneinen sein, so wird sie mit Recht auf diesen Zeitpunkt hin die Leistungen eingestellt haben; wird die Frage zu bejahen sein, so wird sie die Leistungen weiterhin erbringen müssen (allenfalls bis zu einem späteren Zeitpunkt, in welchem die Kausalität entfällt). Thema des vorliegenden Verfahrens ist, ob im Zeitraum vom 1. August 2000 bis zur rechtskräftigen Abklärung der genannten Frage die Leistungen vorläufig weiter zu bezahlen sind. Dies ist die gleiche Frage wie im Zusammenhang mit der Rentenrevision. Die zitierte Rechtsprechung ist somit auch auf Verfügungen über die Einstellung von UVG-Leistungen anwendbar.
 
7.
 
7.1 Die Beschwerdegegnerin bringt vor, im Urteil vom 10. September 2003 sei in Erwägung 3.1 klar angeordnet worden, dass die Beschwerdeführerin "so lange" Versicherungsleistungen auszurichten habe, als nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Dahinfallen der Kausalität erstellt sei. Für eine Anwendung der zitierten Rechtsprechung bleibe daher kein Raum.
 
7.2 Der Ausdruck "so lange" hat nicht zwingend eine temporale Bedeutung. Er kann - ähnlich wie der Begriff "sofern", der wörtlich eine lokale Bedeutung hat - auch in einem übertragenen, konditionalen Sinne verwendet werden. In der zitierten Erw. 3.1 werden nicht der heutigen Beschwerdeführerin konkrete Anweisungen für das weitere Vorgehen erteilt; vielmehr steht dieser Passus am Eingang derjenigen Erwägung, in welcher der bisherige Prozessstoff gewürdigt wird und welcher sich ausschliesslich mit der Beweislast befasst. Schon dies spricht dafür, dass der Ausdruck "so lange" hier in einem konditionalen Sinne verwendet wird. Hinzu kommt, dass im ganzen Verfahren U 289/02 die Frage der Ausrichtung der Leistungen während der Dauer des Prozesses nicht thematisiert worden ist und namentlich auch seitens der heutigen Beschwerdegegnerin kein Gesuch um aufschiebende Wirkung oder vorsorgliche Massnahmen gestellt worden ist.
 
7.3 Das Urteil vom 10. September 2003, U 289/02, steht somit der Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 106 V 19 ff. Erw. 3 und 129 V 372 ff. Erw. 3 und 4 nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist demnach nicht zu beanstanden, dass die "Winterthur" die Weiterausrichtung der Versicherungsleistungen über den 31. Juli 2000 hinaus abgelehnt hat.
 
8.
 
Die Beschwerde erweist sich damit als begründet. Das Verfahren ist kostenlos (Erw. 2). Die obsiegende Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Parteikostenersatz (Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 23. November 2005 aufgehoben.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
 
Luzern, 24. Juli 2007
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
 
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