BGer 1C_121/2007 | |||
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BGer 1C_121/2007 vom 11.09.2007 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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1C_121/2007 /fun
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Urteil vom 11. September 2007
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I. öffentlich-rechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Féraud, Präsident,
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Bundesrichter Aemisegger, Ersatzrichter Ackeret,
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Gerichtsschreiberin Scherrer.
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Parteien
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X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rony Kolb,
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gegen
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Politische Gemeinde Diepoldsau, vertreten durch den Gemeinderat, Gemeindeplatz 1, 9444 Diepoldsau,
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Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen,
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Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.
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Gegenstand
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Wiederherstellung,
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Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. April 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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Am 13. Juni 2002 reichte X.________ beim Gemeinderat Diepoldsau ein Baugesuch für die Errichtung eines Stöcklis und einer Remise auf seinem Grundstück, Parzelle Nr. 954 Grundbuch Diepoldsau, ein. Am 15. Juli 2003 stimmte der Gemeinderat dem Bauvorhaben unter Hinweis auf die raumplanungsrechtliche Teilverfügung des Amts für Raumentwicklung vom 9. Juli 2003 zu. In der Folge wurde festgestellt, dass das Stöckli nicht gemäss der Baubewilligung erstellt wurde. Am 20. Juni 2005 reichte X.________ ein Korrekturgesuch ein. Dieses wies das Amt für Raumentwicklung mit Teilverfügung vom 16. September 2005 ab. Mit Entscheid vom 28. September 2005 verweigerte der Gemeinderat Diepoldsau die nachträgliche Baubewilligung. Gegen diesen Entscheid erhob X.________ am 12. Oktober 2005 Rekurs beim Baudepartement des Kantons St. Gallen. Nachdem der Rekurrent den verlangten Kostenvorschuss nicht innert Frist geleistet hatte, wurde das Rekursverfahren am 18. November 2005 abgeschrieben.
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Am 4. Januar 2006 beschloss der Gemeinderat Diepoldsau unter Bezugnahme auf die Beurteilung des Amts für Raumentwicklung vom 19. Dezember 2005, dass für eine von X.________ anbegehrte Projektänderung (Stilllegung verschiedener Räume anstelle eines Rückbaus) keine Baubewilligung in Aussicht gestellt werden könne. Am 27. Januar 2006 teilte der Gemeinderat Diepoldsau X.________ mit, die Verweigerung der Baubewilligung sei in Rechtskraft erwachsen und es werde die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes angeordnet werden müssen.
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B.
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Diese Anordnung traf der Gemeinderat mit Beschluss vom 8. März 2006, nachdem der Bauherr am 23. Februar 2006 erfolglos den Verzicht auf die Wiederherstellung beantragt hatte. Das Baudepartement führte auf Rekurs von X.________ hin am 5. Juni 2006 in Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten und eines Vertreters des Landwirtschaftlichenzentrums St. Gallen einen Augenschein durch und wies den Rekurs am 29. September 2006 ab, soweit es darauf eintrat. Der Entscheid wurde am 2. Oktober 2006 versandt.
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C.
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Auf eine vom Rechtsvertreter mit Eingabe vom 23. Oktober 2006 erhobene Beschwerde trat das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen wegen Verspätung nicht ein.
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X.________ führt gegen dieses Urteil mit Eingabe vom 16. Mai 2007 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Begehren, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. April 2007 aufzuheben. Er macht geltend, das Baudepartement habe den am 29. September 2006 gefällten Entscheid dem Rechtsvertreter per A-Post zukommen lassen, obwohl die Zustellung gemäss Vermerk per Einschreiben erfolgt sein soll. Der Rechtsvertreter habe das ihm am 3. Oktober 2006 ins Postfach gelegte Kuvert nicht geöffnet, sondern bei einer Poststelle die Korrektur des Versehens erwirkt und das Schreiben als eingeschriebene Sendung am 10. Oktober 2007 entgegengenommen, womit die 14-tägige Rechtsmittelfrist eingehalten worden sei.
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Das Verwaltungsgericht und das Baudepartement des Kantons St. Gallen beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Die politische Gemeinde Diepoldsau hat auf einen Antrag verzichtet.
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D.
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Mit Verfügung vom 18. Juni 2007 hat das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde gesuchsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Der angefochtene Entscheid ist nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) ergangen. Die vorliegende Beschwerde ist danach zu behandeln (Art. 132 Abs. 1 BGG). Gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da kein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG zum Zuge kommt. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
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1.2 Vorbehalten bleibt, dass die einzelnen vorgebrachten Verfassungsrügen vom Beschwerdeführer rechtsgenüglich begründet worden sind. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht (vgl. Art. 106 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft derartige Rügen nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise dargelegt und begründet worden sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.2).
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2.
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2.1 In tatsächlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass das an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers adressierte Zustellkuvert mit dem Entscheid des Baudepartements des Kantons St. Gallen vom 29. September 2006 am 3. Oktober 2006 im Postfach des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers lag und er sich zu diesem Zeitpunkt unabhängig von seinem weiteren Verhalten in der Lage befand, durch Öffnen des Kuverts vom Inhalt der Sendung und damit vom Rekursentscheid des Baudepartements Kenntnis zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme vom 31. Januar 2007 an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen durch seinen Rechtsvertreter selber ausführen lassen, dass der angefochtene Entscheid seinem Rechtsvertreter in einem Briefumschlag des Baudepartements am 3. Oktober 2006 ins Postfach gelegt worden sei. Sein Rechtsvertreter macht aber geltend, er sei davon ausgegangen, dass die Zustellung versehentlich nicht per Einschreiben erfolgt sei, weshalb er eine Korrektur veranlasst habe. Er habe dabei das Kuvert nicht behändigt, sondern die Postangestellte auf die mangelhafte Zustellung hingewiesen. Aufgrund der Richtigstellung sei die Zustellung des Entscheides eingeschrieben und gemäss Empfangsbescheinigung am 10. Oktober 2006 erfolgt.
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2.2 Nach Art. 25 Abs. 2 des St. Gallischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 (VRP/SG; sGS 951.1) sind Verfügungen schriftlich zu eröffnen, ausgenommen in Fällen, wo Gefahr in Verzug liegt oder eine Angelegenheit in Anwesenheit des Betroffenen sofort erledigt wird. Dass die Zustellung eingeschrieben erfolgt, wird nach dieser Bestimmung nicht verlangt. Insoweit liegt keine mangelhafte Sendung vor.
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2.3 Bei uneingeschriebener Briefpost gilt eine Sendung als zugestellt, wenn sie im Briefkasten oder im Postfach des Adressaten abgelegt wird und damit in den Verfügungsbereich des Beschwerdeführers gelangt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist für die Zustellung einer Sendung nicht erforderlich, dass der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt; es genügt, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt und er demzufolge von ihr Kenntnis nehmen kann (BGE 122 I 139 E. 1 S. 143; 115 la 12 E. 3b S. 17). Mit der Ablage im Postfach am 3. Oktober 2006 galt der Entscheid somit grundsätzlich als eröffnet.
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2.4 Das st. gallische Recht regelt die Frage, wann eine eingeschriebene Sendung als zugestellt gilt, nicht. Wird der Adressat anlässlich einer versuchten Zustellung nicht angetroffen und daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt wird; geschieht das nicht innert der Abholfrist, die sieben Tage beträgt, so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt, sofern der Adressat mit der Zustellung hatte rechnen müssen (BGE 127 I 31 E. 2a/aa S. 34; 123 III 492 E. 1 S. 493; 119 V 89 E. 4b S. 94).
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3.
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3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht, weil die minimalen bundesrechtlichen Verfahrensgarantien bezüglich Gleichbehandlung, Treu und Glauben und Willkürverbot nicht eingehalten worden seien. Die Rechtsabteilung des Baudepartements habe den Entscheid als Einschreibesendung frankiert, aber unpraxisgemäss als A-Post versendet. Dieser Einwand ist indes unbegründet, weil die Sendung am 3. Oktober 2006 unbestrittenermassen in den Herrschaftsbereich des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers gelangt und von ihm, ob geöffnet oder nicht, als den Entscheid beinhaltende Sendung zur Kenntnis genommen worden ist. Dass bei einer nicht eingeschriebenen Sendung der Nachweis der Zustellung nur erschwert geführt werden kann, ist wohl Grund für Einschreibesendungen, vermag aber keine bundesrechtswidrige Verletzung von Verfahrensgarantien zu begründen.
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3.2 Auch ein widersprüchliches oder vertrauensbegründendes Verhalten in Bezug auf einen späteren als den am 3. Oktober 2006 erfolgten Zeitpunkt der Zustellung kann dem Baudepartement - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht angelastet werden. Das vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geführte Telefongespräch mit der Mitarbeiterin des Baudepartements erfolgte am 26. Oktober 2006 und damit bereits nach der Eingabe der Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Ein Zusammenhang mit dem Verhalten des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers bezüglich der von ihm geltend gemachten Richtigstellung der Zustellung, die nachträglich ein berechtigtes Vertrauen in das Vorgehen hätte begründen können, bestand somit offensichtlich nicht. Wie das Verwaltungsgericht zudem festgestellt hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass der Brief an den Absender retourniert und ein zweites Mal nach Widnau zugestellt worden wäre. Dass es sich anders verhalten hätte, wird vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht.
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4.
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4.1 Zusammenfassend ergibt sich, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Sendung am 3. Oktober 2006 im Postfach vorfand und damit in der Lage war, von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen. Ungeachtet des Umstands, ob die Sendung als eingeschrieben bezeichnet oder als solche im Entscheid vermerkt war, galt der Entscheid damit als eröffnet. Der Rechtsvertreter hat nicht etwa gegenüber dem Baudepartement Einwendungen erhoben, sondern in untauglicher Selbsthilfe von der Post verlangt, die bis zur Ablage im Postfach uneingeschriebene Sendung ab daselbst als eingeschrieben zu behandeln. Dieses Vorgehen ändert nichts daran, dass mit der Ablage im Postfach die Zustellung erfolgt ist. Wenn das Verwaltungsgericht erkannt hat, dass die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nachträglich veranlasste postalische Abholungseinladung den Zeitpunkt der Zustellung nicht zu verschieben und ein Vertrauen in eine Abholfrist nicht zu begründen vermochte, ist das deshalb nicht zu beanstanden. Die 14-tägige Beschwerdefrist begann folgerichtig am 4. Oktober 2006 zu laufen und endete am 17. Oktober 2006. Die Beschwerde vom 23. Oktober 2006 an das Verwaltungsgericht war somit verspätet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. April 2007 erweist sich deshalb als begründet.
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4.2 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind bei diesem Ausgang des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Politischen Gemeinde Diepoldsau, dem Baudepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. September 2007
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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