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Informationen zum Dokument  BGer 8C_46/2007  Materielle Begründung
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BGer 8C_46/2007 vom 12.02.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_46/2007
 
Urteil vom 12. Februar 2008
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
 
Gerichtsschreiber Lanz.
 
Parteien
 
W.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Frei, Kriessernstrasse 40, 9450 Altstätten SG,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Januar 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1979 geborene W.________, als Mechaniker-Chauffeur in der elterlichen Firma X.________ angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert, erlitt am 10. Juni 2004 einen Verkehrsunfall. Ein nachfolgender Toyota Carina fuhr ins Heck des von ihm auf der Überholspur der Autobahn gelenkten und wegen Staubildung abgebremsten Jeep Grand Cherokee, welcher daraufhin mit der linken Frontpartie gegen die Mittelleitplanke stiess. Der anderntags aufgesuchte Dr. med. M.________, Allgemeine Medizin FMH, diagnostizierte mit Bericht vom 28. Juni 2004 ein HWS-Beschleunigungstrauma und bestätigte eine volle Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfallzeitpunkt. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld). Nach Abklärungen zum Unfallhergang und zum medizinischen Sachverhalt eröffnete sie W.________ mit Verfügung vom 22. November 2005 die Einstellung der Leistungen auf den 30. November 2005, da der Zustand ohne Unfall (status quo sine) wieder erreicht sei. Daran hielt die SUVA auf Einsprache des Versicherten hin fest, wobei sie neu auch den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 10. Juni 2004 und den noch bestehenden Beschwerden verneinte (Einspracheentscheid vom 7. Februar 2006).
 
B.
 
Beschwerdeweise beantragte W.________, es sei der Einspracheentscheid vom 7. Februar 2006 aufzuheben und weiterhin Taggeld auszuzahlen; eventuell sei die Sache zur Festsetzung des Invaliditätsgrades und Zusprechung einer entsprechenden Rente an die SUVA zurückzuweisen. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zog die Akten der Invalidenversicherung, bei der sich W.________ im Juli 2005 zum Leistungsbezug angemeldet hatte, hinzu und führte eine Parteiverhandlung durch. Mit Entscheid vom 10. Januar 2007 trat es im Rentenpunkt auf die Beschwerde nicht ein und wies sie im Übrigen ab.
 
C.
 
W.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung von Einsprache- und angefochtenem Entscheid sei der Unfallversicherer zu verpflichten, ab 1. Dezember 2005 weiterhin Taggeld auszuzahlen.
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Streitig ist, ob aus dem Unfall vom 10. Juni 2004 mit dem danach diagnostizierten HWS-Beschleunigungstrauma über den 30. November 2005 hinaus ein Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung besteht. Konkret wird Taggeld geltend gemacht. Der Beschwerdeführer weist daneben auch eine gesundheitliche Problematik im lumbalen Rückenbereich auf, welche indessen hier nicht zur Diskussion steht. Gleiches gilt in Bezug auf einen am 6. Januar 2002 erlittenen Unfall, welcher für kurze Zeit Heilbehandlung erforderlich gemacht sowie eine Arbeitsunfähigkeit bewirkt hatte.
 
Die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Streitsache sind im angefochtenen Entscheid, auf welchen verwiesen wird, zutreffend dargelegt. Es betrifft dies nebst den massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen namentlich die Grundsätze über den für einen Leistungsanspruch vorausgesetzten natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden im Allgemeinen (BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181 mit Hinweisen) sowie bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall (BGE 115 V 133) und bei nicht mit organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen verbundenen Schleudertraumen (BGE 117 V 359) resp. äquivalenten Verletzungen der HWS (RKUV 2000 Nr. U 395 S. 316 E. 3, U 160/98; SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 2) im Besonderen mit den sich jeweils stellenden Beweisfragen.
 
2.
 
Die Vorinstanz hat zunächst erkannt, die noch angegebenen Beschwerden liessen sich nicht mit einer organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolge erklären. Diese Beurteilung ist nach Lage der medizinischen Akten richtig und auch nicht umstritten.
 
Weiter wurde erwogen, der Beschwerdeführer habe sich beim Unfall vom 10. Juni 2004 zwar ein HWS-Beschleunigungstrauma zugezogen. Für die über den 30. November 2005 hinaus bestandenen Beschwerden sei dieses aber nicht mehr als natürlich kausal zu betrachten. Ohnehin wäre auch der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 10. Juni 2004 und den persistierenden Beschwerden zu verneinen. Die SUVA stimmt dieser Beurteilung zu. Demgegenüber bejaht der Beschwerdeführer den natürlichen und den adäquaten Kausalzusammenhang.
 
3.
 
Es besteht somit Uneinigkeit in der Beantwortung der Frage, ob die persistierenden Beschwerden noch natürlich und adäquat kausal mit dem beim Unfall vom 10. Juni 2004 erlittenen HWS-Beschleunigungstrauma zu erklären sind. Dabei kann von weiteren Abklärungen zur natürlichen Kausalität abgesehen werden, wenn es ohnehin am adäquaten Kausalzusammenhang fehlt (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 3c; ferner aus jüngerer Zeit: Urteil U 41/07 vom 3. Januar 2008, E. 4.2 mit Hinweisen). Das kantonale Gericht hat diesen Zusammenhang geprüft und dabei die Grundsätze der sog. Schleudertrauma-Praxis angewandt. Ob dies gerechtfertigt ist, was die SUVA vorinstanzlich noch bestritten hat, kann offen bleiben. Denn auch wenn zugunsten des Versicherten von einem Schleudertrauma resp. einer äquivalenten Verletzung der HWS ausgegangen wird, ist der adäquate Kausalzusammenhang im Sinne der folgenden Erwägungen zu verneinen.
 
3.1 Für die Adäquanzbeurteilung ist an das (objektiv erfassbare) Unfallereignis anzuknüpfen, wobei zwischen banalen bzw. leichten Unfällen einerseits, schweren Unfällen anderseits und schliesslich dem dazwischen liegenden mittleren Bereich unterschieden wird. Während der adäquate Kausalzusammenhang in der Regel bei schweren Unfällen ohne weiteres bejaht und bei leichten Unfällen verneint werden kann, lässt sich die Frage der Adäquanz bei Unfällen aus dem mittleren Bereich nicht aufgrund des Unfallgeschehens allein schlüssig beantworten. Es sind weitere, objektiv fassbare Umstände, welche unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehen oder als direkte bzw. indirekte Folgen davon erscheinen, in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen. Je nachdem, wo im mittleren Bereich der Unfall einzuordnen ist und abhängig davon, ob einzelne dieser Kriterien in besonders ausgeprägter Weise erfüllt sind, genügt zur Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs ein Kriterium oder müssen mehrere herangezogen werden (BGE 117 V 359 E. 6 S. 366 ff.).
 
Das kantonale Gericht hat den Unfall vom 10. Juni 2004 im mittelschweren Bereich und dort nicht im Grenzbereich zu den schweren Unfällen eingeordnet. Diese Beurteilung ist richtig. Soweit der Versicherte geltend machen lässt, es sei von einem Grenzfall zu den schweren Unfällen oder gar von einem solchen auszugehen, kann ihm aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs und der Kräfte, die sich dabei entwickelt haben (vgl. RKUV 1998 Nr. U 335 S. 207 E. bb; Urteil U 2, 3 und 4/07 vom 19. November 2007, E. 5.3.1), im Lichte auch der praxisgemässen Einordnung von Auffahrunfällen (RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U 380/04, E. 5.2.1 mit Hinweisen), nicht gefolgt werden.
 
Anderseits ist auch nicht von einem bloss leichten Unfallereignis auszugehen, wie dies die SUVA unter Hinweis auf das Urteil U 206/06 vom 17. Juli 2006 geltend macht. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich entscheidend von dem damals beurteilten. Denn hier ist schon aufgrund der unfallbedingten Beschädigungen am Fahrzeug des Versicherten zu schliessen, dass Kräfte über dem bei nur leichten Unfällen üblichen Mass freigesetzt wurden. Diese Beurteilung wird auch durch die Aussagen in der biomechanischen Kurzbeurteilung vom 18. Oktober 2004 gestützt.
 
3.2 Von den weiteren, objektiv fassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden Umständen, welche als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (BGE 117 V 359 E. 6a S. 367), müssten demnach für eine Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhanges entweder ein einzelnes in besonders ausgeprägter Weise oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein (BGE 117 V 359 E. 6b S. 367 f.).
 
Während die Vorinstanz höchstens das Kriterium der Dauerbeschwerden, als - nicht besonders ausgeprägt - erfüllt erachtet, sind nach Auffassung des Versicherten deren drei (Dauerbeschwerden; ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung; Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit) in ausgeprägter Weise gegeben. Weitere Adäquanzkriterien werden richtigerweise nicht zur Diskussion gestellt.
 
Bei auch nach Auffassung des Versicherten nur drei erfüllten Kriterien könnte noch nicht von einer Häufung adäquanzrelevanter Faktoren ausgegangen werden. Auch wird zu Recht nicht geltend gemacht, mehrere Kriterien seien in auffallender Weise gegeben. Um die Adäquanz bejahen zu können, müsste daher mindestens ein Kriterium in besonders ausgeprägter Weise vorliegen.
 
Dies trifft in Bezug auf das Kriterium der Dauerbeschwerden nicht zu, beschränken sich doch diese auf Nackenschmerzen, wobei aufgrund der medizinischen Akten nicht von einer besonders hohen Intensität
 
auszugehen ist. Dass noch Schmerzmedikamente eingenommen werden, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise.
 
Die Erfüllung des Kriteriums der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung erscheint schon in grundsätzlicher Hinsicht fraglich. In besonders ausgeprägter oder auffallender Weise liegt es jedenfalls nicht vor. Spätestens gut ein Jahr nach dem Unfall wurden einzig noch Fitnesstrainings nebst Schwimmen zum Muskelaufbau betrieben und einmal wöchentlich Physiotherapie durchgeführt, wobei sich letztere nach Angabe des Versicherten vom 15. September 2005 auf Massagen beschränkte. Von ärztlicher Seite fanden nurmehr periodische Kontrollen und mithin keine regelmässige und zielgerichtete Behandlung statt (vgl. SVR 2007 UV Nr. 25 S. 81, U 479/05, E. 8.3.3; RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U 380/04, E. 5.2.4, je mit Hinweisen). Auf eine solche lassen auch die bei Schmerzexazerbation eingenommenen Medikamente nicht schliessen.
 
Nichts anderes gilt für das Kriterium von Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Diese betrug zwar anfänglich 100 % und ab 6. Dezember 2004 50 %. Der Versicherte war aber in der Lage, daneben von April 2004 bis April 2005 eine berufsbegleitende Handelsschule zu besuchen und erfolgreich abzuschliessen, was ausgewiesenermassen mehrere hundert Stunden in Anspruch nahm. Sodann wurde in dem im Invalidenversicherungverfahren erstatteten Bericht des RAD-Arztes vom 28. März 2006 bestätigt, dass der Versicherte bei voller Arbeitsfähigkeit in leidensadaptierten Tätigkeiten beruflich im elterlichen Betrieb optimal eingegliedert sei.
 
3.3 Mit der Vorinstanz ist somit eine weitere Leistungspflicht der SUVA mangels eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom 10. Juni 2004 und den persistierenden Beschwerden zu verneinen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 12. Februar 2008
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Ursprung Lanz
 
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