BGer 2C_558/2007 | |||
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BGer 2C_558/2007 vom 06.03.2008 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2C_558/2007 / aka
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2C_559/2007
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Urteil vom 6. März 2008
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II. öffentlich-rechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Müller,
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Bundesrichterin Yersin,
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Bundesrichter Karlen,
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nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
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Gerichtsschreiberin Dubs.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
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Felix Ludwig, Müller Eckstein Rechtsanwälte,
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gegen
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Steuerverwaltung des Kantons Thurgau, Schlossmühlestrasse 15, 8510 Frauenfeld.
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Gegenstand
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Direkte Bundessteuer sowie Staats- und Gemeindesteuern 2003,
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Beschwerden gegen die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
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vom 15. August 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ ist in A.________ aufgrund persönlicher Zugehörigkeit unbeschränkt steuerpflichtig. Er bezieht aus Deutschland ein Ruhegehalt einer deutschen öffentlich-rechtlichen Körperschaft bzw. einer deutschen Person des öffentlichen Rechts.
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B.
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In seiner Steuererklärung 2003 deklarierte X.________ das Ruhegehalt von Fr. 55'800.-- mit dem Vermerk, dass es in der Schweiz nicht besteuert werden dürfe. In der Veranlagungsverfügung 2003 vom 10. August 2006 bzw. im Einspracheentscheid vom 25. September 2006 wurde dieses Ruhegehalt trotzdem sowohl bei den Staats- und Gemeindesteuern 2003 als auch bei der direkten Bundessteuer 2003 zur Steuerbemessung herangezogen. Auf Rekurs bzw. Beschwerde hin nahm die Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheiden vom 4. April 2007 das Ruhegehalt zwar von der Steuerbemessung aus, berücksichtigte es jedoch zur Bestimmung des Steuersatzes. X.________ beschwerte sich dagegen erfolglos beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau.
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C.
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Mit zwei separaten Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Oktober 2007 beantragt X.________, die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 15. August 2007 insoweit aufzuheben, als die in Deutschland zu versteuernde Pension dem Progressionsvorbehalt in der Schweiz unterworfen wird und daher satzbestimmend ist.
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D.
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Die Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung (Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben) schliessen auf Abweisung der Beschwerden.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 Die weitgehend gleich lautenden Beschwerden betreffen die gleichen Parteien, richten sich gegen grösstenteils übereinstimmende Entscheide und werfen dieselben Rechtsfragen auf. Es rechtfertigt sich deshalb, die Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (vgl. Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 24 BZP; BGE 128 V 192 E. 1 S. 194 mit Hinweisen).
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1.2 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gemäss Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11) sowie Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG, SR 642.14) zulässig. Der Beschwerdeführer ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichten Beschwerden ist einzutreten (Art. 100 BGG).
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1.3 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht und von Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Deren Sachverhaltsfeststellungen können nur berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
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I. Direkte Bundessteuer
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2.
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2.1 Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte (Art. 16 Abs. 1 DBG); insbesondere sind alle Einkünfte aus der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge steuerbar (Art. 22 Abs. 1 DBG). Natürliche Personen, die nur für einen Teil ihres Einkommens in der Schweiz steuerpflichtig sind, entrichten die Steuer für die in der Schweiz steuerbaren Werte nach dem Steuersatz, der ihrem gesamten Einkommen entspricht (Art. 7 Abs. 1 DBG).
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2.2 Gemäss Art. 19 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (DBA-D, SR 0.672.913.62) können allerdings Vergütungen, einschliesslich Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat, einem Land, Kanton, Bezirk, Kreis, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband oder von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates unmittelbar oder aus einem Sondervermögen an eine natürliche Person für erbrachte Dienste gewährt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Darin liegt eine ausschliessliche Zuteilung des Besteuerungsrechts an den Schuldnerstaat. Diese Einkunft darf somit nicht in die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung in der Schweiz einbezogen werden, und die Doppelbesteuerung ist "automatisch" beseitigt (Ernst Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Auf. Bern/Stuttgart/Wien 1993, S. 111; Peter Locher, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl. Bern 2005, S. 459 f. in Verbindung mit S. 87 bzw. S. 479; Xavier Oberson, Précis de droit fiscal international, 2. Aufl. Bern 2004, S. 153). Hingegen dürfen diese freigestellten Einkünfte zur Satzbestimmung berücksichtigt werden (Höhn, a.a.O., S. 116; Locher, a.a.O., S. 487; Oberson, a.a.O., S. 155; Kurt Locher/Walter Meier/Rudolf von Siebenthal/Andreas Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz - Deutschland 1971 und 1978, Loseblattwerk, B 24.2.1 Nr. 15, Meinungsäusserung der EStV vom 3. September 2004 für eine Kriegsversehrtenrente gemäss Art. 19 Abs. 7 DBA-D).
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2.3 Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, bei einer ausschliesslichen Zuteilung des Besteuerungsrechts greife der sog. Methodenartikel von Art. 24 DBA-D gar nicht, weshalb der dort in Abs. 2 Nr. 1 zweiter Halbsatz vorgesehene Progressionsvorbehalt ebenso wenig anwendbar sei. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
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1. Bezieht eine in der Schweiz ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und können diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen (ausgenommen Artikel 4 Absätze 3, 4 und 9 und Artikel 23) in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Schweiz diese Einkünfte (ausgenommen Dividenden) oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; die Schweiz kann aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser ansässigen Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wäre.
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Wohl ist an sich zutreffend, dass diese ausschliesslichen Besteuerungszuteilungen dem Methodenartikel vorgehen (Höhn, a.a.O., S. 87; Kommentar zum OECD- Musterabkommen, Ziff. 6 zu Art. 23, zitiert bei Klaus Vogel, in: Klaus Vogel/Moris Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 4. Aufl. München 2003, S. 1630). Damit ist aber der Progressionsvorbehalt nicht ebenfalls ausgeschaltet. Zwar könnte eine rein formale Betrachtungsweise zu einem solchen Schluss führen. Richtigerweise haben aber die beiden Halbsätze von Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 DBA-D selbständige Bedeutung. Dies erhellt insbesondere aus der Gliederung von Art. 23 A des OECD-Musterabkommens und wird in Ziff. 79 des Kommentars zum OECD-Musterabkommen noch bekräftigt: "Danach bezieht sich das Recht zur Berücksichtigung der ausschliesslich dem Schuldnerstaat zugeteilten Faktoren für die Satzbestimmung auf solche Einkünfte und Vermögenswerte, die "nur" im anderen Staat besteuert werden können. Die Progressionswirkung bleibt somit dem Wohnsitzstaat nicht bloss für die Einkünfte und Vermögen, die im anderen Staat besteuert werden können, erhalten, sondern auch für Einkünfte und Vermögen, die ausschliesslich im anderen Staat besteuert werden können. Auch wenn diese Kommentarstelle neueren Datums ist, bringt sie keinen neuen Gedanken zum Ausdruck und kann daher durchaus zur Deutung herangezogen werden (vgl. Vogel/Lehner, a.a.O., Rz. 130 ff. der Einleitung). Hinzu kommt, dass sich die zuständigen Behörden im Verhandlungsprotokoll vom 18. Juni 1971 zum DBA-D (Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., A 2.1) verpflichtet haben, bei Interpretationsdivergenzen sich jene Auslegung zunutze zu machen, die im Rahmen der OECD zum Musterabkommen entwickelt worden ist (vgl. Locher, a.a.O., S. 114; a.M. bezüglich der Tragweite des Verhandlungsprotokolls: Robert Waldburger, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, in: Michael Lang [Hrsg.], Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung der Höchstgerichte Deutschlands, der Schweiz und Österreichs, Wien 1998, S. 51 ff., insbesondere S. 60 f.). Zusammenfassend ist vorliegend der Progressionsvorbehalt von Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 zweiter Halbsatz DBA-D anwendbar.
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Aber selbst wenn dieser Progressionsvorbehalt hier nicht anwendbar wäre, käme der Gesamtsteuersatz jedenfalls gestützt auf Art. 7 Abs. 1 DBG zur Anwendung; denn der Progressionsvorbehalt als Steuerbelastungsaspekt beruht ohnehin auf dem Landesrecht (Locher, a.a.O., S. 58, S. 99, S. 487). Das DBA-Recht könnte aufgrund seines bloss negativen Charakters (Locher, a.a.O., 95) einen solchen allenfalls ausschliessen oder einschränken, nicht aber begründen. So besehen kommt Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 zweiter Halbsatz DBA-D im Grunde genommen bloss deklaratorische Bedeutung zu. Zudem enthält das DBA-D keine Bestimmung, welche die Anwendung des Gesamtsteuersatzes im Zusammenhang mit der ausschliesslichen Zuteilung von Besteuerungsrechten verbieten würde. Dem Antrag des Beschwerdeführers kann mithin nicht stattgegeben werden, und die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die direkte Bundessteuer ist abzuweisen.
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II. Staats- und Gemeindesteuern
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3.
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§ 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Thurgau vom 14. September 1992 (StG/TG) entspricht weitgehend Art. 7 Abs. 1 DBG. Das Steuerharmonisierungsgesetz enthält diesbezüglich keine Bestimmung, weil es sich um eine in der Kompetenz der Kantone liegende Frage des Steuersatzes handelt (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 2 StHG bzw. Art. 129 Abs. 2 Satz 2 BV). Für die Staats- und Gemeindesteuern ergibt sich mithin kein Resultat, das von demjenigen bezüglich der direkten Bundessteuer abweicht. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher auch betreffend die Staats- und Gemeindesteuern abzuweisen.
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III. Kosten und Entschädigung
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4.
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Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 65 f. BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verfahren 2C_558/2007 und 2C_559/2007 werden vereinigt.
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2.
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Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die direkte Bundessteuer (2C_559/2007) wird abgewiesen.
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3.
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Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die Staats- und Gemeindesteuern (2C_558/2007) wird abgewiesen.
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4.
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Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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5.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung (Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 6. März 2008
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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Merkli Dubs
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