BGer 6B_794/2007 | |||
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BGer 6B_794/2007 vom 14.04.2008 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_794/2007/ bri
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Urteil vom 14. April 2008
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, Präsident,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
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Gerichtsschreiber Thommen.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hauri,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Beschimpfung (Art. 177 aStGB),
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 20. September 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ soll am 22. Mai 2006 den Zustellbeamten des Betreibungsamts Wohlen/AG, O.________, mit "Vaffanculo" beschimpft und ihn gewaltsam aus seinem Ladenlokal hinausgeworfen haben.
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B.
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Als zweite Instanz sprach das Obergericht des Kantons Aargau X.________ der Beschimpfung gemäss Art. 177 StGB sowie der Gewalt und Drohung gegen Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 1000.--, welche bei Nichtbezahlung in 33 Tage Haft umzuwandeln ist.
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C.
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X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt einen Freispruch. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Kosten der Untersuchung sowie des erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens seien auf die Staatskasse, diejenigen des Beschwerdeverfahrens auf die Bundesgerichtskasse zu nehmen. Ferner sei ihm eine Parteientschädigung zuzusprechen.
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D.
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Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
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Erwägungen:
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1.
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Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
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1.1 Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht sowie behauptete Mängel in der Sachverhaltsfeststellung prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und substantiiert begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 IV 286 E. 1).
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1.2 Der Beschwerdeführer wiederholt über weite Strecken Vorbringen, welche bereits die Vorinstanz mit zutreffender Begründung verworfen hat. Dies gilt insbesondere für die angeblich willkürliche Würdigung der Aussagen des O.________ zur Gewaltanwendung und der diesbezüglich vorgebrachten Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die unterlassene Einvernahme des Entlastungszeugen Z.________. Unter Verweis auf das angefochtene Urteil ist darauf nicht mehr einzugehen. Als ebenso appellatorisch erweist sich das wiederholte Vorbringen, O.________ habe die Beschimpfung nicht richtig verstanden.
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2.
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Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. In Bezug auf die Intensität der angewendeten Gewalt und die Beschimpfung werde in der Verurteilung über die Anklage hinaus gegangen.
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2.1 Der Anklagegrundsatz verteilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Aufgaben zwischen den Untersuchungs- bzw. Anklagebehörden einerseits und den Gerichten andererseits. Der Anklageschrift kommt eine doppelte Bedeutung zu. Zum einen dient sie der Bestimmung des Prozessgegenstandes (Umgrenzungsfunktion). Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens können nur Sachverhalte sein, die dem Angeklagten in der Anklageschrift vorgeworfen werden. An diese Anklage ist das Gericht gebunden (Immutabilitätsprinzip; Niklaus Schmid, Strafprozessordnung, 4. Aufl., N 145 ff.). Zum anderen vermittelt sie dem Angeklagten die für die Durchführung des Verfahrens und die Verteidigung notwendigen Informationen (Informationsfunktion). Beide Funktionen sind von gleichwertiger Bedeutung (BGE 126 I 19 E. 2a; 120 IV 348 E. 2c).
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Die Beurteilung der Verfassungskonformität von Anklageschriften hat vor dem Hintergrund der mit dem Anklagegrundsatz verfolgten Ziele zu erfolgen. Durch klare Umgrenzung des Prozessgegenstands und Vermittlung der für die Verteidigung notwendigen Informationen soll den Betroffenen ein faires Verfahren garantiert werden (BGE 126 I 19 E. 2a; BGE 120 IV 348 E. 2c; vgl. auch Entscheid des EGMR i.S. Dallos g. Ungarn vom 1. März 2001, § 47). Entscheidend ist, dass der Angeklagte genau weiss, was ihm konkret vorgeworfen wird (Entscheid 1P.427/2001 vom 16. November 2001 E. 5). Allgemein gilt, je gravierender die Vorwürfe, desto höher die Anforderungen an das Akkusationsprinzip (Georges Greiner, Akkusationsprinzip und Wirtschaftsstrafsachen, ZStrR 2005 S. 103).
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2.2 Die Anklageschrift lautet wie folgt:
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"Ort: 5610 Wohlen, A.________Strasse ; Zeit: Montag, 22. Mai 2006, 18:45 Uhr; z.N.: O.________, 5610 Wohlen, B.________Strasse; Vorgehen: In der Eigenschaft als Zustellbeamter des Betreibungsamtes Wohlen wurde O.________ zur obgenannten Zeit durch den Beschuldigten grundlos mit "Affangulo" beschimpft. Zudem packte X.________ den Zustellbeamten am Arm und stiess diesen gewaltsam und gegen den Willen des O.________ aus dem Ladenlokal an der A.________Strasse".
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2.3 Wie bereits die Vorinstanz zutreffend hervorgehoben hat (Urteil S. 6), wird der den strafrechtlichen Schuldvorwürfen zugrunde liegende Lebenssachverhalt in der Anklageschrift hinreichend klar umschrieben. Dies gilt sowohl für die vorgeworfene Gewaltanwendung als auch für die Beschimpfung. In Bezug auf letztere hat die Vorinstanz zu Recht eine Berichtigung eines offensichtlichen Schreibfehlers ("vaffanculo" an Stelle von "affangulo") vorgenommen. Inwiefern diese Anklage eine wirksame Verteidigung verunmöglicht haben soll, ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt.
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3.
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Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 177 StGB geltend. "Vaffanculo" sei keine Beleidigung, sondern eine blosse Unmutsäusserung.
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3.1 Gemäss Art. 177 Abs. 1 StGB wird auf Antrag bestraft, wer jemanden durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift. Erfasst werden Ehrverletzungen in Form sog. Formalinjurien. Eine Formal- oder Verbalinjurie ist ein blosser Ausdruck der Missachtung, ohne dass sich die Aussage erkennbar auf bestimmte dem Beweis zugängliche Tatsachen stützt. Ob solche Werturteile dem Verletzten oder Dritten gegenüber abgegeben werden, ist nicht von Belang (vgl. Franz Riklin, Basler Kommentar Strafgesetzbuch II, 2. Aufl., 2007, Art. 177 N 3).
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3.2 Die kantonalen Vorinstanzen haben "vaffanculo" mit "Leck mich am Arsch!" übersetzt (vgl. Langenscheidt Taschenwörterbuch Italienisch, Berlin etc. 2001, S. 652). "Mandare uno a fare in culo" wird in einem Standard Wörterbuch auch mit "mandarlo al diavolo" ("Scher Dich zum Teufel") gleichgesetzt (Giacomo Devoto/Gian Carlo Oli, Nuovo vocabolario illustrato della lingua italiana, Milano 1992, S. 804). Ethymologisch ist "vaffanculo" eine Verkürzung von "va a fare in culo" (Giacomo Devoto/Gian Carlo Oli, Il Dizionario della Lingua Italiana, Firenze 2003, S. 2240), was sich wörtlich mit "geh es in den Arsch machen" übersetzen lässt. Unabhängig davon, ob die wörtliche oder die sinngemässe Übersetzung zugrunde gelegt wird, stellt der gegenüber O.________ geäusserte Begriff 'vaffanculo' jedenfalls im Gesamtzusammenhang mit dem gewaltsamen Rausschmiss aus dem Ladenlokal eine herabsetzende Beleidigung im Sinne von Art. 177 StGB dar. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.
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4.
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Mangels Änderung des vorinstanzlichen Entscheids braucht auf die detaillierten Kostenumverteilungsbegehren des Beschwerdeführers nicht eingegangen zu werden (Art. 67 BGG). Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Als unterliegende Partei steht im keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 14. April 2008
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Schneider Thommen
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