BGer U 593/2006 | |||
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BGer U 593/2006 vom 14.04.2008 | |
Tribunale federale
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U 593/06 {T 7}
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Urteil vom 14. April 2008
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Ursprung, Präsident,
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Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
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Gerichtsschreiberin Schüpfer.
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Parteien
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S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Markus Zimmermann, Dell'Olivo Frey & Pribnow, Stadtturmstrasse 10, 5400 Baden
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gegen
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Basler Versicherungs-Gesellschaft, Aeschengraben 21, 4051 Basel, vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Müller, Wengistrasse 7, 8004 Zürich.
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Gegenstand
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Unfallversicherung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 18. Oktober 2006.
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1965 geborene S.________ arbeitete als Kellner und Barkeeper bei der Firma T.________ AG und war dadurch bei der Basler Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Basler) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 1. Dezember 2003 wurde er um ca. 2.15 Uhr bei Aufräumarbeiten nach Betriebsschluss Opfer eines Raubüberfalles. Drei maskierte Männer drangen ins Lokal ein. Während S.________ von zwei Tätern mit Schusswaffen bedroht sowie mit Faustschlägen ins Gesicht und Fusstritten in den Bauch traktiert wurde, kümmerte sich der Dritte um den ebenfalls anwesenden Geschäftsführer, der mit Waffengewalt zur Herausgabe von Bargeld aus dem Tresor des Lokals gezwungen wurde. Anschliessend wurden der Versicherte und der Geschäftsführer im Büro des Betriebs eingeschlossen, woraus sie später fliehen und die Polizei alarmieren konnten. S.________ liess sich auf der Notfallstation des Kantonsspital X.________ ambulant behandeln. Es wurden die Diagnosen einer Kontusion temporal rechts, einer oberflächlichen Rissquetschwunde am linken Unterkiefer und einer Kontusion der zwölften Rippe rechts gestellt. Drei Tage später suchte der Versicherte seinen Hausarzt, Dr. med. B.________ auf, welcher neben den bereits bekannten Diagnosen auch eine posttraumatische Belastungsstörung nach Raubüberfall feststellte und seinen Patienten für 100% arbeitsunfähig erachtete. Die Basler erbrachte Heilkosten- und Taggeldleistungen. Ab Mitte Dezember 2003 stand S.________ in Behandlung bei der Psychotherapeutin lic. phil. L.________. Da sich der psychische Gesundheitszustand des Versicherten nicht besserte, liess ihn die Unfallversicherung am Zentrum für Verhaltenstherapie und Begutachtung in Basel untersuchen. Die Expertise des PD Dr. U.________ und der lic.phil. C.________ wurde am 6. September 2004 erstattet. Die Gutachter kamen abschliessend zur Erkenntnis, S.________ leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) und an einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F32.1). Es sei von einer schrittweisen Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit auszugehen. Mit Verfügung vom 3. März 2005 informierte die Basler den Versicherten, die Versicherungsleistungen würden auf den 1. Juli 2005 eingestellt, da ihm ab diesem Zeitpunkt laut Gutachten wieder eine volle Arbeitsfähigkeit zuzumuten sei. Mit der dagegen geführten Einsprache liess S.________ einen Bericht des Dr. med. A.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, ärztlicher Leiter des Instituts Y._________, vom 23. April 2005 einreichen. Darin werden die gleichen Diagnosen gestellt wie bereits im Gutachten der lic.phil C.________. Dagegen attestiert Dr. med. A.________ eine volle Arbeitsunfähigkeit und erachtet eine Wiedereingliederung im Gastgewerbe als problematisch. Mit Entscheid vom 22. August 2005 wies die Basler die Einsprache ab, wobei nunmehr der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 1. Dezember 2003 und dem über den 30. Juni 2005 hinaus andauernden Gesundheitsschaden verneint wurde.
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B.
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Hiegegen liess S.________ Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau einreichen, welches diese mit Entscheid vom 18. Oktober 2006 abwies.
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C.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm weiterhin Taggeldleistungen und Heilungskosten zu gewähren, eventuell sei die Sache zur Sachverhaltsabklärung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
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Ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde während des bundesgerichtlichen Verfahrens wieder zurückgezogen.
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Die Basler schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf Vernehmlassung.
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Erwägungen:
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1.
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Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 Erw. 1.2 S. 395).
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2.
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Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem versicherten Unfall, bei dem es sich um ein Schreckereignis handelt, und dem eingetretenen Gesundheitsschaden (vgl. auch BGE 129 V 181 Erw. 3 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Richtig ist, dass die Adäquanz zwischen einem Schreckereignis und den nachfolgend aufgetretenen psychischen Störungen nach der allgemeinen Formel (gewöhnlicher Lauf der Dinge und allgemeine Lebenserfahrung) zu beurteilen ist (BGE 129 V 184 f. Erw. 4.2). Dabei ist mit der Vorinstanz gemäss Rechtsprechung nicht allein auf den psychisch gesunden Versicherten, sondern auf eine weite Bandbreite der Versicherten abzustellen. In diesem Rahmen bilden auch solche Versicherte Bezugspersonen für die Adäquanzbeurteilung, welche im Hinblick auf die erlebnismässige Verarbeitung eines Unfalles zu einer Gruppe mit erhöhtem Risiko gehören, weil sie aus versicherungsmässiger Sicht auf einen Unfall nicht "optimal" reagieren. Daraus ergibt sich, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein konkretes Unfallereignis als alleinige Ursache oder als Teilursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, zu einer bestimmten psychischen Schädigung zu führen, kein allzu strenger, sondern im dargelegten Sinne ein realitätsgerechter Massstab angelegt werden muss (BGE 129 V 181 ff. Erw. 3.3 mit Hinweisen).
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3.
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3.1 Vorliegend hat die Basler das Ereignis vom 1. Dezember 2003 als Unfall im Sinne eines Schreckereignisses anerkannt und Versicherungsleistungen ausgerichtet. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die beim Beschwerdeführer diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung, begleitet von einer mittelschweren depressiven Episode, über den 30. Juni 2005 hinaus die adäquat kausale Folge des Raubüberfalles ist. Unbestritten ist dabei, dass keine somatischen Beschwerden mehr bestehen.
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3.2 Nach übereinstimmender Ansicht sowohl der von der Unfallversicherung beauftragten psychologischen Gutachter PD Dr. H.________/lic. phil C.________, als auch des vom Versicherten zu Rate gezogenen Dr. med. A.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sind die Belastungsstörung und die Depression als natürlich kausale Folgen des Unfallereignisses und -erlebnisses zu betrachten. Zu prüfen bleibt die Adäquanz. Dabei ist es nach der Rechtsprechung (BGE 129 V 177 Erw. 4.3 S. 185) nachvollziehbar, dass ein Ueberfall auf das Opfer eine traumatisierende Wirkung auslöst. Ebenso entspricht es aber der Lebenserfahrung, dass eine Traumatisierung nach einigen Wochen oder Monaten überwunden wird. Dies gilt auch für Schreckunfälle mit somatischen Beeinträchtigungen, die aber lediglich von untergeordneter Bedeutung sind und im Vergleich zum erlittenen psychischen Stress in den Hintergrund treten (Urteile B. vom 14. April 2005, U 390/04 und R. vom 4. August 2005, U 2/05).
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3.3 Der vorliegende Sachverhalt ist praktisch identisch mit demjenigen, der dem in BGE 129 V 177 publizierten Urteil zu Grunde lag. Einzige Differenz bildet der Umstand, dass der Beschwerdeführer von den Tätern geschlagen wurde. Dabei wurde er aber kaum verletzt. Die Ärzte am Kantonsspital X.________ stellten die Diagnosen einer Kontusion temporal rechts, einer oberflächlichen Rissquetschwunde und einer Rippenkontusion. Es ist daher mit der Vorinstanz darauf zu schliessen, dass ein Andauern der traumatischen Belastungsstörung nach einem Zeitablauf von fast zwei Jahren nicht mehr gegeben ist. Dies ergibt sich sowohl aus der Beurteilung von PD Dr. H.________ als auch aus derjenigen der Psychologin lic. phil. L.________, welche von einer Aufarbeitungszeit von einem halben bis zu einem ganzen Jahr ausging. Im Lichte der angeführten Rechtsprechung ist demzufolge der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem als Unfall qualifizierten Schreckereignis und den gesundheitlichen Folgen über den 30. Juni 2005 hinaus zu verneinen.
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3.4 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen eingewendet wird, kann daran nichts ändern. Wohl ist der Einwand zutreffend, dass es Versicherte gibt, welche im Anschluss an erlittene Schreckunfälle mit einer posttraumatischen Belastungsstörung oder sonst einer psychischen Fehlentwicklung reagieren. Das Bundesgericht handhabt aber die allgemeine Adäquanzformel in ihrem ursprünglich haftungsbegrenzenden Sinne, d.h. es verneint im Ergebnis die Kausalität, wenn aussergewöhnliche, singuläre Reaktionen psychogener Art auf erlittene Schreckunfälle vorliegen. Im weiteren ist es für die hier zu beantwortende Frage nach der Adäquanz unerheblich, ob auf das Gutachten vom 6. September 2004 abgestellt werden kann oder nicht. Dies insbesondere darum, weil die begutachtenden Psychologen einzig in ihrer Schlussfolgerung hinsichtlich der zumutbaren Arbeitsfähigkeit von der behandelnden Psychologin L.________ und von Dr. med. A.________ abweichen.
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Wird die Leistungspflicht der Unfallversicherung mangels Zurechenbarkeit verneint, ist die Art und die Höhe möglicher Versicherungsleistungen irrelevant. Ebenso wenig kann bei der unfallversicherungsrechtlichen Adäquanzbeurteilung auf die Entscheide im Strafverfahren gegen den Täter abgestellt werden.
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4.
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Die Basler hat während rund eineinhalb Jahren den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Raubüberfall und der in der Folge aufgetretenen posttraumatischen Belastungsstörung anerkannt und Versicherungsleistungen erbracht. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung überwindet jedoch ein Opfer ein solches Erlebnis mit fortlaufender Zeit. Dies gilt insbesondere, wenn weder es selbst noch ein Dritter einen erheblichen Körperschaden erlitten und das Schreckerlebnis nur relativ kurze Zeit angedauert hat. Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geben im Übrigen keinen Anlass zu einer Aenderung dieser Praxis.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
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Luzern, 14. April 2008
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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Ursprung Schüpfer
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