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Informationen zum Dokument  BGer 9C_828/2007  Materielle Begründung
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BGer 9C_828/2007 vom 30.04.2008
 
Tribunale federale
 
9C_828/2007
 
{T 0/2}
 
Urteil vom 30. April 2008
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
Parteien
 
G.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Andrea Cantieni, Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Graubünden, Ottostrasse 24, 7000 Chur, Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 29. Juni 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1967 geborene G.________ ist verheiratet und Mutter dreier Kinder (geboren 1994 und 1996). Nachdem sie zuvor vollzeitlich erwerbstätig gewesen war, übte sie nach der Geburt ihrer Zwillinge im Dezember 1996, als sie häufig an Rücken- und Kopfschmerzen litt, nur noch teilzeitliche Arbeiten aus. Im Mai 2002 wurde ein Mamma-Karzinom diagnostiziert. Operative und chemotherapeutische Behandlungen führten zu voller Arbeitsunfähigkeit. Am 22. September 2003 meldete sich G.________ unter Hinweis auf das Krebsleiden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Graubünden, welche die Versicherte als teilerwerbstätig mit Anteilen von 40 % Erwerbstätigkeit und 60 % Arbeit im Haushalt einstufte, ermittelte nach Beizug von Arztberichten und eines Abklärungsberichts Haushalt vom 23. April 2004 einen Invaliditätsgrad von 69 % für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 2003 und hielt dafür, dass die Versicherte ab 1. Januar 2004 eine Teilerwerbstätigkeit von 50 % ohne verminderte Leistungsfähigkeit verrichten könnte. Demgemäss sprach sie G.________ mit Verfügung vom 18. November 2005 für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 2003 eine befristete ganze Invalidenrente zu. Auf Einsprache hin sprach die IV-Stelle der Versicherten zusätzlich zur gewährten ganzen Rente eine Dreiviertelsrente für die Monate Januar bis März 2004 zu (Entscheid vom 15. Februar 2007). Dabei ging sie ab 1. Januar 2004 von einer Einschränkung von 47,8 % im Haushalt und von 0 % im Erwerbsbereich aus, woraus sich ein Invaliditätsgrad von gesamthaft rund 29 % ergab, weshalb die Rente ab 1. April 2004 entfiel.
 
B.
 
G.________ liess Beschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des Einspracheentscheides sei ihr ab 1. Mai 2003 bis 30. November 2005 eine ganze und ab 1. Dezember 2005 eine unbefristete halbe Invalidenrente zu gewähren. Mit Entscheid vom 29. Juni 2007 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Beschwerde ab.
 
C.
 
Die Versicherte führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Gerichtsentscheides sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr ab 1. April 2004 eine halbe Invalidenrente auszurichten. Eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an das kantonale Gericht oder die Verwaltung zurückzuweisen.
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestgellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Ferner darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG).
 
2.
 
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG), bei Nichterwerbstätigen nach der spezifischen Methode (Art. 8 Abs. 3 ATSG in Verbindung mit Art. 27 IVV) und bei Teilerwerbstätigen nach der gemischten Methode (Art. 8 Abs. 3 ATSG in Verbindung mit Art. 27bis IVV [gültig gewesen bis 31. Dezember 2003], seit 1. Januar 2004 Art. 28 Abs. 2ter IVG) sowie die Rechtsprechung über die Bedeutung ärztlicher Auskünfte für die Belange der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261, 115 V 133 E. 2) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Zu ergänzen ist, dass sich die Beantwortung der Frage, ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder als nichterwerbstätig einzustufen ist - was je zur Anwendung einer anderen Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich, gemischte Methode, Betätigungsvergleich) führt -, aus der Prüfung ergibt, was die Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Massgebend sind praxisgemäss die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass der Verwaltungsverfügung (des Einspracheentscheids) entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-)Erwerbstätigkeit der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 125 V 146 E. 2c S. 150, 117 V 194 E. 3b). Es ist zu prüfen, ob die Person ohne Invalidität mit Rücksicht auf die gesamten Umstände (dazu gehören die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse) vorwiegend erwerbstätig oder im Haushalt beschäftigt wäre. Für die Beurteilung und Festlegung des im Gesundheitsfall mutmasslich ausgeübten Aufgabenbereichs sind ausser der finanziellen Notwendigkeit, eine Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen oder auszudehnen, auch allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen zu berücksichtigen (BGE 125 V 146 E. 2c S. 150, 117 V 194 E. 3b).
 
Die Frage, in welchem Ausmass die versicherte Person ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig bzw. im Aufgabenbereich tätig wäre, ist als Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe eine Tatfrage, soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung berücksichtigt werden, hingegen eine Rechtsfrage, soweit sie ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird (Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 693/06 vom 20. Dezember 2006 und I 708/06 vom 23. November 2006).
 
3.
 
Verwaltung und Vorinstanz qualifizierten die Beschwerdeführerin als Teilerwerbstätige, wobei sie die Arbeitsbereiche auf 60 % Haushalt und 40 % Erwerbstätigkeit festlegten. Demgegenüber macht die Versicherte geltend, sie würde ohne Invalidität vollzeitlich ausser Haus arbeiten, weshalb der Invaliditätsgrad nicht nach der gemischten Methode, sondern aufgrund eines Einkommensvergleichs zu ermitteln sei.
 
3.1 Da die Vorinstanz die Frage nach dem Status der Beschwerdeführerin nicht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern einer Beweiswürdigung geprüft hat, ist das Bundesgericht an die dabei gewonnenen Erkenntnisse, wie sie im angefochtenen Entscheid ihren Niederschlag gefunden haben, gebunden, soweit das kantonale Gericht den rechtserheblichen Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig oder in Verletzung von Art. 95 BGG rechtswidrig festgestellt hat.
 
3.2 Entsprechende Vorwürfe werden in der Beschwerde zwar erhoben; die Begründung der behaupteten Mängel erschöpft sich jedoch über weite Strecken in einer letztinstanzlich unzulässigen, appellatorischen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung. Indessen ist weder eine offensichtlich unrichtige noch eine auf einer Bundesrechtsverletzung beruhende Sachverhaltsfeststellung erkennbar. Im Umstand, dass es das kantonale Gericht ablehnte, Zeugen einzuvernehmen, liegen keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 61 lit. c ATSG und auch kein Verstoss gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Gericht ist nicht gehalten, sämtliche angebotenen Beweise abzunehmen, und es kann insbesondere aufgrund einer antizipierten Beweiswürdigung auf Beweismassnahmen verzichten, wenn es zur Überzeugung gelangt, dass diese am Ergebnis nichts mehr ändern könnten (BGE 124 V 90 E. 4b S. 94).
 
Der Eventualantrag ist unbegründet, da der rechtserhebliche Sachverhalt rechtskonform und umfassend abgeklärt wurde, sodass sich Ergänzungen erübrigen.
 
3.3 In Bezug auf den nach der gemischten Methode ermittelten Invaliditätsgrad von 29 % ist der angefochtene Entscheid, soweit überhaupt bestritten und letztinstanzlich im Rahmen der eingeschränkten Kognition überprüfbar, nicht zu beanstanden.
 
4.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, der Ausgleichskasse des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 30. April 2008
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
i.V. Lustenberger Widmer
 
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