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Informationen zum Dokument  BGer 8C_525/2007  Materielle Begründung
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BGer 8C_525/2007 vom 30.05.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_525/2007
 
Urteil vom 30. Mai 2008
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Widmer, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
 
Gerichtsschreiber Lanz.
 
Parteien
 
E.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Lütolf, Luzernerstrasse 51a, 6010 Kriens,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 11. Juli 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1961 geborene E.________ war als Bohr-Polier in der Firma G.________ AG tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert, als er am 21. September 1998 einen Fahrradunfall erlitt. Gemäss Unfallmeldung vom 20. Oktober 1998 kam er zu Fall, als die Lenkstange brach. Der am 23. September 1998 aufgesuchte Hausarzt stellte eine Rissquetschwunde im Bereich der linken Augenbraue sowie Prellungen in der linken Wangenregion und am linken Knie fest. Er diagnostizierte ein Kontusionstrauma der Halswirbelsäule (HWS) nebst Rissquetschwunde sowie Exkoriationen und bestätigte eine Arbeitsunfähigkeit (Bericht vom 30. Oktober 1998). Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht. Sie schloss den Fall folgenlos ab, nachdem ab 23. November 1998 wieder eine volle Arbeitsfähigkeit bestanden hatte und keine Heilbehandlung mehr erforderlich war. Im Dezember 2002 meldete E.________ einen Rückfall. Die SUVA erbrachte, wie schon im Grundfall, die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld). Mit Verfügung vom 18. April 2005 verneinte sie mit sofortiger Wirkung jeglichen weiteren Leistungsanspruch, da die noch geklagten Beschwerden nicht in einem rechtserheblichen Zusammenhang zum Unfall vom 21. September 1998 stünden. Die vom Krankenversicherer des E.________ vorsorglich erhobene Einsprache wurde wieder zurückgezogen. Die Einsprache des Versicherten wies die SUVA ab (Einspracheentscheid vom 20. Oktober 2005).
 
B.
 
Die von E.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung mit Entscheid vom 11. Juli 2007 ab.
 
C.
 
E.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und die SUVA zu verpflichten, die Versicherungsleistungen rückwirkend ab 18. April 2005 wieder vollumfänglich aufzunehmen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Die SUVA beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
Am 27. November 2007 weist das Bundesgericht ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab.
 
E.
 
Mit Eingaben vom 25. März resp. 9. April 2008 ergänzen die Parteien ihre Vorbringen im Hinblick auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil BGE 134 V 109. E.________ lässt überdies weitere Arztberichte auflegen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer aus dem Fahrradunfall vom 21. September 1998 und dem im Dezember 2002 gemeldeten Rückfall über den 18. April 2005 hinaus Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung hat. Eine allfällige Leistungsberechtigung aufgrund weiterer vor und nach dem Fahrradsturz erlittener Unfälle steht nicht zur Diskussion.
 
Die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Streitsache sind im angefochtenen Entscheid richtig wiedergegeben. Es betrifft dies namentlich die Grundsätze über den für einen Leistungsanspruch vorausgesetzten natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden bei organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden.
 
Anzufügen bleibt, dass das Bundesgericht jüngst die für Schleudertraumen und äquivalente Verletzungen der HWS sowie Schädel-Hirntraumen ohne organisch objektiv ausgewiesene Unfallfolgen geltende sog. Schleudertrauma-Praxis in zweierlei Hinsicht präzisiert hat: Zum einen wurden die Anforderungen an den Nachweis einer natürlich unfallkausalen Verletzung, welche die Anwendung dieser Praxis bei der Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs rechtfertigt, erhöht. Zum anderen wurden die Kriterien, welche abhängig von der Unfallschwere gegebenenfalls in die Adäquanzbeurteilung einzubeziehen sind, teilweise modifiziert (BGE 134 V 109 E. 9 und 10 S. 121 ff.). Die bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Grundsätze (BGE 115 V 133) liess das Bundesgericht hingegen unverändert bestehen (BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116).
 
2.
 
2.1 Das kantonale Gericht hat zunächst erkannt, es liege keine organisch objektiv ausgewiesene Folge des Unfalles vom 21. September 1998 vor, welche die persistierenden Beschwerden zu erklären vermöchte. Diese Beurteilung ist nach Lage der Akten richtig, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet.
 
Demnach hat, anders als bei organisch klar ausgewiesenen Unfallfolgen, bei welchen der adäquate Kausalzusammenhang in der Regel ohne weiteres zusammen mit dem natürlichen Kausalzusammenhang bejaht werden kann, eine besondere Adäquanzprüfung zu erfolgen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 112 mit Hinweisen).
 
2.2 Die Vorinstanz hat sodann die Frage der natürlichen Kausalität nicht weiter geprüft, sondern hat unmittelbar den adäquaten Kausalzusammenhang beurteilt. Dies ist nicht zu beanstanden, wenn die Adäquanz zu verneinen ist (Urteil 8C_42/2007 vom 14. April 2008, E. 2 Ingress mit Hinweisen). Zu letzterem Ergebnis ist die Vorinstanz gelangt.
 
2.2.1 Der Unfallversicherer hat den adäquaten Kausalzusammenhang gemäss den für psychische Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Grundsätzen geprüft. Das kantonale Gericht hingegen hat die Schleudertrauma-Praxis angewendet. Ob dies gerechtfertigt ist, erscheint fraglich, zumal das solche Verletzungen kennzeichnende komplexe und vielschichtige Beschwerdebild mit eng ineinander verwobenen, einer Differenzierung kaum zugänglichen Beschwerden physischer und psychischer Natur (BGE 134 V 109 E. 7.1 S. 118 mit Hinweisen) höchstens zu geringen Teilen auftrat. Diese Frage muss aber nicht abschliessend beantwortet werden, da die Adäquanz, wie nachfolgend gezeigt wird, auch nach der Schleudertrauma-Praxis zu verneinen ist.
 
2.2.2 Für die Adäquanzbeurteilung ist an das (objektiv erfassbare) Unfallereignis anzuknüpfen (BGE 134 V 109 E. 10.1 S. 126, 117 V 359 E. 6a S. 366 f.).
 
Der Unfall vom 21. September 1998 ist aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufes höchstens im mittelschweren Bereich und dort nicht bei den schwereren Unfällen resp. im Grenzbereich zu den schweren Unfällen einzuordnen.
 
Von den weiteren, objektiv fassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden Umständen, welche als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, müssten demnach für eine Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhanges entweder ein einzelnes in besonders ausgeprägter Weise oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein (BGE 134 V 109 E. 10.1 S. 126 f., 117 V 359 E. 6a S. 367; vgl. auch Urteil 8C_42/2007 vom 14. April 2008, E. 2.4.1).
 
2.2.3 Die (durch BGE 134 V 109 nicht veränderten) Kriterien der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen sowie der ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert, werden zu Recht nicht geltend gemacht. Der Versicherte vertritt aber die Auffassung, die weiteren adäquanzrelevanten Kriterien seien, teilweise in besonders ausgeprägter Weise, gegeben.
 
Das (unveränderte) Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht vor. Der mit dem Fahrradsturz verbundene Schrecken hielt sich im Rahmen des bei Unfällen Üblichen, und es waren keine relevanten Begleitfaktoren zu verzeichnen, welche eine andere Betrachtungsweise gestatteten.
 
Das bisherige Kriterium der Dauer der ärztlichen Behandlung wurde vom kantonalen Gericht bejaht. In der präzisierten Form lautet das Kriterium "fortgesetzt spezifische, belastende ärztliche Behandlung". Dass eine solche Behandlung erforderlich war, erscheint eher fraglich, kann aber offen bleiben. Denn selbst wenn das Kriterium bejaht wird, lag es jedenfalls nicht in besonders ausgeprägter Weise vor, und es genügt - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht, um die Adäquanz bejahen zu können.
 
Von einem schwierigen Heilungsverlauf und erheblichen Komplikationen kann nicht gesprochen werden. Die gesundheitliche Entwicklung liegt nicht ausserhalb dessen, was bei solchen Verletzungen für gewöhnlich zu beobachten ist. Das entsprechende (unveränderte) Kriterium ist daher ebenfalls zu verneinen.
 
Mit Blick darauf, dass der Versicherte schon kurz nach dem Unfall vom 21. September 1998 die Arbeit voll wieder aufnehmen konnte, ist das Kriterium der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Bemühungen (bisher: Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit) ebenfalls zu verneinen. Hieran vermag nichts zu ändern, dass in der Folge erneut eine Arbeitsunfähigkeit auftrat, zumal dies in einigem zeitlichem Abstand zum Unfall stattfand und dabei offensichtlich auch vom Fahrradsturz unabhängige Faktoren einen Einfluss hatten.
 
Schon aufgrund dieser unfallunabhängigen Gesichtspunkte ist auch das - in der einfachen Form mit der Vorinstanz zu bejahende - Kriterium der erheblichen Beschwerden (bisher: Dauerbeschwerden) nicht als in besonders ausgeprägter Weise erfüllt zu betrachten.
 
2.2.4 Zusammenfassend sind höchstens, und nicht in besonders ausgeprägter oder auffälliger Weise, zwei Kriterien gegeben. Dies genügt nicht, um den adäquaten Kausalzusammenhang bejahen zu können. Sämtliche, hier nicht einzeln abzuhandelnden Vorbringen des Versicherten führen zu keinem anderen Ergebnis. Soweit ergänzende Abklärungen geltend gemacht werden, sind diese nicht erforderlich. Das kantonale Gericht hat eine weitere Leistungspflicht des Unfallversicherers somit zu Recht verneint.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 30. Mai 2008
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
 
Widmer Lanz
 
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