BGer 9C_49/2008 | |||
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BGer 9C_49/2008 vom 28.07.2008 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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9C_49/2008
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Urteil vom 28. Juli 2008
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II. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
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Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
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Gerichtsschreiber Ettlin.
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Parteien
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IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin,
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gegen
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T.________, Beschwerdegegnerin, vertreten
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durch Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
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vom 30. November 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1977 geborene T.________ meldete sich am 24. Oktober 2003 wegen lumbaler Rückenbeschwerden zum Bezug von Leistungen bei der Invalidenversicherung an. Gestützt auf einen Einkommensvergleich ermittelte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen ab 20. Juni 2002 bis Ende Mai 2004 einen Invaliditätsgrad von 50 %. Für die Zeit danach brachte sie die gemischte Methode zur Anwendung und sie ging von der Annahme aus, infolge der Geburt von Zwillingen (6. Februar 2004) wäre die Versicherte als Gesunde bloss mehr teilweise erwerbstätig. Daraus ergab sich ein Invaliditätsgrad von 22 %. Mit Verfügungen vom 26. Mai 2006 sprach die IV-Stelle demgemäss ab dem 1. Juni 2003 bis zum 31. August 2004 eine halbe Invalidenrente nebst Zusatzrente für den Ehemann und Kinderrenten (ab dem 1. Februar 2004) zu; sie verneinte einen Rentenspruch ab 1. September 2004, woran sie auf erhobene Einsprache hin festhielt (Entscheid vom 14. Juli 2006; Invaliditätsgrad 27 %).
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B.
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Die von T.________ dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 30. November 2007 im Sinne der Erwägungen teilweise gut, und es wies die Sache zu weiterer Abklärung und neuer Verfügung an die Verwaltung zurück.
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C.
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Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
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Das kantonale Gericht und die Versicherte schliessen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen trägt auf Gutheissung an.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 Die Vorinstanz wies die Sache zur Klärung der Frage an die Verwaltung zurück, ob und in welchem Ausmass es der Beschwerdegegnerin im hypothetischen Gesundheitsfall objektiv zumutbar sei, nach der Geburt der Zwillinge einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Danach richte sich die zur Ermittlung des Invaliditätsgrades massgebliche Bemessungsmethode. Formell handelt es sich dabei um einen Rückweisungsentscheid. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich Zwischenentscheide, welche - abgesehen vom hier nicht massgeblichen Fall von Art. 92 BGG - gemäss Art. 93 BGG nur unter den alternativen Voraussetzungen anfechtbar sind, dass sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG); dies gilt auch wenn damit über materielle Teilaspekte der Streitsache entschieden wird, weil diese zusammen mit dem Endentscheid angefochten sind (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 133 V 477 E. 4.2 und 4.3 S. 481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790; 129 I 313 E. 3.2 S. 316). Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil liegt für die Verwaltung vor, wenn sie durch materiellrechtliche Änderungen im Rückweisungsentscheid verpflichtet wird, eine ihres Erachtens rechtswidrige neue Verfügung zu treffen (BGE 133 V 477 E. 5.2.4 S. 484 f.). Die Rückweisung erfolgte im angefochtenen Entscheid mit verbindlichen Anordnungen über die bei der Wahl der Invaliditätsbemessungsmethode anzuwendenden Kriterien, wobei das Gericht diese in ausdrücklicher Abweichung zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung definiert hat. Die Beschwerdeführerin ist folglich verhalten worden, die Methode der Invaliditätsbemessung im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichts zu wählen und aus ihrer Sicht eine rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Diese wird sie mangels formeller Beschwer indes nicht selbst anfechten können. Der Rückweisungsentscheid führt unter diesen Umständen zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil, weshalb die Eintretensvoraussetzungen insoweit erfüllt sind (BGE 133 V 477 E. 5.2.4 in fine S. 484 f.).
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1.2 Sodann erachtet die Vorinstanz den Abklärungsbericht Haushalt vom 28. April 2005 für nicht ausreichend und sie wies die Verwaltung an, mit Blick auf die Frage der Leistungsfähigkeit im Haushalt und der Wechselwirkung von Belastung in Beruf und Haushalt weitere Abklärungen durchzuführen; insbesondere sei eine ärztliche Leistungsfähigkeitsschätzung für die Haushalttätigkeit einzuholen. In diesem Zusammenhang hat das kantonale Gericht eine "verbesserte gemischte Methode" entwickelt und die Beschwerdeführerin verpflichtet, auf dieser - von der Rechtsprechung des Bundesgerichts ebenfalls abweichenden Grundlage - eine neue Verfügung zu erlassen (vgl. BGE 134 V 9). Nach dem bereits Gesagten ist auf die Beschwerde auch in diesen beiden strittigen Punkten einzutreten (vgl. E. 1.1 hievor).
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1.3 Weiter liegen die Fragen im Streit, ob die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im Erwerbsbereich auf einer genügenden und widerspruchsfreien medizinischen Grundlage beruht und die Aufteilung der Pensen von Haushalt sowie Beruf in rechtsgenüglicher Weise erfolgt ist. Zu Letztem schrieb die Vorinstanz in umfassender Weise vor, gemäss welchen Regeln die Abklärungen vorzunehmen seien. Namentlich gab sie detailliert an, welche Fragen zu stellen sind und nach welchen Kriterien die Pensen in Haushalt und Beruf ermittelt werden müssen (siehe hinten E. 4.2). Die Beschwerdeführerin hätte aufgrund dessen den Sachverhalt nach den von der Vorinstanz verbindlich festgelegten Regeln zu erheben. Der angefochtene Entscheid könnte für die IV-Stelle folglich auch in diesem Punkt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken, so dass auf die Beschwerde einzutreten ist (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG).
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Bleibt zu prüfen, wie es sich mit dem Eintreten auf die strittige Frage der Zumutbarkeit im Erwerbsbereich verhält. Insofern erachtet die Vorinstanz den massgeblichen medizinischen Sachverhalt deshalb für nicht schlüssig und widersprüchlich, da eine höhere als die ärztlich festgelegte Leistungsfähigkeit von 50 % in einer leidensangepassten Beschäftigung zu vermuten sei. Dass die Arbeitsfähigkeit weniger als 50 % beträgt, schliesst das kantonale Gericht offenkundig aus. Die Beschwerdeführerin hat für das Erwerbspensum einen Invaliditätsgrad von ungewichtet 10 % ermittelt. Wie dargelegt ist auf die Beschwerde mit Bezug auf sämtliche übrigen strittigen Aspekte einzutreten. Sollte sich herausstellen, dass die Beschwerdeführerin korrekt die gemischte Methode als Invaliditätsbemessungsmethode gewählt und sie überdies die Pensen im erwerblichen Bereich und Haushalt rechtskonform aufgeteilt hat (50 % / 50 %), so ergäbe sich kein höherer Invaliditätsgrad, falls zusätzliche medizinische Untersuchungen eine weniger stark eingeschränkte Arbeitsfähigkeit als 50 % ausweisen würden. Nach Massgabe der vorinstanzlichen Begründung entfiele die Notwendigkeit zusätzlicher medizinischer Abklärungen gezwungenermassen. Bei dieser speziellen Konstellation wird mit der Prüfung der übrigen Streitgegenstände gleichzeitig über die Notwendigkeit weiterer ärztlicher Abklärungen entschieden und dieser Frage kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Die Eintretensvoraussetzungen sind demzufolge mit Blick auf den engen Sachzusammenhang auch insofern erfüllt.
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2.
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2.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2.2 Das kantonale Gericht hat die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zur Ermittlung der Invalidität bei erwerbstätigen Versicherten (Art. 16 ATSG) sowie bei nicht erwerbstätigen versicherten Personen (Art. 28 Abs. 2bis IVG in der hier anwendbaren, bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) richtig dargelegt. Weiter gilt, dass bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind oder die unentgeltlich im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, für diesen Teil die Invalidität nach Art. 16 ATSG festgelegt wird. Waren sie daneben auch im Aufgabenbereich tätig, so wird die Invalidität für diese Tätigkeit nach Art. 28 Abs. 2bis IVG festgelegt. In diesem Fall sind der Anteil der Erwerbstätigkeit beziehungsweise der unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin und der Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich zu ermitteln und der Invaliditätsgrad entsprechend der Behinderung in beiden Bereichen zu bemessen (Art. 28 Abs. 2ter IVG in der bis zum 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung).
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Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352, 122 V 157 E. 1c S. 160).
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3.
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3.1 Für die Festlegung des Invaliditätsgrades brachte die Beschwerdeführerin die gemischte Methode gemäss Art. 28 Abs. 2ter IVG zur Anwendung. Hiebei stützte sie sich auf die Angaben der Versicherten im Abklärungsbericht Haushalt vom 28. April 2005, wonach sie heute ohne Behinderung aus finanziellen Gründen einer Erwerbstätigkeit in einem Pensum von 50 % nachginge. Den Anteil der Hausarbeit gab die Beschwerdegegnerin dementsprechend ebenfalls mit 50 % an. In der Beschwerde an das kantonale Gericht hatte sie diese Qualifikation mit dem Hinweis als richtig bestätigt, angesichts der persönlichen Situation mit zwei Kleinkindern könne sie trotz finanzieller Schwierigkeit nicht mehr als 50 % ausser Haus arbeiten.
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3.2 Die Vorinstanz erwog demgegenüber in ausdrücklichem Widerspruch zur ständigen Bundesgerichtspraxis (zuletzt bestätigt in BGE 133 V 477 E. 6.3 S. 486 f. und 133 V 504 E. 3.3 S. 507 f.), für die Wahl der Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich, Betätigungsvergleich im Aufgabenbereich, gemischte Methode) sei nicht massgebend, wie gross der Anteil der Tätigkeit der Versicherten als Gesunde im Erwerbsbereich oder im Haushalt nach deren hypothetischer Verhaltensweise sei, sondern wie weit es ihr im hypothetischen Gesundheitsfall objektiv zugemutet werden könne, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies habe die Verwaltung nicht abgeklärt, was nachzuholen sei.
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3.3 Das kantonale Gericht hat seine vom Bundesgericht abweichende Betrachtungsweise damit begründet, dass gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Art. 28 Abs. 2ter IVG als lex specialis Art. 8 Abs. 3 ATSG vorgehe; indessen bestehe zwischen diesen Bestimmungen kein Verhältnis von lex specialis zu lex generalis. Aufgrund von Art. 8 Abs. 3 ATSG müsse daher weiterhin davon ausgegangen werden, dass sich die Wahl der Methode der Invaliditätsbemessung danach richte, wie weit es der versicherten Person objektiv zumutbar wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hat das Bundesgericht seine Auffassung nicht damit begründet, Art. 28 Abs. 2ter IVG sei eine von Art. 8 Abs. 3 ATSG abweichende Spezialregelung in dem Sinne, dass im Rahmen von Art. 8 Abs. 3 ATSG das zumutbare, mit Bezug auf Art. 28 Abs. 2ter IVG das effektive Erwerbspensum massgebend ist. Eine Spezialbestimmung stellt Art. 28 Abs. 2ter IVG insofern dar, als er festlegt, nach welcher Methode die Invalidität in gemischten Verhältnissen zu bemessen ist. Hingegen wird auch bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 3 ATSG danach gefragt, ob die versicherte Person als Gesunde erwerbstätig wäre oder nicht; unmassgeblich ist jedoch die objektive Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit, was insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung erhellt (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, N 13 und 16-18 zu Art. 8 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; Ulrich Meyer-Blaser, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, Zürich 1997, S. 26 ff.). Sodann spricht das Wesen der Invalidenversicherung gegen die vorinstanzliche Betrachtungsweise: Diese versichert das Risiko des gesundheitsbedingten Verlustes der Möglichkeit, eine Tätigkeit auszuüben (Erwerbstätigkeit oder Betätigung im Aufgabenbereich), welcher die versicherte Person bisher nachgegangen ist und ohne Gesundheitsschaden weiterhin nachginge. Demgegenüber ist es nicht Sache der Invalidenversicherung, die Einbusse in einer Tätigkeit auszugleichen, welche die versicherte Person ohne Gesundheitsschaden gar nicht wahrnehmen würde. Die Auffassung der Vorinstanz hätte zur Folge, dass eine Person, die beispielsweise vom Ertrag ihres Vermögens leben kann und deswegen nie erwerbstätig war, im Falle einer Gesundheitsbeeinträchtigung trotzdem als invalid gelten würde, auch wenn sie im hypothetischen Gesundheitsfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine Erwerbstätigkeit verrichtet hätte, sofern ihr als Gesunde eine solche objektiv zugemutet werden könnte. Nach Lesart des kantonalen Gerichts käme diesfalls die Einkommensvergleichsmethode zur Anwendung, sofern dem Versicherten als Gesundem objektiv eine Erwerbsarbeit uneingeschränkt zumutbar wäre, was regelmässig anzunehmen ist. Dieses Resultat ist offensichtlich nicht im Sinne der Invalidenversicherung (vgl. zum Ganzen BGE 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53).
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3.4 In diesem Zusammenhang ist auf die in der Literatur wiederholt vorgebrachte und von der Beschwerdegegnerin vertretene Kritik an der bundesgerichtlichen Praxis einzugehen (vgl. BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 395 f. mit Hinweisen): Es trifft zwar zu, dass die gemischte Methode, wie sie durch das Bundesgericht in ständiger Praxis gehandhabt wird, zum Verlust eines bisherigen Rentenanspruchs führen kann, falls die versicherte Person mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - in der Regel im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes - nunmehr auch im Gesundheitsfall keine oder keine volle Erwerbstätigkeit mehr ausüben würde. Der daraus resultierende Einkommensverlust ist aber nicht invaliditätsbedingt; vielmehr erleiden auch gesunde Personen eine Einkommenseinbusse, wenn sie infolge der Geburt eines Kindes ihre bisherige Erwerbstätigkeit reduzieren oder aufgeben. Die Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur gemischten Methode ist eine Kritik an der Tatsache, dass Personen (in der Mehrzahl der Fälle Frauen) einen Erwerbsausfall erleiden, wenn sie nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit reduzieren. Diese gesellschaftliche Gegebenheit ist indes nicht Folge gesundheitsbedingter Faktoren und daher auch nicht durch die Invalidenversicherung auszugleichen. Es kann darin keine Diskriminierung und auch sonst keine Verfassungs- oder EMRK-Verletzung erblickt werden (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 156/04 vom 13. Dezember 2005 E. 5.2, publiziert in SVR 2006 IV Nr. 42 S. 151). Insgesamt erhellt, dass dem angefochtenen Entscheid eine rechtlich falsche Konzeption der gemischten Methode zugrunde liegt, welche zu einer mit Bundesrecht nicht vereinbaren Invaliditätsbemessung führt (Art. 95 lit. a BGG).
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4.
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4.1 Das kantonale Gericht hält im Rahmen einer Eventualbegründung den Sachverhalt auch dann für nicht genügend abgeklärt, falls der Invaliditätsgrad auf der Basis der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur gemischten Methode ermittelt wird; namentlich beruhe die Aufteilung der Pensen von Beruf und Arbeit im Haushalt (50 % / 50 %) auf einer ungenügenden Grundlage. Zwar sind Rückweisungen infolge ungenügender Sachverhaltsabklärungen in der Regel nicht rechtswidrig (Urteile 9C_234/2007 vom 3. Oktober 2007, I 818/06 vom 24. Januar 2007 E. 3.2). Ausnahmsweise ist dieses Erfordernis - wie zu zeigen sein wird - in der hier zu beurteilenden Sache jedoch erfüllt. Die Vorinstanz konnte mit der Eventualbegründung offenkundig bloss den Zweck verfolgt haben, die Rückweisung auch für den Fall als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, falls die gemischte Methode gemäss der Praxis des Bundesgerichts zur Anwendung gelangt. Vorab hat die Beschwerdegegnerin die Aufteilung der Pensen von Beruf und Haushalt in den vorinstanzlichen Verfahren durchgehend mit jeweils 50 % angegeben. Die erstmals vor Bundesgericht mit der Arbeitslosigkeit des Ehemannes begründete davon abweichende Darstellung der Beschwerdegegnerin überzeugt daher nicht. Davon abgesehen ist für die Beurteilung in zeitlicher Hinsicht der Einspracheentscheid vom 14. Juli 2006 massgeblich (BGE 129 V 1 E. 1.2 S. 4; RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101). Eine Arbeitslosigkeit des Ehemannes ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht aktenkundig, weshalb eine weitergehende Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen unterbleiben kann. Die Feststellung eines ungenügend erhobenen Sachverhaltes ist bei dieser Sachlage offensichtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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4.2 Weiter hat die Vorinstanz in diesem Zusammenhang Regeln aufgestellt, wie der Beweis zu erheben sei und insbesondere festgelegt, nach welchen Kriterien sich die Anteile von Arbeit in Beruf und Haushalt zu richten haben. Die Zulässigkeit solcher Regeln ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht frei zu prüfen ist (Art. 95 lit. a BGG). Das sozialversicherungsrechtliche Verfahren ist vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrscht. Danach sind die Beweise frei und ohne Bindung an förmliche Beweisregeln sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Die vom kantonalen Gericht aufgestellten Beweisregeln widersprechen diesem grundlegenden Prinzip. Von deren rechtlicher Unzulässigkeit abgesehen, sind sie auch untauglich: Insbesondere wird die Annahme des kantonalen Gerichts, die Beantwortung der Frage nach der Aufteilung der Pensen setze ein hohes Analyse- und Abstraktionsvermögen voraus und sei ohne umfassende Unterstützung durch die Abklärungsperson nicht möglich, der Realität nicht gerecht. Dieselbe Frage stellt sich den erwerbstätigen Eltern regelmässig und die Beschwerdegegnerin hätte sie nach der Geburt der Zwillinge gezwungenermassen auch im Gesundheitsfall beantworten müssen. Die Entscheidung wäre von ihr in Berücksichtigung der gleichen Faktoren zu fällen gewesen, wie sie bei der Haushaltabklärung vom 28. April 2005 einbezogen worden sind, diesfalls allerdings ohne Unterstützung durch eine aussenstehende Person. Sodann sind die Gründe nicht erkennbar, welche die Annahme zuliessen, das Pensum der Erwerbstätigkeit richte sich danach, ein Familieneinkommen in der Höhe eines qualifizierten Facharbeiters/Facharbeiterin erzielen zu können. Diese starre Betrachtungsweise steht der Lebenserfahrung entgegen, dass auch andere als pekuniäre Interessen ausschlaggebend sein können und sich öfters widersprechende Ziele gegenüberstehen, welche von den Betroffenen unterschiedlich gewichtet werden: Die Eltern können dem Wunsch, die Kinderbetreuung, soweit es die Umstände zulassen, selbst zu übernehmen, durchaus ein höheres Gewicht beimessen als dem gemeinsamen Erreichen eines Lohnes in der Höhe eines qualifizierten Facharbeiters. Weiter dürften auch Karrierepläne nicht ohne Belang sein und von Familie zu Familie unterschiedlich bewertet werden. Nicht angebracht ist sodann das von der Vorinstanz aufgestellte Erfordernis, die Fragestellungen und die Antworten mit Bezug auf die Aufteilung der Pensen seien über den Abklärungsbericht Haushalt hinaus zu protokollieren (E. 5.1 hernach). Die nach Massgabe unzulässiger Beweisregeln (Art. 95 lit. a BGG) erkannte ungenügende Ermittlung des Sachverhaltes ist daher rechtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat die Aufteilung der Pensen von Arbeit im Beruf und im Haushalt zu je 50 % bundesrechtskonform festgelegt.
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4.3 Die IV-Stelle hat somit nicht nur eine korrekte Aufteilung der Tätigkeiten in Beruf und Haushalt vorgenommen, sondern auch die Invalidität richtig nach der gemischten Methode gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ermittelt. Wie in Erwägung 1.3 ausgeführt, präjudiziert diese Feststellung aufgrund der hier gegebenen Sachlage die Frage, ob weitere medizinische Abklärungen zur Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit notwendig sind. Die Vorinstanz will denn auch der Einschätzung des Dr. med. W.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD), vom 13. Dezember 2005 deshalb nicht folgen, da mit Blick auf die von ihm in den angestammten Tätigkeiten der Coiffeuse und Schuhverkäuferin festgelegten Arbeitsfähigkeiten von 30 % und 40 % in einer leidensangepassten Beschäftigung auf eine erheblich über 50 % liegende Leistungsfähigkeit zu schliessen sei. Falls diese Vermutung des kantonalen Gerichts durch zusätzliche medizinische Untersuchungen bestätigt würde, so ergäbe sich zufolge einer höheren als von der Verwaltung angenommenen Arbeitsfähigkeit (50 %) ein geringerer Invaliditätsgrad denn insgesamt verfügt (27 %). Zusätzliche Abklärungen vermögen somit keine entscheidwesentlichen Änderungen am festgestellten Sachverhalt zu bewirken. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Versicherte in der Beschwerde an das kantonale Gericht die Festlegung der Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Beschäftigung auf 50 % als unbestritten richtig bezeichnet hat, was nicht erstaunt, nachdem die Zumutbarkeitsschätzung des Dr. med. W.________ mit jener des behandelnden Arztes Dr. med. S.________, Facharzt für Innere Medizin, vom 12. Mai 2004 und vom 16. Juni 2005 in Einklang steht. Die Feststellung eines ungenügend abgeklärten Sachverhaltes durch das kantonale Gericht ist bei diesen Gegebenheiten in qualifizierter Weise unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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5.
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5.1 Für die Invaliditätsbemessung im Haushalt stellt der eingeholte Abklärungsbericht eine geeignete und im Regelfall genügende Grundlage dar. Rechtsprechungsgemäss bedarf es des Beizugs einer ärztlichen Fachperson, die sich zu den einzelnen Positionen der Haushaltführung unter dem Gesichtswinkel der Zumutbarkeit zu äussern hat, nur in Ausnahmefällen, namentlich bei unglaubwürdigen Angaben der versicherten Person, die im Widerspruch zu den ärztlichen Befunden stehen (nicht publ. E. 5.2.1 des Urteils BGE 134 V 9; Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 249/04 vom 6. September 2004, E. 5.1.1, publ. in: SVR 2005 IV Nr. 21 S. 81, I 311/03 vom 22. Dezember 2003, E. 5.3, publ. in: AHI 2004 S. 137, und I 99/00 vom 26. Oktober 2000, E. 3c, publ. in: AHI 2001 S. 155; zum Ganzen: Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 693/06 vom 20. Dezember 2006, E. 6.2 mit Hinweisen) und bei - hier nicht zur Diskussion stehenden - psychischen Leiden (Urteil 8C_671/2007 vom 13. Juni 2008, E. 3.2.1 mit Hinweisen).
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5.2 Die Vorinstanz begründet die Mangelhaftigkeit des Abklärungsberichtes Haushalt vom 28. April 2005 auf der Basis einer von ihr eingeführten "verbesserten gemischten Methode". Hiebei geht das Gericht von einem hypothetischen Haushalt aus, für den bei einem Haushaltanteil von 50 % ein tägliches Pensum von 4,2 Stunden zu veranschlagen sei. Die Festlegung der gesundheitsbedingten Funktionseinbussen - so die Vorinstanz weiter - setze mit Bezug auf den hypothetischen Haushalt ein hohes Abstraktionsvermögen voraus, so dass die Haushaltabklärung durch eine ärztliche Arbeitsfähigkeitsschätzung (Arbeit im hypothetischen Haushalt) zu ersetzen sei. Darin ist dem vorinstanzlichen Gericht aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen (Art. 95 lit. a BGG). Wie bereits dargelegt, ist an der ständigen bundesgerichtlichen Praxis zur Anwendung der gemischten Methode festzuhalten (E. 3 hievor), was mit Bezug auf die Ermittlung der Einschränkung im Haushalt gleichermassen gilt. Im Übrigen bringt das vorinstanzliche Gericht keine substanziierte Kritik am Abklärungsbericht vom 28. April 2005 an. Insbesondere hat es keine Feststellungen darüber getroffen, aufgrund welcher medizinischer Verhältnisse die von der Beschwerdegegnerin angegebenen Funktionseinschränkungen als widersprüchlich oder nicht schlüssig zu erachten wären. Ein Ausnahmefall, welcher den Beizug eines Arztes erheischen würde, liegt nicht vor und der Abklärungsbericht entspricht (unter Vorbehalt der Wechselwirkungen, siehe E. 5.3 hienach) den von der Rechtsprechung verlangten üblichen Anforderungen. Der gegenteiligen Ansicht der Vorinstanz liegt eine rechtlich unrichtige Auffassung über die gemischte Methode zugrunde, weshalb der angefochtene Entscheid auch insofern einer rechtlichen Überprüfung nicht stand hält (Art. 95 lit. a BGG).
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5.3 Nicht völlig von der Hand zu weisen ist die von der Vorinstanz geübte Kritik an der gemischten Methode insofern, als mit dieser nicht automatisch den allfälligen Wechselwirkungen zwischen den verbleibenden Arbeitsfähigkeiten in den beiden Bereichen (Erwerbstätigkeit und Aufgabenbereich) Rechnung getragen wird. Das Bundesgericht hat in BGE 134 V 9 festgehalten, dass diese Wechselwirkungen berücksichtigt werden müssen, zugleich aber auch dargelegt, weshalb und inwiefern dies bloss unter bestimmten Voraussetzungen und in begrenztem Umfang erfolgen kann. Demgemäss ist die durch die Belastung im einen Tätigkeitsfeld bedingte Reduktion des Leistungsvermögens im andern Bereich im Rahmen einer ungewichteten prozentualen zusätzlichen Einbusse von maximal 15 % zu berücksichtigen (BGE 134 V 9 E. 7.3.6 S. 14). Der Abklärungsbericht Haushalt vom 28. April 2005 und der Einspracheentscheid vom 14. Juli 2006 enthalten zur Frage der Wechselwirkung keine Feststellungen. Selbst wenn aber die durch die Belastung in der erwerblichen Beschäftigung verursachte, höchstzulässige Einbusse im Haushalt von ungewichtet 15 % veranschlagt würde, ergäbe sich kein rentenbegründender Invaliditätsgrad: ([44+15] x 0,5) + (10 x 0,5) = 34,5 %. Für weitere Abklärungen besteht daher kein Anlass und der Einspracheentscheid vom 14. Juli 2006 ist zu bestätigen.
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6.
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Dem Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung geboten ist (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372). Es wird ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach die Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 30. November 2007 wird aufgehoben.
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2.
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Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
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3.
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Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
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4.
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Advokatin Andrea Mengis, Procap, Olten, wird als unentgeltliche Anwältin der Beschwerdegegnerin bestellt, und es wird ihr für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.- ausgerichtet.
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5.
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Die Sache wird zur Beurteilung des Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege im vorinstanzlichen Verfahren an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen.
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6.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 28. Juli 2008
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Meyer Ettlin
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