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Informationen zum Dokument  BGer 6B_226/2008  Materielle Begründung
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BGer 6B_226/2008 vom 31.07.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_226/2008 /hum
 
Urteil vom 31. Juli 2008
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
 
Gerichtsschreiber Boog.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander R. Lecki,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Just,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Üble Nachrede (Art. 173 Ziff. 1 StGB),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, vom 5. Dezember 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der Bezirksgerichtsausschuss Landquart erklärte mit Urteil vom 22. August 2007 X.________ der Verleumdung im Sinne von Art. 174 Abs. 1 StGB zum Nachteil von A.________ schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 3'000.--. Die Ehefrau des Beurteilten sprach er vom Vorwurf der Ehrverletzung frei. Den Antrag von A.________ auf Zusprechung einer Genugtuung wies er ab.
 
Eine hiegegen vom Beurteilten erhobene Berufung hiess der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden mit Urteil vom 5. Dezember 2007 teilweise gut, sprach X.________ der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 1'500.--.
 
B.
 
X.________ führt Beschwerde an das Bundesgericht, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB freizusprechen.
 
C.
 
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Beschwerde richtet sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80 Abs. 1 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG). Sie ist von der beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) erhoben und hinreichend begründet worden (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG).
 
Die Beschwerde an das Bundesgericht kann wegen Rechtsverletzungen im Sinne der Art. 95 und 96 BGG geführt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde vorgetragene Begründung der Rechtsbegehren noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es darf indessen nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
 
2.
 
Dem zu beurteilenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
 
Der Beschwerdeführer hängte am 8. Dezember 2005 an seinem Wohnort an einer öffentlich zugänglichen Stelle u.a. ein von ihm verfasstes Schreiben mit dem Titel "Bekanntmachung der organisierten Verbrechen" auf, in welchen er u.a. folgendes ausführte:
 
Geschätzte Bürgerinnen und Bürger
 
wissen Sie, dass
 
...
 
...
 
- die Bündner Justiz auch rechtswidrig/kriminelle Ausländer z.B. wie den Deutschen im heutigen Polen geborenen angeblichen Architekten A.________ und seine Ehefrau Ab.________ begünstigt?
 
...
 
Den Inhalt des Plakats leitete er zudem per Post und Fax an verschiedene Drittpersonen weiter. Aufgrund dieses Schreibens reichte A.________ am 15. Dezember 2005 Strafanzeige wegen Ehrverletzung ein (angefochtenes Urteil S. 9, 12; Akten des Bezirksgerichts act. 6, 11/1 und 11/4).
 
3.
 
3.1 Die Vorinstanz gelangt in rechtlicher Hinsicht zum Schluss, die Äusserung des Beschwerdeführers, der Beschwerdegegner sei ein krimineller Ausländer, stelle eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung dar. Der Begriff "kriminell" beziehe sich auf ein strafbares Verhalten und werde von einer unvoreingenommenen Person nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch so verstanden. Es sei offensichtlich, dass die fragliche Äusserung bei einem unbefangenen Dritten den Eindruck vermittle, es könnte sich beim Beschwerdegegner um einen Straftäter handeln. Dass der Beschwerdeführer neben dem Wort "kriminell" auch den Ausdruck "rechtswidrig" verwendet und die beiden Begriffe durch einen Schrägstrich getrennt habe, ändere daran nichts. Nicht zu entlasten vermöge den Beschwerdeführer auch der Hinweis auf die jahrelangen Streitigkeiten mit den Nachbarn im Zusammenhang mit der Dienstbarkeit. Dem Beschwerdeführer sei die Rechtslage aufgrund der kantons- und bundesgerichtlichen Urteile, in welchen die Dienstbarkeitsgrenze genau festgelegt worden sei, bekannt gewesen. Er könne sich für seinen Standpunkt in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Vermessung durch die Firma V.________ berufen, da diese erst am 6. Februar 2006 erfolgt sei, während die Plakate mit den fraglichen Äusserungen bereits im Dezember 2005 ausgehängt worden seien (angefochtenes Urteil S. 12 ff.).
 
3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Wort "kriminell" bedeute "asozial, böse, frevelhaft, gesetzwidrig, rücksichtslos, schlimm, strafbar, straffällig, unangenehm, unverschämt, verbrecherisch". Die Bezeichnung einer Person als rücksichtslos oder unangenehm stelle keine Ehrverletzung dar. Er habe mit seiner Aussage lediglich darauf hinweisen wollen, dass die Bündner Justiz kriminelle Ausländer begünstige. Die Äusserung richte sich daher gegen die Bündner Justiz. Sodann beziehe sich die Wortkombination "rechtswidrig/kriminell" auf den Begriff "Ausländer" und nicht auf den Beschwerdegegner. Nach seiner Erfahrung und seiner politischen Einstellung hielten sich ausländische Staatsangehörige überwiegend unter Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen über Niederlassung und Aufenthalt in der Schweiz auf, mithin rechtswidrig und damit kriminell. Die Bündner Justiz schütze daher nach seiner Auffassung in rechtswidriger Weise Ausländer, die sich nicht gesetzeskonform verhielten. Um seine Auffassung zu verdeutlichen, habe er im Sinne eines Beispiels seine Nachbarn genannt, mit denen er seit Jahren im Streit liege und von denen er aufgrund ihres Verhaltens ihm gegenüber annehme, deren Aufenthaltsstatus sei zweifelhaft. Er habe aber keineswegs in der Absicht gehandelt, dem Beschwerdegegner Übles vorzuwerfen. Er habe den Beschwerdegegner somit weder beleidigen noch ihm schaden wollen. Mindestens bestünden berechtigte Zweifel daran, dass er in Beleidigungsabsicht gehandelt habe, so dass er in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" freizusprechen sei (Beschwerde S. 3 f.).
 
4.
 
4.1 Gemäss Art. 173 Ziff. 1 StGB macht sich der üblen Nachrede schuldig, wer jemanden bei einem anderen eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt oder wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet (vgl. auch Art. 174 Ziff. 1 StGB).
 
Nach ständiger Rechtsprechung beschränkt sich der strafrechtliche Schutz von Art. 173 Ziff. 1 StGB auf den menschlich-sittlichen Bereich. Die Bestimmung schützt somit den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt (sittliche Ehre bzw. ethische Integrität). Den Tatbestand erfüllen danach nur Behauptungen sittlich vorwerfbaren, unehrenhaften Verhaltens. Äusserungen, die geeignet sind, jemanden in anderer Hinsicht, z.B. als Geschäfts- oder Berufsmann, als Politiker oder Künstler in seiner gesellschaftlichen Geltung oder sozialen Funktion herabzusetzen (gesellschaftliche od. soziale Ehre), sind demgegenüber nicht ehrverletzend, solange die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens jedenfalls nicht zugleich die Geltung als ehrbarer Mensch trifft (BGE 119 IV 44 E. 2a; 117 IV 205 E. 2; 105 IV 112 E. 1; 103 IV 157 E. 1 mit weiteren Hinweisen).
 
Für die Frage, ob die Äusserung ehrenrührig ist, ist massgeblich, welcher Sinn ihr ein unbefangener Adressat unter den konkreten Umständen beilegt (BGE 128 IV 53 E. 1a, S. 58 mit Hinweisen). Unerheblich ist, ob der Dritte die Beschuldigung oder Verdächtigung für wahr hält oder nicht (BGE 103 IV 22).
 
4.2 Die Beschwerde ist unbegründet. Wie die Vorinstanz zu Recht annimmt, verweist das Wortschatzelement "kriminell" auf ein strafbares Verhalten. Es trägt die Bedeutung "zu strafbaren Handlungen neigend" und "eine strafbare, verbrecherische Handlung darstellend". Der Vorwurf, eine strafbare Handlung begangen zu haben bzw. sich rechtswidrig zu verhalten, namentlich gegen die Bestimmungen über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern zu verstossen, ist ehrverletzend (BGE 132 IV 112 E. 2; Franz Riklin, Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. Basel 2007, Vor Art. 173 N 18). Die Aussage, der Beschwerdegegner sei kriminell, erfüllt daher zweifellos den Tatbestand der üblen Nachrede gemäss Art. 173 Ziff. 1 StGB.
 
Ob der Beschwerdeführer vorwiegend in der Absicht gehandelt hat, jemandem Übles vorzuwerfen, erlangt lediglich im Zusammenhang mit der Zulassung zum Entlastungsbeweis Bedeutung (Art. 173 Ziff. 3 StGB). Der "animus iniurandi" ist kein Element des subjektiven Tatbestandes von Art. 173 StGB. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung zum Entlastungsbeweis hat der Bezirksgerichtsausschuss Landquart mit Urteil vom 4. Oktober 2006 indes abgewiesen, was das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 17. Januar 2007 bestätigt hat (Akten des Bezirksgerichts act. 11/20 und 21). Diesen Entscheid, bei dem es sich um einen Zwischenentscheid handelt (Art. 93 BGG), ficht der Beschwerdeführer nicht an, weshalb auf die Frage des Entlastungsbeweises nicht weiter einzugehen ist.
 
5.
 
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 31. Juli 2008
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Boog
 
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