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Informationen zum Dokument  BGer 9C_213/2008  Materielle Begründung
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BGer 9C_213/2008 vom 14.08.2008
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_213/2008
 
Urteil vom 14. August 2008
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Kernen, Seiler,
 
Gerichtsschreiber Fessler.
 
Parteien
 
IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6431 Schwyz,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
M.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Noser, Marktstrasse 2, 8853 Lachen.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 15. Januar 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1966 geborene M.________ meldete sich im Dezember 2004 bei der Invalidenversicherung an und beantragte u.a. eine Rente. Nach Abklärung der gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse sowie der Einschränkung im Aufgabenbereich Haushalt und nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle Schwyz mit Verfügung vom 25. Juni 2007 das Leistungsbegehren ab.
 
B.
 
Die Beschwerde der M.________ hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz nach einer mündlichen Verhandlung insoweit gut, als es die Verfügung vom 25. Juni 2007 aufhob, den Anspruch der Versicherten auf eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad: 40 %) bejahte und die Sache an die IV-Stelle zur Festlegung des Rentenbeginns und Ermittlung der Nachzahlungsbeträge zurückwies (Entscheid vom 15. Januar 2008).
 
C.
 
Die IV-Stelle Schwyz führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 15. Januar 2008 sei aufzuheben.
 
M.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, desgleichen das kantonale Gericht, soweit auf das Rechtsmittel einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen beantragt die Gutheissung der Beschwerde.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der vorinstanzliche Entscheid spricht der Beschwerdegegnerin eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu und weist im Übrigen die Sache zur Festsetzung des Leistungsbeginns sowie zur Ermittlung der Nachzahlungsbeträge an die Beschwerde führende IV-Stelle zurück. Mit Bezug auf die einzig angefochtene Anspruchsberechtigung als solche liegt ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG vor (vgl. BGE 133 V 477 und SVR 2008 IV Nr. 39 [9C_684/2007] S. 131 E. 1.1; ferner BGE 125 V 413 E. 2c S. 416). Da auch die übrigen formellen Gültigkeitserfordernisse gegeben sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat den für den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung und den Umfang des Anspruchs massgebenden Invaliditätsgrad (Art. 28 Abs. 1 IVG, jeweils in der hier noch massgebenden, bis 31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Fassung) nach der gemischten Methode ermittelt (vgl. dazu Art. 28 Abs. 2ter IVG sowie BGE 125 V 146 E. 2a-c S. 148 ff. und SVR 2006 IV Nr. 42 S. 151 [I 156/04] in Verbindung mit BGE 130 V 393). Den Anteil der Erwerbstätigkeit (= ohne gesundheitliche Beeinträchtigung geleistetes erwerbliches Arbeitspensum als Pflegeassistentin) hat es auf 0,9 (90 %/ 100 %) festgelegt. Die gesundheitlich bedingte Einschränkung im erwerblichen Bereich hat die Vorinstanz durch Einkommensvergleich ermittelt (Art. 16 ATSG und BGE 128 V 29 E. 1 S. 30 in Verbindung mit BGE 130 V 343). Dabei hat sie als Valideneinkommen (Fr. 49'410.-) einen Verdienst als Pflegeassistentin bei einem Arbeitspensum von 90 % angenommen. Das Invalideneinkommen (Fr. 27'855.-) hat sie auf der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2004 des Bundesamtes für Statistik (LSE 04) bestimmt (vgl. dazu BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 476), ausgehend vom monatlichen Bruttolohn von Frauen für einfache und repetitive Tätigkeiten im privaten Sektor (Fr. 3893.-; LSE 04 S. 43). Unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung 2004/05 und der betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit ergab sich ein jährliches Einkommen von Fr. 49'127.-. Diesen Betrag hat das kantonale Gericht in einem ersten Schritt um 10 % gekürzt mit der Begründung, ein korrekter Einkommensvergleich habe auf der Basis eines gleichen Teilerwerbspensums von 90 % zu erfolgen. Den so erhaltenen Betrag von Fr. 44'214.30 hat es sodann entsprechend der trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 70 % um weitere 30 % reduziert, was Fr. 30'950.- ergab. Davon hat es im Sinne von BGE 126 V 75 einen Abzug von 10 % vorgenommen, um allen Eventualitäten gerecht zu werden. Aus der Gegenüberstellung von Valideneinkommen (Fr. 49'410.-) und Invalideneinkommen (Fr. 27'855.-) resultierte ein Invaliditätsgrad von 43,6 %. Die Einschränkung im Aufgabenbereich Haushalt (Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 ATSG und Art. 27 IVV) hat die Vorinstanz gestützt auf den Abklärungsbericht vom 8. Januar 2007 auf 10 % festgesetzt. Dies ergab einen Invaliditätsgrad von gesamthaft 40 % (0,9 x 43,6 % + 0,1 x 10 %; zum Runden BGE 130 V 121) und damit Anspruch auf eine Viertelsrente.
 
3.
 
3.1 Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt zu Recht, dass das kantonale Gericht die gemischte Bemessungsmethode insofern unrichtig angewendet hat, als es bei der Ermittlung des Invalideneinkommens von einem Arbeitspensum von 90 % ausgegangen ist und in diesem zeitlichen Rahmen die gesundheitlich bedingte Arbeitsunfähigkeit von 30 % voll berücksichtigt hat. Nach der Rechtsprechung sind die Vergleichsgrössen im zeitlichen Rahmen der ohne Gesundheitsschaden (voraussichtlich dauernd) ausgeübten Teilerwerbstätigkeit zu bestimmen (BGE 131 V 51 E. 5.1.1 S. 53, 125 V 146 E. 2b S. 149). Dabei entspricht das Invalideneinkommen dem Verdienst, den die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Art. 16 ATSG). Das im Gesundheitsfall geleistete Arbeitspensum bildet somit eine zeitliche Schranke für die erwerbliche Verwertbarkeit der verbliebenen Arbeitsfähigkeit. Im Rahmen eines erwerblichen Pensums von 90 % kann die Beschwerdegegnerin die 70%ige Restarbeitsfähigkeit voll verwerten. Demgegenüber geht die Vorinstanz letztlich von einer (erwerblich verwertbaren) Arbeitsfähigkeit von lediglich 63 % (0,9 x 70 %) aus, was offensichtlich nicht zutrifft.
 
3.2 Die im Sinne der Vorinstanz modifizierte Anwendung der gemischten Methode läuft - im Ergebnis - darauf hinaus, die Invalidität im erwerblichen Bereich bezogen auf ein Vollzeitpensum zu ermitteln, was konstanter Rechtsprechung widerspricht (vgl. BGE 125 V 146 und BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 395 f.; SVR 2006 IV Nr. 42 S. 151 [I 156/04]; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 725/04 vom 20. Januar 2006 E. 3.1 und Urteil I 879/06 vom 30. März 2007 E. 4.3). Es besteht kein Anlass zu einer erneuten vertieften Auseinandersetzung mit der geltenden Praxis. Daran ändern auch die Ausführungen des kantonalen Gerichts in seiner Vernehmlassung nichts. Eine analoge Anwendung der Rechtsprechung, wonach beim Einkommensvergleich invaliditätsfremde Gründe (Alter, Ausbildung, Sprache etc.) entweder bei beiden Einkommensgrössen oder überhaupt nicht zu berücksichtigen sind (vgl. ZAK 1989 S. 456 [I 362/88] und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 97/00 vom 29. August 2002 E. 3), fällt ausser Betracht. Denn die hypothetische Reduktion des erwerblichen Arbeitspensums im Gesundheitsfall stellt im Rahmen der gemischten Methode keinen solchen invaliditätsfremden Grund dar. Hat die versicherte Person neben dem Teilerwerb einen Aufgabenbereich, bildet das im Gesundheitsfall geleistete Arbeitspensum nur, aber immerhin die zeitliche Schranke für die erwerbliche Verwertung der verbliebenen Arbeitsfähigkeit (E. 3.1).
 
3.3 Bei im Übrigen unveränderten Bemessungsfaktoren beträgt das Invalideneinkommen somit Fr. 30'950.- (E. 2) und der erwerbsbezogenen Invaliditätsgrad 37,4 %.
 
4.
 
Im Weitern rügt die IV-Stelle, ein hypothetisches Arbeitspensum von 90 % sei offensichtlich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Sodann habe die Vorinstanz mit der Gewährung eines leidensbedingten Abzuges von 10 % nicht nur ihr eigenes Ermessen anstelle jenes der Verwaltung gesetzt, sondern gleichzeitig auch ihre Begründungspflicht verletzt, indem nicht erkennbar sei, von welchen Überlegungen sie sich dabei habe leiten lassen. Auf diese Vorbringen braucht nicht näher eingegangen zu werden. Selbst wenn sie begründet wären, änderte sich nichts am Ergebnis. Werden - aus Sicht der IV-Stelle zugunsten der Beschwerdegegnerin - der Anteil der Erwerbstätigkeit und der Abzug vom Tabellenlohn unverändert belassen, ergibt sich ein Invaliditätsgrad von gesamthaft 34,7 % (0,9 x 37,4 % + 0,1 x 10 %). Werden zudem allfällige Wechselwirkungen zwischen den beiden Tätigkeitsbereichen, und zwar vom gewichtsmässig bedeutsameren erwerblichen Bereich zum Aufgabenbereich, berücksichtigt (vgl. BGE 134 V 9), resultiert ein Invaliditätsgrad von weniger als 37 % (0,9 x 37,4 % + 0,1 x 25 %). Somit besteht kein Anspruch auf eine Invalidenrente. Der anderslautende vorinstanzliche Entscheid verletzt Bundesrecht.
 
5.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 15. Januar 2008 aufgehoben.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 14. August 2008
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Meyer Fessler
 
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