BGer 6B_539/2008 | |||
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BGer 6B_539/2008 vom 08.10.2008 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_539/2008/sst
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Urteil vom 8. Oktober 2008
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, Präsident,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
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Gerichtsschreiber Thommen.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Patrick A. Schaerz,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Archivgasse 1, 6430 Schwyz,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Gewerbsmässiger Betrug, Urkundenfälschung; Revision, neues Gutachten,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 27. Mai 2008.
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Sachverhalt:
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A.
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Der Beschwerdeführerin wurde vorgeworfen, in den Jahren 1991 bis 1998 in über dreissig Fällen die Unterschrift von A.________ (geboren 13. November 1900, verstorben 19. März 2001) auf von ihr geschriebenen Bankaufträgen gefälscht, die gefälschten Bankaufträge verwendet und die angewiesenen Banken getäuscht zu haben. Diese hätten ihr und Dritten an die drei Millionen Franken zum Schaden von A.________ ausbezahlt.
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B.
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Gestützt auf diesen Sachverhalt wurde sie am 30. Mai 2006 in zweiter Instanz vom Kantonsgericht Schwyz des gewerbsmässigen Betrugs und der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig gesprochen und zu 30 Monaten Zuchthaus verurteilt.
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Gegen dieses Urteil erhob sie staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Das Bundesgericht wies beide Beschwerden ab, soweit es darauf eintrat (vgl. Urteil 6P.154/2006 und 6S.345/2006 vom 2. Dezember 2006).
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C.
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Seit 21. Mai 2007 befindet sich die Beschwerdeführerin in der Anstalt 'Hindelbank' im Strafvollzug.
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D.
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Gestützt auf die Ergebnisse eines neuen privaten Schriftgutachtens von Dr. Raymond Marquis, Université de Lausanne, Institut de police scientifique vom 12. November 2007 (IPS-Gutachten) stellte die Beschwerdeführerin am 29. November 2007 beim Kantonsgericht Schwyz ein Gesuch um Wiederaufnahme des Verfahrens.
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E.
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Mit Beschluss vom 27. Mai 2008 wies das Kantonsgericht Schwyz das Revisionsgesuch ab, soweit es darauf eintrat.
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F.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde in Strafsachen. Die Beschwerdeführerin verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Beschlusses sowie die Rückweisung zur Neubeurteilung.
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G.
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Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
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Erwägungen:
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1.
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Die Beschwerdeführerin macht zusammengefasst geltend, die verweigerte Wiederaufnahme verletze Art. 385 StGB, respektive stelle eine willkürliche Anwendung von § 157 und § 157d StPO/SZ dar.
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1.1 Nach Art. 385 StGB haben die Kantone gegenüber Urteilen, die auf Grund des schweizerischen Strafgesetzbuchs oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten. Unter dem Titel 'Revision' bestimmt § 157 lit. a der Verordnung vom 28. August 1974 über den Strafprozess im Kanton Schwyz (Strafprozessordnung; StPO/SZ; SR SZ 233.110): Ein rechtskräftig erledigtes Strafverfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweise vorliegen, die der entscheidenden Behörde zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren und die allein oder in Verbindung mit einer früher festgestellten Tatsache geeignet sind, einen Freispruch, eine mildere Beurteilung oder eine Verurteilung herbeizuführen. Nach § 157d Abs. 1 Satz 1 StPO/SZ ('Verfahren im Allgemeinen') ordnet der Präsident die zur Prüfung des Gesuches erforderlichen Erhebungen und Beweisaufnahmen an, sofern sich das Gesuch nicht zum vornherein als unbegründet erweist.
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1.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Verfahren nur wieder aufzunehmen, wenn die neu angerufenen Tatsachen oder Beweismittel erheblich sind (BGE 122 IV 66 E. 2). Neu sind Tatsachen oder Beweismittel, die im ursprünglichen Verfahren überhaupt nicht zur Beurteilung vorlagen (vgl. BGE 116 IV 353 E. 3a). Erheblich sind neue Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie geeignet sind, die Beweisgrundlage des früheren Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhaltes ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 117 IV 40 E. 2a).
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1.3 Ein neues Gutachten kann Anlass zur Wiederaufnahme geben, wenn es neue Tatsachen nachweist oder darzutun vermag, dass die tatsächlichen Annahmen im früheren Urteil ungenau oder falsch waren. Dabei kann es sich auch um ein Privatgutachten handeln. Ein neues Gutachten bildet somit noch keinen Revisionsgrund, soweit es lediglich eine vom früheren Gutachten abweichende Meinung vertritt. Es muss vielmehr mit überlegenen Gründen abweichen und klare Fehler des früheren Gutachtens aufzeigen, die geeignet sind, die Beweisgrundlage des Urteils zu erschüttern (BGE 101 IV 247 E. 2; Bundesgerichtsurteile 6P.93/2004 vom 15. November 2004 E. 4 und 6S.452/2004 vom 1. Oktober 2005 E. 2.2; Stephan Gass, Basler Kommentar Strafrecht II, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 385 N 81.; Marianne Heer, Basler Kommentar Strafrecht I, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 65 N 73 ff.; Hans Walder, Die Wiederaufnahme des Verfahrens in Strafsachen nach Art. 397 StGB, insbesondere auf Grund eines neuen Gutachtens, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, Bern 1979, S. 356).
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1.4 Der angefochtene Entscheid verletzt Art. 385 StGB nicht. Die kantonalen Bestimmungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens wurden weder willkürlich noch unter Verletzung des rechtlichen Gehörs angewendet. Im Verfahren, welches zur Verurteilung vom 30. Mai 2006 führte, kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die Unterschriften auf den Bankanweisungen gefälscht waren. Sie stellte dabei auf das amtliche Schriftgutachten von Willi Landert der kriminaltechnischen Abteilung der Kantonspolizei Zürich vom 13. Dezember 2000 sowie auf das Gutachten von Marcel Widmer der Prolabor AG vom 11. Dezember 2004 ab. Die Urheberschaft der Unterschrift wurde im Gutachten nicht festgelegt. Die Vorinstanz schloss sich diesbezüglich der Warnung des kriminaltechnischen Gutachters an, wonach die Urheberschaftsfestlegung bei gefälschten Unterschriften problematisch ist. Ein schlüssiger Urheberschaftsnachweis hänge davon ab, in welchem Umfang schreiberspezifische Merkmale aus der Handschrift des Fälschers in das Fälschungsprodukt eingeflossen seien und inwieweit sich diese bei der Abnahme von spezifischen Schriftproben reproduzieren liessen. Die im Rahmen der Echtheitsprüfung als falsch qualifizierten Unterschriften seien mit Nachahmungsabsicht erstellt worden. Diesen mehrheitlich langsam und unnatürlich gestalteten Schreibprodukten fehle der schreiberspezifische Gehalt weitgehend, weshalb die fraglichen Unterschriften keine geeignete Basis für eine Urheberschaftsbestimmung darstellten (angefochtenes Urteil S. 8 f.). Die Vorinstanz schloss jedoch aufgrund der übrigen Indizien, dass die Unterschriften durch die Beschwerdeführerin gefälscht wurden. Diese gab zu, die sie begünstigenden Bankanweisungen selbst verfasst zu haben. Es sei daher nicht ersichtlich, welcher Dritte die Unterschriften hätte fälschen sollen.
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Von dieser Einschätzung wich die Vorinstanz auch im Revisionsverfahren nicht ab. Die Beschwerdeführerin stützt ihr Revisionsgesuch auf ein neues privates Schriftgutachten von Dr. Raymond Marquis Université de Lausanne, Institut de police scientifique vom 12. November 2007 (IPS-Gutachten), welches nachweise, dass sie als Urheberin der gefälschten Unterschriften ausgeschlossen werden könne ("negativer Urheberschaftsnachweis"). Die Vorinstanz erachtet das anhand weniger Vergleichsmerkmale erstellte Privatgutachten als nur beschränkt aussagekräftiges neues Beweismittel. Aufgrund der erwähnten Überlegungen kommt sie zum Schluss, dass weder das neue Gutachten noch die beantragten Zeugenbefragungen ihr bisheriges Beweisergebnis zu erschüttern vermögen. Diese antizipierte Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Es ist insbesondere nicht willkürlich, die allgemeinen Bedenken gegenüber der Autorenidentifizierung bei Unterschriften auch auf den negativen Urheberschaftsnachweis auszudehnen. Das Gesuch durfte daher als zum vornherein unbegründet abgewiesen werden (vgl. § 157d Abs. 1 Satz 1 StPO/SZ). Die Vorinstanz verneinte folglich zu Recht die Erheblichkeit des neuen Beweismittels im Sinne von Art. 385 StGB. Nach der Rechtsprechung bildet ein neues Gutachten keinen Revisionsgrund, soweit es lediglich eine vom früheren Gutachten abweichende Meinung vertritt. Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, inwiefern das alte Gutachten fehlerhaft und das neue überlegen sein soll. Ihre übrigen Vorbringen erweisen sich als unnötig weitschweifige, rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil. Die Beschwerdeführerin legt darin lediglich ihre Interpretation des neuen Gutachtens und des Revisionsverfahrens dar. Darauf ist nicht einzugehen.
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1.5 Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführerin wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. Oktober 2008
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Schneider Thommen
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