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Informationen zum Dokument  BGer 9C_43/2009  Materielle Begründung
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BGer 9C_43/2009 vom 07.07.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_43/2009
 
Urteil vom 7. Juli 2009
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
 
Gerichtsschreiberin Dormann.
 
Parteien
 
C.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Manser,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
S.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann,
 
Beschwerdegegnerin 1,
 
Vorsorgestiftung E.________,
 
Beschwerdegegnerin 2,
 
CREDIT SUISSE, Freizügigkeitsstiftung 2. Säule, Postfach 8526, 8036 Zürich.
 
Gegenstand
 
Berufliche Vorsorge,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
 
vom 22. Dezember 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
C.________ (geboren 1944) und S.________ (geboren 1968) heirateten am 20. Oktober 1992. Mit Urteil des Amtsgerichts vom 3. Juli 2007 wurde die Ehe geschieden (Dispositiv-Ziffer 1) und u.a. die hälftige Aufteilung der während der Ehe angesparten Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge angeordnet (Dispositiv-Ziffer 6). Nach Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses am 11. September 2007 überwies das Amtsgericht die Sache zu diesem Zweck an das kantonale Berufsvorsorgegericht.
 
B.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zog die Zivilakten bei und holte bei der Vorsorgestiftung E.________, bei welcher S.________ seit 1. Juni 2001 berufsvorsorgerechtlich versichert ist, sowie bei der CREDIT SUISSE, Freizügigkeitsstiftung 2. Säule (nachfolgend: CS Freizügigkeitsstiftung), welche für C.________ die zwei Freizügigkeitskonten Nr. x und Nr. y führt, Stellungnahmen ein. Mit Entscheid vom 22. Dezember 2008 verpflichtete es die CS Freizügigkeitsstiftung, ab einem Freizügigkeitskonto des C.________ den Betrag von Fr. 8'337.- samt Zins von 3,5 % ab 11. September 2007 und 3,75 % ab 1. Januar 2008 auf ein von S.________ zu bezeichnendes Vorsorgekonto zu überweisen.
 
C.
 
C.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Entscheides sei aufzuheben (Antrag 1). Die Vorsorgestiftung E.________ sei anzuweisen, vom Freizügigkeitskonto der S.________ den Betrag von Fr. 674.87 samt Zins von 3,5 % ab 11. September 2007 und 3,75 % ab 1. Januar 2008 auf ein von ihm zu bezeichnendes Konto zu überweisen (Antrag 2).
 
Während das kantonale Gericht auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten S.________, die CS Freizügigkeitsstiftung, die Vorsorgestiftung E.________ und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Stellungnahme.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (SEILER/VON WERDT/ GÜNGERICH, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, N. 24 zu Art. 97 BGG).
 
1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Urteil 9C_294/2007 vom 10. Oktober 2007 E. 2 mit Hinweis; vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262;130 III 136 E. 1.4 S. 140).
 
2.
 
2.1 Streitig ist die Höhe der zu teilenden Austrittsleistung des Beschwerdeführers. Hingegen steht fest und ist unbestritten, dass für seine geschieden Ehefrau ein Freizügigkeitsguthaben im Betrag von Fr. 25'323.15 anzurechnen ist und dass die Ansprüche hälftig zu teilen sind.
 
2.2 Die zu teilende Austrittsleistung eines Ehegatten entspricht der Differenz zwischen der Austrittsleistung zuzüglich allfälliger Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Ehescheidung und der Austrittsleistung zuzüglich allfälliger Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung. Für diese Berechnung sind die Austrittsleistung und das Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung auf den Zeitpunkt der Ehescheidung aufzuzinsen (Art. 22 Abs. 2 FZG; SR 831.42).
 
Haben die Ehegatten vor dem 1. Januar 1995 geheiratet, so wird die Austrittsleistung im Zeitpunkt der Eheschliessung aufgrund einer vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) erstellten Tabelle berechnet. Hat jedoch ein Ehegatte seit der Eheschliessung bis zum 1. Januar 1995 nie die Vorsorgeeinrichtung gewechselt und steht fest, wie hoch nach neuem Recht die Austrittsleistung im Zeitpunkt der Eheschliessung gewesen wäre, so ist dieser Betrag für die Berechnung nach Artikel 22 Absatz 2 massgebend (Art. 22a Abs. 1 FZG).
 
2.3 Können sich die Ehegatten über die bei der Ehescheidung zu übertragende Austrittsleistung (Art. 122, 123 ZGB) nicht einigen, so hat das am Ort der Scheidung zuständige Berufsvorsorgegericht (vgl. Art. 73 Abs. 1 BVG; SR 831.40) gestützt auf den vom Scheidungsgericht bestimmten Teilungsschlüssel die Teilung von Amtes wegen durchzuführen, nachdem ihm die Streitsache überwiesen worden ist (Art. 25a Abs. 1 FZG). Dabei stellt es den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 73 Abs. 2 BVG).
 
3.
 
3.1 Nach Auffassung der Vorinstanz betrugen die Guthaben des Beschwerdeführers bei der CS Freizügigkeitsstiftung bei Rechtskraft des Scheidungsurteils am 11. September 2007 insgesamt Fr. 74'164.70. Ausgehend von diesem Betrag hat sie als "eingebrachtes und seither verzinstes" Guthaben bei Eheschliessung Fr. 17'182.30 auf dem Konto Nr. x sowie Fr. 14'985.25 auf dem Konto Nr. y in Abzug gebracht und folglich die zu teilende Austrittsleistung auf Fr. 41'997.15 festgesetzt, was per Saldo zu einem Vorsorgeanspruch der geschiedenen Ehefrau von Fr. 8'337.- geführt hat.
 
3.2 Die vorinstanzliche Feststellung, weitere Freizügigkeitspolicen oder Angaben über andere Vorsorgegelder seien nicht ersichtlich, ist nicht offensichtlich unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Für die Festsetzung des Freizügigkeitsguthabens bei Rechtskraft des Scheidungsurteils hat sich das kantonale Gericht auf die Eingabe der CS Freizügigkeitsstiftung vom 8. August 2008 gestützt. Danach betrugen die Freizügigkeitsleistungen Fr. 51'169.80 und Fr. 22'994.90. In den Schreiben vom 16. April und 5. Juni 2008 an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers teilte die CS-Freizügigkeitsstiftung hingegen Austrittsleistungen von Fr. 50'606.34 und Fr. 22'889.07 mit, was einem Gesamtguthaben von Fr. 73'495.41 entspricht. Die Differenz von Fr. 669.29 lässt sich mit dem blossen Hinweis, die Beträge seien "dem Kunden unverzinst mitgeteilt" worden, nicht nachvollziehen. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben wären weitere Abklärungen (vgl. Art. 73 Abs. 2 BVG) zwingend angezeigt gewesen.
 
3.3 In Bezug auf die Austrittsleistung im Zeitpunkt der Eheschliessung ist zu beachten, dass die Ehe am 20. Oktober 1992 geschlossen wurde und daher Art. 22a FZG anzuwenden ist. Weder aus dem angefochtenen Entscheid noch sonst wie ist ersichtlich, dass die Tabelle des EDI berücksichtigt worden ist (vgl. Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 47 vom 22. November 1999). Dass im Sinne des Ausnahmetatbestandes von Art. 22a Abs. 1 FZG darauf verzichtet werden konnte, ergibt sich für die geschiedene Ehefrau aus der Tatsache (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG), dass sie - laut eigener Angabe und Austrittsbeleg der Vorsorgestiftung E.________ vom 14. Juli 2008 - erst ab Juni 2001 berufsvorsorgerechtlich versichert war. Hinsichtlich des Beschwerdeführers lassen sich indessen die fehlenden vorinstanzlichen Feststellungen zu einem allfälligen Wechsel der Vorsorgeeinrichtung im massgeblichen Zeitraum (20. Oktober 1992 bis 1. Januar 1995) und der nach neuem Recht bestimmten Höhe der Austrittsleistung nicht aus den Akten ergänzen.
 
3.4 Schliesslich ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass das Guthaben bei Eheschliessung - auch nach Anwendung von Art. 22a FZG - auf den Zeitpunkt der Ehescheidung gemäss Art. 8a Abs. 1 FZV (SR 831.425) aufzuzinsen und der sich daraus ergebende Gesamtbetrag vom Freizügigkeitsguthaben bei Rechtskraft des Scheidungsurteils abzuziehen ist (Art. 22 Abs. 2 FZG). In Wirklichkeit hat jedoch die Vorinstanz die bei der Eheschliessung vorhandenen Guthaben gerade nicht aufgezinst: Sie hat nämlich von der Austrittsleistung per Rechtskraft des Scheidungsurteils nur die in den Bestätigungen der CS Freizügigkeitsstiftung vom 16. April und 5. Juni 2008 angegebenen Beträge "Austrittsleistung bei Heirat am 20.10.1992" abgezogen (für das Konto Nr. x Fr. 17'182.30; für das Konto Nr. y Fr. 14'985.25, wobei es sich um einen Schreibfehler handeln dürfte, hat doch die CS Freizügigkeitsstiftung den Betrag mit Fr. 14'958.25 angegeben), nicht aber die genannten Aufzinsungsbeiträge (Fr. 11'741.52 und Fr. 10'221.70 gemäss Schreiben vom 5. Juni 2008, wohl aber Fr. 10'219.01 laut Bestätigung vom 16. April 2008), wie der Beschwerdeführer mit Recht rügt. Die entsprechenden Zinsbeträge stimmen, wenn man sie auf der Grundlage der angegebenen Austrittsleistungen bei Heirat berechnet. Da indessen nicht feststeht, ob diese Leistungen korrekt sind oder ob von einer gemäss Art. 22a FZG errechneten Austrittsleistung im Zeitpunkt der Eheschliessung auszugehen ist (E. 3.3), kann der korrekte Betrag aufgrund der aktuellen Aktenlage nicht festgestellt werden.
 
3.5 Die Beschwerde ist begründet. Die Vorinstanz wird in Bezug auf das zu teilende Freizügigkeitsguthaben des Beschwerdeführers weitere Abklärungen zu treffen haben.
 
4.
 
Die beteiligten Vorsorgeeinrichtungen führen den Streit je auf Rechnung eines geschiedenen Ehegatten, ausserdem haben beide die Durchführbarkeit der Teilung bestätigt. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin 1 aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem obsiegenden Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 22. Dezember 2008, soweit er nicht die unentgeltliche Prozessführung betrifft, aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Teilung der Austrittsleistungen neu entscheide.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin 1 auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdegegnerin 1 hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Amtsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. Juli 2009
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Meyer Dormann
 
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