BGer 6B_516/2009 | |||
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BGer 6B_516/2009 vom 03.11.2009 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_516/2009
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Urteil vom 3. November 2009
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys
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Gerichtsschreiber Stohner.
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Parteien
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X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lukas Wyss,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Y.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Buttliger,
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Beschwerdegegner,
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Generalprokuratur des Kantons Bern, 3001 Bern,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Fahrlässige schwere Körperverletzung; Schadenersatz- und Genugtuung; Willkür, Grundsatz in dubio pro reo,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 19. März 2009.
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Sachverhalt:
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A.
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Mit Urteil vom 19. März 2009 sprach das Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, X.________ (in Bestätigung des Urteils des Gerichtspräsidenten 18 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen vom 23. Mai 2007) der fahrlässigen schweren Körperverletzung zum Nachteil von Y.________ schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 800.--. Den ebenfalls erfüllten Tatbestand der Gefährdung durch (fahrlässige) Verletzung der Regeln der Baukunde erachtete es als konsumiert. Die Zivilklage von Y.________ hiess das Gericht dem Grundsatz nach gut.
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B.
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X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 19. März 2009 sei aufzuheben, er sei freizusprechen und ihm sei eine Entschädigung für die Anwaltskosten sowie eine Genugtuung auszurichten. Die Zivilklage sei kostenfällig zurückzuweisen, eventualiter abzuweisen. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
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Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
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Erwägungen:
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1.
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Am 11. November 2002 ereignete sich auf einer Baustelle an der A.________Strasse in Bern ein Arbeitsunfall.
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1.1 Diese Baustelle war wie folgt organisiert:
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Die B.________AG war als Generalunternehmerin mit dem Bau der Gebäude an der A.________Strasse betraut, wobei der Beschwerdeführer als Bauführer für den Rohbau und C.________ für den Innenausbau verantwortlich waren. Ebenfalls bei der B.________AG angestellt war D.________, welcher am Unfalltag auf der Baustelle als Kranführer im Einsatz stand.
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Die B.________AG beauftragte die E.________AG als Subunternehmerin für Schalungsarbeiten. Inhaber und Sicherheitsverantwortlicher der E.________AG ist Z.________. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Firmen wurde auf die Ausfertigung eines schriftlichen Werkvertrags verzichtet. Hingegen unterschrieb die E.________AG einen standardisierten Massnahmenplan Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (nachfolgend MAG; vgl. vorinstanzliche Akten act. 345). Für die E.________AG waren die Angestellten F.________ und G.________ am Unfalltag mit Schalungsarbeiten auf der Baustelle betraut.
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Des Weiteren beauftragte die B.________AG die H.________AG als Subunternehmerin mit dem Einbau von Türen. Innerhalb der H.________AG war I.________ für die Baustelle zuständig. Die beiden Unternehmen schlossen einen schriftlichen Werkvertrag ab, und die H.________AG unterzeichnete den MAG (vorinstanzliche Akten act. 80 ff.). Für die H.________AG arbeiteten am Unfalltag der Beschwerdegegner sowie dessen Vorgesetzter J.________ auf der Baustelle.
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1.2 Die Vorinstanz geht von folgendem Unfallhergang aus:
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F.________ und G.________ führten im zweiten Stock des Rohbaus Ausschalungsarbeiten durch. Dabei mussten 3 x 7 Meter grosse Schalungselemente, welche nebeneinander an der Decke mit Stützen fixiert waren, gelöst werden. Der Kranführer der B.________AG, D.________, führte auf Anweisung des auf dem Dach stehenden G.________ die Krangabel unter die Schalungselemente und zog die Krangabel nach oben, bis das jeweilige Element auf diese Weise fixiert war, so dass F.________ die Schalungsstützen (sog. "Stüpper") lösen und entfernen konnte. Bei diesen Arbeiten löste sich an einem der Elemente eine 0,5 x 2,5 Meter grosse, angenagelte Schalttafel und fiel nach unten.
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Auf einem zur Materialdeponierung bestimmten Podest, rund drei Meter über dem Nullniveau und neun Meter schräg unterhalb der Stelle, wo die Ausschalungsarbeiten durchgeführt wurden, hielt sich zu diesem Zeitpunkt der Beschwerdegegner auf. Er war damit beschäftigt, das Spannset bei Türen zu entfernen, welche an diesem Tag auf das Materialumschlagspodest abgeladen worden waren und die er zusammen mit J.________ im Innern des Rohbaus montieren wollte. Der Beschwerdegegner wurde von der herunterfallenden Schalttafel am Kopf getroffen.
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1.3 Der Beschwerdegegner, welcher keinen Schutzhelm trug, erlitt unter anderem ein Schädelhirntrauma mit Bruch des Hinterkopfknochens und Sprengung der Knochennaht bis zur grossen Schädelöffnung. Infolge des Unfalles wurde er arbeitsunfähig. Er bezieht eine SUVA- und IV-Rente, und es ist höchst ungewiss, ob er je wieder einer Erwerbstätigkeit wird nachgehen können.
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Das beim Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern eingeholte Aktengutachten ergab, dass ein Arbeitshelm die auf den Kopf einwirkende kinetische Energie nur minimal hätte reduzieren können, und dass mit Helm ein praktisch identisches Verletzungsbild entstanden wäre.
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1.4 Mit Urteil vom 23. Mai 2007 sprach der Gerichtspräsident 18 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen I.________ von der Anschuldigung der fahrlässigen schweren Körperverletzung frei, weil die ihm vorgeworfenen Sorgfaltspflichtverletzungen, nämlich die ungenügende Information über die Helmtragepflicht und deren Nichtdurchsetzung, für die Verletzungen des Beschwerdegegners nicht von Relevanz waren. Hingegen wurde er der Gefährdung durch (fahrlässige) Verletzung der Regeln der Baukunde im Sinne von Art. 229 Abs. 2 StGB schuldig erklärt. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.
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1.5 Z.________ wurde vom Obergericht des Kantons Bern mit Urteil vom 19. März 2009 (in Bestätigung des Urteils des Gerichtspräsidenten 18 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen vom 23. Mai 2007) wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Busse von Fr. 1'000.-- verurteilt. Das Obergericht sah es als erstellt an, dass Z.________ es unterlassen hatte, einen Mitarbeiter zur Sicherung des Gefahrenbereichs einzusetzen.
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Mit Urteil vom 3. November 2009 bestätigte das Bundesgericht diesen Schuldspruch (6B_517/2009).
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1.6 Dem Beschwerdeführer wird demgegenüber zur Last gelegt, er habe es als Baustellen- und Sicherheitsverantwortlicher der B.________AG unterlassen, seine Mitarbeiter anzuweisen, das Materialumschlagspodest während der Ausschalungsarbeiten der Firma E.________AG mittels eines Trassierbands abzusichern.
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2.
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2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel (vgl. insbesondere Beschwerde S. 9 - 16).
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2.2 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung ist die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt. Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 134 I 140 E. 5.4). Dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 131 IV 100 nicht publ. E. 4.1; 127 I 54 E. 2b).
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Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verankerten Maxime "in dubio pro reo" ist bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer strafbaren Handlung angeklagte Person unschuldig ist (BGE 129 I 49 E. 4; 127 I 38 E. 2 mit Hinweisen). Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich das Strafgericht nicht von der Existenz eines für die beschuldigte Person ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt sein soll, prüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür, das heisst, es greift nur ein, wenn das Sachgericht die beschuldigte Person verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche beziehungsweise schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an deren Schuld fortbestehen (BGE 127 I 38 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 6B_923/2008 vom 2. Februar 2009 E. 2).
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Wird eine willkürliche Beweiswürdigung gerügt, reicht es nicht aus, wenn der Beschwerdeführer zum Beweisergebnis frei plädiert und darlegt, wie seiner Auffassung nach die vorhandenen Beweise richtigerweise zu würdigen gewesen wären, wie er dies in einem appellatorischen Verfahren mit freier Rechts- und Tatsachenüberprüfung tun könnte. Er muss gemäss ständiger Rechtsprechung vielmehr aufzeigen, inwiefern die angefochtene Beweiswürdigung die Verfassung dadurch verletzen sollte, dass sie im Ergebnis offensichtlich unhaltbar wäre (vgl. BGE 129 I 49 E. 4; 128 I 81 E. 2; 127 I 38 E. 3c).
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2.3 Was der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür respektive eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" darzutun. Er stellt den Ausführungen im angefochtenen Urteil lediglich seine eigene Sichtweise gegenüber, ohne näher zu erörtern, inwiefern der Entscheid (auch) im Ergebnis schlechterdings unhaltbar sein sollte.
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Die Vorinstanz kommt nach eingehender Würdigung der Aussagen der Beteiligten willkürfrei zum Schluss, der Beschwerdegegner sei nicht im Moment des Betretens des Podests, sondern erst beim Lösen des Spannsets von der Schalttafel getroffen worden, wobei er sich nicht bewusst gewesen sei, sich in einem Gefahrenbereich aufzuhalten. Nicht unhaltbar ist des Weiteren die Feststellung im angefochtenen Urteil, es könne als erstellt gelten, dass der Beschwerdegegner keinen Warnruf seitens F.________ gehört habe (vgl. angefochtenes Urteil S. 10 - 12).
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Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift unter dem Titel "willkürliche Sachverhaltsfeststellungen" bestreitet, sich sorgfaltswidrig verhalten zu haben, wird hierauf zurückzukommen sein.
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3.
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Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, die Tatbestände der fahrlässigen schweren Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB) und der Gefährdung durch fahrlässige Verletzung der Regeln der Baukunde (Art. 229 Abs. 2 StGB) durch pflichtwidriges Unterlassen erfüllt zu haben.
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3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es fehle an einer Garantenstellung. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil fänden namentlich die Bestimmungen des Unfallversicherungsgesetzes und der Bauarbeitenverordnung ausschliesslich auf Personen Anwendung, welche durch einen Arbeitsvertrag verbunden seien. Der Beschwerdegegner aber sei nicht bei der B.________AG, sondern bei der H.________AG angestellt gewesen. Des Weiteren könne ihm keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden. Gestützt auf die im MAG vereinbarte Aufgabenteilung seien die konkreten Sicherheitsmassnahmen während der Ausschalungsarbeiten an die Subunternehmerin, das heisst an die E.________AG, delegiert worden. Als Bauleiter sei er einzig für das Grundsicherheitsdispositiv zuständig und nicht gehalten gewesen, den spezialisierten Subunternehmer zu überwachen. Für nicht mit ihm geplante ad-hoc-Arbeitsgänge könne er keine Verantwortung tragen. Zudem habe er weder voraussehen können, dass sich der Beschwerdegegner auf dem Podest aufhalte und sich hierdurch selbst gefährde, noch dass die E.________AG am Unfalltag nur zwei statt wie üblich drei Mitarbeiter einsetze. Ferner hätte das Absperren des Podests mittels Trassierband den Unfall ohnehin nicht verhindert, da solche Abschrankungen erfahrungsgemäss keine Warnfunktion entfalteten und schlicht missachtet würden. Es fehle damit jedenfalls an der Relevanz einer allfälligen Sorgfaltspflichtverletzung für den Erfolgseintritt (Beschwerde S. 16 - 36).
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3.2 Die Vorinstanz erwägt, aus dem zwischen der B.________AG als Bauherrin und der E.________AG als Subunternehmerin abgeschlossenen MAG, welcher integrierender Bestandteil des Werkvertrags gebildet habe, ergebe sich, dass die beiden Unternehmen gemeinsam für die Sicherheit der beim Bau beschäftigten Personen verantwortlich gewesen seien. Den Beschwerdeführer habe die Verantwortung für die räumliche Sicherung des Vertikalbereichs der Kranarbeiten getroffen (vgl. angefochtenes Urteil S. 15 f. mit Verweis auf die erstinstanzliche Urteilsbegründung), und durch das Absperren des Podests wäre der voraussehbare Unfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden (vgl. angefochtenes Urteil S. 33).
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3.3
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3.3.1 Gemäss Art. 229 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich bei der Leitung oder Ausführung eines Bauwerkes oder eines Abbruches die anerkannten Regeln der Baukunde ausser Acht lässt und dadurch wissentlich Leib und Leben von Mitmenschen gefährdet. Mit der Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden. Lässt der Täter die anerkannten Regeln der Baukunde fahrlässig ausser Acht, so ist die Strafe nach Abs. 2 Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
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Die Tathandlung besteht in der Nichtbeachtung von anerkannten Regeln der Baukunde bei der Leitung oder Ausführung eines Bauwerkes. Der Tatbestand kann sowohl durch aktives unsachgemässes Handeln als auch durch Unterlassen gebotener Schutzmassnahmen erfüllt werden. Art. 229 StGB statuiert im Ergebnis eine Garantenstellung des Täters, indem er Personen, die im Rahmen der Leitung oder Ausführung von Bauwerken Gefahren schaffen, anhält, für ihren Verantwortungsbereich die Sicherheitsregeln einzuhalten (Bruno Roelli/Petra Fleischanderl, Basler Kommentar StGB II, 2. Aufl. 2007, Art. 229 N. 7; Franz Riklin, Zum Straftatbestand des Art. 229 StGB, Baurecht 1985, S. 45). Die Bestimmung von Art. 229 StGB beschränkt dabei aufgrund ihrer Konzeption als echtes Sonderdelikt die Strafbarkeit von vornherein auf Personen, bei denen eine Garantenstellung aus Ingerenz zu bejahen ist (Urteil des Bundesgerichts 6P.58/2003 vom 3. August 2004 E. 5.2, in: Pra 2005 Nr. 29 S. 214).
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Die mit der Leitung oder Ausführung eines Bauwerks betrauten Personen können nicht für sämtliche Missachtungen von Vorschriften auf einer Baustelle strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, sondern es ist in jedem Einzelfall abzuklären, wie weit der Aufgabenkreis und somit der Verantwortungsbereich der Beteiligten reichen (BGE 109 IV 15 E. 2a). Dies bestimmt sich auf Grund gesetzlicher Vorschriften, vertraglicher Abmachungen oder der ausgeübten Funktionen sowie nach den konkreten Umständen (Roelli/Fleischanderl, a.a.O., Art. 229 N. 18; Riklin, a.a.O., S. 46; Felix Bendel, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei der Verletzung der Regeln der Baukunde [Art. 229 StGB], Diss. Genf 1960, S. 42 ff.). Wenn der Bauleiter gemäss Vertrag zusammen mit dem Subunternehmer für die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen verantwortlich ist, darf die Bauleitung nicht blind darauf vertrauen, dass der Unternehmer die vorgeschriebenen Vorsichtsmassnahmen getroffen hat, sondern muss ebenfalls darum besorgt sein (Urteil 6S.181/2002 vom 30. Januar 2003 E. 3.2.1; BGE 104 IV 96 E. 4). Nach der Rechtsprechung kann die Verantwortung für die Verhütung von Unfällen in gewissen Grenzen delegiert werden, wenn für die nötige Instruktion und Überwachung gesorgt wird (BGE 104 IV 96 E. 5).
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Die Unterscheidung verschiedener Verantwortlichkeitsbereiche ist eine Folge der beim Bau unumgänglichen Arbeitsteilung, wobei sich die einzelnen Tätigkeiten häufig nicht scharf voneinander abgrenzen lassen, so dass bei einer festgestellten Verletzung von Regeln der Baukunde die strafrechtliche Verantwortung nach Art. 229 StGB oft mehrere Personen gleichzeitig trifft (Urteil des Bundesgerichts 6P.58/2003 vom 3. August 2004 E. 6.1, in: Pra 2005 Nr. 29 S. 214; BGE 104 IV 96 E. 4; Riklin, a.a.O., S. 46 f.). Eine Entlastung mit dem Hinweis auf die gleichartige Untätigkeit eines andern ist nicht möglich (vgl. hierzu Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 2005, S. 476).
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Diese Grundsätze sind auf den Tatbestand von Art. 125 Abs. 2 StGB übertragbar. Insbesondere lässt sich die Garantenstellung aus den gleichen Erwägungen wie beim Tatbestand von Art. 229 StGB begründen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.58/2003 vom 3. August 2004 E. 5 und 6, in: Pra 2005 Nr. 29 S. 214).
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Der fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 StGB ist schuldig zu sprechen, wer einen Menschen aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit am Körper oder an der Gesundheit schwer schädigt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.
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Art. 229 StGB ist neben Art. 125 StGB anwendbar, wenn eine Person wegen Nichteinhaltens der Regeln der Baukunde verletzt wurde, während andere Personen nur gefährdet wurden (Urteil 6S.181/2002 vom 30. Januar 2003 E. 3.2.2; BGE 109 IV 125 E. 2, 101 IV 28 E. 3; Roelli/ Fleischanderl, a.a.O., Art. 229 N. 48).
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3.3.2 Ein Verhalten ist sorgfaltswidrig und damit fahrlässig, wenn der Täter im Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen, und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (vgl. BGE 130 IV 7 E. 3.3; BGE 127 IV 34 E 2). Bei der Bestimmung des im Einzelfall anzuwendenden Massstabes sorgfaltsgemässen Verhaltens kann auf die Bestimmungen zurückgegriffen werden, die der Unfallverhütung und der Sicherheit dienen. So indiziert etwa die Nichteinhaltung der gestützt auf Art. 83 UVG erlassenen Vorschriften über technische Massnahmen zur Verhütung von Berufsunfällen in aller Regel eine Sorgfaltswidrigkeit (BGE 114 IV 173 E. 2a).
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Wurde die nach den Umständen geforderte Sorgfalt nicht aufgewendet, ist anhand der persönlichen Verhältnisse zu überprüfen, ob neben der objektiven auch die subjektive Sorgfaltspflicht verletzt wurde. Es wird danach gefragt, was ein gewissenhafter und besonnener Mensch mit der Ausbildung und den individuellen Fähigkeiten der beschuldigten Person in der fraglichen Situation getan oder unterlassen hätte. Es kommt mithin auf die individuelle Voraussehbarkeit des Erfolgs an.
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Voraussetzung der Strafbarkeit ist ferner die Vermeidbarkeit des Erfolgs. Beherrschbar ist ein Geschehensablauf nur, wenn der Täter die Fähigkeit hat, das mit seinem Verhalten verbundene Risiko auszuschalten, sei es durch entsprechende Vorsichtsmassnahmen, sei es auch, wo dies nicht möglich ist, durch Unterlassen der riskanten Handlung. Auch hier kommt es auf die individuellen Fähigkeiten des Täters an.
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3.4
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3.4.1 Art. 229 StGB statuiert, wie dargelegt, im Ergebnis eine Garantenstellung, indem er Personen, die im Rahmen der Leitung oder Ausführung von Bauwerken Gefahren schaffen, anhält, für ihren Verantwortungsbereich die Sicherheitsregeln einzuhalten (E. 3.3.1).
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers finden zudem die Bestimmungen des Unfallversicherungsgesetzes und der Bauarbeitenverordnung Anwendung (siehe sogleich E. 3.4.2.1).
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3.4.2
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3.4.2.1 Zur Bestimmung des sorgfaltsgemässen Verhaltens kann, wie aufgezeigt, auf gesetzliche Bestimmungen zurückgegriffen werden, welche der Unfallverhütung und der Sicherheit auf Baustellen dienen. Anwendung finden insbesondere die Art. 83 UVG i.V.m. Art. 11 der Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten (Bauarbeitenverordnung, BauAV; SR 832.311.141).
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Nach Art. 11 BauAV sind bei übereinanderliegenden Arbeitsplätzen Massnahmen zu treffen, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf unten liegenden Arbeitsplätzen nicht durch herabfallende Gegenstände oder Materialien gefährdet werden. In Art. 1 Abs. 2 BauAV wird auf die Verordnung über die Unfallverhütung (VUV; SR 832.30) verwiesen. Soweit an einem Arbeitsplatz Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehrerer Betriebe tätig sind, haben deren Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gestützt auf Art. 9 Abs. 1 VUV die zur Wahrung der Arbeitssicherheit erforderlichen Absprachen zu treffen und die notwendigen Massnahmen anzuordnen. Sie haben sich gegenseitig und ihre jeweiligen Arbeitnehmenden über die Gefahren und die Massnahmen zu deren Behebung zu informieren (zu Art. 9 VUV vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_675/2007 vom 20. Juni 2006 E. 2). Aus diesen Bestimmungen lässt sich eine Pflicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ableiten, auch für die Arbeitssicherheit von Beschäftigten anderer Unternehmen besorgt zu sein (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.58/2003 vom 3. August 2004 E. 6.3, in: Pra 2005 Nr. 29 S. 214; BGE 101 IV 28 E. 2).
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Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Urteil 6P.121/2006 E. 2.4 vom 7. Dezember 2006 beruft und daraus ableiten will, allfällige Sicherungspflichten bestünden nur gegenüber firmeneigenen Arbeitnehmenden, kann ihm nicht gefolgt werden, stand doch das Opfer in jenem Fall in keinerlei Subordinationsverhältnis, sondern war Inhaber einer unabhängigen Unternehmung.
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3.4.2.2 Die gesetzlichen Pflichten werden durch den MAG konkretisiert. Gemäss diesem Massnahmenplan war die E.________AG verpflichtet, zur Verhütung von Berufsunfällen alle Vorkehren zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und nach den gegebenen Verhältnissen angemessen sind. Der MAG sieht weiter vor, dass der Subunternehmer und der Auftraggeber bei der Ausführung ihrer Aufgaben die Sicherheit der beim Bau beschäftigten Personen zu gewährleisten haben. Der Subunternehmer trifft dabei die erforderlichen Massnahmen zur Unfallprävention und zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden; der Auftraggeber hat ihn diesbezüglich zu unterstützen (vorinstanzliche Akten act. 81). Die B.________AG und die E.________AG waren folglich gemeinsam für die Sicherheit auf der Baustelle verantwortlich.
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Dies gilt vorliegend umso mehr, weil die Ausschalungsarbeiten von den beiden Unternehmen gemeinsam ausgeführt wurden, war doch der Kranführer der B.________AG, D.________, direkt in die Arbeiten involviert, indem er auf Anweisung eines der Mitarbeiter der E.________AG mit der Krangabel die Schalungselemente fixierte (vgl. E. 1.2 hiervor).
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Aus dem MAG ergibt sich folglich, dass die B.________AG als Generalunternehmerin ihre Sicherheitsaufgaben nicht vollumfänglich an die E.________AG als Subunternehmerin delegiert hatte. Dementsprechend verletzt die Vorinstanz entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (vgl. Beschwerde S. 21 und 28) dessen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, indem sie in der Urteilsbegründung unter Bezugnahme auf den MAG von einer gemeinsamen Sicherheitsverantwortung ausgegangen und die Frage der Delegation nicht explizit thematisiert.
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3.4.2.3 Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers räumte in seinem schriftlichen Parteivortrag vor der Vorinstanz ausdrücklich ein, dass bei Ausschalungsarbeiten der Gefahrenbereich am Boden abgesperrt werde (Parteivortrag vom 18. März 2009, vorinstanzliche Akten act. 913). Im gleichen Sinn äusserten sich sowohl C.________ als auch D.________ (Einvernahmen vom 23. Mai 2007, vorinstanzliche Akten act. 558 und 570).
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Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stellt, das Podest sei ausserhalb des Gefahrenbereichs gelegen (vgl. Beschwerde S. 11 sowie seine Einvernahme vom 12. April 2006, vorinstanzliche Akten act. 339), ist seine Argumentation nicht stichhaltig, belegt doch gerade die Tatsache, dass der Beschwerdegegner auf dem Podest von der Schalttafel getroffen wurde, dass sich dieses in der Gefahrenzone befand (vgl. auch angefochtenes Urteil S. 23).
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3.4.2.4 Durch die Kran- und Ausschalungsarbeiten wurden Personen, die sich im Gefahrenbereich aufhielten, durch mögliche herabfallende Gegenstände gefährdet. Indem es der Beschwerdeführer als Sicherheitsverantwortlicher der B.________AG unterliess, den Gefahrenbereich abzusperren, kam er seinen gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zur Gewährleistung der Sicherheit der auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmenden nicht nach.
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3.4.3 Die Vorinstanz stellt willkürfrei fest, das Hinunterfallen von Schalttafeln stelle ein bekanntes Risiko dar, selbst wenn sich dieses glücklicherweise selten verwirkliche (angefochtenes Urteil S. 17). Als langjähriger Sicherheitsverantwortlicher wusste der Beschwerdeführer, welche Gefahren Ausschalungsarbeiten beinhalteten. Da auf dem Stockwerk, auf welchem sich das frei zugängliche Podest befand, gearbeitet wurde, musste er damit rechnen, dass eine auf der Baustelle beschäftigte Person das Podest betreten könnte, zumal dort Türen zwischengelagert waren. Eine Absperrung wäre ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen. Ein die Voraussehbarkeit des Erfolgseintritts unterbrechendes Selbstverschulden des Beschwerdegegners liegt nicht vor.
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3.4.4 In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil ist der Schluss zu ziehen, dass der Unfall durch das Absperren des Podests mittels Trassierband mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Zwar betonte K.________ in seinem Gutachten, Markierbänder und selbst Bauabschrankungen würden oft wenig oder gar nicht beachtet (Expertise vom 15. April / 2. Juni 2008, vorinstanzliche Akten act. 812). Gutachten unterliegen jedoch der freien richterlichen Beweiswürdigung, und die Vorinstanz begründet, weshalb sie insoweit von der gutachterlichen Einschätzung abweicht. Hinzu kommt, dass sich K.________ gemäss Gutachtensauftrag vor allem dazu zu äussern hatte, ob die Ausschalungsarbeiten lege artis durchgeführt worden waren (vgl. vorinstanzliche Akten act. 785 ff.). Zur Beantwortung der allgemeinen Frage, ob Absperrungen auf Baustellen beachtet werden, bedurfte die Vorinstanz hingegen nicht des Rückgriffs auf das Fachwissen eines Experten. Mit ihr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner als verantwortungsbewusster Arbeitnehmer über ein Gefahrenbewusstsein verfügte, weshalb er höchstwahrscheinlich die Absperrung des Podests nicht einfach missachtet, sondern sich nach dem Grund hierfür erkundigt und so von den risikoreichen, parallel durchgeführten Ausschalungsarbeiten erfahren hätte. Der Beschwerdegegner hätte mithin wahrscheinlich das Podest überhaupt nicht bzw. nur mit äusserster Vorsicht und im Wissen um die bestehende Gefahr betreten.
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3.5 Da neben dem verletzten Beschwerdegegner keine weiteren Personen gefährdet wurden, wird der vom Beschwerdeführer ebenfalls erfüllte Tatbestand der fahrlässigen Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde gemäss Art. 229 Abs. 2 StGB durch den Tatbestand der fahrlässigen schweren Körperverletzung konsumiert.
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Im Zivilpunkt erhebt der Beschwerdeführer keine Rügen.
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4.
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Die Beschwerde ist vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 3. November 2009
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied Der Gerichtsschreiber:
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Schneider Stohner
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