VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1B_43/2010  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1B_43/2010 vom 22.03.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_43/2010
 
Urteil vom 22. März 2010
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Härri.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
 
Advokat Dr. Stefan Suter,
 
gegen
 
Statthalteramt Arlesheim, Kirchgasse 5,
 
4144 Arlesheim.
 
Gegenstand
 
Untersuchungshaft,
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Februar 2010 des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft, Präsidentin.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Statthalteramt Arlesheim führt gegen X.________ ein Strafverfahren wegen des Verdachts der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Es wirft ihm vor, mit grossen Mengen Marihuana gehandelt zu haben.
 
Am 2. Dezember 2009 versetzte ihn das Statthalteramt in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2009 verlängerte die Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft die Haft bis zum 23. Februar 2010.
 
Am 23. Februar 2010 verlängerte die Präsidentin des Verfahrensgerichtsgerichts die Haft bis zum 20. April 2010. Sie bejahte den dringenden Verdacht der banden- und gewerbsmässigen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. b und c BetmG; ebenso Kollusionsgefahr. Ob überdies Fortsetzungsgefahr gegeben sei, liess sie offen. Sie beurteilte sodann die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft als verhältnismässig.
 
B.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid der Präsidentin des Verfahrensgerichts vom 23. Februar 2010 sei aufzuheben und es sei seine sofortige Haftentlassung anzuordnen.
 
C.
 
Das Verfahrensgericht und das Statthalteramt haben sich vernehmen lassen je mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
 
D.
 
X.________ hat eine Replik eingereicht.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.
 
Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG zulässig.
 
Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt.
 
Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verletze sein verfassungsmässiges Recht auf persönliche Freiheit.
 
2.2 Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei (BGE 135 I 71 E. 2.5 S. 73 f. mit Hinweis).
 
2.3 Gemäss § 77 Abs. 1 lit. b des Gesetzes vom 3. Juni 1999 des Kantons Basel-Landschaft betreffend die Strafprozessordnung (StPO; SGS 251) ist die Verhaftung einer Person zulässig, wenn sie eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird, deshalb gegen sie ein Strafverfahren eröffnet worden ist und aufgrund konkreter Indizien ernsthaft zu befürchten ist, sie werde die Freiheit zur Erschwerung oder Vereitelung der Untersuchung benützen, namentlich durch Beeinflussung anderer Personen oder durch Beseitigung von Beweismitteln (Kollusionsgefahr).
 
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Er macht geltend, es bestehe keine Kollusionsgefahr.
 
2.4 Nach der Rechtsprechung genügt die theoretische Möglichkeit, dass der Angeschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, nicht, um die Fortsetzung der Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Kollusionsgefahr sprechen (BGE 132 I 21 E. 3.2 mit Hinweisen).
 
2.5 Die Ermittlungen sind noch im Gang. Der Beschwerdeführer bestreitet den ihm vorgeworfenen Handel mit Marihuana sowohl in mengenmässiger als auch zeitlicher Hinsicht. Die ihn belastenden mutmasslichen Abnehmer von Marihuana bezichtigt er der Lüge. Die Aussagen der Beteiligten sind widersprüchlich. Dies gilt auch in Bezug auf die Herkunft des sichergestellten Bargeldes im Betrag von 74'100 Franken und 940 Euro. Der Beschwerdeführer steht mit Personen, die am Marihuanahandel beteiligt gewesen sein sollen und ihn belasten, in einem freundschaftlichen bzw. - da einer davon sein Bruder ist - familiären Verhältnis. Dem Beschwerdeführer wird banden- und gewerbsmässiger Drogenhandel zur Last gelegt. Dass in solchen Fällen häufig versucht wird, Auskunftspersonen und Zeugen einzuschüchtern und zu beeinflussen, ist gerichtsnotorisch (Urteil 1P.441/2004 vom 2. September 2004 E. 2.2). Würdigt man diese Umstände gesamthaft, besteht nicht nur die theoretische Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Freilassung versuchen könnte, seine Sachdarstellung mit mutmasslich am Drogenhandel Beteiligten abzusprechen und Personen, die ihn belasten, zu einer für ihn günstigen Aussage zu bewegen. Vielmehr sind dafür ernstliche Anhaltspunkte gegeben. Wenn die Vorinstanz Kollusionsgefahr bejaht hat, ist das deshalb nicht zu beanstanden.
 
3.
 
3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, es werde ihm lediglich Handel mit Marihuana vorgeworfen. Die mit dem Konsum dieser Droge verbundene Gesundheitsgefahr könne nicht mit jener von Heroin und Kokain gleichgestellt werden. Damit gehe es nicht an, ihn monatelang in Untersuchungshaft zu halten. Diese sei unverhältnismässig.
 
3.2 Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich beurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Eine übermässige Haftdauer stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses Grundrechts dar. Sie liegt dann vor, wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer der zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion übersteigt. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Haftdauer ist namentlich der Schwere der untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Der Richter darf die Haft nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Frage, ob eine Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen. Für die Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Haft spielt es jedoch grundsätzlich keine Rolle, dass für die in Aussicht stehende Freiheitsstrafe gegebenenfalls der bedingte oder teilbedingte Vollzug gewährt werden kann. Der grossen zeitlichen Nähe der konkret zu erwartenden Freiheitsstrafe ist aber auch besondere Beachtung zu schenken, weil der Strafrichter dazu neigen könnte, die Dauer der nach Art. 51 StGB anrechenbaren Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mitzuberücksichtigen (BGE 133 I 270 E. 3.4.2 S. 281 f. mit Hinweisen).
 
3.3 Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, den Marihuanahandel zusammen mit einer anderen Person betrieben zu haben. Zwei Personen genügen für die Annahme einer Bande (BGE 124 IV 86 E. 2b). Der Beschwerdeführer steht daher unter dem dringenden Verdacht der bandenmässigen Tatbegehung nach Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG.
 
Die Vorinstanz geht (angefochtener Entscheid S. 4 E. 4) gestützt auf die Berechnung des Statthalteramtes davon aus, dass sich aus dem dem Beschwerdeführer angelasteten Drogenhandel ein Gesamtgewinn von 120'000 Franken ergab. Gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. c BetmG liegt ein schwerer Fall ebenso vor, wenn der Täter durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt. Nach der Rechtsprechung ist ein erheblicher Gewinn ab 10'000 Franken gegeben (BGE 129 IV 253). Der Beschwerdeführer steht somit auch unter dem dringenden Verdacht der gewerbsmässigen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.
 
Dieses droht für eine schwere Widerhandlung nach Art. 19 Ziff. 2 BetmG Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an. Zwar trifft es zu, dass die Rechtsprechung aufgrund der unterschiedlichen Gesundheitsgefahr von Cannabisprodukten - zu denen Marihuana gehört - einerseits und den harten Drogen wie Heroin und Kokain anderseits differenziert. Bei Cannabis ist danach ein mengenmässig qualifizierter Fall gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG ausgeschlossen (BGE 120 IV 256; 117 IV 314). Die Annahme einer qualifizierten Widerhandlung wegen Banden- oder Gewerbsmässigkeit nach Art. 19 Ziff 2 lit. b bzw. c BetmG bleibt aber bei Cannabis weiterhin möglich. Das Bundesgericht hat das in BGE 117 IV 314 ausdrücklich klargestellt (E. 2h S. 323 f.).
 
Der Beschwerdeführer muss somit im Lichte dieser Rechtsprechung mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechnen. Im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids befand er sich seit knapp drei Monaten in Haft. Die Haftdauer ist damit noch nicht in grosse zeitliche Nähe der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Freiheitsstrafe gerückt. Die Haft ist daher verhältnismässig.
 
Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet.
 
4.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen.
 
Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers kann angenommen werden. Da die Untersuchungshaft einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, konnte er sich zur Beschwerde veranlasst sehen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird daher gutgeheissen. Es werden keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung ausgerichtet.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
4.
 
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Advokat Dr. Stefan Suter, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Statthalteramt Arlesheim und dem Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft, Präsidentin, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. März 2010
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Féraud Härri
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).