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Informationen zum Dokument  BGer 4A_635/2009  Materielle Begründung
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BGer 4A_635/2009 vom 24.03.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4A_635/2009
 
Urteil vom 24. März 2010
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
 
Gerichtsschreiber Th. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________ (Switzerland) AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Sinan C. Odok,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Rebsamen.
 
Gegenstand
 
Arbeitsvertrag; Lohnforderung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 5. November 2008 und den Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 10. November 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die X.________ (Switzerland) AG (Beschwerdeführerin) gehört zum Konzernverbund X.________ Group, der internationale Personalvermittlung und internationalen Personalverleih anbietet. Die Beschwerdeführerin und A.________ als Arbeitnehmer (Beschwerdegegner) unterzeichneten am 11. Mai 2005 einen Temporär-Rahmenarbeitsvertrag und am 18. Mai 2005 einen dazugehörigen Einsatzvertrag. Als Einsatzbetrieb wurde die Y.________ AG bezeichnet. Der Einsatz sollte vom 1. Juni bis 31. Dezember 2005 dauern und es wurde ein "Grundlohn" von EUR 70.-- pro Stunde vereinbart.
 
Bei den Lohnabrechnungen für die Monate Juni bis Dezember 2005 wurden dem Beschwerdegegner vom Grundlohn von EUR 70.-- neben Arbeitnehmerbeiträgen auch Arbeitgeberkosten abgezogen, letztere nach Ansicht des Beschwerdegegners zu Unrecht. Der Dezemberlohn gemäss Lohnabrechnung von Fr. 9'877.30 wurde dem Beschwerdegegner nicht ausbezahlt, da die Beschwerdeführerin diesen mit einer Zahlung von EUR 10'188.50 verrechnete, die der Beschwerdegegner erhalten hatte. Die Beschwerdeführerin macht geltend, diese Zahlung sei von ihr aus Irrtum geleistet worden, während der Beschwerdegegner dafür hält, sie sei von der Muttergesellschaft der Beschwerdeführerin als Entschädigung für zu Unrecht abgeschöpfte Provisionen entrichtet worden.
 
B.
 
Mit Klage vom 29. Juni 2006 beantragte der Beschwerdegegner dem Arbeitsgericht Zürich, die Beschwerdeführerin sei zu verpflichten, ihm Fr. 14'071.32 für abgezogene Arbeitgeberkosten sowie Fr. 9'877.30 als Lohn für den Monat Dezember 2005, insgesamt Fr. 23'949.62 netto zuzüglich Zins zu bezahlen. Die Beschwerdeführerin schloss auf Abweisung der Klage. Sie erhob zudem Widerklage gegen den Beschwerdegegner auf Bezahlung von Fr. 5'828.76 für den das Dezemberlohnbetreffnis übersteigenden Restbetrag der angeblich irrtümlich geleisteten Zahlung. Das Arbeitsgericht verpflichtete die Beschwerdeführerin unter teilweiser Gutheissung der Klage, dem Beschwerdegegner Fr. 16'423.30 nebst Zins zu 5 % seit dem 29. Juni 2006 zu bezahlen (Fr. 6'546.-- netto für ausstehende Arbeitgeberbeiträge und Fr. 9'877.30 netto als Dezemberlohn 2005). Die Widerklage wies es ab.
 
Gegen dieses Urteil erhob die Beschwerdeführerin erfolglos Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, das den erstinstanzlichen Entscheid mit Beschluss vom 5. November 2008 bestätigte.
 
Eine dagegen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde der Beschwerdeführerin wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Zirkulationsbeschluss vom 10. November 2009 ab, soweit es darauf eintrat.
 
C.
 
Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Entscheide des Obergerichts und des Kassationsgerichts Beschwerde in Zivilsachen mit den Anträgen, diese aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventuell seien die noch notwendigen tatsächlichen Erhebungen durch das Bundesgericht durchzuführen oder die Sache zur Durchführung des Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Der Beschwerdegegner beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Das Ober- und das Kassationsgericht verzichteten auf Vernehmlassungen.
 
Die Präsidentin der I. zivilrechtlichen Abteilung gewährte der Beschwerde am 26. Januar 2010 die aufschiebende Wirkung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen). Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.; 121 III 397 E. 2a S. 400; 116 II 745 E. 3 S. 749).
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin beanstandet den Entscheid des Obergerichts hinsichtlich der abgezogenen bzw. ausstehenden Arbeitgeberbeiträge nicht und rügt allein die Beurteilung der Frage, ob eine Verrechnung der Zahlung von EUR 10'188.50 mit dem Dezemberlohn und die widerklageweise Rückforderung des Restbetrages möglich war. Das Obergericht verneinte die Verrechenbarkeit bzw. die Rückforderbarkeit dieses Betrages u.a. mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe keine genügend substanziierten Behauptungen darüber aufgestellt, dass sie sich im Zeitpunkt der Zahlung im Sinne von Art. 63 Abs. 1 OR in einem Irrtum über die Schuldpflicht befunden habe.
 
Die Beschwerdeführerin rügt, das Obergericht habe damit den Untersuchungsgrundsatz nach Art. 343 Abs. 4 OR verletzt.
 
2.1 Im Unterschied zur im Zivilprozess üblichen Verhandlungsmaxime, nach der die Parteien den Prozessstoff einbringen müssen und nur über Bestrittenes Beweis zu führen ist, verpflichtet Art. 343 Abs. 4 OR den Richter, den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären. Die sozialpolitisch begründete Untersuchungsmaxime gemäss Art. 343 OR entbindet die Parteien allerdings nicht davon, an der Sammlung des Prozessstoffes aktiv mitzuwirken und ihre Standpunkte zu substanziieren. Die Parteien tragen auch im Bereich dieser Untersuchungsmaxime die Verantwortung dafür, dass die relevanten Behauptungen vorgebracht werden; ebenso sind sie grundsätzlich für die Sachverhaltsermittlung verantwortlich (BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 107; 111 II 281 E. 3; 107 II 233 E. 2c S. 236; vgl. auch BGE 125 III 231 E. 4a S. 238 f.; Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, 6. Aufl., 2006, N. 14 zu Art. 343 OR).
 
2.2 Das Obergericht erwog, es fehle im erstinstanzlichen wie auch im Berufungsverfahren an genügend substanziierten Behauptungen darüber, dass sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Zahlung in einem Irrtum über die Schuldpflicht befunden habe. Die Beschwerdeführerin führe nicht aus, über was genau welcher ihrer Mitarbeiter, der die Zahlung veranlasst habe, bei der Veranlassung der Auszahlung geirrt habe, namentlich was sich der Mitarbeiter der Muttergesellschaft der Beschwerdeführerin, Z.________, bei der Veranlassung der Auszahlung gedacht habe.
 
Die Beschwerdeführerin macht nicht, jedenfalls nicht rechtsgenüglich geltend, das Obergericht habe damit die Substanziierungsanforderungen überspannt, mithin Art. 8 ZGB verletzt. Sie hält aber dafür, sie habe die Anspruchsvoraussetzungen von Art. 63 OR, namentlich das Bestehen einer Nichtschuld sowie den Irrtum des Mitarbeiters der Muttergesellschaft zumindest andeutungsweise behauptet, weshalb das Obergericht nach Art. 343 Abs. 4 OR eine weitere Substanziierung hätte verlangen müssen.
 
Die Rüge geht fehl. Wie vorstehend dargelegt, entbindet der arbeitsrechtliche Untersuchungsgrundsatz die Parteien nicht davon, ihre Behauptungen rechtsgenügend zu substanziieren, was insbesondere gilt, wenn eine Partei - wie vorliegend die Beschwerdeführerin - anwaltlich vertreten ist. Wie das Obergericht zu Recht betonte, machte der Beschwerdegegner in der Berufungsantwort (Urk. 42 Rz. 58 [recte 57]) darauf aufmerksam, dass die Beschwerdeführerin substanziiert hätte darlegen müssen, worin ein angeblicher Irrtum bestünde. Unter diesen Umständen kann dem Obergericht nicht vorgeworfen werden, den Untersuchungsgrundsatz nach Art. 343 OR verletzt zu haben, wenn es nicht auch noch seinerseits auf die mangelnde Substanziierung in diesem Punkt hinwies und eine weitere Substanziierung verlangte. Wenn die Beschwerdeführerin es trotz dem Hinweis der Gegenpartei unterliess, ihre Behauptung über einen Irrtum im Sinne von Art. 63 Abs. 1 OR hinreichend zu substanziieren, wozu in der Stellungnahme zur Berufungsantwort Gelegenheit bestanden hätte, hat sie dies ihrer eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben.
 
Da die Begründung hinsichtlich der mangelhaften Substanziierung der Rückforderungsvoraussetzungen nach Art. 63 Abs. 1 OR den angefochtenen Entscheid selbständig zu stützen vermag, erübrigt es sich, auf die Kritik gegen die weitere Begründung des Obergerichts einzugehen, dass der Rückforderungs- bzw. Verrechnungsanspruch nicht der Beschwerdeführerin, sondern ihrer Muttergesellschaft zustehe, weshalb es für die Verrechnung mit dem Dezemberlohn an der Gegenseitigkeit der Forderungen und für die widerklageweise Rückforderung an der Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin fehle, wie auch auf die Rügen gegen die vom Kassationsgericht in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen.
 
3.
 
Die Beschwerde ist damit abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG), wobei für die Festsetzung der Gerichtsgebühr Art. 65 Abs. 4 lit. c BGG Anwendung findet, da der Streitwert weniger als Fr. 30'000.-- beträgt.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. März 2010
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
 
Klett Widmer
 
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