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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1053/2009  Materielle Begründung
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BGer 6B_1053/2009 vom 29.03.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_1053/2009
 
Urteil vom 29. März 2010
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Mathys,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Gerichtsschreiberin Binz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Roger Lerf,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalprokuratur des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Grobe Verkehrsregelverletzung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 23. Oktober 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Gemeindepolizei Köniz erstattete am 27. März 2008 Anzeige gegen X.________ wegen Widerhandlung gegen die Verkehrsvorschriften. Dieser wurde in der Folge erstinstanzlich der groben Verkehrsregelverletzung durch Überschreiten der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 850.-- sowie einer Busse von Fr. 4'250.-- verurteilt. Dagegen appellierte X.________. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 23. Oktober 2009 das erstinstanzliche Urteil.
 
B.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei vom Vorwurf der groben Verkehrsregelverletzung freizusprechen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der Lenker des Personenwagens (nachfolgend PW) mit dem Kennzeichen BE zzzzz fuhr am Nachmittag des 8. Novembers 2007 in Liebefeld bei einer Beschränkung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit 88 km/h an der Messstelle vorbei. Die strafbare Geschwindigkeitsüberschreitung betrug 33 km/h. Die Halterermittlung ergab, dass der besagte PW auf die Fa. X.________ AG in Belp eingelöst war. Daraufhin kontaktierte die Gemeindepolizei den Beschwerdeführer. Dieser erschien erst nach mehreren Einladungsbemühungen auf der Polizeiwache und verweigerte die Aussage. Gemäss Halterermittlung wurde der PW erst zwei Tage vor dem Vorfall in Liebefeld eingelöst. Bei der Fa. X.________ AG handelt es sich um eine Einmanngesellschaft mit dem Beschwerdeführer als einziges Geschäftsmitglied.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch willkürliche Beweiswürdigung und Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Er bestreitet, das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt zu haben.
 
2.1 Die Vorinstanz führt aus, das Verhalten des Beschwerdeführers sei ein deutlicher Hinweis dafür, dass er von seiner Täterschaft habe ablenken wollen. Es habe rund vier Monate gedauert, bis er sich zur Polizei begeben habe. Dies erwecke den Anschein, dass er zunächst die Radarfotos habe anschauen wollen, was gegen ein unmittelbares Aussageverhalten spreche. Der Beschwerdeführer habe begründet, gemäss seiner Agenda am betreffenden Nachmittag keinen Geschäftstermin gehabt zu haben und deshalb im Büro gewesen zu sein. Die leere Agenda belege jedoch eher, dass er Zeit gehabt habe, sein neues Auto auszufahren. Wenn der Beschwerdeführer bestreite, selber gefahren zu sein, wäre zu erwarten gewesen, dass er eine andere Person angebe. Der Beschwerdeführer habe nicht geltend gemacht, es handle sich um Familienangehörige, die er nicht zu nennen brauche. Er habe zuerst klar gesagt, normalerweise gebe es keine anderen Leute, welche das Auto fahren würden. Danach habe er angefügt, Freunde und Bekannte dürften das Auto benützen. Insgesamt wirkten seine Aussagen derart konstruiert, dass sie zusammen mit seinem Verhalten als deutlicher Hinweis auf seine Täterschaft zu werten seien. Deshalb vermöge auch die schlechte Qualität der Fotos keine erheblichen Zweifel an seiner Täterschaft zu erwecken, ebenso wenig sein Hinweis, 35 Jahre lang straffrei Auto gefahren zu sein. Dies sei spätestens seit dem 16. Januar 2008, als er in Aarberg innerorts 23 km/h zu schnell gefahren sei, nicht mehr der Fall (angefochtenes Urteil E. 6 S. 6 f.).
 
2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz versuche mangels tauglicher Beweismittel seine Täterschaft durch vermeintliche Indizien nachzuweisen und treffe dabei unhaltbare Annahmen. Der PW sei als Firmenfahrzeug eingelöst worden. Ein solches betreffe das geschäftliche Budget und werde viel eher an Drittpersonen ausgeliehen als ein Privatfahrzeug. Gerade bei einem neuen Auto sei es reizvoll, dieses Freunden zu zeigen. Er habe um Akteneinsicht ersucht, um die Fotos ohne polizeilichen Druck ansehen zu können. Sein automobilistischer Leumund sei tadellos. Wäre er im Liebefeld in einen Radar gekommen, wäre er sicher nicht bereits wieder am 16. Januar 2008 in Aarberg zu schnell gefahren. Er fahre nur selten ins Liebefeld und gehe an terminlosen Nachmittagen zu Fuss ins Büro. Dem Aussageverweigerungsrecht werde seine Wirkung entzogen, wenn ihm vorgeworfen werde, davon Gebrauch gemacht zu haben. Seine Aussagen würden höchstens darauf hindeuten, dass er einen Freund als Schnellfahrer habe schützen wollen, falls er auch tatsächlich wisse, welcher Freund das Firmenauto zum fraglichen Zeitpunkt gefahren habe. Die Vorinstanz verletze den Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweislastregel, indem sie ihn damit belaste, dass er den wirklichen Schnellfahrer nicht nennen könne. Es sei willkürlich, sein legitimes Verhalten zu seinem Nachteil auszulegen.
 
2.3 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. Als Beweiswürdigungsregel besagt der Grundsatz, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung ist die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt. Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 135 I 313 E. 1.3 S. 316; 129 I 173 E. 3.1 S. 178; je mit Hinweisen).
 
2.4 Ausgangspunkt der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist die Haltereigenschaft des Beschwerdeführers am PW. Die Vorinstanz anerkennt, dass die Radarfotos aufgrund der schlechten Bildqualität den Anforderungen an ein rechtskräftiges Gutachten nicht genügen und deshalb kein taugliches Beweismittel darstellen (s. angefochtenes Urteil E. 2 S. 4 und E. 5. S. 5). Deshalb untermauert sie die Haltereigenschaft mit Indizien, um die Täterschaft des Beschwerdeführers zu begründen. Da ein Indiz immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft oder die Tat hinweist, lässt es, einzeln betrachtet, die Möglichkeit des Andersseins offen, enthält daher auch den Zweifel. Es ist jedoch zulässig, aus der Gesamtheit der verschiedenen Indizien, welche je für sich allein betrachtet nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache oder Täterschaft hindeuten und insofern Zweifel offen lassen, auf den vollen rechtsgenügenden Beweis von Tat oder Täter zu schliessen (Urteil 6B_365/2009 vom 12. November 2009 E. 1.4 mit Hinweis). Die Vorinstanz stützt sich auf das Verhalten des Beschwerdeführers im Strafverfahren. Sein verspätetes Erscheinen bei der Polizei und das vorherige Ersuchen um Akteneinsicht wertet sie als Verschleppungstaktik. Sie berücksichtigt die Umstände, dass der PW erst zwei Tage vor dem Vorfall eingelöst worden war und der Beschwerdeführer am betreffenden Nachmittag Zeit gehabt hätte, das neue Auto auszufahren. Sie begründet, weshalb sie seine Aussagen als konstruiert erachtet. Die Tatsache, dass er betreffend den Vorfall in Aarberg seine Täterschaft anerkannte, erklärt sie mit den diesbezüglichen klaren Radarfotos und dem Umstand, dass es sich nur um eine einfache Verkehrsregelverletzung mit weniger einschneidenden Konsequenzen handelte (s. angefochtenes Urteil E. 6 S. 6 f.). Was der Beschwerdeführer gegen diese vorinstanzlichen Erwägungen vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür darzulegen. Indem er angibt, am betreffenden terminlosen Nachmittag zu Fuss ins Büro gegangen zu sein, wiederholt er seine Ausführungen, welche er in der Appellation vorgebracht hat. Mit der Begründung, ein Firmenfahrzeug, welches zudem neu sei, werde viel eher Freunden ausgeliehen, gibt er seine eigene Sicht der Dinge wieder bzw. legt dar, wie die vorhandenen Beweise seiner Auffassung nach richtigerweise zu würdigen gewesen wären. Aus dieser rein appellatorischen Kritik ergibt sich nicht, dass und inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich im Sinne von Art. 9 BV festgestellt haben könnte. Soweit die Rügen deshalb den Begründungsanforderungen nicht genügen, ist darauf nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 I 313 E. 1.3 S. 316 mit Hinweisen). Die Vorinstanz würdigt weiter, dass der Beschwerdeführer keinen anderen Fahrzeuglenker nennt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers verstösst dies nicht gegen Bundesrecht. Gemäss bundesgerichtlicher und konventionsrechtlicher Rechtsprechung ergeben sich für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus ihrer Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung und ihrer Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten. Sich auf das Aussageverweigerungsrecht zu berufen oder die Möglichkeit ins Spiel zu bringen, nicht gefahren zu sein, hindert nicht, eine Täterschaft anzunehmen (vgl. Urteil 6B_571/2009 vom 28. Dezember 2009 E. 3 mit Hinweisen). Ferner erweist sich das Aussageverhalten des Beschwerdeführers als widersprüchlich, wenn er zum einen vorbringt, er wisse nicht, wem er sein Auto an diesem Nachmittag ausgeliehen habe, und zum anderen sein Schweigen damit begründet, er wolle keinen Freund belasten.
 
Bei objektiver Würdigung des gesamten Beweisergebnisses bleiben keine offensichtlich erheblichen und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel, dass sich der Sachverhalt gemäss Anklage verwirklicht hat. Gestützt auf den willkürfrei festgestellten Sachverhalt liegt keine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" vor.
 
3.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. März 2010
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Favre Binz
 
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