BGer 6B_46/2010 | |||
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BGer 6B_46/2010 vom 19.04.2010 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_46/2010
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Urteil vom 19. April 2010
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Favre, Präsident,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
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Gerichtsschreiber Boog.
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Parteien
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Generalprokurator des Kantons Bern, 3001 Bern,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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X.________, vertreten durch Fürsprecher Dr. Martin Buser,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Versuchter Betrug,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 14. August 2009.
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Sachverhalt:
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A.
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Das Kreisgericht des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen erklärte X.________ mit Urteil vom 8./9. Oktober 2008 des versuchten Betruges schuldig und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. Ferner verurteilte es sie zur Bezahlung von Schadenersatz an die Geschädigte in der Höhe von Fr. 20'664.10, zuzüglich 5% Zins seit dem 14. September 2007.
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Auf Appellation der Beurteilten hin sprach das Obergericht des Kantons Bern X.________ am 14. August 2009 von der Anklage des versuchten Betruges frei. Die Zivilklage wies es zurück.
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B.
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Der Generalprokurator des Kantons Bern führt Beschwerde beim Bundesgericht, mit der beantragt wird, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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C.
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Das Obergericht des Kantons Bern hat auf Vernehmlassung verzichtet. X.________ beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Ferner stellt sie das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Erwägungen:
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1.
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Dem angefochtenen Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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1.1 Die Beschwerdegegnerin erlitt am 5. August 2000 bei ihrer Arbeit als Aushilfszimmermädchen in einem Hotel in Bern einen Arbeitsunfall mit der Folge eines Hyperextensionstraumas des Daumengrundgelenks rechts. Am 30. September 2000 wurde der Daumen operiert. Dabei kam es zu einer Nervenschädigung. Nach dem Befund des Inselspitals Bern liegt eine hochgradige (80%) axonale Dauerschädigung der sensiblen Endäste des Nervus medianus im Bereich des rechten Daumens vor. Als Folge des operativen Eingriffs entwickelten sich eine neue, weitaus schwerwiegendere Schmerzsymptomatik sowie Sensibilitätsstörungen. Am 2. Dezember 2002 erfolgte die Operation eines mit dem Unfall nicht in Kausalzusammenhang stehenden Karpaltunnelsyndroms an der rechten Hand, welche zu keiner Besserung führte.
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1.2 Im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall erbrachte die A.________ Unfallversicherung zunächst Leistungen für Heilungskosten und Taggelder, stellte diese indes ab 7. November 2003 wegen Zweifel an den geltend gemachten Beschwerden ein. Mit Verfügung vom 27. August 2004 wurde der Beschwerdegegnerin rückwirkend per 1. August 2001 eine halbe IV-Rente bei einem Invaliditätsgrad von 55% zugesprochen. Am 29. März 2005 richteten die für die langfristigen UVG-Leistungen zuständigen B.________ Versicherung der Beschwerdegegnerin eine Integritätsentschädigung von Fr. 14'952.-- (14%) aus. Den Anspruch auf eine IV-Rente lehnten sie mangels unfallkausaler Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vollumfänglich ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess mit Urteil vom 30. September 2006 eine von der Beschwerdegegnerin geführte Beschwerde gut, hob den Einspracheentscheid auf und wies die Akten an die B.________ Versicherung zur genaueren Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zurück.
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Ein daraufhin von Prof. Dr. C.________ erstelltes Gutachten vom 26. März 2007 (Strafakten Bd. 1 act. 72 ff.) gelangte zum Schluss, als Folge der Beschwerden sei die rechte Hand praktisch nicht mehr einsetzbar. Ausserdem liege ein Schmerzsyndrom vor, welches als äquivalent zu einem Amputationsschmerz des rechten Daumens zu betrachten sei. Der Beschwerdegegnerin seien Tätigkeiten, bei welchen beide Hände eingesetzt würden, unzumutbar. Die Leistungsfähigkeit für linkshändige und mentale Tätigkeiten sei auf 50% vermindert.
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Die B.________ Versicherung beauftragte daraufhin ein privates Detektivbüro mit der Observation der Beschwerdegegnerin. Die während fünf Tagen in der Zeit vom 11. bis 22. Juni 2007 durchgeführte Observation erhärtete die wesentliche Funktionsbeeinträchtigung des rechten Armes der Beschwerdegegnerin nicht. Die Beschwerdegegnerin zeigte im Gegenteil im observierten Alltag keine Schutzhaltung des Armes und konnte die beobachteten Arbeiten des täglichen Lebens ohne Einschränkungen verrichten. Gestützt hierauf erstattete die B.________ Versicherung am 5. Oktober 2007 gegen die Beschwerdegegnerin Strafanzeige wegen Betruges (angefochtenes Urteil S. 4 ff.; erstinstanzliches Urteil S. 2 ff., 10 ff. [Strafakten Bd. 2, S. 358 ff.]; Beschwerde S. 3).
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2.
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Die Vorinstanz nimmt an, die Befunde des Experten im neurologischen Gutachten vom 26. März 2007 wichen erheblich ab von den im Ermittlungsbericht des privaten Detektivbüro getroffenen Feststellungen über die gesundheitlichen Einschränkungen der Beschwerdegegnerin. Deren Darstellung ihrer Beschwerden gegenüber dem Gutachter, wonach sie die rechte Hand seit dem Unfall vom August 2000 praktisch nicht mehr einsetzen könne, seien objektiv so nicht haltbar. Die Beschwerdegegnerin habe ihren im Zeitpunkt der Begutachtung aktuellen objektiven Status gegenüber dem Experten jedenfalls insofern tatsachenwidrig dargelegt, als sie geltend machte, sie könne nach wie vor keine Tätigkeiten ausführen, bei welchen beide Hände zum Einsatz gelangten. Insoweit habe sie ihre Schmerzen und die damit verbundene Bewegungseinschränkungen des rechten Armes übertrieben bzw. aggravierend dargestellt (angefochtenes Urteil S. 18 f., 21).
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In subjektiver Hinsicht gelangt die Vorinstanz zum Schluss, es könne der Beschwerdegegnerin nicht entgangen sein, dass sie ihren Gesundheitszustand gegenüber dem Gutachter übertrieben und insoweit tatsachenwidrig dargestellt habe. Zu ihren Gunsten sei indes davon auszugehen, dass ihre Übertreibung durch jahrelange, objektiv ausgewiesene und unbestrittene Einschränkungen bedingt und geprägt gewesen sei, welche nicht nur in ihrem Berufsleben als Zimmermädchen, sondern auch in ihrem Alltagsleben als Mutter und Hausfrau manifest geworden und welche jedenfalls phasenweise sowie mit auf Dauer zermürbenden Schmerzen verbunden gewesen gewesen seien. Ihre im Rahmen der Exploration durch den Gutachter erfolgten Übertreibungen erschienen daher subjektiv als vertretbare Darstellung von persistierenden Beschwerden einer langzeittraumatisierten Patientin (angefochtenes Urteil S. 19).
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Ausserdem nimmt die Vorinstanz im Rahmen einer hypothetischen Prüfung an, die übertriebene Darstellung ihrer Beschwerden gegenüber dem Gutachter begründe keine Arglist, zumal erstellt sei, dass gewisse, vom Unfall im Jahre 2000 herrührende Beschwerden bei der Beschwerdegegnerin nach wie vor vorhanden seien. Der Gutachter sei denn auch nach seiner Auffassung nicht mutwillig getäuscht worden. Er habe seine Expertise trotz anfänglicher Zweifel im blinden Vertrauen auf die Angaben der Beschwerdegegnerin abgestellt und insgesamt leichtgläubig, unkritisch und vorschnell verfasst. Ausserdem habe die Beschwerdegegnerin angesichts der von den Versicherungen und den Ärzten von Anbeginn an geäusserten Bedenken nicht davon ausgehen können, ihre Angaben würden unbesehen akzeptiert und nicht weiter überprüft (angefochtenes Urteil S. 20, 23 ff).
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3.
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3.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst das theatralische, massiv übertriebene Verhalten der Beschwerdegegnerin anlässlich der Exploration durch den Gutachter lasse sich nicht als subjektiv vertretbare Darstellung von persistierenden Beschwerden würdigen. Diese Begründung stehe in offensichtlichem Widerspruch zur Annahme der Vorinstanz, die Beschwerdegegnerin habe ihre gesundheitliche Beeinträchtigung gegenüber dem Gutachter tatsachenwidrig und übertrieben dargestellt. Entweder habe die Beschwerdegegnerin tatsächlich derart starke Schmerzen verspürt, welche die Schon- und Zwangshaltung ihres Armes erkläre, oder sie habe dem medizinischen Experten etwas vorgespielt. Die Feststellung des Sachverhalts sei in diesem Punkt offensichtlich unrichtig (Beschwerde S. 4 f.).
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3.2 Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB begeht ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. Eventualvorsatz liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw. die Verwirklichung des Tatbestands für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 134 IV 26 E. 3.2.2; 133 IV 222 E. 5.3).
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Nach der Rechtsprechung betrifft, was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, sogenannte innere Tatsachen, und ist damit Tatfrage. Rechtsfrage ist demgegenüber, ob im Lichte der von der kantonalen Instanz festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz berechtigt erscheint (BGE 134 IV 26 E. 3.2.2; 133 IV 222 E. 5.3; 130 IV 58 E. 8.5 je mit Hinweisen).
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3.3 Der Sachverständige führt in seinem Gutachten aus, die Beschwerdegegnerin halte bei der neurologischen Untersuchung den rechten Arm in einer steifen, antalgischen Haltung mit an den Oberkörper gepresstem Oberarm, angewinkeltem Ellbogen und maximal flektiertem Handgelenk; die Finger würden in einer halb flektierten Haltung steif gehalten und die rechte Schulter sei bei aktiver Armabduktion blockiert. Es bestehe eine deutliche Druckdolenz im Bereich des Daumengrundgelenks rechts. Das Entkleiden gelinge nur mühsam, weil der rechte Arm und die rechte Hand kaum eingesetzt würden. Am rechten Arm lasse sich wegen der Schmerzen die Kraft nicht prüfen (Gutachten S. 6). Der Gutachter bestätigte schliesslich, dass die Beschwerdegegnerin an chronischen neurogenen Schmerzen leide (Gutachten S. 13).
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Diese Feststellungen des Gutachters standen in Widerspruch mit den Ergebnissen der Observation der Beschwerdegegnerin durch das private Detektivbüro. Im Ermittlungsbericht vom 6. Juli 2007 (Strafakten Bd. 1 act. 97 ff.) habe die Beschwerdegegnerin bei beobachteten Haushaltsarbeiten, Einkäufen und Autofahrten beide Hände gleichermassen benutzt, namentlich etwa mit der rechten Hand gebügelt, die Autotüre mit der rechten Hand geöffnet und den Einkaufskorb im rechten Arm getragen. Eine Schutzstellung des rechten Arms, Bewegungseinschränkungen oder Anzeichen von Schmerzen hätten nicht beobachtet werden können (Ermittlungsbericht S. 7 f.; vgl. auch Video, Strafakten Bd. 1 act. 135).
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3.4 Es steht fest, dass die Beschwerdegegnerin durch den Arbeitsunfall und die nachfolgende Operation eine Körperschädigung erlitten hat. Insofern wird der Beschwerdegegnerin nicht vorgeworfen, sie habe ihre Sensibilitätsstörungen und Schmerzen frei simuliert. Die Vorinstanz nimmt aufgrund des Observationsberichts indes zu Recht an, der Beschwerdegegnerin habe nicht verborgen bleiben können, dass sie ihren Gesundheitszustand bei der Exploration durch den Gutachter jedenfalls übertrieben habe. Damit ist das Merkmal der Täuschung erfüllt.
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In Bezug auf das Ausmass der körperlichen Beeinträchtigung hat die Beschwerdegegnerin gegenüber dem Gutachter somit ausdrücklich und konkludent einen Gesundheitszustand vorgespiegelt, der so nicht bestand, und damit zumindest in Kauf genommen, dass jener in Bezug auf das Ausmass ihrer Gesundheitsbeeinträchtigung und damit auch auf den Umfang der Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit zu einem falschen Schluss gelangt. Damit steht ausser Frage, dass die Beschwerdegegnerin insoweit mit Vorsatz gehandelt hat. Angesichts der Diskrepanz zwischen der gegenüber dem Gutachter präsentierten Schutzhaltung des Arms und dem durch die Observation dokumentierten Einsatz desselben bei alltäglichen Verrichtungen lassen sich die übertreibende Darstellung ihrer Beschwerden durch die Beschwerdegegnerin entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht ernsthaft als vertretbare Darstellung von persistierenden Beschwerden einer langzeittraumatisierten Patientin umdeuten. Dass die Beschwerdegegnerin wie andere Patienten mit Langzeitschmerzen im Laufe der Jahre gelernt habe, mit ihren Beschwerden umzugehen und diese im Alltagsleben nicht mehr als gleich gravierend wahrnehme wie zu Beginn, mag zutreffen. Doch ändert dies nichts daran, dass die gegenüber dem Experten demonstrierte Einschränkung mit den durch die Observation belegten motorischen Fähigkeiten widerlegt wird. Insofern leidet die Begründung des angefochtenen Urteils, wie der Beschwerdeführer mit Recht einwendet, an einem Widerspruch.
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4.
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4.1 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Vorinstanz habe das Tatbestandsmerkmal der Arglist zu Unrecht verneint. Die Beschwerdegegnerin habe im observierten Alltag nicht die geringsten Schutzmassnahmen gezeigt und in den verschiedensten Situationen ihre rechte Hand eingesetzt und unter Einsatz des Daumens dezidiert zugegriffen. Indem diese während der drei- bis vierstündigen Exploration eine Abwehrhaltung mit blockierender Verkrampfung des gesamten rechten Arms und der rechten Schulter beibehalten und diese angebliche Schmerz- und Zwangshaltung durch Schwierigkeiten beim Entkleiden unterstrichen habe, habe sie sich eigentlicher betrügerischer Machenschaften bedient, welche zusammen mit dem seit Jahren aufrechterhaltenen Schein und den eigenanamnetischen Angaben sowie der Beschreibung der angeblich aktuellen Beeinträchtigungen das Merkmal der Arglist erfülle. Ein konsequentes und glaubhaftes Schauspiel während einer derart langen Untersuchungsdauer erfordere eine gute Vorbereitung sowie hohe Aufmerksamkeit und Konzentration bei der Gesprächsführung, der Mimik, der Körperhaltung und der Motorik. Das Verhalten der Beschwerdegegnerin stelle zusammen mit den ausdrücklichen und konkludenten Falschangaben ein kohärentes Ganzes dar, welches auch ein kritisches Opfer zu täuschen vermöge. Die Arglist ergebe sich im Weiteren auch aus der fehlenden Überprüfbarkeit der täuschenden Angaben, zumal die Abwesenheit der vorgespiegelten Schmerzen vom Experten nicht durch übliche Untersuchungsmethoden nachgewiesen werden könne. Die Beschwerdegegnerin habe den Gutachter durch die vorgegebenen Schmerzen und die Schutzhaltung des Armes von der Prüfung der Beweglichkeit und Kraft von Hand, Arm und Schulter bei der Exploration bzw. zu einem späteren Zeitpunkt abgehalten (Beschwerde S. 5 ff.).
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4.2 Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich des Betrugs u.a. schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen anderen am Vermögen schädigt.
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Der Tatbestand erfordert eine arglistige Täuschung. Der Täter muss mit einer gewissen Raffinesse oder Durchtriebenheit täuschen. Einfache Lügen, plumpe Tricks oder leicht überprüfbare falsche Angaben genügen nicht. Die Arglist der Täuschung beurteilt sich im Weiteren unter Berücksichtigung der Eigenverantwortlichkeit des Opfers. Danach ist zu prüfen, ob das Opfer den Irrtum bei Inanspruchnahme der ihm zur Verfügung stehenden Selbstschutzmöglichkeiten hätte vermeiden können. Wer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen bzw. den Irrtum durch ein Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können, wird nach der Rechtsprechung strafrechtlich nicht geschützt. Dabei kommen der jeweiligen Lage und Schutzbedürftigkeit des Betroffenen bzw. seiner Fachkenntnis und Geschäftserfahrung im Einzelfall besondere Bedeutung zu. Die Erfüllung des Tatbestands erfordert indes nicht, dass das Täuschungsopfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle erdenklichen Vorkehren trifft. Arglist scheidet nur aus, wenn es die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet. Entsprechend entfällt der strafrechtliche Schutz nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Opfers, sondern nur bei Leichtfertigkeit.
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In diesem Sinne wird Arglist von der Rechtsprechung bejaht, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses; mise en scène) bedient. Einfache falsche Angaben sind arglistig, wenn ihre Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung der Angaben auf Grund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde. Der Gesichtspunkt der Überprüfbarkeit der falschen Angaben erlangt nach der neueren Rechtsprechung auch bei einem Lügengebäude oder bei betrügerischen Machenschaften Bedeutung. Auch in diesen Fällen ist das Täuschungsopfer somit zu einem Mindestmass an Aufmerksamkeit verpflichtet und scheidet Arglist aus, wenn es die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet hat (BGE 135 IV 76 E. 5.2; 128 IV 18 E. 3a; 126 IV 165 E. 2a; 125 IV 124 E. 3; 122 IV 246 E. 3a).
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4.3 Das Verhalten der Beschwerdegegnerin anlässlich der Exploration durch den Gutachter, namentlich die übertriebene Darstellung ihrer Schmerzen und der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit in Verbindung mit der verkrampften antalgischen Haltung ihres rechten Arms sowie die vorgespielten Schwierigkeiten beim Entkleiden sind als besondere betrügerische Machenschaften zu würdigen. vgl. BGE 132 IV 20 E. 5.4 mit Hinweisen). Die Beschwerdegegnerin hat ihre jedenfalls im vorgegebenen Ausmass nicht vorhandenen Schmerzen und Beeinträchtigungen dem Gutachter in einer eigentlichen Inszenierung vorgespielt. Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, hat dies angesichts der Dauer der Exploration von drei bis vier Stunden eine systematische Vorbereitung sowie ein hohes Mass an Konzentration erfordert. Mit ihrer übertriebenen Darstellung hat sie den Gutachter auch von einer Überprüfung ihrer Angaben, namentlich von einer Kraftprüfung abgehalten. Zutreffend macht der Beschwerdeführer auch geltend, Vorhandensein und Ausmass chronischer Schmerzen sei objektiv nur beschränkt überprüfbar. Der Gutachter ist für seine medizinische Diagnose auf die Schilderungen des Exploranden angewiesen und darf sich grundsätzlich darauf verlassen, auch wenn dabei nicht von einem eigentlichen Vertrauensverhältnis zwischen Explorand und Sachverständigem ausgegangen werden kann.
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Im Übrigen hat der medizinische Experte im vorliegenden Fall nicht ausschliesslich auf die Darstellung der Beschwerdegegnerin abgestellt, sondern deren Angaben im Rahmen seiner Möglichkeiten überprüft. So hat er sich einlässlich mit den vorhandenen Unterlagen auseinandergesetzt und selber neurophysiologische Untersuchungen durchgeführt. Ausserdem hat er die Beschwerdegegnerin sich entkleiden lassen, um die Beweglichkeit des Arms bei einer alltäglichen Verrichtung zu testen, und auch versucht, den rechten Arm der Beschwerdegegnerin für die neurologischen Untersuchungen zu strecken, was aber nicht bis zu einer normal ausgestreckten Position gelang (Strafakten Bd. 1 act. 179). Aufgrund der von der Beschwerdegegnerin hierbei demonstrierten Einschränkungen in der Beweglichkeit ist er in seiner Auffassung bestärkt worden, der Arm sei praktisch nicht mehr einsetzbar. Aus dem blossen Umstand, dass eine mehrtägige, drei Monate nach der Begutachtung durchgeführte Observation die Beurteilung des Experten widerlegte, kann nicht unbesehen darauf geschlossen werden, dieser habe sein Gutachten vorschnell und leichtfertig erstattet.
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Damit erweist sich die Täuschung als arglistig. Indem die Beschwerdegegnerin dem Gutachter einen falschen Gesundheitszustand vorspiegelte, hat sie mittelbar, durch das von jenem erstellte Gutachten auch die Versicherung getäuscht. Der Freispruch der Beschwerdegegnerin von der Anklage des Betruges verletzt aus diesen Gründen Bundesrecht.
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5.
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Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die unterliegende Beschwerdegegnerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann indes gutgeheissen werden. Es sind daher keine Kosten zu erheben. Dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin ist aus der Bundesgerichtskasse eine angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 64 Abs. 2 BGG). Dem Beschwerdeführer ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 14. August 2009 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
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3.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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4.
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Dem Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
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5.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 19. April 2010
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Favre Boog
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